Auge der Vorsehung

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Stilisierte Darstellung des Auges der Vorsehung

Das Auge der Vorsehung, auch allsehendes Auge, Auge Gottes oder Gottesauge genannt, ist ein Symbol der göttlichen Vorsehung. Es wird als ein von einem Strahlenkranz umgebenes Auge dargestellt, das meist von einem Dreieck umschlossen ist, das auf die Trinität verweist. Dieses Dreieck schließt auch alle Aspekte mit ein, die der Zahl Drei nachgesagt werden, die von alters her als Annäherung an die Kreiszahl bekannt war[1] und daher als heilige, „göttliche“ Zahl galt.

Ursprung

Das Sonnenauge

Das linke und rechte Auge des Re auf einer altägyptischen Grabstele

In der frühen ägyptischen Mythologie wurde das Sonnenauge des Re beispielsweise in oder über einer Abbildung einer nach Osten orientierten Scheintür angebracht. Diese Symbolik wird im Nutbuch oft verwendet. Der Sonnengott Re nimmt kurz vor Sonnenaufgang die Gestalt eines Falken an. Damit schlüpft Re in die Rolle von „Horus im Horizont“. Dass Re tatsächlich als Horus verstanden wird, zeigt die spätere Nennung von Osiris als „seinen Vater“. Das Auftreten als „Horus im Horizont“ ist mit dem Vorgang der Wiedergeburt verbunden. Nach den Vorstellungen aufgrund der altägyptischen Religion durchschritt der Verstorbene die Scheintür, um ähnlich wie Re täglich wiedergeboren zu werden.

In der indischen Mythologie taucht das Sonnenauge in Form der Gottheit Surya auf, im Zoroastrismus als Auge des Mithra.

Das Mondauge

Im Alten Reich rückte der Mondgott Thot an die zweite Stelle hinter Re und ist mit den Bezeichnungen „Wesir des Re“, „Schreiber des Re“ und „Kind von Re“ belegt.[2] Thot erhielt als Mond selbst die Nebenbezeichnung „silberne Sonne“ und war zugleich Herr des Mondauges.

Hintergrund für die Rolle als Beschützer und Retter des Mondauges bildet der Osiris-Mythos: Er fand das verschwundene verletzte Auge wieder und heilte es. Besonders deutlich werden seine Parallelen im Vergleich als kosmisches Wesen: „Thot als Licht- und Mondgott entsteht aus dem dunklen Chaos des Seth“. Symbolisch steht das Mondauge damit für Regeneration, Erneuerung und Heilung.

Zurvanismus

Bereits im 4. Jahrhundert vor Christus setzte man im Zurvanismus über die beiden Götter des dualistischen Zoroastrismus, einen dritten, allmächtigen Gott: Zurvan akarano war Gott von Zeit und Raum und der Vater von Ahura Mazda, dem Gott der Weisheit und von Ahriman, dem Gott des Bösen. Zurvan wurde durch das sogenannte Auge der Vorhersehung in einem Dreieck symbolisiert, das die dreigestaltige Zeit in Form von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bzw. des Wachstums, der Fruchtbarkeit und das Altern versinnbildlicht.

Judentum und Christentum

Auge Gottes, Fragment eines Grabsteins auf dem jüdischen Friedhof von Kamienna Góra
Darstellung des Auges Gottes am Domhof zu Aachen

Auch in der Bibel erscheint das Auge als Symbol der Allgegenwart Gottes. So heißt es im Alten Testament in Spr. 15,3 EU: „An jedem Ort sind die Augen des Herrn, sie wachen über Gute und Böse.“

Stilbildend für das Symbol des Auges Gottes waren verschiedene Illustrationen der ersten Gesamtausgaben des Werkes des Mystikers Jakob Böhme in Holland, Deutschland und England in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die nachweislich früheste Darstellung des Auges Gottes in einem Dreieck, einem Symbol der Dreifaltigkeit, findet sich auf einer Medaille des englischen Königs Karls II. aus dem Jahre 1660. Auch hier vermuten Autoren wie Christoph Geissmar, dass die Entstehung dieser Medaille mit der Übertragung der Schriften Jakob Böhmes ins Englische zusammenhängen könnte.

„1677 begegnet das Auge Gottes im Dreieck mit Wolkenring sodann in der Bekrönung des Heilig-Kreuz-Altars der nördlichen Kreuzkapelle des Klosters Springborn (Bildhauer Joh. Schmitt) in Rößel (Polen); 1683 auf der deutschen (österreichischen) Medaille auf die erste Belagerung Wiens; 1690 wiederum auf einer englischen Medaille König Wilhelms III. (1689–1702). In der Folge ist das Auge Gottes mit und ohne Dreieck sozusagen allgegenwärtig“

Georg Stuhlfauth: Das Dreieck – Die Geschichte eines religiösen Symbols., S. 26f.

Freimaurerei

Frühe Version des allsehenden Auges der Freimaurer mit Wolken und halbem Strahlenkranz.

Das Auge der Vorsehung erscheint auch als Teil der Freimaurersymbolik und wurde aus kirchlichen Gebräuchen übernommen. In vielen Freimaurerlogen leuchtet es im „Osten“ über dem Stuhl des Meisters und spielt vielfach im Meistergrad, besonders in den Systemen, die den esoterischen Aspekt betonen, eine Rolle.[3] Häufig hat das freimaurerische Auge der Vorsehung einen halben Strahlenkranz unterhalb des Auges – oftmals sind die untersten Strahlen dabei nach unten verlängert.

Das offene Auge symbolisiert die sich stets enthüllende Wahrheit, fordert zu Weisheit auf und appelliert an das Gewissen. Über die Kausalität als Ursache-Wirkung-Prinzip repräsentiert es das Gute, welches das Böse stellt, um es zu besiegen. Insbesondere christliche Freimaurerlogen verwenden ein Bibelzitat (Joh 1,1 EU), um auf den mehrdeutigen Begriff des Logos hinzuweisen, der mit dem allmächtigen Baumeister aller Welten gleichgesetzt wird und in erster Linie das Vernunftprinzip des Weltalls repräsentiert. Ebenso wird das Auge daher auch durch ein „G“ ersetzt, dessen Deutung ebenso vielfältig ist.

Das Auge ist häufig von einem Dreieck umschlossen. Es ist das Zeichen des Feuers und der aufklärenden Wissenschaft und dient der Messung der größten Distanzen, aber auch der Dreifaltigkeit im Christentum. Dabei wird das Dreieck hier als Bezug zur freimaurerischen Zahl Drei in der Numerologie verstanden. Die erste offizielle freimaurerische Erwähnung des Symbols Auge der Vorsehung erfolgte 1772 in der Schrift Illustrations of Masonry von William Preston (1742–1818).[4]

Das Goldene Dreieck, das in der Tempellegende erwähnt wird, ist ein okkultes Symbol für die drei höheren geistigen Wesensglieder des Menschen (Geistselbst, Lebensgeist und Geistesmensch).

Zeichnung aus GA 265, S. 371
Zeichnung aus GA 265, S. 371

„Das Auge ist das göttliche Kraftauge hinter aller vergänglichen Wesenheit, ja noch hinter der siebengliedrigen Menschennatur. Man erlangt davon eine Vorstellung, wenn man sich erinnert an des Augustinus' Worte:

«Der Mensch sieht die Dinge, wie sie sind.
Sie sind, wie Gott sie sieht.»

Das menschliche Sehen ist passiv, die Dinge müssen da sein, damit der Mensch sie sehen könne. Gottes Schauen schafft im Hinschauen die Dinge. Das Dreieck um das Auge ist

Geistselbst (Manas)
Lebensgeist (Budhi)
Geistesmensch (Atma)

Die Strahlen sind das «Ich» - es scheint die obere Dreiheit durch das Ich in die unteren Glieder der Menschennatur.

Diese sind symbolisiert:

1. durch den beleuchteten Teil der Wolken: der Astralleib
2. durch den unbeleuchteten Teil der Wolken: der Ätherleib
3. durch die darumliegende Finsternis: der physische Leib.“ (Lit.:GA 265, S. 371)

Illuminaten

Heutige Verschwörungstheoretiker bringen das Symbol mit Geheimgesellschaften in Verbindung, besonders mit dem 1776 von dem Ingolstädter Professor Adam Weishaupt gegründeten bayerischen Geheimgesellschaft der Illuminaten.

Ein Zusammenhang zwischen dem Siegel der Vereinigten Staaten und den Illuminaten lässt sich nicht nachweisen. Bis zu ihrem Verbot 1784 durch den bayerischen Kurfürst Karl Theodor hatten die Illuminaten höchstens 2500 Mitglieder und gewannen diese meistens aus deutschen Freimaurerlogen. Viele wurden verhaftet, unter der Angabe, sie seien „notorische Freidenker“. Unter dem Freimaurer Johann Joachim Christoph Bode fand 1785 die Ordenstätigkeit in der Weimarer Minervalkirche ihr Ende.

Vereinigte Staaten

Simitières Skizze von 1776

1782 wurde das Auge der Vorsehung Teil der Symbolik auf der Rückseite des Siegels der Vereinigten Staaten und wurde von dem 1776 mit dem Entwurf betrauten Komitee vorgestellt. Die Idee der Verwendung des allsehenden Auges im Strahlenkranz geht auf einen Vorschlag des künstlerischen Beraters Pierre Eugène du Simitière zurück. Die Pyramide (ohne das allsehende Auge) stammt von Francis Hopkinson, der diese 1778 ursprünglich für einen 50-Dollar-Schein entwarf, der zu jener Zeit im Umlauf war. William Barton fügte schließlich 1782 diese beiden Symbole zum Auge der Vorsehung über der Pyramide zusammen. Das Wappen wird auf Dokumenten der Vereinigten Staaten verwendet. Ebenfalls befindet sich das Auge der Vorsehung auf der Rückseite der Ein-Dollar-Note.

Galerie

Literatur

  • Christoph Geissmar: Das Auge Gottes – Bilder zu Jakob Böhme. Wiesbaden 1993
  • Georg Stuhlfauth: Das Dreieck – Die Geschichte eines religiösen Symbols. Stuttgart 1937
  • Alexandra von Lieven: Grundriss des Laufes der Sterne – Das sogenannte Nutbuch. The Carsten Niebuhr Institute of Ancient Eastern Studies (u. a.), Kopenhagen 2007, ISBN 978-87-635-0406-5
  • Aloys Henning: Zur Symbolsprache des Auges in Mythologie und Geschichte. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 24, 2005, S. 329–340
  • Rudolf Steiner: Zur Geschichte und aus den Inhalten der erkenntniskultischen Abteilung der Esoterischen Schule von 1904 bis 1914, GA 265 (1987), ISBN 3-7274-2650-0 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

Commons: Auge der Vorsehung - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. 1 Kön 7,23-26 EU: In dieser Beschreibung findet sich indirekt die Drei als Annäherung an die Kreiszahl.
  2. Vgl. Tycho Q. Mrsich: Fragen zum altägyptischen Recht der „Isolationsperiode“ vor dem Neuen Reich – Ein Forschungsbericht aus dem Arbeitskreis „Historiogenese von Rechtsnormen“, Utz, München 2005, § 33.
  3. Eugen Lennhoff, Oskar Posner, Dieter A. Binder: Internationales Freimaurerlexikon. F.A. Herbig, 2000, S. 96.
  4. Illustrations of Masonry. (PDF; Illustrations of Masonry, by William Preston (1742-1818))
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