Die Schatzhöhle

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Die Schatzhöhle, auch die Syrische Schatzhöhle genannt, ist eine etwa im 6. Jahrhundert vollendete Sammlung apokrypher christlicher Schriften in syrischer Sprache, die hier als die Königin aller Sprachen und geradezu als die Ursprache bezeichnet wird, deren sich die Völker vor der babylonischen Sprachverwirrung bedienten. Die Schrift wird der Schule des Ephraem Syrus († 373) zugeschrieben, geht aber in der vorliegenden Gestalt keinesfalls auf diesen selbst als Verfasser zurück.

„Und in den Tagen des Peleg versammelten sich und zogen herauf alle Stämme und Nachkommen der Kinder Noah's von Osten her und fanden eine Ebene im Lande Sinear: und sie wohnten daselbst imd hatten einerlei Sprache und einerlei Rede. Von Adam bis damals redeten sie alle in dieser Sprache, nämlich in der syrischen Sprache, welche die aramäische ist: denn diese Sprache ist die Königin aller Sprachen. Die früheren Schriftsteller aber irren, indem sie sagen, das Hebräische sei die erste gewesen, und hier haben sie den Irrtum der Unwissenheit in ihre Schriften gemischt. Denn alle Sprachen auf der Welt sind von der syrischen Sprache ausgegangen, und alle Reden in den Büchern sind mit ihr untermischt.“

Carl Bezold: Die Schatzhöhle, S 29

Die Schatzhöhle beginnt mit einer ausführlichen Darstellung des Sechstagewerks.

„Am Anfange, am ersten Tage, nämlich dem heiligen Sonntage, dem Anfang und Erstgeborenen von allen Tagen, schuf Gott den Himmel und die Erde und das Wasser und die Luft und das Licht und die unsichtbaren Mächte, das heisst die Engel und die Erzengel und die Thronen und die Fürsten und die Herrschaften und die Machthaber und die Kerube imd die Seraphe: alle Ordnungen und Heere von Geistern: und die Finsternis und das Licht und die Nacht und den Tag und die Winde und Sturmwinde: diese alle wurden am ersten Tage geschaffen. Und an diesem Sonntag schwebte der heilige Geist, eine von den Personen der Dreieinigkeit, über dem Wasser: und durch sein Schweben auf der Oberfläche des Wassers wurde es gesegnet, sodass es zum Erzeuger wurde: und es wurde heiss und glühend die ganze Natur des Wassers, und es wurde vereinigt damit der Sauerteig der Schöpfung. Wie ein Vogel durch das Ausbreiten der schützenden Flügel seine Jungen erwärmt, sodass sie durch die Wärme des von ihm ausgehenden Feuers in den Eiern zu Jungen gebildet werden, so wurde auch durch die Wirkung des heiligen Geistes, als dieser, der Paraklete, über dem Wasser schwebte, der Sauerteig der Schöpfung an dasselbe gebunden.“

Carl Bezold: Die Schatzhöhle, S 1

Die Schrift enthält weiters eine Fülle wiederkehrender Legenden, die sich inhaltlich weitgehend mit dem christlichen Adambuch decken. Darüber hinaus finden sich aber auch neue Legenden und Auslegungen zum Alten und Neuen Testament. Am Ende stehen die Geschehnisse von Golgatha und das Erlösungswerk Christi.

„Und als sie den Messias, die Leuchte des Lichtes der ganzen Erde, erhöheten und auf den Leuchter des Kreuzes setzten, da erlosch und verdunkelte sich das Licht der Sonne, und verbreitete sich ein Schleier der Finsternis über die ganze Erde. Drei Nägel waren in den Körper unseres Erlösers geheftet, zwei in seine Hände und einer in seine beiden Füsse. Und der Schächer waren zwei, einer zur Rechten und einer zur Linken.
Und man reichte ihm Essig und Galle in einem Schwämme, Durch den Essig, welchen sie ihm gaben, wurde ihnen angedeutet, dass sich umgewandelt hatte ihr früherer Wille, und sie vom rechten Wege zur Schlechtigkeit sich abgewandt hatten: und durch die Galle die Bitterkeit der hartnäckigen Schlange, die in ihnen war [...]
Und als das Gesetz und die Propheten erfüllet waren, und Adam gesandt ward und die Quelle des lebendigen Wassers sah, das zu seiner Erlösung herabgesandt ward, da siegte der Messias durch den Speer, und von seiner Seite liefen Blut und Wasser herab. Aber sie waren nicht mit einander vermischt. Aus welchem Grunde kam aber das Blut vor dem Wasser heraus? Aus zwei Gründen: einmal, weil durch das Blut dem Adam Leben gegeben werden sollte, und dann, — nach dem Leben und der Auferstehung das Wasser zu seiner Taufe: und zweitens zeigte er durch das Blut, dass er unsterblich sei, und durch das Wasser, dass er sterblich und Träger des Leidens sei. — In den Mund Adam's flossen herab das Blut und das Wasser, und es wurdede Adam erlöset und zog an die Stola der Glorie [...]
Und als er den Leichnam unseres Herrn vom Kreuze herabgenommen hatte, da liefen die Juden, nahmen das Kreuz und trugen es nach dem Tempel, weil es Bretter der Bundeslade waren. Und Nikodemus balsamirte den Leichnam unseres Herrn ein mit reinen und neuen Linnen, und Joseph wickelte ihn em und begrub ihn in einem neuen Grabe, welches für Josua-bar-nun gemacht war, damit er darinnen begraben werde. Weil dieser (aber) mit dem Auge des Geistes sah und ihm der Weg der Heilsordnung des Messias vorschwebte, nahm er den Stein, der mit den Kindern Israels in der Wüste gewandelt war und legte ihn vor die Türe des Grabes, und deshalb wurde er nicht darin begraben. Und als Joseph und Nikodemus und Kaliopha den Messias begraben hatten, legten sie diesen Stein vor die Türe des Begräbnishauses [...]
Die Niederfahrt des Messias aber zur Unterwelt war nicht eitel, sondern die Ursache einer Menge von Woltaten für unser Geschlecht. Seine Niederfahrt zu den unteren Ortern der Erde löste des Todes Herrschaft auf und verkündigte den in Staub daliegenden die Auferstehung und spendete Vergebung denen, die ohne Gesetz gesündigt hatten, und zerstörte den Scheol und tödete die Sünde und beschämte den Satan und betrübte die Teufel und schaffte die Opfer- und Brandopferhöhen ab und bereitete Adam die Rückkehr und vereitelte die Feste der Juden.
Und als er auferstand aus dem Grabe am dritten Tage, erschien er Kepha und Johannes. Und als der Messias im Grabe war, und die Wächter um das Grab herumsassen, da fasste Simon Kepha in seinem Herzen den Entschluss, dass er den Wächtern Wein zu trinken gebe und sie trunken würden und einschliefen, und er dann aufstehe, das Grab öffne und daraus den Leichnam des Messias hole, ohne aber die Siegel des Grabes zu verletzen, damit die Juden nicht sagten: „seine Jünger haben ihn gestohlen". Und als die Wächter assen und tranken, auferstand der Messias und zeigte sich Kepha, der in Wahrheit glaubte, dass er der Messias sei, der Herr des Himmels und der Erden; und Kepha näherte sich dem Grabe nicht. Und auch darnach erschien er den Wächtern offenbar, und ging zu seinen Jüngern in den Saal, da berührte Thomas ihn; und er erschien ihnen (auch) am Meere... Und vierzig Tage nach seiner Auferstehung übertrug er den Aposteln die Handauflegung der Priesterschaft und fuhr gen Himmel und setzte sich zur Rechten seines Vaters.
Und es versammelten sich die Apostel und stiegen hinauf in den Saal mit Maria, der heiligen Jungfrau. Und Simon Kepha taufte Maria, und es nahm sie zu sich Johannes, der Jüngling. Und sie beschlossen ein Fasten, bis sie empfingen den Geist, den Parakleten, an Pfingsten alle in gleicher Weise, da sie versammelt waren. Und es wurden ihnen Zungen ausgeteilt, und jeder von ihnen ging hin und lehrte das Volk, dessen Sprache er empfangen hatte, dass kein Streit unter ihnen war bis in Ewigkeit.
Ende der Schrift dieses Buches von der Ordnung der Ableitung der Stämme von Adam bis auf den Messias, welches „Schatzhöhle“ genannt wird. Und Gott sei Ehre in Ewigkeit;
Amen!“

Carl Bezold: Die Schatzhöhle, S 66ff

Literatur