Aigis

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Athene mit der Aigis als Schild; Auschnitt aus der Apotheose Kaiser Karls VI. (1739) von Paul Troger (Stift Göttweig)
Athene mit Aigis, römisches Mosaik aus dem 3. Jahrhundert (Museo Pio-Clementino, Sala a Croce Greca, Vatikan)
Athene mit der über die Schulter gelegten Aigis mit dem Medusenhaupt in der Mitte.
Von Antiochos im 1. Jahrhundert v. Chr. gefertigte Kopie der Statue von Phidias aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. (Palazzo Altemps, Rom)

Die Aigis (griech. αἰγίς, lat. aegis, abgeleitet vermutlich von αἴξ aixZiege“; dt. auch Ägis) ist nach der griechischen Mythologie ein goldenes Ziegenfell, aus dem der kunstfertige Hephaistos ein Schild fertige[1], der zuerst Zeus als Brustpanzer diente, aber auch von Apollon gebraucht und später an Athene weitergegeben und das Symbol ihrer göttlichen Macht[2] und ihr Schutzschild im Kampf um Troja wurde.

Zugleich ging Pallas Athene,
Haltend die Ägis voll Pracht, unalternd stets und unsterblich:
Hundert zierliche Quäst' aus lauterem Golde geflochten
Hingen daran, und vom Werte der Hekatomben war jeder.
Hiermit weithinleuchtend durchflog sie das Heer der Achaier,
Trieb zur Eile sie an, und rüstete jegliches Mannes
Busen mit Kraft, rastlos im Streite zu stehn und zu kämpfen.

Homer: Illias 2,446-452 [1]

Nichteinmal die Blitze Zeus vermochten die Aigis zu zerstören. Wurde das Fell geschüttelt, wurde ein Gewitter mit Sturm, Blitz und Donner erregt (weshalb auch eine Ableitung von griech. αïσσω aïssō „stürmen, stürzen“ möglich scheint, womit auch καταιγίς kataigís „Wirbelsturm“ zusammenhängt).

Die Aigis war mit Orakel-Schlangen verziert, in der Mitte prangte das von Perseus abgeschlagene und als Geschenk dargebrachte Haupt der Medusa[3], das alle herannahenden Gegner lähmte und versteinerte. Das Medusenhaupt drückt den Übergang vom alten hellsichtigen Bewusstsein zum gegenwärtigen Erleben aus:

„Jemand, der den Übergang zu dem neuen Bewußtsein schon in der Art des alten Bewußtseins sich vorgestellt hätte, hätte sich gesagt: Wenn der Mensch früher in die Umwelt hinausblickte, so erblickte er überall geistig-göttliche Kräfte, allerdings in seinem alten Bilderschauen. Dieses alte imaginative Bewußtsein ist zurückgegangen, es hat allmählich etwas wie eine Abenddämmerung erlebt, und was zuletzt zurückgeblieben ist, das waren eigentlich die schlechtesten Kräfte geistiger, spiritueller Wesenheiten, die draußen wirkten. Die kamen einem Menschen, der sich das Neue in der Art des Alten vorgestellt hat, zum Bewußtsein als die Gorgonen, in denen die Menschen in ihrem Schauen nur mehr die schlimmsten Wesen schauten und daher auch so abbildeten als das, was ihnen in ihrem Bewußtsein auch nur als die schlimmsten Wesen aufstieg. Da erhebt sich der neue Mensch, Perseus, verstümmelt die Gorgonen, die Medusa, das heißt dasjenige Bewußtsein, das wie ein letzter Rest, dargestellt in dem Schlangenhaupt der Medusa, noch vorhanden war.“ (Lit.:GA 61, S. 335)

Nach der Ilias des Homer zog Apollon den Troern voran, als sie den Wall um das Schiffslager der Achaier (Danaer) durchbrachen und schüttelte die Aigis, was die Griechen in Panik versetzte.

Gegen der Troer Gewalt und Hektors; aber von hinten
Zog die Menge des Volks zurück zu den Schiffen Achaias.
Vor nun drangen die Troer mit Heerskraft; Hektor voran ging
Mächtiges Schritts; vor ihm selbst dann wandelte Phöbos Apollon,
Eingehüllt in Gewölk, und trug die stürmische Ägis,
Graunvoll, rauhumsäumt, hochfeierlich: welche Hephästos
Schmiedet', und Zeus dem Donnerer gab zum Einsetzen der Männer:
Diese trug in den Händen der Gott, und führte die Völker.
Argos' Söhn' auch harrten gedrängt dort; und ein Geschrei stieg
Laut aus beiderlei Heer, die Pfeile geschnellt von den Sennen
Sprangen; und häufige Speere, von mutigen Händen geschleudert,
Hafteten teils anprallend im Leib der blühenden Kämpfer;
Viel' auch im Zwischenraume, den schönen Leib nicht erreichend,
Standen empor aus der Erde, voll Gier im Fleische zu schwelgen.
Weil noch still die Ägis einhertrug Phöbos Apollon,
Hafteten jegliches Heeres Geschoss', und es sanken die Völker.
Aber sobald er sie gegen der reisigen Danaer Antlitz
Schüttelte, laut aufschreiend und fürchterlich; jetzo verzagte
Ihnen im Busen das Herz, und vergaß des stürmenden Mutes.
Jetzt wie die Herd', entweder des Hornviehs, oder der Schafe,
Zwei Raubtiere zerstreut, in dämmernder Stunde des Melkens,
Kommend in schleuniger Wut, wann nicht der Hüter dabei ist:
Also entflohn kraftlos die Danaer, ganz von Apollons
Schrecken betäubt; denn die Troer und Hektor ehrt' er mit Siegsruhm.

Homer: Illias 15,304-327 [2]

Von der Aigis abgleitet ist die Redewendung: „unter jemandes Ägide (Schutz) stehen“.

Anmerkungen

  1. Ilias 15,306-311 (deutsche Übersetzung).
  2. Ilias 2,446-449 (deutsche Übersetzung); 5,738.
  3. Ilias 5,738-742 (deutsche Übersetzung).

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Menschengeschichte im Lichte der Geistesforschung, GA 61 (1983), ISBN 3-7274-0610-0 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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Weblinks

Commons: Aigis - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema