Abendmahlsstreit

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Als Abendmahlsstreit werden in der Kirchengeschichte Lehrkonflikte um die Eucharistie bzw. das Abendmahl bezeichnet:

Auch für die gegenwärtige Ökumene zwischen beiden Konfessionen spielt die Abendmahlslehre eine zentrale Rolle, so dass der Streit innerhalb der einen Konfession die Relation zur anderen mitbestimmt.

Der katholische Streit um die Eucharistie

Die eucharistischen Streitigkeiten setzen im 9. Jh. ein: Amalar von Metz († um 850) hielt es bereits mit einer neuen Definition, nach der das eucharistische Brot in Fleisch verwandelt werde; dieses geschehe als Nachahmung des Handelns Christi beim Letzten Abendmahl sowie seinem Auftrag, aber im Sinne eines Opfers (sacrificium) von Volk und Priester, damit Gott ihre Sünden nicht anrechnen möge. Amalars Messlehre war prägend für das gesamte weitere Mittelalter: Für ihn ist der eucharistische Leib Christi tatsächlich der Leib Christi nach Art der uns erscheinenden physischen Wirklichkeit. Daneben bestand aber weiterhin die ältere Tradition des geistigen Opfers, z.B. bei Florus von Lyon († 860), bei dem das eucharistische Opfer der Sammlung und Vereinigung der einen Kirche Jesu Christi dient. Mit Augustinus betont er die „heilsgeschichtliche Wertung des Sakraments“ in dessen Aufgabe der mystischen Vereinigung von Kirche und Christus.

Mit Amalar von Metz versuchte sich Paschasius Radbertus († 850) in seinem „Liber de corpore et sanguine Domini“ (lat.: Buch vom Leib und Blut des Herrn) an einer Bündelung der patristischen Literatur zur Eucharistie: Christus werde – auch wenn er nicht mehr stirbt – in der eucharistischen Feier im Mysterium geopfert und zur Abwaschung der Sünden genossen. Die eucharistischen Speisen verwandeln sich realistisch gedacht in das, was der Glaube von außen von ihnen bekenne, in den historischen Leib Christi: Realität ließ sich nur als materielle Präsenz denken.

Sein materieller Realismus war dann auch Anlass des sog. ersten Abendmahlsstreites, der Frage nach dem Realitätsstatus der eucharistischen Zeichen: als Gegner des Paschasius trat Rabanus Maurus (†856) auf: er vertrat weiterhin die ältere, augustinische Auffassung einer Unvereinbarkeit von Symbol und Realität, die sich konträr gegenüberstanden. Durch eine Harmonisierung augustinischer und ambrosianischer Theologie, durch die Verteidigung der Vereinbarkeit von veritas und figura setzte Paschasius Radbertus diesem Abendmahlsstreit ein Ende: Die Eucharistie sei von ihrer Eigenart her zugleich eine wirkliche und eine symbolische Wirklichkeit.

Die Entscheidung zugunsten einer Realpräsenz Christi in der Eucharistie fiel im 11./ 12. Jh.. Schon im 9. Jh. hatte Karl der Kahle, hier stellvertretend zitiert, die Frage an Ratramnus von Corbie gestellt, ob Leib und Blut Christi in der Eucharistie als Glaubensgeheimnis oder tatsächlich entstünden (in mysterio fiat an in veritate) und ob der zu genießende Leib der von der Maria geborene Leib Christi sei oder der des nach seiner Himmelfahrt erhöhten und zur Rechten Gottes sitzende Christus. Die Antwort des Ratramnus war die, dass, da keine physische Veränderung mit der Wandlung der eucharistischen Speisen bemerkbar sei, könne die Umwandlung auch nur geistig (spiritualiter), nicht aber körperlich (corporaliter) geschehen sein. Sie sei daher nur bildhaft (figuraliter) vollzogen. So seien Brot und Wein nicht in Wahrheit Leib und Blut Christi, sondern nur abbildhaft, als figurae in ihrer sichtbaren Gestalt, und nur ihrem unsichtbaren Wesen nach Leib und Blut Christi: sie stellten eine rein geistliche Speise und einen geistigen Trank dar. Deswegen bestünde auch ein Unterschied zwischen dem Leib Christi der Eucharistie und dem Passionsleib Christi, dessen Gedächtnis nur durch die eucharistischen Speisen dargestellt würden.

Mit diesem „antirealistischen Symbolismus“ argumentierte auch Berengar von Tours im 11. Jh.: Für ihn war die Vorstellung eines Realgedächtnisses eine Gefährdung des einzigartigen Kreuzesopfers Christi; so war eine realistische Gegenwart von Leib und Blut unter den eucharistischen Speisen für ihn nicht denkbar. Ihm gegenüber bestanden andere (Hugo von Langres, Durandus von Troarn) auf einer solchen realen Gegenwartsweise: Das Interesse der gegen Berengar und seinen Symbolismus argumentierenden Theologen bestand in der Herausstellung der Identität von historischem und sakramentalem Leib.

Jener Streit endete schließlich damit, dass Berengar auf einer römischen Synode 1059 zur Unterzeichnung eines Bekenntnisses aus der Feder des Kardinalbischofs Humbert von Silva Candida gezwungen wurde: Brot und Wein seien nicht nur Zeichen, sondern wahrhaft (non sensualiter, sed in veritate) Leib und Blut Christi (verum corpus et sanguinem Christi), die in Wirklichkeit von den Priesterhänden berührt, gebrochen und beim Verspeisen mit den Zähnen zerrieben würden.

Gegenüber dem überspitzten Realismus der Bekenntnisformel Berengars näherten sich Lanfrank von Bec und sein Schüler Guitmund von Aversa der Lehre von der Transsubstantiation an: Die äußere Form bliebe den eucharistischen Gaben erhalten, von ihrem Wesen würden sie in den Leib Christi gewandelt (converti in essentiam Dominici corporis), was sachlich bereits eine Unterscheidung von Substanz und Akzidens darstellt. Lanfranc unterscheidet zwischen den sichtbaren Teilen des Sakraments (visibili elementorum specie) und der unsichtbaren Sache, dem corpus Christi.

Guitmund arbeitet weitergehend den Wandlungsbegriff heraus: Er sieht die Wandlung als substantielle Umwandlung (substantialiter transmutari), bei der die Akzidentien der bestehenden Materie Brot und Wein erhalten blieben.

Der Ertrag der beiden wurde durch das IV. Lateranum 1215 sanktioniert und mit dem Begriff der Transsubstantiation besetzt, der zum ersten Mal um die Mitte des 12. Jh.s auftauchte und sich als Kurzbegriff für den eucharistischen Glauben bereits weit verbreitet hatte; so war er bereits auch die kanonistischen Sammlungen Ivo von Chartres († 1116) und in das Decretum Gratiani (1140) vorgedrungen. Die Früh- und Hochscholastik hatte sich mit den weitergehenden Fragen zu beschäftigen, in etwa mit der, wo nach der Wandlung die Substanz des Brotes verbliebe; Hugo von St. Viktor etwa sprach von einem Übergehen der wahren Substanz des Brotes in die wahre Substanz des Christusleibes. Das IV. Lateranum definierte in seinem ersten Kanon das wahrhaftige Vorhandensein Jesu Christi unter den Gestalten von Brot und Wein (transsubstantiatis pane in corpus et vino in sanguinem), insofern es von durch die Schlüsselgewalt der Kirche richtig dazu geweihten Priester vollzogen werde.

Mit dem Siegeszug der „Transsubstantiationslehre“ veränderte sich auch die Frömmigkeit gegenüber den konsekrierten Hostien: Seit der Mitte des 11. Jh.s finden sich Kniebeugen und Inzension zur Verehrung, gegen Ende des 12. Jh.s wurde die Elevation eingeführt, die sich schnell verbreitete und im 13. Jh. allgemein üblich war, ebenso wie die „Tabernakelfrömmigkeit“ zu Beginn des 13. Jh.s. und das eucharistische Festum Corporis Christi seit seiner offiziellen Einführung 1264.

Der evangelische Abendmahlsstreit

Der Ausdruck Abendmahlsstreit bezeichnet im engeren Sinn den Konflikt zwischen den Reformatoren Luther und Zwingli sowie ihren beiderseitigen Anhängern um das Sakramentsverständnis des Abendmahls.

Nachdem Ulrich Zwingli in Zürich im Herbst 1524 in einem offenen Brief seinen Standpunkt deutlich gemacht hatte, unterstützte ihn Johannes Oekolampad von Basel aus mit einer im September 1525 erschienenen Schrift. Die lutherischen Theologen um Johannes Brenz in Schwäbisch Hall antworteten mit ihrem "Syngramma".

1529 traf sich Zwingli mit Luther und Landgraf Philipp von Hessen. Er war - was die Rechtfertigungslehre betraf - mit Luther einig. Eine Rechtfertigung vor Gott sei nicht durch gute Werke zu erlangen, sondern allein durch den Glauben an den einen Gott und den Sühnetod Christi. Bei dem Treffen in Marburg (Marburger Religionsgespräche) zeigte sich jedoch schnell, wie erheblich die Auffassungen beider Männer voneinander abwichen. Luther sah im Abendmahl das tiefste Erlebnis der sichtbar gewordenen Gnade Gottes. Denn in der Einsetzung des Abendmahls komme es zur praedicatio identica, zu „Leibsbrot“ und „Blutswein“, wie Luther sich in seiner Schrift „Vom Abendmahl Christi. Bekenntnis“ 1528 ausdrückt. In, mit, und unter Brot und Wein werde der wahre Leib und das wahre Blut Christi ausgeteilt und mit dem Mund empfangen (Realpräsenz).

Der humanistisch geprägte Zwingli sah im Abendmahl und seinen Elementen allein eine symbolhafte Kraft, die lediglich die Erinnerung an den Auferstandenen wecken sollte. In ähnlicher Weise lehrte der Reformator Jean Calvin, dass Christus während des Abendmahls geistig, aber nicht materiell anwesend sei. Gemeinsam abgelehnter Ausgangspunkt aller drei Abendmahlsauffassungen war jedoch die katholische Lehre der Transsubstantiation, nach der Wein und Brot sich während der Abendmahlsfeier tatsächlich und dauerhaft in Blut und Fleisch Jesu verwandeln.

Im dritten Viertel des 16. Jahrhunderten kam es zwischen den Gnesiolutheranern und den Philippisten zum so genannten zweiten Abendmahlsstreit.

Literatur

  • Gerhard Kiesow: Von Rittern und Predigern. Die Herren von Gemmingen und die Reformation im Kraichgau. verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher 1997 S. 65-73.
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