Bibliothek:Rudolf Steiner/Naturwissenschaft/GA 320 Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik I/Achter Vortrag

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ACHTER VORTRAG

Stuttgart, 31. Dezember 1919

So wie man heute in der gebräuchlichen physikalischen Darstellung von Schall und Ton redet, so, kann man sagen, ist das eigentlich erst der Fall etwa seit dem fünfzehnten Jahrhundert. Gerade an solchen Beispielen läßt sich am allerbesten das erhärten, was ich im allgemeinen oftmals als eine geisteswissenschaftliche Erkenntnis ausspreche, daß das ganze Denken und Vorstellen der Menschen vor dieser Zeitenwende eben anders war als nach dieser Zeitenwende, und diese Art zu sprechen, sie hat sich eigentlich erst allmählich herausgebildet, wie wir heute über Schall- und Tonerscheinungen schulmäßig in der Physik sprechen. Dasjenige, auf das man zuerst aufmerksam geworden ist, das ist die Geschwindigkeit, mit der sich der Schall fortpflanzt. Es ist ja verhältnismäßig leicht, wenigstens mit einer gewissen Annäherung zu bekommen, was man als die Schallfortpflanzung auffassen kann. Wenn man in einer größeren Entfernung eine Kanone losschießt, so sieht man aus der Ferne auf blitzen die Lichterscheinung und hört später den Knall, geradeso wie man den Donner später hört, als man den Blitz sieht. Wenn man vernachlässigt, daß es eine Lichtgeschwindigkeit gibt, so kann man die Zeit, die verfließt zwischen der Wahrnehmung des Lichteindruckes und der Wahrnehmung des Schalls, als die Zeit bezeichnen, die der Schall gebraucht hat, um die entsprechende Strecke zu durchmessen. Man kann dann berechnen, wie schnell der Schall fortschreitet in der Luft, sagen wir in einer Sekunde, bekommt also so etwas wie eine Art Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Schalls.
Sehen Sie, das war eines der frühesten Elemente, auf die man aufmerksam geworden ist auf diesem Gebiete. Man ist auch - und zwar war es vor allem Leonardo da Vinci - auf das sogenannte Resonieren, das Mitschwingen, aufmerksam geworden, das Sie heute so kennen, daß, wenn Sie in einem Raume eine Saite anschlagen oder so etwas und eine gleichgestimmte Saite oder ein ganz anderer gleichgestimmter Gegenstand ist da, so schwingt diese Saite oder dieser andere Gegenstand mit. Besonders studiert worden sind solche Dinge von
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den Jesuiten, und so hat auch für die Schall- und Tonlehre der Jesuit Mersenne im siebzehnten Jahrhundert außerordentlich viel geleistet. Namentlich hat dieser Jesuit Mersenne viel geleistet in bezug auf die damaligen Studien der sogenannten Tonhöhe. Sie können ja beim Ton ein Dreifaches unterscheiden: Erstens hat der Ton eine gewisse Stärke, zweitens hat der Ton eine gewisse Höhe und dann noch eine bestimmte Klangfärbung. Von allen dreien ist das Wichtigste, das Wesentlichste die Höhe. Nun handelt es sich darum festzustellen, was der Tonhöhe entspricht von dem Gesichtspunkt aus, den man allmählich angenommen hat gerade für die Tonlehre. Ich habe Sie da schon darauf aufmerksam gemacht, daß man sehr leicht feststellen kann, daß zugrunde liegt oder, sagen wir, mitverläuft, wenn wir eine Tonwahrnehmung haben, irgend etwas Schwingendes. Man kann sehr leicht durch die gewöhnlichen Versuche - Sie brauchen sich wieder um nur auf die Schulbank zurückzuversetzen - diesen Schwingungscharakter der Luft oder anderer Körper feststellen, wenn man so etwas wie eine Stimmgabel anschlägt und dann - es ist ja nicht nötig, daß wir diese Experimente im einzelnen ausführen - mit diesem daran-gesetzten Stifte die Linie hier verfolgt. Man wird sehen an dem Abbild, das er Her am Ruße verursacht, daß die Stimmgabel in regel mäßiger Bewegung ist. Diese regelmäßige Bewegung überträgt sich selbstverständlich auf die Luft, und wir können sagen: Wenn wir irgendeinen tönenden Körper hören, so ist die Luft zwischen ihm und uns in Bewegung. Dieses Inbewegungversetzen der Luft führen wir ja direkt aus in den Vorrichtungen, die wir die Pfeifen nennen. Nun ist man allmählich darauf gekommen, um was für Bewegungen es sich eigentlich handelt. Es handelt sich um sogenannte Longitudinalschwingungen, um Längsschwingungen. Auch dies ist festzustellen, daß es sich in der Luft um Längsschwingungen handelt: Man erregt hier im Metallrohr einen Ton, verbindet dieses Metallrohr mit einem Rohr, das mit Luft ausgefüllt ist, so daß die Bewegungen des Metallrohres sich übertragen. Füllt man nun einen leichtbeweglichen Staub in dieses mit Luft ausgefüllte Rohr, so kann man an der Bewegung der Staubkügelchen feststellen, daß sich der Schall so fortsetzt: Zunächst entsteht eine Luftverdichtung. Diese Luftverdichtung, die wird wiederum,
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wenn hier der Körper zurückschwingt, zurückschlagen. Dadurch entsteht eine Luftverdünnung. In dem Augenblick, wenn das Metall wiederum hinschlägt, schlägt die ursprüngliche Verdichtung weiter und so wechseln Verdünnungen und Verdichtungen ab. Man kann also direkt experimentell nachweisen, daß es sich da um Verdünnungen und Verdichtungen handelt. Es ist wirklich nicht nötig, daß wir solche Experimente ausführen, weil solche Dinge, ich möchte sagen, auf der Hand liegen. Alles, was aus den Büchern geholt werden kann, möchte ich Ihnen ja hier nicht eigentlich vorbringen. Nun, das Wichtige ist, sehen Sie, daß gerade für solche Zweige der Physik im Beginne der neueren Zeit außerordentlich viel geleistet worden ist durch die sozialen Zusammenhänge von Seite der Jesuiten. Da war aber immer das Bestreben vorhanden, nur ja nicht irgendwie die Naturvorgänge geistig zu durchdringen, das Geistige in den Naturvorgängen zu betrachten, sondern das Geistige dem religiösen Leben zu reservieren. Man betrachtete es immer auf jesuitischer Seite als etwas Gefährliches, eine geistgemäße Betrachtungsweise, wie wir den Ausdruck gewohnt sind von Goethe, auf die Naturerscheinungen an zuwenden. Die Jesuiten wollten die Natur rein materialistisch betrachten, ja nicht mit dem Geist an die Natur herankommen, und in vieler Beziehung sind gerade die Jesuiten die ersten Pfleger jener materialistischen Anschauungen, die heute besonders herrschend sind. Man denkt nicht daran - geschichtlich weiß man es -, daß eigentlich diese Art zu denken, die man heute in der Physik anwendet, im Grunde genommen ein Produkt dieser katholischen Tendenz ist.
Nun handelt es sich hauptsächlich auch darum, darauf zu kommen, was zugrunde liegt, wenn man verschieden hohe Töne empfindet. Wodurch unterscheiden sich die äußeren Schwingungserscheinungen, die beim Tone auftreten, mit Bezug auf die verschieden hohen Töne? Diese Dinge kann man nachweisen durch solche Experimente wie dasjenige, das wir Ihnen ja vorführen können. Nicht wahr, wir werden diese Scheibe mit den verschiedenen Löchern in rasche Bewegung versetzen, und da wird Herr Stockmeyer so gut sein, nach dieser Scheibe, die sich bewegt, einen Luftstrom hinzuschicken (geschieht). Sie können leicht unterscheiden, wie sich die Tonhöhe unterschieden hat. Wodurch
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ist der Unterschied entstanden? Er ist dadurch entstanden, daß wir an der inneren Seite der Scheibe die kleinste Anzahl von Löchern haben, 40 Löcher nur. Indem Herr Stockmeyer den Luftstrom hier hin-geschickt hat, ist der Luftstrom dann, wenn er auf ein Loch kam, durchgegangen, beim Zwischenraum konnte er nicht durchgehen und so weiter. Durch die Bewegung kam immer das folgende Loch an die Stelle des vorigen, und es entstanden so viele Stöße, als Löcher an den Ort kamen, durch den der Luftstrom ging. Dadurch haben wir hier innen 40 Stöße, im äußersten Kreis haben wir 80 Stöße. Die Stöße bewirken die Wellen, die Schwingungen. Wir haben also in derselben Zeit - denn diese 80 Löcher drehen sich in derselben Zeit herum wie die 40 inneren Löcher - wir haben in derselben Zeit das eine Mal 80 Stöße, 80 Luftschwingungen, das andere Mal 40 Stöße, 40 Luftschwingungen. Der Ton, der entsteht, wenn wir 80 Luftschwingungen haben, ist doppelt so hoch als derjenige, der entsteht, wenn wir 40 Luftschwingungen haben. Durch solche und ähnliche Experimente kann man nachweisen, daß die Tonhöhe zusammenhängt mit der Zahl der Schwingungen, die entstehen in dem Mittel, in dem sich der Ton fortpflanzt.
Nun, wenn Sie zusammenhalten dasjenige, was ich jetzt gesagt habe, dann können Sie ja folgendes sich überlegen. Nehmen Sie dasjenige, was eine Schwingung ist, eine Verdichtung und Verdünnung also, so können wir das als die Wellenlänge bezeichnen. Wenn nun in einer Sekunde n solche Wellen entstehen von der Länge l, dann schreitet die ganze Wellenbewegung n * l vor, das heißt, der Weg, den die ganze Wellenbewegung in einer Sekunde zurücklegt, ich will ihn v nennen, ist n * l. Und hier bitte ich Sie, sich zu erinnern an dasjenige, was ich in den vorhergehenden Betrachtungen angeführt habe. Ich habe Ihnen gesagt: Man muß sorgfältig unterscheiden alles Phoronomische von dem, was nicht bloß durch inneres Vorstellungsleben ersonnen, sondern was äußere Realitäten sind, und ich habe gesagt: Äußere Realitäten können niemals das bloß Zählbare, das Räumliche und die Bewegungen sein. Äußere Realitäten sind aber immer die Geschwindigkeiten. Das ist natürlich nicht anders, wenn wir vom Schall oder Ton sprechen. Das äußerliche Erleben liegt weder im l noch im n; denn l
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ist ein bloß Räumliches, n ist bloß eine Zahl; das Reale liegt gerade in der Geschwindigkeit, und wenn ich die Geschwindigkeit, die das Wesen in sich enthält, was ich da als Ton oder Schall bezeichne, in zwei Abstraktionen teile, so bekomme ich in diesen Abstraktionen natürlich keine wirklichen Realitäten, sondern ich bekomme dasjenige, was man herausabstrahiert, abgetrennt, abgeteilt hat. Solches Ab geteiltes sind die Wellenlängen, die Raumgrößen und die Zahl n. Will ich auf die Realität des Tones sehen, auf das äußerlich Reale, dann muß ich auf die innere Fähigkeit beim Ton, Geschwindigkeit zu haben, sehen. Das ist das, was zu einer qualitativen Betrachtung des Tones führt, während die Betrachtung, die wir heute in der Physik gewohnt sind, eine quantitative Betrachtung des Tones ist, während sie - gerade beim Ton, bei der Tonlehre, bei der Akustik ist das so auffällig - geradezu immer dasjenige, was äußerlich quantitativ, räumlich, zeitlich, bewegungsmäßig und zählbar zu konstatieren ist, ein setzt für das Qualitative, das sich einzig und allein in einer bestimmten Geschwindigkeitsfähgkeit ausdrückt.
Nun merkt man heute gar nicht mehr, wie man im Grunde genommen schon bei der Schallehre ins materialistische Fahrwasser abirrt. Man kann sagen: Die Sache liegt ja eigentlich so auf der Hand, daß außer uns der Ton als solcher gar nicht vorhanden ist, sondern außer uns eben die Schwingungen sind. Wie könnte denn irgend etwas, so kann man sagen, klarer sein als dieses : Daß, wenn da ein Luftstrom erzeugt wird, der Verdichtungen und Verdünnungen hervorbringt, und wenn mein Ohr sie hört, daß jenes unbekannte Etwas in mir, auf das natürlich der Physiker nicht einzugehen braucht - denn das ist nicht Physik -, umsetzt zu rein subjektiven Erlebnissen die Luftschwingungen, die Schwingungen von Körpern in dasjenige, was das Qualitative des Tones ist. Und Sie werden es in den mannigfaltigsten Varianten finden, daß außer uns Schwingungen vorhanden sind, in uns die Wirkungen dieser Schwingungen, die aber bloß subjektiv sind. Das ist allmählich den Leuten so in Fleisch und Blut übergegangen, daß das herausgekommen ist, was Sie zitiert finden können aus Robert Hamerlings Werken in meinen «Rätseln der Philosophie», woraus man ersehen kann, daß der Robert Hamerling, indem er die Lehren der
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Physik aufnimmt, gleich im Anfang sagt : Dasjenige, was man als Knall erlebt, das ist außer uns nichts anderes als eine Lufterschütterung, und derjenige, der von da ausgehend nicht glauben kann, daß das, was er eigentlich als Sinnesempfindung erlebt, nur in ihm ist, und äußerlich eben schwingende Luft oder schwingender Äther ist, der möge nicht weiterlesen solch ein Buch, wie Robert Hamerling es schreibt. Robert Hamerling sagt sogar, daß, wer da glaubt, daß das Bild vom Pferd, das er gewinnt, wirklich einer äußeren Realität entspricht, der versteht nichts, sondern mag das Buch zuschlagen.
Aber, meine lieben Freunde, solche Dinge müssen schon einmal auf ihre logischen Konsequenzen verfolgt werden. Denken Sie, wenn ich Sie, die Sie Her sitzen, nach dieser physikalischen Denkweise - Denk weise, ich sage nicht Methode - behandeln würde, nach welcher die Physiker gewohnt worden sind, die Schall- und Lichterscheinungen zu behandeln, so würde ja das Folgende entstehen : Sie alle, die Sie Her vor mir sitzen, habe ich ja nur vor mir durch meine Eindrücke. Diese Eindrücke sind dann ganz subjektive, wie die Licht- und Schallempfindungen. Außer mir sind Sie ja alle nicht vorhanden, so wie ich Sie sehe, sondern nur die Luftschwingungen, die zwischen Ihnen und mir sind, führen mich zu den Schwingungen, die wiederum in Ihnen sind, und ich komme eigentlich dazu, daß all Ihr inneres Seelenhaftes, das ja in Ihnen für Sie durchaus nicht abzuleugnen ist, eigentlich nicht vorhanden ist, sondern für mich wäre dieses innere Seelenhafte von allen, die Sie hier sitzen, bloß die Wirkung auf meine eigene Psyche. Sonst sind da bloß etwas wie Anhäufungen von Schwingungen, die da in den Bänken sitzen. Es ist dieselbe Art des Denkens, wenn Sie dem Lichte und dem Tone ableugnen die Innerlichkeit, die Sie erleben scheinbar subjektiv. Es ist genau so, wie wenn ich Sie Her vor mir habe und dasjenige, was ich vor mir habe, nur als ein Subjektives bei mir betrachte und Ihnen das Erleben dieses Innerlichen ableugne.
Dasjenige, was ich jetzt sage, ist scheinbar so naheliegend und so banal, daß natürlich die Physiker und Physiologen sich nicht zumuten, daß sie solche Banalitätenfehler begehen. Aber sie tun es eben doch. Diese ganze Unterscheidung des subjektiven Eindruckes - dessen, was subjektiv sein soll - von dem objektiven Vorgang, ist nichts anderes.
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Natürlich, sobald man ehrlich vorgeht und sagt : Ich will als Physiker den Ton überhaupt nicht untersuchen, will gar nicht eingehen auf das Qualitative, sondern will das lassen und will nur die äußerlich räumlichen - man darf da nicht sagen objektiven - Vorgänge, die sich aber in mich hinein fortsetzen, untersuchen, ich will sie als Abstraktionen abtrennen von der Totalität und lasse mich auf das Qualitative nicht ein, dann ist man allerdings ehrlich, nur darf man dann nicht behaupten, daß dies ein Objektives und das ein Subjektives ist, und auch nicht, daß das eine die Wirkung des andern ist. Denn das, was Sie in Ihrer Seele erleben, ist nicht, wenn ich es miterlebe, die Wirkung Ihrer Gehirnschwingungen auf mich. Das ist so bedeutsam, daß man so etwas einsieht, wie nur irgend etwas für die neueren Zeitforderungen und Wissenschaftsforderungen der Menschheit bedeutsam sein kann.
Man muß nämlich bei solchen Dingen nicht vermeiden, auf die tieferen Zusammenhänge einzugehen. Sehen Sie, man kann leicht zum Beispiel sagen : Das Schwingungsmäßige, das einzig Schwingungsmäßige des Schalles und Tones geht ja überhaupt daraus hervor, daß, wenn ich im Raum eine Saite anschlage, eine andere Saite, die auf den selben Ton gestimmt ist, mitklingt. Es beruhe das lediglich darauf, daß Schwingungen sich übertragen in dem Medium, in dem Mittel, in dem sich die Schwingungen fortpflanzen, die dem Tone parallel gehen. Aber dasjenige, was man hier beobachtet, versteht man nicht, wenn man es nicht als Teil einer viel allgemeineren Erscheinung auffaßt. Und diese allgemeinere Erscheinung ist die folgende, die ja auch beobachtet worden ist.
Nehmen Sie an, Sie haben in irgendeinem Zimmer eine Pendeluhr, die geht, die Sie in Gang bringen, und Sie haben in dem Zimmer eine - sie muß allerdings dann in einer bestimmten Weise konstruiert sein -andere Pendeluhr, die Sie nicht in Gang bringen, so entdecken Sie zuweilen, wenn die Verhältnisse günstig sind, daß nach und nach diese zweite Pendeluhr von selber anfängt zu gehen. Es ist das, was man die Sympathie der Erscheinungen nennen kann. Diese Sympathie der Erscheinungen kann in breiten Gebieten untersucht werden. Es ist ja die letzte dieser Erscheinungen, die noch etwas zu tun hat mit der
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äußeren Welt, die letzte dieser Erscheinungen ist die, die viel mehr untersucht werden könnte, als sie gewöhnlich untersucht wird, weil sie tatsächlich überaus häufig vorhanden ist. Sie können es in unzähligen Fällen erleben: Sie sitzen mit einem Menschen an einem Tische und der sagt etwas, was Sie just vorher gedacht haben. Sie haben es gedacht, und er bringt es zum Sagen, nachdem Sie es nicht gesagt haben. Es ist das das sympathische Mitgeschehen der in einer gewissen Weise gestimmten Ereignisse, Ereigniszusammenhänge, was sich hier auf einem sehr geistigen Gebiete geltend macht. Und man wird müssen eine kontinuierliche Reihenfolge der Tatsachen sehen zwischen dem einfachen Mitschwingen einer Saite, das man ja noch nach den groben Vorstellungen ungeistig als das bloße Hineingestelltsein in das äußere materielle Geschehen betrachtet, und demjenigen, was als Parallel-Erscheinungen schon geistiger auftritt, wie in dem Miterleben von Gedanken.
Nun sehen Sie, klare Einsichten in diese Dinge wird man aber gar nicht bekommen können, wenn man nicht den Willen haben wird, sich einzulassen auf die Art und Weise, wie der Mensch selber hin eingestellt ist auch in dasjenige, was man die physikalische Natur nennt. Nicht wahr, wir haben vor einigen Tagen das menschliche Auge hier gezeigt und ein wenig analysiert. Wir werden heute das menschliche Ohr zeigen. Dieses menschliche Auge hat ja, wie Sie wissen, rückwärts den Glaskörper, von dem wir sagen konnten, daß er noch Vitalität in sich hat, und hier ist die Flüssigkeit zwischen der Linse und der Hornhaut, und wenn wir von außen nach innen gehen, so wird gewissermaßen das Auge immer lebendiger und lebendiger. Es ist außen mehr physikalisch geartet. Geradeso, wie man das Auge beschreiben kann, so kann man natürlich nun auch das Ohr beschreiben, und man kann in äußerlicher Weise sagen : Wie das Licht den Ein Druck auf das Auge macht, indem es das Auge affiziert, oder wie man sonst es nennen will, und der Nerv dann den Reiz empfängt, so üben die Schallschwingungen eine Wirkung aus auf das Ohr, gehen in den Gehörgang hinein, trommeln auf das Trommelfell auf, das den Gehörgang abschließt. Rückwärts sind auf das Trommelfell aufgesetzt die Gehörknöchelchen, Hammer, Amboß, Steigbügel, nach ihren Formen
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so genannt. Dasjenige also, jetzt physikalisch gesprochen, was da entsteht und sich äußerlich in der Luft in Form von Verdichtungs-und Verdünnungswellen ausdrückt, das wird übertragen durch dieses also geartete Gehörknöchelchensystem auf dasjenige, was nun hier im Hinterohr liegt. Hier im Hinterohr ist zunächst dasjenige, was hier die sogenannte Schnecke ist, die ausgefüllt ist mit einer Flüssigkeit und in die der Gehörnerv endigt. Vorne sind angesetzt die sogenannten drei halbzirkelförmigen Kanäle, die das Eigentümliche haben, daß ihre Flächen in den drei Richtungen des Raumes aufeinander senkrecht stehen. So kann man sich vorstellen: Der Schall dringt in Form von Luftwellen hier ein. Sein Fortgang wird vermittelt durch die Gehörknöchelchen und gelangt in die Flüssigkeit. Da gelangt er auf die Nerven und da wirkt er auf das empfindende Gehirn. Und man hat dann das Auge als ein Sinnesorgan und das Ohr als das andere Sinnesorgan. Man kann so hübsch diese beiden Dinge nebeneinander betrachten und kann als weitere Abstraktion eine gemeinsame Theorie des Sinnesempfindens physiologisch finden.
Aber wenn Sie das, was ich eben gesagt habe von dem Zusammen wirken des ganzen Rhythmus des auf- und absteigenden Gehirnwassers mit dem, was äußerlich in der Luft vor sich geht, wenn Sie das nehmen, so wird Ihnen die Sache schon nicht mehr so einfach er scheinen. Denn Sie werden sich erinnern, daß ich gesagt habe, man muß nicht etwa meinen, was man äußerlich so wie abgeschlossen sieht, sei eine fertige Realität. Es braucht keine fertige Realität zu sein. Die Rose, die ich abreiße vom Rosenstock, ist keine Realität, denn sie kann nicht so für sich bestehen, sie kann nur ein Dasein erlangen durch ihren Zusammenhang mit dem Rosenstock. Sie ist in Wahrheit eine Abstraktion, wenn ich über sie als bloße Rose nachdenke. Ich muß zu der Totalität vorschreiten, zum ganzen Rosenstock mindestens. So ist beim Hören das Ohr überhaupt keine Realität, das Ohr, das man gewöhnlich vorführt. Denn dasjenige, was da von außen durch das Ohr sich fortpflanzt nach dem Inneren, das muß erst gewissermaßen eine Wechselwirkung eingehen mit demjenigen, was als innerer Rhythmus abläuft und sich zeigt in dem Auf- und Absteigen des Gehirnwassers, so daß wir fortsetzen dasjenige, was im Ohr geschieht, zu demjenigen,
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was innerhalb dieser rhythmischen Bewegungen des Gehirnwassers geschieht. Aber da sind wir immer noch nicht fertig. Denn dasjenige, was als Rhythmus verläuft und das Gehirn gewissermaßen in seinen Wirkungsbereich einbezieht, das liegt menschlich wesenhaft wieder um zugrunde demjenigen, was auf einer ganz anderen Seite unseres Organismus zum Vorschein kommt durch den Kehlkopf und seine Nachbarorgane beim Sprechen. Sie können ebensogut Ihr aktives Sprechen, das ja einfach seinen Werkzeugen nach eingeschaltet ist in den Atmungsprozeß, der auch zugrunde liegt diesem rhythmischen Prozeß des auf- und absteigenden Gehirnwassers, Sie können einfach Ihren Sprechprozeß auf der einen Seite einschalten in alles das, was als Rhythmus entsteht in Ihnen beim Atmen, und das Hören können Sie auf der anderen Seite einschalten, und Sie haben ein Ganzes, das nur auf der einen Seite mehr intellektiv im Hören, auf der anderen Seite mehr willensmäßig zum Vorschein kommt. Sie haben nur ein Ganzes, wenn Sie zusammennehmen das Willensmäßige, das durch den Kehl kopf pulsiert, und das mehr Intellektiv-Sensuelle, das durch das Ohr geht. Das gehört zusammen, das muß man als etwas durchschauen, was einfach ein Tatbestand ist. Denn das Herauslösen des Ohres auf der einen Seite und des Kehlkopfes auf der anderen ist nur eine Abstrahierung, da kommt man nie auf eine Ganzheit, wenn man diese Dinge, die zusammengehören, voneinander abtrennt. Derjenige, der als physiologischer Physiker und als physikalischer Physiologe das Ohr und den Kehlkopf, jedes einzeln, betrachtet, der verfährt in bezug auf seinen Forschungsprozeß genau so, wie wenn Sie, um einen Menschen besser zum Leben zu bringen, ihn zerschneiden, statt die Dinge in lebendiger Wechselwirkung zu betrachten.
Wenn man dann richtig erfaßt hat, um was es sich da eigentlich handelt, ja, dann kommt man eben auf etwas anderes, auf das Folgende : Wenn man beobachtet alles das, was hier noch vorhanden ist im Auge, wenn ich weggenommen habe den Glaskörper, weggenommen haben würde aber auch alles dasjenige oder einen Teil dessen, was sich hier ausbreitet als Netzhaut, wenn ich das auch noch heraus-schieben könnte, so würde etwas bleiben : Der Ziliarmuskel, die Linse, die äußere Flüssigkeit hier würden bleiben. Und was wäre dann das
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für ein Organ? Das wäre ein Organ, das ich niemals vergleichen dürfte, wenn ich real vorgehe, mit dem Ohr, sondern das ich immer vergleichen müßte mit dem Kehlkopf. Das ist nicht eine Metamorphose des Ohres, das ist richtig eine Metamorphose des Kehlkopfes. Geradeso wie die Kehlkopfmuskein - um Ihnen nur das Gröbste anzudeuten - die Stimmbänder ergreifen und eine weitere oder engere Spalte machen, so machen es hier die Ziliarmuskeln. Sie ergreifen die Linse, die innerlich beweglich ist. Ich habe herausgeschält dasjenige, was gewissermaßen für das Ätherische kehlkopfmäßig ist, so wie für die Luft kehlkopfmäßig unser Kehlkopf ist. Und wenn ich wieder ein-setze zuerst die Netzhaut und dann den Glaskörper - und für gewisse Tiere müßte ich jetzt hineinsetzen gewisse Organe wie den Fächer, der für den Menschen nur ätherisch vorhanden ist, oder den Schwertfortsatz; bei gewissen niederen Tieren sind diese wie Blutorgane hineinverlängert -, wenn ich das alles nehme, so darf ich das allein mit dem Ohr vergleichen. Solche Dinge, wie diese sich ausbreitenden Teile des Fächers, darf ich vergleichen mit demjenigen, was sich im Ohr ausbreitet im Labyrinth und so weiter. Und ich habe also in dem menschlichen Organismus auf der einen Stufe das Auge, das da innerlich ein metamorphosiertes Ohr ist, äußerlich umschlossen wird von einem metamorphosierten Kehlkop£ Nehmen wir andererseits als ein Ganzes Kehlkopf und Ohr zusammen, dann haben wir auf einer anderen Stufe ein metamorphosiertes Auge.
Ich habe Ihnen angedeutet etwas, was auf einen sehr wichtigen Weg führt. Denn man kann einfach über diese Dinge gar nichts wissen, wenn man sie in ganz falscher Weise miteinander vergleicht, wenn man einfach Auge und Ohr nebeneinander stellt, während ich mit dem Ohr nur vergleichen darf dasjenige, was hinter der Linse im Auge liegt, was mehr vitalistisch im Innern ist, während ich vergleichen muß dasjenige, was sich da vorschiebt und mehr muskelmäßig ist, mit dem menschlichen Kehlkopf. Das macht natürlich das Schwierige der Metamorphosenlehre, daß man nicht in grober Weise die Metamorphosen aufsuchen kann, sondern daß man auf das innerliche Dynamische, Reale, Wirkliche, eingehen muß. Wenn das aber so ist, so zwingt das dazu, nun nicht einfach dasjenige, was bei den Ton- und
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Schallerscheinungen vorgeht, so ohne weiteres zu parallelisieren mit den Lichterscheinungen. Wenn man schon von der falschen Voraussetzung ausgeht: Das Auge ist ein Sinnesorgan und das Ohr ist ein Sinnesorgan, - dann wird man das, was aus dieser Beziehung hervor geht, ganz falsch betrachten. Wenn ich sehe, so ist das etwas ganz anderes, als wenn ich höre. Wenn ich sehe, so geschieht im Auge dasselbe, wie wenn ich höre und zu gleicher Zeit spreche. Auf einem höheren Gebiete begleitet eine Tätigkeit, die ich nur mit dem Sprechen vergleichen kann, die eigentlich rezeptive, die aufnehmende Tätigkeit beim Auge. Überhaupt ist erst dann auf diesem Gebiete etwas zu erzielen, wenn man sich bemüht, die Realitäten eben zu erfassen. Denn wenn man gewahr wird, daß hier im Auge zweierlei vereinigt ist, was sonst beim Hören, beim Schall, auf scheinbar ganz verschiedene Körperorgane verlegt ist, dann wird man sich klar darüber, daß beim Sehen, beim Auge, so etwas vorhanden ist wie eine Art Verständigung mit sich selbst. Das Auge verfährt immer so, wie Sie verfahren, wenn Sie etwas hören, aber es erst, um es zu verstehen, nachsprechen. Die Tätigkeit des Auges ist wirklich so, wie wenn Sie zuhören, aber jetzt noch nicht das Richtige haben würden. Wenn der andere sagt: «Er schreibt», sind Sie noch nicht klar. «Er schreibt», sagen Sie nach. Dann erst ist die ganze Sache vollzogen. So ist es beim Auge mit den Lichterscheinungen. Das, was durch die eigentümlichen Zusammenhänge in unser Bewußtsein eintritt, daß wir den vitalen Teil des Auges haben, das wird erst zum vollen Erlebnis des Gesichtes dadurch, daß wir es wiedergeben in demjenigen Teil des Auges, der dem Kehlkopf entspricht und der vorne liegt. Wir reden da ätherisch mit uns selbst, indem wir sehen. Es ist ein Selbstgespräch, das das Auge ausführt. Daher kann man gar nicht dasjenige, was das Ergebnis eines Selbstgespräches ist, wo also schon darinnen ist die eigene Aktivität des Menschen, mit demjenigen vergleichen, was nur ein Moment, ein Teil ist, mit dem bloßen Hören. Ich glaube, Sie werden durch diese Betrachtung, wenn Sie sie vollständig bei sich selbst durcharbeiten, außerordentlich viel gewinnen können. Denn Sie sehen daraus, wie sehr die materialistische physikalische Weltbetrachtung abirrt ins absolut Unreale, indem sie Dinge vergleicht, die eben
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gar nicht miteinander unmittelbar zu vergleichen sind, wie Ohr und Auge, und gerade durch diese rein äußerliche Betrachtungsweise, die nicht auf die realen Totalitäten sieht, kommt man eigentlich ab von einer geistigen Betrachtung der Natur. Bedenken Sie nur, wie sehr die Goethesche Farbenlehre zum Schluß, im sinnlich-sittlichen Teil, logisch das Geistige herausentwickelt aus dem Physikalischen. Und das können Sie niemals, wenn Sie die heutige physikalische Farbenlehre zugrunde legen.
Nun entsteht allerdings jenes Bedenken, das gegenüber dem Schall und dem Ton sich herausbildet, daß man da ja gewissermaßen es auf der flachen Hand liegend hat, daß, wie man sagt, äußerlich nur Schwingungen vor sich gehen. Aber Sie müssen sich ja doch die Frage auf werfen - und ich bitte bei sich selbst zu entscheiden, ob diese Frage, indem sie ordentlich aufgeworfen wird, nicht schon in gewisser Weise beantwortet ist -, ob dann nicht auch folgendes vorliegen könnte. Sehen Sie, wenn Sie hier einen Ballon haben und dieser Ballon mit Luft gefüllt ist, so wird, wenn Sie auch im Ballon ein Loch haben und dieses Loch durch einen Hahn aufschließen können, nichts geschehen, solange die Luft im Innern dieselbe Dichtigkeit hat wie im Äußeren, wenn Sie auch das Loch aufmachen. Wenn Sie aber diesen Ballon luftleer haben, so wird schon etwas geschehen: Es pfeift hier die äußere Luft hinein, füllt den luftleeren Raum aus. Werden Sie in diesem Falle etwa sagen, daß die Luft, die da später drinnen ist, nur entstanden ist durch dasjenige, was da drinnen vorgegangen ist? Nein, Sie werden doch natürlich sagen: Die Luft ist von außen eingedrungen, aber der leere Raum hat gewissermaßen, rein der Anschauung nach erfaßt, die äußere Luft eingesogen. - Indem wir hier zur Drehung bringen die Scheibe, dann hier durchpfeifen, erzeugen wir einfach Bedingungen, wodurch sich etwas herausstellt, das wir bezeichnen müssen als ein Saugen. Dasjenige, was da später als Ton auftritt, wenn ich die Sirene in Bewegung versetze und die Luft in Schwingungen versetze, ja, das ist vorhanden nur jenseits des Raumes, ist noch nicht im Raume drinnen. Es sind nicht die Bedingungen da, daß es in den Raum hereinkommt, solange ich diese Bedingungen nicht herstelle, geradeso, wie für diese äußere Luft die Bedingungen nicht da sind,
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daß sie hier eindringe, solange ich sie nicht herstelle. Dasjenige, was die äußeren Luftschwingungen sind, kann ich lediglich vergleichen hier mit dem luftleeren Raum, und dasjenige, was dann hörbar wird, kann ich lediglich vergleichen mit etwas, was aus dem Raum außen in den luftleeren Raum hereindringt dadurch, daß die Bedingungen geschaffen werden. Aber innerlich wesenhaft hat dasjenige, was die Luftschwingungen sind, nichts zu tun mit dem Tone, nur daß, wo diese Luftschwingungen sind, ein Saugprozeß entsteht, um den Ton hereinzuholen. Selbstverständlich wird durch die Art der Luftschwingungen dasjenige modifiziert, was als Ton hereingeholt wird, aber das würde auch modifiziert werden hier in dem luftleeren Raum, wenn ich hier Gänge machen würde und sich die Luft in bestimmten Wegen ausdehnen würde. Dann würden die Linien, in denen sich die Luft ausdehnt, in ihrem Abbild vorhanden sein. So sind äußerlich ab gebildet die Tonvorgänge in demjenigen, was als Schwingungsvorgänge vorliegt.
Ja, sehen Sie, so leicht, als durch einige mathematische Vorstellungen, die man über Schwingungsvorgänge hat, ist ja das nicht vor zustellen, was hier einer wirklichen Physik zugrunde liegend angeführt wird. Es macht mehr Ansprüche an das Qualitative im menschlichen Denken. Aber ohne daß man diese genügend erfüllt, wird man nur jenes Gebilde erzeugen als physikalisches Weltbild, das sich zu der Wirklichkeit so verhält - jenes physikalische Weltbild, das heute an-gebetet wird -, wie ein Mensch aus Papiermaché sich zu einem leben digen Menschen verhält. Bedenken Sie das noch einmal, dann am nächsten Freitag weiter.