Das violette Nordfenster des ersten Goetheanums

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Das violette Nordfenster des ersten Goetheanums nach dem Entwurf Rudolf Steiners, das die Einweihung in die irdische physische Welt zeigt.
Das violette Nordfenster des zweiten Goetheanums

Das violette Nordfenster des ersten Goetheanums zeigt die Einweihung in die irdische physische Welt.

Im linken Seitenbild sieht man ein in der Erde eingeschlossenes Totengerippe und darunter einen Stier als Symbol der irdischen Kräfte. Der Mensch erlebt seinen irdischen Leib, der von den Erdenkräften umfangen ist, als läge er schon im Grab. Das entspricht in etwa dem Erleben der Grablegung, der sechsten Stufe des christlichen Schulungsweges. Auch im Sinne des rosenkreuzerischen Schulungsweges stehen wir hier am Übergang von der fünften zu sechsten Stufe, dort, wo das Erkennen der Entsprechungen zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos übergeht in das immer weitere Hineinleben in den Makrokosmos.

Über dem Totenschädel ist das Ätherhaupt zu sehen, darüber ein Dreieck und ein Fünfeck, die von einer Engelgestalt getragen wird. Das Dreieck soll auf das Astralische und das Fünfeck auf das Geistige im Physischen hinweisen. Wir haben hier den irdisch verkörperten Menschen mit seinen vier grundlegenden Wesensgliedern vor uns, der aus physischem Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich besteht. Die Engelwesenheit und die Strahlen, die sich im Brennpunkt des Ichs sammeln, deuten auf die kosmischen Wesen und Kräfte, die den Menschen in das Erdenleben führen.

Das linke Seitenfenster trägt in Rudolf Steiners Entwurf den Untertitel: Es war geworden.

Wie die kosmischen Kräfte im irdischen Lebenslauf des Menschen wirken, wird im mittleren Fenster gezeigt. Hier wird der Mensch, mit den Sonnenstrahlen aus dem Kosmos kommend, in die Welt der Zeitlichkeit, der Vergänglichkeit, hineinversetzt. Er wandelt seinen Lebensweg auf gewundenem Pfad. Aus zwei Wurzel entspringt dieser Weg; aus der einen stammt der Leib des Menschen, aus der anderen tritt das Geistige des Menschen hervor und beide vereinigen sich im Zuge der Inkarnation.

Man sieht den Menschen in der mondenförmigen Wiege, als Jugendlichen und dann auch, wie er seinen Partner anderen Geschlechts findet, bis er schließlich sich als Greis dem Grab zuwendet. Zu jedem dieser vier großen irdischen Lebensabschnitte gibt es ein geistiges Gegenbild. Dem Greis entspricht der Leichnam, der am Ende des Lebensweges auf Erden zurückbleibt. Dem Ehepaar entspricht die dunkle Menschengruppe links unten; das Menschenpaar war zuvor auch schon im violetten Südfenster zu sehen, das die Ätherwelt darstellt. Dem Jüngling entsprechen die Sterne als Zeichen der erwachenden Astralkräfte und sie sind zugleich ein Hinweis auf das blaue Südfenster, das die Astralwelt zeigt. Der Wiege entspricht Golgatha mit den drei Kreuzen. Rechts oben sieht man das Auge Jahves und die Gesetzestafeln des Moses, die das Erdenleben des Christus vorbereitet haben.

Unter dem Mittelfenster steht in Steiners Entwurf: ES IST GEWESEN.

Im rechten Bild sieht man den Menschen eingeschlossen in der Erde, d.h. in seinem physischen Leib, mit zum Gebet gefalteten Hände. Vier Raben bringen ihm Kunde von der Außenwelt. Das erinnert auch in die Sage von König Friedrich I. Barbarossa (1122-1190), der im Kyffhäuser oder im Untersberg die Jahrhunderte verschläft, bis ihn das Reich wieder braucht. Diese Sage ist ein Bild für die Reinkarnation, ähnlich wie das Märchen von Dornröschen. Der Sage nach wird der Kaiser dann endgültig erlöst werden, wenn keine Raben mehr um den Berg fliegen und ein alter dürrer abgestorbener Birnbaum wieder ausschlägt. Dann wird er zur letzten großen Schlacht antreten und danach seine ewige Ruhe finden. Damit ist auf letzte irdische Inkarnation hingedeutet. Dann wird der Mensch nicht mehr in den Felsenschlünden des physischen Leibes eingeschlossen sein. Er wird sich über die Sinneswelt erheben – die Raben werden ihm keine Nachrichten mehr aus der sinnlichen Außenwelt bringen – und er wird in ätherischer Gestalt weiterleben, wenn der dürre Birnbaum wieder ausschlägt. Für diesen Wiederaufstieg in die ätherische Welt steht auch der Löwe, der rechts unten im Bild zu sehen ist. Der Löwe ist ein Symbol für das Ätherische, während der Stier, der im linken Seitenflügel zu sehen ist, ein Bild für das Physische ist. Die Bilder des violetten Nordfensters schildern auf diese Art den Weg des Menschen durch die physische Welt von seiner ersten bis zu seiner letzten irdischen Inkarnation.

Das rechte Seitenfenster hat den Untertitel: Es war.

Das violette Nordfenster des zweiten Goetheanums

Da die Glasfenster beim Brand des ersten Goetheanums in der Silvesternacht 1922/23 zerstört worden waren, gravierte sie Assia Turgenieff für das aus Beton gebaute zweite Goetheanum neu. Wegen der geänderten Architektur konnte allerdings nur für das rote Westfenster die ursprüngliche Anordnung mit zwei schmalen Seitenfenstern und einem großen Mittelfenster beibehalten werden. Bei den anderen acht Fenstern wurden die schmalen Seitenmotive unterhalb des breiten Hauptmotivs angeordnet.

Siehe auch

Literatur

  1. Georg Hartmann: Goetheanum-Glasfenster, Verlag Am Goetheanum, Dornach 2002, ISBN 3-7235-0049-8