Bibliothek:Goethe/Naturwissenschaft/Zu einem Lehrbuch der Physik

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Johann Wolfgang Goethe

Zu einem Lehrbuch der Physik von Professor Neumann

Diesem vorzüglichen Naturforscher und -kenner habe ich verpflichteten Dank zu sagen für die Art und Weise, wie er meiner Farbenlehre gedenkt. Zwar versäumt er keineswegs die Pflicht, seine Schüler bekannt zu machen mit der allgemein angenommenen und verbreiteten theoretischen Erklärungsweise. Doch gedenkt er auch an schicklichen Orten, wenn nicht mit entschiedenem Beifall, doch mit billigem Anerkennen desjenigen, was ich nach meiner Art und Überzeugung vorgetragen. So äußert er sich z. B. im zweiten Teile, S. 323, § 738:

"Unter die Hauptgegner der Lehre Newtons von dem farbigen Lichte gehört vorzüglich Herr von Goethe. Er erklärt alle Farbenerscheinung daraus, dass entweder das Licht durch ein trübes Mittel gesehen wird oder hinter einem beleuchteten trüben Mittel sich die Finsternis als ein Hintergrund befindet. Geschieht das erste, so erscheint das Licht bei geringer Trübung des Mittels gelb und geht mit zunehmender Trübe in Gelbrot und Rot über. So sieht man die Sonne, wenn sie ihren höchsten Stand hat, ziemlich weiß, obgleich auch hier ins Gelbe spielend; immer gelber aber erscheint sie, je tiefer sie sich senkt, je größer demnach der Teil der Atmosphäre ist, den ihre Strahlen zu durchlaufen haben, bis sie endlich rot untergeht. - Sieht man dagegen durch ein weiß erleuchtetes Trübe in die Finsternis des unendlichen Raumes hin, so erscheint dieser, wenn die Trübe dicht ist, bläulich; ist sie weniger dicht, so nimmt die Bläue an Tiefe zu und verliert sich ins Violette. - Die prismatischen Versuche suchet von Goethe durch eine Verrückung des Hellen (z. B. des Sonnenbildes in der dunkeln Kammer) über das Dunkle und durch eine Bedeckung des Hellen durch das Dunkle zu erklären."

Gleichermaßen gedenkt Hr. Prof. Neumann an anderen Stellen mancher Phänomene, die ich hervorgehoben, gesondert, zusammengestellt, benamet und abgeleitet, durchaus mit reiner Teilnahme und wohlwollender Mäßigung, wofür demselben denn hiermit wiederholter Dank gebracht sei.