Abraxas

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Mit Abrasax (griech. ΑΒΡΑΣΑΞ) – diese Bezeichnung findet sich in den Quellen erheblich häufiger als das populärere Abraxas (ΑΒΡΑΞΑΣ), das vermutlich aus der Verwechslung der griechischen Buchstaben Sigma und Xi in der lateinischen Übersetzung entstanden ist[1] – bezeichnete der ägyptische Gnostiker Basilides, der um das 2. Jahrhundert n. Chr. gelebt hat, das Symbol des höchsten Urwesens, aus dem nach ihm die fünf Urkräfte Geist, Wort, Vorsehung, Weisheit und Macht hervorgegangen sind. Basilides’ Anhänger verehrten Abraxas als höchsten Gott, der angeblich auch Jesus auf die Welt entsandt hat, den sie zwar nur als Geist, aber dennoch als Sohn des alttestamentarischen Gottes JHWH und Messias betrachteten.

Das Wort findet sich aber schon vor Basilides, so etwa auf hellenistischen Zauberpapyri, wo es offenbar einen mächtigen Dämon bezeichnet, oder auch auf altertümlichen Amulettsteinen, wo es offenbar als der wahre Name Gottes steht. Ohne Frage spielte Abraxas bei vielen magischen Praktiken eine wichtige Rolle (siehe Abrakadabra).

Der Kult um Abraxas ist bis ins Mittelalter lebendig geblieben und hatte auch in der Renaissance noch viele Anhänger. Auch heute gibt es viele Künstler, die sich vom atavistischen Charakter des Abraxaskultes inspirieren lassen. Abraxas wird heute aufgrund seiner blasphemischen Deutungsmöglichkeit oft mit satanistischen Strömungen in Verbindung gebracht.

Ursprung und Name

Das Wort Abrasax, genau wie Abraxas, ist eine Folge von sieben griechischen Buchstaben, die für die Wochentage stehen und in der Numerologie zusammen den Zahlenwert 365 ergeben. Mit α = 1, β = 2, ρ = 100, σ = 200 und ξ = 60 ergibt sich nämlich aus griech. αβρασαξ:

α + β + ρ + α + σ + α + ξ = 1 + 2 + 100 + 1 + 200 + 1 + 60 = 365

365 ist die Anzahl der Tage im Sonnenjahr. Somit verkörpert Abraxas, genau wie der persische Gott Mithras, die Zeit, in der die Sonne einmal den Tierkreis durchwandert, und darüber hinaus, in seiner Funktion als Gottheit der Numerologie, die 365.000 Jahre bzw 365 Äonen, in denen die Welt existieren soll. Ein „Tag Gottes“ entspricht dabei 1000 menschlichen Jahren, wie sich auch der Bibel (Psalm 90,4) entnehmen lässt.

Denn tausend Jahre sind für dich wie der Tag, der gestern vergangen ist, wie eine Wache in der Nacht.(Psalm 90,4 EU)

Andere Auslegungen führen den Namen auf die ägyptischen Wörter abrac und sax zurück (siehe Johann Joachim Bellermann).

Außerdem versinnbildlicht das Wort Abraxas die 7 Planeten sowie die 7 Stufen zur Erleuchtung des Menschen. In der frühchristlichen Zeit soll er sogar gleichbedeutend gewesen sein mit „unser Vater“ und „Herr der Heerscharen“, was eine Gleichsetzung mit Mithras und Jahwe bedeutet. Später begannen die Christen dann den gnostischen „Herrn der Welt“ als Dämon anzusehen.

Abraxas prägte auch das Zauberwort Abara-kadabara, heute eher als „Abrakadabra“ bekannt.

Irenäus von Lyon

Irenäus von Lyon (Gegen die Häretiker, Buch 1, 24, 1-7) berichtet über die Lehren des Basilides:

„Basilides dehnt seine Lehrmeinung ins Unendliche aus, um den Schein größerer Tiefe und Glaubwürdigkeit zu erwecken. Er lehrt folgendes: Von dem ungezeugten Vater ist zunächst der Nous gezeugt, von diesem der Logos, von dem Logos die Phronesis, von der Phronesis die Sophia und Dynamis, von der Sophia und Dynamis die Kräfte, Mächte und Engel, die er die ersten nennt, und von diesen ist der erste Himmel erschaffen. Von ihnen sind andere Engel abgeleitet und erschaffen, diese machten einen zweiten Himmel ähnlich dem ersten. Von diesen entstanden auf ähnliche Weise durch Ableitung wieder andere, als Abbilder der oberen, und diese machten einen dritten Himmel. Aus dem dritten Himmel entstand der vierte und so fort auf dieselbe Weise immer weitere Fürsten und Engel und 365 Himmel. Nach dieser Himmelszahl hat denn auch das Jahr ebenso viele Tage.“

Irenäus: Gegen die Häretiker I,24,3 [1]

„Die örtliche Lage der 365 Himmel bestimmen sie ähnlich wie die Mathematiker. Ihre Lehrsätze haben sie übernommen und verwenden sie für die besondere Art ihrer Lehre. Ihr Fürst heißt Abraxas; der Zahlenwert der Buchstaben dieses Namens beträgt 365.“

Irenäus: Gegen die Häretiker I,24,7 [2]

„Den letzten Himmel, den wir sehen, erfüllen die Engel, welche alles, was in der Welt ist, gemacht haben. Sie haben die Erde und die Völker, die auf der Erde sind, unter sich verteilt. Ihr Anführer ist der Gott der Juden. Da dieser nun seinen Leuten, d. h. den Juden, die andern Völker unterwerfen wollte, erhoben sich die andern Fürsten gegen ihn und durchkreuzten seine Pläne. Deshalb sind auch die andern Völker seinem Volke feindlich gesonnen.

Wie aber der ungezeugte und unnennbare Vater ihre Verderbtheit sah, sandte er seinen eingeborenen Nous, der Christus genannt wird, um die, welche an ihn glauben würden, von der Herrschaft jener zu befreien, die die Welt gemacht haben. Er erschien auch ihren Völkern auf Erden als Mensch und vollendete die Kräfte. Aber er hat nicht gelitten, sondern ein gewisser Simon von Cyrene, den man zwang, für ihn das Kreuz zu tragen. Dieser wurde irrtümlich und unwissentlich gekreuzigt, nachdem er von ihm verwandelt war, so daß er für Jesus gehalten wurde. Jesus aber nahm die Gestalt des Simon an und lachte sie aus, indem er dabeistand. Er war ja die unkörperliche Kraft und der Nous des ungezeugten Vaters, deswegen konnte er sich nach Belieben verwandeln und stieg so wieder zu dem hinauf, der ihn gesandt hatte, indem er derer spottete, die ihn nicht halten konnten, und unsichtbar für alle war. Befreit also sind, die dies wissen, von den Schöpferfürsten der Welt. Nicht den Gekreuzigten darf man bekennen, sondern den, der anscheinend gekreuzigt wurde, Jesus hieß und vom Vater gesandt wurde, um durch diese Veranstaltung die Werke derer zu zerstören, die die Welt gemacht haben. Wer also noch den Gekreuzigten bekennt, der ist ein Sklave und unter der Gewalt jener, welche die Körperwelt gemacht haben; die andern aber sind ihrer Macht ledig, sie wissen, wie es der ungezeugte Vater geordnet hat.“

Irenäus: Gegen die Häretiker I,24,4 [3]

Die Erlösung betrifft nach Basilides nur die Seele, der Körper muss zerfallen. Von der Auferstehung des Leibes kann hier keine Rede sein.

Darstellung

Abraxas, Nordisk familjebok
Ein Abraxas-Amulett

Die Erscheinung dieses Wesens ist von mannigfachen Tierbildern geprägt: Einem menschlichen Rumpf, einem Hahnenkopf und Schlangenfüßen. Bei sich trägt er eine Peitsche und einen Schild, welchen ein wie ein Doppelkreuz gestalteter Zweig umgibt. Diese Bilder sind repräsentativ für die oben genannten Urkräfte.

  • Schlangenfüße: Geist und Wort (Logos und Nus)
  • Hahnenkopf: Vorsehung (Phronesis); Verkünder des Tageslichts und des Morgens
  • Peitsche bzw. Geißel: Macht (Dynamis); diente dazu Geister zu vertreiben
  • Schild: Weisheit (Sophia)

Dieser „hahnenköpfige Gott“ gilt als Lichtgestalt, Symbol der Zeugung und Zeichen für Sieg und Glück.

Die Abraxassteine mit diesem Wort oder auch mit dem Abbild des Wesens dienten als Amulette zum Schutz gegen negative Kräfte.

Zitate

„… unser Gott heißt Abraxas, und er ist Gott und ist Satan, er hat die lichte und die dunkle Welt in sich. […] Der Vogel kämpft sich aus dem Ei. Das Ei ist die Welt. Wer geboren werden will, muß eine Welt zerstören. Der Vogel fliegt zu Gott. Der Gott heißt Abraxas.“

C. G. Jung beschreibt in seinen Septem sermones ad mortuos den Abraxas als:

„… ist ein Gott über Gott […]. Gott, von dem Ihr nicht wusstet, denn die Menschen vergaßen ihn. Wir nennen ihn mit seinem Namen ABRAXAS. Um Gott von ihm zu unterscheiden, nennen wir Gott Helios oder Sonne. Der Abraxas ist Wirkung, ihm steht nichts entgegen, als das Unwirkliche, daher seine wirkende Natur sich frei entfaltet. Das Unwirkliche ist nicht, und widersteht nicht. Der Abraxas steht über der Sonne und über dem Teufel. Er ist das unwahrscheinlich Wahrscheinliche, das unwirklich Wirkende. Hätte das Pleroma ein Wesen, so wäre der Abraxas seine Verdeutlichung. Er ist zwar das Wirkende selbst, aber keine bestimmte Wirkung, sondern Wirkung überhaupt. Er ist unwirklich wirkend, weil er keine bestimmte Wirkung hat. Er ist auch Kreatur, da er vom Pleroma unterschieden ist. Die Sonne hat eine bestimmte Wirkung, ebenso der Teufel, daher sie uns viel wirksamer erscheinen als der unbestimmbare Abraxas. Er ist Kraft, Dauer, Wandel.“

Carl Gustav Jung: Septem sermones ad Mortuos (1916) - Sermo 2; basiert auf den gleichnamigen Werken Basilides, die er in Alexandria, der Stadt, in der sich Osten und Westen berühren, niederschrieb.

Nachwirkung

Thomas Morus nennt in seinem Roman Utopia Abraxas als den früheren Namen der Insel, bevor sie vom König Utopus in Utopia umbenannt wurde.

In Hermann Hesses Roman Demian findet ein Abraxas-Amulett Erwähnung, ferner wird der Mythos „Abraxas“ kurz in seinem Zusammenhang erläutert.

In Otfried Preußlers Kinderbuch Die kleine Hexe (1957) heißt der weise Rabe der kleinen Hexe Abraxas.

Auf dem Therion-Album Lemuria ist der neunte Titel Abraxas gewidmet. Thomas Karlsson schreibt dort unter anderem: „Das Zeichen des Abraxas / Der Kreis des Sonnenjahres / Tief im Winter wirst du sehen, wie die Sonne geboren wird.“

Abraxas ist auch der Name eines der erfolgreichsten Alben von Carlos Santana mit dem wohl bekanntesten Lied Black Magic Woman, erschienen 1970.

Terror Abraxas ist der Titel einer EP der australischen Band Deströyer 666 von 2003, deren Gründer, Sänger und Gitarrist KK Warslut den in der Symbolik der Band immer erscheinenden Hermesstab zum Ausdrücken des Dualismus der gnostischen Gottheit Abraxas aufgreift und nicht zur Repräsentation des Archetyps Hermes, des griechischen Gottes der Magie.[2]

Abraxas ist der Titel eines Balletts in fünf Bildern von Marcel Luipart (Choreographie) und Werner Egk (Musik und Libretto), uraufgeführt am 6. Juni 1948 am Prinzregententheater München.[3]

Literatur

  • Helmut Werner: Lexikon der Numerologie und Zahlenmystik, Komet, ISBN 3-89836-132-2
  • A. A. Barb: Abraxas-Studien. In: Hommages à Waldemar Deonna, Collection Latomus 28 (1957), S. 67–86.
  • Albrecht Dieterich: Abraxas. Studien zur Religionsgeschichte des spätern Altertums. Teubner, Leipzig 1891. Neudruck: Scientia-Verlag, Aalen 1973, ISBN 3-511-00866-2.
  • Marcel Le GlayAbraxas. In: Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae (LIMC). Band I, Zürich/München 1981, S. 2–7.
  • Ioannis Macarii canonici Ariensis Abraxas, seu, Apistopistus : quæ est antiquaria de gemmis Basilidianis disquisitio. Accedit abraxas proteus, seu multiformis gemmae Basilidianae portentosa varietas. Antverpiae, ex officina Plantiniana Balthasaris Moreti, 1657 [{{{1}}} Digitalisat] (Johannes Macarius: Abraxas seu Apistopistus und Johannes Chiflet: Abraxas Proteus in einem Band)
  • Simone Michel: Die Magischen Gemmen: zu Bildern und Zauberformeln auf geschnittenen Steinen der Antike und Neuzeit. Bd. 1. Studien aus dem Warburg-Haus 7. Akademie Verlag, Berlin 2004.
  • Peter Zazoff: Die antiken Gemmen. Handbuch der Archäologie, Band 4. Beck, München 1983, S. 349–362.

Weblinks

Commons: Abraxas (deity) - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wiktionary: Abraxas – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Catholic Encyclopedia
  2. E.: Deströyer 666. In: Slayer, Nr. 20, Blood Fire Death, 2010, S. 72.
  3. Otto Friedrich Regner und Heinz-Ludwig Schneiders: Reclams Ballettführer, Philipp Reclam jun., Stuttgart 1980, S. 35, ISBN 3-15-008042-8.


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