Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim

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Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim

Heinrich (Henricus) Agrippa von Nettesheim (* 14. September 1486 in Nettesheim bei Köln; † 18. Februar 1535 in Grenoble) war ein deutscher Universalgelehrter, Theologe, Jurist, Arzt, und Philosoph.

Er zählt in seiner Auseinandersetzung mit Magie, Kabbala, Astrologie, Naturphilosophie und seinen Beiträgen zur Religion und Religionsphilosophie zu den bedeutenden Gelehrten seiner Zeit. Die humanistische Gedankenwelt[1] Agrippas und auch seine Kritik an Wissenschaften, Staat und Kirche erinnert in mancher Hinsicht an Erasmus von Rotterdams. Agrippa gilt als Neuplatoniker.

„Agrippa von Nettesheim kämpft für eine echte Naturwissenschaft, welche die Erscheinungen der Natur nicht durch Geisteswesen, die in der Sinneswelt spuken, erklären will, sondern welche in der Natur nur Natürliches, im Geiste nur Geistiges sehen will. - Man wird natürlich Agrippa völlig mißverstehen, wenn man seine Naturwissenschaft mit derjenigen späterer Jahrhunderte vergleicht, die über ganz andere Erfahrungen verfügt. Bei solcher Vergleichung könnte leicht scheinen, daß er noch durchaus auf unmittelbare Geisterwirkungen bezieht, was nur auf natürlichen Zusammenhängen oder auf falscher Erfahrung beruht.“ (Lit.:GA 7, S. 102f)

Leben

Kupferstich 1533

Agrippa von Nettesheim wurde als Spross einer verarmten Kölner Adelsfamilie geboren, er hatte eine Schwester. Über Agrippas Kindheit und frühe Jugend ist nichts bekannt. Die III. Matrikel der Universität zu Köln verzeichnet für den 22. Juli 1499 die Immatrikulation des Henricus de Nettesheym, Sohn des gleichnamigen Vaters, der als Kölner Bürger möglicherweise in den Diensten des Hauses Österreich stand, an der Fakultät der Künste. Im IV. Dekanatsbuch der Artistenfakultät wurde Agrippa am 29. Mai 1500 für das Baccalaureat zugelassen. Ein Eintrag vom 1. Juli 1500 verzeichnet den Beginn der Determination und am 14. März 1502 die Zulassung zur Licentiatenprüfung. Über weitere universitäre Abschlüsse in Köln ist nichts bekannt. Der autodidaktische Studienplan Agrippas umfasste außer Latein, Astrologie, Theologie, Grundlagen des magischen Denkens, hermetische Bücher, orphische Hymnen, Kabbala, Römisches Recht, Medizin, Mechanik, Optik und Geometrie. 1502 oder 1503 wechselte er den Studienort und reiste nach Paris, von 1507 stammen auch die ältesten bekannten und erhaltenen Briefe. Daraus geht hervor, dass die später bekannten historischen Persönlichkeiten wie Charles de Bouelles, Germain de Ganay, Germain de Brie, Symphorien Champier und Jean Perréal mit Agrippa das Interesse am Humanismus und das Experimentieren an alchemistischen und mechanischen Versuchen teilten[2]. Die ersten umfangreichen alchemistischen Experimente wurden zu dieser Zeit durchgeführt, die reiche Bürger Agrippa wohlwollend finanzierten. Laut einigen Quellen allem Anschein nach entweder gegründet oder frequentiert hat Agrippa mit Gleichgesinnten im Jahr 1507 ein Solidacium, das Ableger in England, Deutschland und Italien gehabt haben soll.

Im Jahre 1508 reiste er mit Freunden nach Spanien und heuerte etliche Söldner an, um nach einem Hilferuf seines Freundes, des Basken Janotus, dessen Burg zurückzuerobern. Nach dem gelungenen Sieg wendete sich aber das Blatt, weil eine Überzahl an unzufriedenen Bauern die Burg umlagerte, die letzte Zuflucht in einem Turm bestand und das Aushungern drohte. Agrippa ließ einen Soldaten, dem er die Schreckensmale der Pest auf das Gesicht künstlich auftrug, unter die belagernden Bauern gehen, die in Panik vor einer Ansteckung das Weite suchten. Agrippa, seinen Freunden und den Söldnern gelang die Flucht. Nach Aufenthalten in Lyon und Autun hielt der von Geldnot geplagte Agrippa im Frühjahr 1509 als Dozent[3] an der Universität im burgundischen Dole Vorlesungen über Johannes Reuchlins Werk De verbo mirificio. Wohl wieder mit festem Einkommen gesichert, wurden seine Vorlesungen kostenlos angeboten, all diese für Agrippa guten Umstände sind dem Kanzler der Universität, Erzbischof von Besançon Antoine I. de Vergy zu verdanken.

Agrippas Vorlesungen lauschten auch Mitglieder des Parlaments und Hofstaates der Regentin Margarete von Österreich, darunter Jean Catilinet, Provinzial der burgundischen Franziskaner[4], er verurteilt Agrippa während einer Vorlesung als einen „Häretiker, der die verbotene kabbalistische Kunst unter die christlische Lehre mischen würde“. Ein Jahr später schrieb Agrippa in England eine Streitschrift Ex postulatio contra Catilinetum gegen den Vorwurf von Jean Catilinet und ließ diese in Humanistenkreisen zirkulieren, was ihm dann auch die Ungunst vieler Franziskaner und Argwohn der Dominikaner bescherte. Noch in Dole schrieb Agrippa die Abfassung Declamatio de nobilitate et praecellentia foeminei sexus, eine Lobrede für Gleichberechtigung, Themen sind u. a. historische Leistungen von Frauen, Erziehungskritik uvm. Eine These lautet „Frauen seien unbestechlich, deshalb ist die Korupptionskultur in Kirche und Staat eine rein Männliche Domäne“. Agrippa versuchte, sich durch diese Schrift die Gunst Margaretes von Österreich und damit auch eine akademische Festanstellung am Hofe zu sichern. Durch Jean Catilinet, der zugleich Hofprediger war, wurde der Druck der Schrift und auch das ehrenvolle Amt am Hof verhindert. Mitte 1509 habilitierte Agrippa mit erst 23 Jahren zum Professor für Theologie[5] an der Universität in Dole.

Ende 1509 zurück in Köln, nahm Agrippa Kontakt zu dem berühmten[6] Gelehrten, Hexentheoretiker und Abt Johannes Trithemius des Benediktinerklosters zu Sponheim auf, dem ein längerer Arbeitsbesuch seitens Agrippas folgte. Während dieser Zusammenkunft mit Johannes Trithemius und auf dessen Anregung hin verfasste Agrippa bis zum Frühjahr 1510 sein dreibändiges Hauptwerk mit dem Titel De Occulta Philosophia über die bis dahin bekannte Magie, eine erstmalige systematische Zusammenfassung durch Verifizierung und Klassifizierung dieses Wissens seiner Zeit. „Dieses gelehrte Kompendium von riesenhaften Ausmaßen bildete die Grundlage für den frühen Ruhm und eilfertige Verleumdungen, obwohl auch dieses Werk erst Jahrzehnte später in einer gedruckten Fassung erschien.

In diesem Jahreswechsel 1509/10 musste Agrippa, der sich auch für die Mineralogie interessierte, auch als Bergrat für die Stadt Köln tätig gewesen sein, was aus einer Bemerkung aus dem Werk De incertitudine et vanitate scientiarum hervorgeht. Kaiser Maximilians I. schickte 1510 viele Repräsentanten nach England, um direkt auf die kommende Politik von König Heinrich VIII. einzuwirken. Agrippa wurde vom Kaiser wegen seiner Sprachbegabtheit ausgewählt (acht Sprachen beherrschte er, sechs davon fließend) und mit geheimer Mission als Agent nach England geschickt. Hier besuchte Agrippa auch die Vorlesungen des Humanisten John Colet an der Universität Oxford über die geheimnisvollen Besonderheiten des paulinischen Christentums. Einige Zeit verweilte Agrippa auf Einladung des Gelehrten John Colet in dessen Haus[7]. Zurück in Köln hielt er 1511 Vorlesungen an der Universität, im Stile einer quodlibetanischen („Was du willst“)-Meinung über Theologie. In dieser Zeit begann der Streit der Kölnern Dominikanern, darunter Johannes Pfefferkorn gegen den Gelehrten Johannes Reuchlin. Agrippa bezog zu diesem Streit auch Stellung und warf den Gegnern Johannes Reuchlins Ungelehrtheit vor. Dieser Streit, der noch jahrelang an vielen Universitäten von vielen wichtigen Gelehrten geführt wurde, reichte bis zu den späteren Dunkelmännerbriefen.

Noch im selben Jahr reist er nach Italien, um nach eigenen Angaben in Triest als Kaiserlicher Offizier eine schwer bewachte Kriegskasse durch das Land zu begleiten. Ende 1511 nahm er am Konzil zu Pisa teil, auf dem er nach eigenem Bekunden wie eine Vielzahl anderer Theologen unter dem Pontifikat Papst Julius' II. exkommuniziert wurde.[8] Wahrscheinlich war es eine excommunicatio ferendae sententiae, also eine Exkommunikation auf Grund des öffentlichen Disputs mit Vertretern der Katholischen Kirche.Anfang 1512 reiste er nach Pavia und hielt unter anderem Vorlesungen an der Universität über den Philosophen Platon und seine Schrift Convivium Phaedrus[9]. Mitte 1512 kämpfte er als Offizier im Heer Kaiser Maximilians I. gegen die Venezianer und wurde wegen Tapferkeit vor dem Feind noch auf dem Kampfplatz zum Ritter, Eques auratus[10], geschlagen. 1513 begleitete er in diplomatischen Missionen unterwegs auch als Theologe den Kardinal von Santa Croce zum Konzil in Pisa, bei dem Giovanni de' Medici zum Papst Leo X. gewählt wurde. Nach der Wahl Papst Leos X. wurde Agrippas Exkommunikation durch eine Rekonziliation aufgehoben. Agrippa, der seine Streitigkeiten mit Gelehrten und Vertretern der Kirche auf dem Konzil versuchte zu bereinigen, nützte auch ein Brief mit Belobigung vom neuen Papst nicht viel, um die Wogen zu glätten. 1514 vertiefte Agrippa sein Wissen und wanderte durch Italien. Im Jahr 1515 hielt er in Pavia Vorlesungen über Hermes Trismegistos und die ihm zugeschriebenen Zauber und Offenbarungsbücher, im Wesentlichen die hermetischen Schriften Picatrix und Pimander aus dem Corpus Hermeticum. 1515 verheiratete sich Agrippa mit einer Frau in Pavia, Name und Herkunft seiner Gemahlin sind unbekannt.

Agrippa von Nettesheim promovierte auch zum Doctor medicinae und zum Doctor iuris utriusque an der Universität zu Pavia (die jetzigen Forschungsergebnisse lassen ein Für und Wider zu; dass er promovierte geht aus der Tatsache hervor, dass er von den jeweiligen Stadträten berufen wurde, und das in zumal sehr wichtigen und begehrten Anstellungen, wie Syndikus in der Reichsstadt Metz, Stadtarzt von Freiburg und später Stadtphysicus und Direktor des Stadtkrankenhauses von Genf, die er wohl ohne akademische Titel nicht nur nicht bekommen hätte, sondern die bei der Anzahl seiner gelehrten Gegner auch nicht haltbar gewesen wären). Ende 1515 stand Pavia vor dem Fall der anrückenden französischen Armee, Agrippa verlor sein Hab und Gut und flüchtete mit seiner Frau Richtung Piemont. 1516 verfasste er das Traktat de triplici ratione cognoscendi Deum, wohl auf dem Schloss seines Gönners Marquis de Montferrat. In Köln starb der Abt Trithemius, der mit 2.000 Büchern und Schriften[11] eine der umfangreichsten Bibliotheken besaß, und setzte Agrippa für einen Teil davon als Erben ein. 1517 wurde Agrippa Vater: Seine Frau brachte einen Sohn mit Namen Aymont auf die Welt. Nach Aufenthalten in verschiedenen Städten in Italien reiste Agrippa 1518 nach Köln. Er bekam das Angebot, als päpstlicher Legat in Avignon tätig zu werden, entschied sich aber für das Angebot als Stadtanwalt und Festredner der reichen Handelsstadt Metz. Im Februar 1518 in Metz mit Frau und Kind angekommen, ging er seiner Arbeit als Syndikus nach und schrieb auch das Traktat De originale peccato. Er studierte die Schriften von Jacques Lefèvre d’Étaples, den er auch in der Öffentlichkeit vor dem Klerus in Schutz nahm. Hier hatte Agrippa, der sich auch mit der Reformation auseinandersetzte, Bücher und Schriften von Martin Luther, Erasmus von Rotterdam, Lefèvre d’Étaples und anderen erworben, um sie an seine gelehrten Freunde zu verteilen. Dass er das auf eigene Kosten machte setzte sich auch in Genf und Freiburg fort[12]. 1519 starb sein Vater in Köln. In Metz wurde Agrippa von den Stadtoberen ausgewählt, eine wegen Hexerei angeklagte Frau vor dem Inquisitor Claudius Salini zu verteidigen. Man ging von einer Verurteilung aus, deswegen ließ man Agrippa freie Wahl bei seiner Verteidigung. In dem sich hinziehenden Prozess schaffte Agrippa es aber, den aus dem Hexenhammer (Malleus Maleficarum) rezitierenden Inquisitor zu widerlegen, und die Frau wurde freigesprochen. Dadurch fiel Agrippa selbst bei Obrigkeit und Stadtherren in Metz in Ungnade. Öffentliche Dispute mit dem Klerus und die Gerüchte der einfachen Bürger („Wer gegen die Inquisition gewinnt, kann nur ein Teufelsbündler sein.“) machten ihm das Leben in Metz immer schwerer. Überall in der Stadt wurden Gerüchte gestreut, wonach Agrippa selbst ein Schwarz- oder Teufelskünstler sei, der heimlich Zaubergeister beschwöre. „Damit war der Grundstein für eine Legende gelegt, die Agrippa Zeit seines Lebens über das Grab hinaus verfolgen sollte.

Am 25. Januar 1520 verließ er Metz und reiste nach Köln, dort schrieb er die Streitschrift De beatissime Annae monogamia. Im Juli des Jahres traf er sich in Köln mit dem antiklerikalen Reichsritter und führenden Reformator Ulrich von Hutten. Agrippa wurde auch zu der Zeit der magische Teil der Bücher und Schriften aus dem Erbe von Trithemius ausgehändigt. 1521 reiste er nach Metz, um alte Freunde zu besuchen; zum Unglück verstarb seine Frau unerwartet bei diesem Aufenthalt. Agrippa reiste mit seinem 4-jährigen Sohn nach Genf weiter und arbeitete dort als Arzt. Ende 1521 heiratete Agrippa die 18-jährige Jana Luisa Tissie aus einer vornehmen Genfer Familie, die noch insgesamt 6 Kinder von ihm auf die Welt brachte. 1522 wurde Agrippa zum Direktor des Stadtkrankenhauses von Genf. 1523 versuchten die Stadtherren von Genf vergeblich, Agrippa zum Bleiben zu bewegen, denn sie sahen in ihm einen führenden Gelehrten ihrer Zeit. Noch im selben Jahr zog Agrippa weiter ins schweizerische Freiburg und wurde dort Stadtphysicus, er vertiefte seine okkulten Studien und traf Agenten des mit König Franz I. verfeindeten Herzogs von Bourbon. In Freiburg verfasste Agrippa eine Verteidigungsschrift als offenen Brief für seinen schon längst verstorbenen alten Meister Trithemius, der mittlerweise als Schwarzmagier und Betrüger post mortem diffamiert wurde. Da in Freiburg Agrippa nicht die Kassen der Apotheker vergolden wollte, indem er teure und unnötige Rezepte ausstellte, stellte er armen Leute eigene Rezepte aus oder behandelte sie umsonst. Damit brachte er eine Allianz aus Ärzten und Zunftapothekern gegen sich auf, was ihn im Juli 1523 dazu veranlasste, selbst beim Magistrat seine Entlassung einzureichen.

1524 in Lyon eingetroffen, nahm er im Mai das Amt als Leibarzt von Luise von Savoyen, Mutter von König Franz I., an. Agrippas zweiter Sohn Henry wurde in Lyon geboren, 1525 folgte sein dritter Sohn Jean. 1526 schrieb er das Traktrat „ Declamatio de sacrameto matrimonii“. In diesem Jahr wurde sein Salär am Hof nicht anständig und regelmäßig bezahlt, er musste erst Bitt-, dann Drohbriefe an die Finanzverwaltung schreiben, was aber nichts nützte. Damit begannen auch die Intrigen am Hof gegen Agrippa, dazu kam, dass Regentin Luise Horoskope über ihren Sohn Franz I. von ihm verlangte, was er mit der Begründung abzulehnen versuchte, es gebe wohl wichtigeres zu tun. Wohl um nicht ganz in Ungnade zu fallen, erstellte er ein Horoskop über das weitere Kriegsgeschehen, prophezeite aber astrologisch den Sieg der Feinde, und zwar den Sieg des Hauses Bourbon. Das zweite Hauptbuch „De incertitudine et vanitate scientiarum “ verfasste Agrippa hier fertig. Das Ende in Lyon wohl absehend und den Intrigen gegen sich entziehen wollend, verhandelte er heimlich mit Abgesandten von Karl I., Herzog von Bourbon, um eine Anstellung bei Hofe. 1527 erfuhr Agrippa, dass er aus der Besoldungsliste gestrichen wurde, obwohl er immer noch Leibarzt der Mutter des Königs war.

Da die Verhandlungen für eine Anstellung beim Herzog von Bourbon ergebnislos waren, reiste er mit seiner Familie noch Ende jenes Jahres nach Paris. Im März 1528 bekam er in Paris die Pässe für sich und seine Familie nachgeschickt, die er für die Weiterreise und den damit verbundenen Grenzübergang nach Antwerpen brauchte. Ende 1528 begann Agrippa in der Stadt Antwerpen als Arzt zu arbeiten, nebenbei finanzierten ihn reiche Bürger bei gemeinsamen alchemistichen und mechanischen Experimenten. Um seine finanzielle Lage aufzubessern, vermittelte er auch sein Wissen oder stellte Horoskope an Leute aus allen Gesellschaftsschichten aus, sogar Mönche zählten zu ihnen. Neuen Ärger in Antwerpen handelte er sich damit ein, dass er für die freie Arztwahl plädierte und einen Mann, der ohne Erlaubnis der Fakultät als Medicus praktizierte, verteidigte. Agrippa versuchte ohne Erfolg, sich das Amt des Leibarztes von Margarete von Österreich zu sichern. Anfang 1529 wurde Agrippa das insgesamt siebte Mal Vater. Es wurden auch einige Traktate und andere Schriften von Agrippa in Buchform unter dem Verleger Michael Hillenius veröffentlicht. In Antwerpen war die Pest ausgebrochen und am 17. August starb auch seine Frau daran, auch mehrere Angestellte aus seiner Dienerschaft raffte die Pest dahin. Agrippa blieb und kümmerte sich um die Pestkranken in der Stadt, ließ aber seine Kinder aus Antwerpen bringen. Ende das Jahres bekam er das Angebot von Heinrich VIII., nach England zu reisen, um als Advokat für ihn zu arbeiten. Agrippa entschied sich aber für die Stelle des Kaiserlichen Archivars und Historiographen in Mechelen für Margarete von Österreich, Regentin der Niederlande, eine Stelle, die er noch 1529 antrat.

Im Februar 1530 schrieb Agrippa einen offiziellen Bericht zum Krönungsritual von Karl V. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und König der Lombardei. Für die redigierten zwei Hauptbücher De Incertitudine et vanitate scientiarum und De Occulta Philosophia und einen Teil seiner weiteren Schriften bekam er nach langen Verhandlungen das Kaiserliche Privileg zum Druck seiner Werke. Mitte 1530 wurde das Buch De Incertitudine et vanitate scientiarum von Agrippas Verleger Cornelius Grapheus in Antwerpen gedruckt und veröffentlicht. Dieses Buch verbreitete sich sehr schnell unter den Gelehrten Europas. In diesem Buch griff er die kirchlichen und politischen Zustände seiner Zeit an und damit auch direkt den Klerus und die Kaste der höfischen Beamten und Amtsträger der Regierenden. Auch beschrieb Agrippa in diesem Buch selbstkritisch sein eigenes Wirken. („Man konnte glauben, daß Agrippa nur deswegen so viele Künste gemeistert hatte, um sie am Ende besser verwerfen zu können“).

Der Klerus der Katholischen Kirche, die das Buch verbieten wollte, sah in diesem Werk nur „Häresie und Ketzerei“. Um die theologischen und rechtlichen Fragen abzuklären, wurde die Universität Löwen hinzugezogen, die aber ebenfalls dieses Buch aufs Strengste verurteilte. Der Kaiser verlangte, wenigstens die Kritik an der Kirche und dem Klerus zu widerrufen. Agrippa verweigerte dies, so dass der Kaiser sich gezwungen sah, Agrippa keinen weiteren Lohn mehr zu zahlen. Das Gericht in Mechelen ließ nicht lange auf sich warten, dann wurde er in einer schriftlichen Anklage aufgefordert das Buch nicht weiter zu veröffentlichen. Agrippa schrieb mit einer Gegenschrift in Form einer Apologia, in der er jeden Anklagepunkt einzeln widerlegte, so dass es zu keinem Druckverbot seines Buches kam. Auch Erasmus von Rotterdam bekam persönlich ein Exemplar mit Brief von Agrippa zugeschickt. Erasmus fand viel Lob für das Buch, mahnte Agrippa aber zugleich zu mehr Vorsicht bei seiner umfassenden Kritik. Bei einer Durchreise Ende 1530 durch Brüssel wurde Agrippa unter einem Vorwand inhaftiert und dann in den Schuldturm geworfen. Gleichzeitig ließ der Magistrat der Stadt Brüssel und die städtischen Religionsaufseher einige Exemplare von De Incertitudine et vanitate scientiarum öffentlich verbrennen. Mit der Auflage, Brüssel sofort zu verlassen, ließ man Agrippa nach einiger Zeit wieder frei. In Mechelen zurück, schrieb Agrippa eine Grabrede und ein Panegyricus für die am 1. Dezember 1530 verstorbene Regentin Margarete.

In seiner Zeit in Mechelen heiratete er auch ein drittes Mal, Name und Herkunft seiner Angetrauten sind nicht bekannt. Am 2. März 1531 verdammte die Universität Sorbonne in Paris die französische Edition von „De Incertitudine et vanitate scientiarum “ offiziell als Werk eines Ketzers. „Die Schrift sei der lutherischen Häresie nahe, es kritisiert unter anderem Einrichtungen der Kirche und muss daher dem Feuer übergeben werden“. Hier wurde sich wahrscheinlich auch Agrippa selbst sehr bewusst, dass es hier zu weit mehr werden könne als einem Gelehrtenstreit, denn die Sorbonne hatte 1529 den erasmischen Humanisten Louis de Berquin, obwohl der unter dem persönlichen Schutz von König Franz I. stand, anklagen lassen, was dazu führte, dass er dann auch hingerichtet wurde. Keine Probleme hatte Agrippa, für sich neue Protektion zu finden und zu sichern; so reiste er Richtung Köln. Denn ab März 1532 ließ ihn der Erzbischof von Köln Hermann von Wied, unter dem Agrippa besonderen Schutz genoss, auf seinem Landsitz einige Monate zur Ruhe kommen, damit sich Agrippa von den klerikalen und universitären Fehden erholen konnte. Der päpstliche Legat Kardinal Lorenzo Campeggi verteidigte Agrippa, wohl um ihn auch zu bewegen eine Schrift gegen Heinrich VIII. und seine ehelichen Scheidungsangelegenheiten herauszugeben; auf dieses Angebot ging Agrippa jedoch nicht ein. Ein weiterer Befürworter zu Gunsten Agrippas und seiner Kritik war der Kardinal Erard de la Marck.

Johann Weyer, ein Schüler Agrippas, schrieb mit seinem Buch De praestigiis daemonum ein grundlegendes Werk zur Verteidigung von der Hexerei beschuldigten Personen. Der Universalgelehrte[13] Agrippa von Nettesheim inspirierte teilweise Johann Wolfgang von Goethe nicht nur mit seinen Schriften zur Gestaltung des Faust-Dramas. 1532 sollen sich Agrippa und der historische Dr. Johann Faust begegnet sein. 1535 starb er 49-jährig in Grenoble.


Dieses Frühwerk des 23-jährigen Agrippa entstand in einer Zeit des Umbruches. Scheiterhaufen nahmen beängstigend zu, Kriege ließen wenige in Frieden, die Reformation spaltete katholische Kirchenhoheit, Copernicus beendete das geozentrische Weltbild und erschütterte das Abendland. Mit De Occulta Philosophia (Von der verborgenen Philosophie) gelang ihm auf Anhieb eine Art frühhumanistischer „Bestseller“. Er stellte darin streng systematisch die Astrologie, Kabbala, Theologie, Mantik, Evokationsmagie, Angeologie, Amulett- und Talismanzauber einträchtig nebeneinander und verteidigte seine „heilige Magie“ in elegantem Stil gegen „Zauberer“ und „Teufelsbeschwörer“. Zu seiner Zeit war dies für ihn lebensgefährlich und bei seinen Lesern sensationell. Deshalb erschienen innerhalb von nur drei Jahren drei Auflagen in Antwerpen, Paris und Köln (1530–1533).

„Die magische Wissenschaft, der so viele Kräfte zu Gebot stehen, und die eine Fülle der erhabensten Mysterien besitzt, umfasst die tiefste Betrachtung der verborgensten Dinge, das Wesen, die Macht, die Beschaffenheit, den Stoff, die Kraft und die Kenntnis der ganzen Natur. Sie lehrt uns die Verschiedenheit und die Übereinstimmung der Dinge kennen. Daraus folgen ihre wunderbaren Wirkungen; indem sie die verschiedensten Kräfte miteinander vereinigt und überall das entsprechende Untere mit den Gaben und Kräften des Oberen verbindet und vermählt. Die Wissenschaft ist daher die vollkommendste und höchste, sie ist eine erhabene und heilige Philosophie, ja sie ist die absolute Vollendung der edelsten Philosophie.“ (De Occulta Philosophia, Buch I, K. 2, S. 13)

Metaphysik

In seinem Hauptwerk De occulta Philosophia vertritt Agrippa von Nettesheim einen Neuplatonismus. Die Auffassung in seinem Hauptwerk hat zumindest bis zur Verfassung der Declamatio („Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaft und die Verteidigungsschrift“) Gültigkeit. Seine Lehre von Gott ist zum Teil noch christlich, aber man kann sich die Frage stellen, ob er nicht beispielsweise der Ansicht der Trinität nur deswegen war, weil er dadurch dem Häresieverdacht entgehen konnte. In der Occulta Philosophia ist einerseits von Vater, Sohn und Heiliger Geist die Rede, auf der anderen Seite ist der Gottesbegriff aber auch platonisch oder vielmehr neuplatonisch im antiken (heidnischen) Sinne. Denn Agrippa spricht auch von einem Gott, in dem alle Dinge als Ideen vorhanden sind. Die Ideenlehre wurde so im gewissen Sinne auch von christlichen Neuplatonikern wie Augustinus gesehen. Was Augustinus allerdings nicht mehr vertreten hat, ist der Begriff der Weltseele. Dieser stammt aus dem Timaios von Platon und wurde im Neuplatonismus von Plotin eins zu eins übernommen. Der Unterschied zwischen der christlichen Trinitätslehre und der Lehre von Plotin ist, dass Plotin die göttlichen Hypostasen (das Eine, den Geist und die Weltseele) als hierarchisch betrachtet. Ganz oben in der Hierarchie steht das Eine (Gott), aus dem alles andere hervorgeht und in das alles wieder zurückkehrt. Das Eine ist Einheit, während der Geist oder die Weltseele bereits „Zweiheiten“ sind. Die Lehre der „Dreieinigkeit“ spricht von einem „dreieinigen“ Gott, der wiederum nicht mehr so stark hierarchisch zu denken ist wie im Neuplatonismus von Plotin. Außerdem wird Gott von den Griechen (Platon, Plotin, Proklos, Porphyrius etc.) nicht als „Subjekt“ gesehen.

Was Agrippa vom mittelalterlichen (Augustinus, Eriugena etc.) Neuplatonismus damit noch unterscheidet, ist der Gedanke, dass der Kosmos von den Kräften des Archetypus durchströmt wird. In gewisser Weise ist damit Gott auch „in der Welt“. Die Welt als ganze kann als „Inkarnation Gottes“ betrachtet werden. Andere Neuplatoniker sprechen vom Abbild Gottes (auch die christlichen). Insofern ist der Unterschied zum Christentum immer nur sehr gering und daher konnte Agrippa möglicherweise auch der Inquisition entkommen. Agrippa vertritt auch einen „Panpsychismus“ und das unterscheidet in sowohl von Plotin als auch von christlichen Neuplatonikern des Mittelalters. Im Kapitel 56 der „Occulta Philosophia“ heißt es:

... denn da der Weltkörper ein ganzer Körper ist, dessen Teile die Körper aller Lebewesen sind, und da, je vollkommener und edler der Weltkörper als der Körper der einzelnen Wesen ist, wäre es absurd anzunehmen, daß, wenn jedes unvollkommene Körperchen und Weltteilchen... Leben besitzt und eine Seele hat, die ganze Welt als vollkommenster und edelster Körper weder lebe, noch eine Seele habe.

Hier wird implizit auf die Weltseele hingewiesen. Gleichzeitig kommt beim Zitat eindeutig durch, dass alle Dinge eine Seele haben (auch die Materie) und damit widerspricht Agrippa mittelalterlichen Vorstellungen eindeutig. Auch bei Plotin war die Materie (das Böse) gleichzeitig auch unbeseelt. Jene „Aufwertung“ der Materie wird bei Giordano Bruno noch viel stärker betont werden, so dass dieser sogar in den Verdacht kam, einen Pantheismus zu vertreten. Der Panpsychismus ist ein typisches Kennzeichen des Neuplatonismus der Renaissance.

Welche Rolle spielt der Mensch oder vielmehr die menschliche Seele in diesem Weltbild? Der Mensch ist getreu der neuplatonischen Weltanschauung Abbild Gottes und stellt einen Mikrokosmos dar. So kommt es, dass Agrippa auch die einzelnen Glieder und Organe des menschlichen Körpers jeweils bestimmten Gestirnen zuordnen kann, wie z. B. die Milz dem Saturn oder das rechte Ohr dem Jupiter. Agrippa lehnt sich sehr eng an die Lehre des Averroës an, wenn er von den vier inneren Sinnen spricht (Gemeinsinn, Einbildungskraft, Phantasie, Gedächtnis). Auch bei der Seelenlehre versucht Agrippa immer, dass seine Lehre mit der christlichen im Einklang bleibt, was freilich nicht immer gelingt .

Auch bei den Aussagen über den Zustand der menschlichen Seele nach dem Tode bleiben die Aussagen von Agrippa in gewisser Weise widersprüchlich. Er kommt auch hier offensichtlich mit der Lehre des Christentums in Schwierigkeiten. Zum einen weist er auf die Lehre der „Wiedervergeltung“ (Reinkarnation) hin, ohne sich selbst zu der angeführten Meinung zu äußern. Ein Zitat aus der „Occulta Philosophia“ soll die angeführte These unterstreicchen (Vgl.: Kap. 41 Occulta Philosophia):

Auf diese Weise, glaubte der große Origenes, seien auch die Worte Christi im Evangelium auszulegen: Wer das Schwert nimmt, der soll durch das Schwert umkommen. Auch die heidnischen Philosophen glauben an derartige Vergeltung und nennen sie Adrastea, d. i. die Macht der göttlichen Gesetze, wonach in künftigen Zeiten einem jeden vergolten wird nach der Beschaffenheit und den Verdiensten seines früheren Lebens, so daß, wer ungerecht im vorigen Leben herrschte, in andern in den Zustand der Sklaverei gerät, wer seine Hände mit Blut besudelte, gleiche Vergeltung erleiden muß, und wer einen tierischen Lebenswandel führte, in einen tierischen Körper eingeschlossen wird.

Er bezieht sich auf die Lehre der Wiedergeburt und versucht, diese mit der heiligen Schrift in Einklang zu bringen. Es wird aus diesem Zitat offensichtlich, dass Agrippa ähnlich Platon, Plotin oder später auch Bruno an Seelenwanderung glaubte. Agrippa verbindet ähnlich Giovanni Pico della Mirandola unterschiedliche Lehren verschiedener Religionen.

Werke und Ausgaben

  • De incertitudine et vanitate scientiarum - Von der Ungewißheit und Eitelkeit der Wissenschaften. Köln 1527 (eine Satire zum traurigen Stand der Wissenschaften)
  • Declamatio de nobilitate et praecellentia foeminei sexus, 1529[1]; mit englischer Übersetzung, London 1670[2]
  • Libri tres de occulta philosophia oder Drei Bücher der verborgenen Philosophie. Antwerpen 1530, gedruckt Paris 1531, erweiterte Ausgabe Köln 1533
  • Opera (Werkausgabe). Lyon 1550
  • De occulta Philosophia. Auswahl, Einführung und Kommentar von Willy Schröder. Der Leuchter - Otto Reichl Verlag, Remagen 1967
  • De occulta philosophia, libri tres. Hrsg. v. V. Perrone Compagni. (= Studies in the History of Christian Traditions; 48). Brill, Leiden u. a. 1992 (kritische Edition; E-Text)

Literatur

  • Joseph Orsier: Henri Cornélis Agrippa. Sa Vie et son Oeuvre d'après sa Correspondance (1486–1535). Chacornac, Paris 1911 (Digitalisat, PDF)
  • Marc van der Poel: Cornelius Agrippa, The Humanist Theologian and His Declamations. Brill, Leiden und Boston 1997
  • Hermann F. W. Kuhlow: Die Imitatio Christi und ihre kosmologische Überfremdung, 1967
  • Charles G. Nauert, jr.: Agrippa and the Crisis of Renaissance Thought. Urbana 1965 (University of Illinois Studies in the Social Sciences 55). (Standardbiographie)
  • Paola Zambelli: Agrippa von Nettesheim in den neueren kritischen Studien und in den Handschriften. In: Archiv für Kulturgeschichte 51 (1969), S. 264-295.
  • Michael Kuper: Agrippa von Nettesheim - Ein echter Faust ,Zerling, Berlin 1994, ISBN 3-88468-056-0
  • Rudolf Steiner: Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung, GA 7 (1990), ISBN 3-7274-0070-6; Tb 623, ISBN 978-3-7274-6230-6 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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Weblinks

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Einzelanchweise

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