Egoismus

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Der Egoismus (von lat. ego „ich“), der Eigennutz, das bloße Bedachtsein auf den eigenen Nutzen, verbunden mit Selbstsucht und Eigenliebe, ist eine Folge der luziferischen Versuchung. Zugleich ist er aber auch eine notwendige und grundlegende Eigenschaft des Astralleibs, durch den sich dieser als eigenständiges Gebilde aus der allgemeinen Seelenwelt herauslösen kann, um sich auf Erden zu inkarnieren. Der Mensch muss daher bis zu einem gewissen Grad Egoist sein, denn ohne egoistische Kräfte könnte er nicht zum irdischen Dasein herabsteigen, weshalb der Egoismus auch stark mit der Sexualität zusammenhängt. Unterstützt wird der persönliche Egoismus oft auch durch einen übergeordneten Gruppenegoismus, der ganze Menschengruppen umfasst, und sich u. a. in Phänomenen wie Rassismus und Nationalismus äußert.

Egoismus und Sexualität

„Nun, wenn man das Verhältnis des Ich des Menschen zum Gliedmaßen-Stoffwechselsystem ins Auge faßt, so liegt eigentlich in diesem Verhältnisse der Ursprung des menschlichen Egoismus. Es gehört diesem System des menschlichen Egoismus ja auch das Sexualsystem an. Und das Ich wirkt gerade auch auf dem Umwege durch das Sexualsystem am meisten das menschliche Wesen mit Egoismus durchdringend.“ (Lit.:GA 313, S. 22)

Egoismus und Nationalismus

Eine im höchsten Maß gesteigerte Form des Egoismus ist der Nationalismus. Über den engen Zusammenhang von Sexualität und Nationalismus hat Rudolf Steiner sehr ausführlich gesprochen.

"Es sind durchaus zwei verschiedene Quellen in der menschlichen Natur, die zugrunde liegen dem Nationalismus und dem Internationalismus. Der Nationalismus ist die höchste Ausbildung des Egoismus. Der Internationalismus ist dasjenige, was in uns immer mehr und mehr hereindringt, wenn wir uns verständnisvoller Menschenauffassung hingeben können. Man wird in diesem Lichte das menschliche Zusammenleben ansehen müssen über die zivilisierte Erde hin, namentlich wenn man zu einem richtigen Verständnis desjenigen kommen will, was im Internationalismus und Nationalismus aufeinanderstößt." (Lit.: GA 332a, S. 190)

"Mehr als man glaubt, ist nämlich das Problem des Volkstums in Beziehung zu setzen mit dem sexuellen Problem. Denn die Zugehörigkeit zum Volkstum beruht auf der gleichen Organgrundlage - dem Gangliensystem - , dem auch das Sexuelle zugrunde liegt. Das ist ja äußerlich schon dadurch zu verstehen, daß man seinem Volkstum durch die Geburt angehört, insoferne als man in der Mutter eines bestimmten Volkes gereift wird; insoferne ist ja schon die Vermittlung da. Da sehen Sie, durch welche, ich möchte sagen, seelenunterirdischen Untergründe gerade das Nationalproblem schon mit dem Sexualproblem zusammenhängt. Und daher ist in der Erscheinung so viel Verwandtes zwischen diesen beiden Impulsen im Leben. Wer nur offene Augen für das Leben hat, der wird ungeheuer viel Verwandtes finden zwischen der Art und Weise, wie sich der Mensch betätigt aus dem Erotischen heraus, und wie er sich betätigt in seiner Zugehörigkeit zum Volkstume. Es ist natürlich damit weder pro noch kontra in bezug auf das eine oder andere etwas gesagt; aber die Tatsachen liegen so, wie ich das charakterisiert habe. Die Erregungen nationaler Art, die insbesondere stark unbewußt wirken, wenn sie nicht ins Ich-Bewußtsein heraufgeholt werden, indem man die Frage zu einer Karmafrage macht, so wie ich das neulich charakterisiert habe, sind sehr verwandt den sexuellen Erregungen. Man darf über solche Dinge nicht dadurch hinweggehen, daß man aus gewissen Täuschungen und Sehnsuchten heraus eine emotionelle Art des Nationalempfindens zu einer recht vornehmen Empfindung machen möchte, und die Sexualempfindung zu einer recht wenig vornehmen; denn die Tatsachen liegen schon so, wie ich es Ihnen entwickelt habe." (Lit.: GA 174, S. 142f)

Egoismus und Ernährungs- und Gesundheitsfragen

In unserer Zeit, in der Ernährungs- und Gesundheitsberatung, überhaupt auch eine allgemeine Lebensberatung sehr gesucht wird, gilt es zu bedenken, dass all diese Dinge, insofern sie intellektuell betrieben werden, den Menschen übermäßig egoistisch machen.

"Es ist dem Kinde noch natürlich, instinktiv seine Gesundheits- und Ernährungsbedingungen zu erfüllen. Deshalb kann man ihm davon reden, und es schlägt dieser Rede noch etwas von dem entgegen, was dem Menschen natürlich ist und ihn nicht egoistisch macht. Werden die Kinder nicht in diesen Jahren über Ernährungs- und Gesundheitsverhältnisse unterrichtet, dann müssen sie sich später erst durch Lesen oder durch Mitteilungen von andern darüber unterrichten. Was später, nach der Geschlechtsreife, über Ernährungs- und Gesundheitsverhältnisse auf irgendeinem Wege an den Menschen herankommt, das erzeugt in ihm den Egoismus. Es kann gar nicht anders, als den Egoismus erzeugen. Wenn Sie eine Ernährungsphysiologie, wenn Sie einen Abriß von Regeln für Gesundheitspflege lesen, dann machen Sie sich, das liegt einfach in der Natur der Sache, durch diese Lektüre egoistischer, als Sie vorher gewesen sind. Dieser Egoismus, der fortwährend ausgeht von unserer verstandesgemäßen Bekanntschaft mit unserer eigenen Pflege, dieser Egoismus muß ja gerade durch die Moral bekämpft werden." (Lit.: GA 294, S. 187)

Egoismus und Esoterik

Der Mensch kann im Erdenleben niemals völlig frei von Egoismus sein; dessen muss sich ganz besonders der Geistesschüler bewusst sein. Bedenklich wird es allerdings, wenn das Ego zu stark wird und dem Ich, dem eigentlichen Wesenskern des Menschen, seine Herrschaft streitig macht und in der Lebensführung die Oberhand gewinnt.

"Das Erkennen um des Erkennens willen wäre Egoismus. Wer erkennen will, um hineinzuschauen in die höheren Welten, der handelt egoistisch. Wer aber diese Erkenntnis hineintragen will in die unmittelbare Praxis des täglichen Lebens, der arbeitet an der Fortentwickelung der kommenden Evolution der Menschheit. Das ist außerordentlich bedeutsam, daß wir immer mehr und mehr lernen, in die Praxis umzusetzen, was als geisteswissenschaftliche Anschauung existiert." (Lit.: GA 099, S. 150)

"Eins muß sich der Schüler immer wieder sagen: Ich werde nicht Teilnehmer der geistigen Welt sein können, ehe ich nicht gelernt habe, mir zu sagen: ich bin voller Egoismus - und ich kann gar nicht anders hier auf der physischen Welt sein. Das aber, was von mir hier auf der physischen Welt lebt, das ist nur ein Bild, eine Form, die Abbild ist meines Urbildes. Diese Form, dies Bild, ist von Egoismus ganz und gar durchtränkt. Und es ist das Weltenkarma, das uns in unserm Entwicklungsgange durch die Inkarnationen hindurch ganz mit Egoismus durchtränkt. Das Weltenkarma aber ist Gott. Der Gott lebt auch in uns. Und kommen wir soweit, daß wir gut und edel handeln, so ist es der Gott in uns, der uns dazu treibt. Und der Gott in uns, der uns gut und edel handeln läßt, lebt in unserm Urbild. Ich selber bin voll Egoismus - aber ich bin dazu vorbestimmt, Abbild zu werden meines göttlichen Urbildes. Dies Urbild ruhte im Schoß der Gottheit - es ist herabgestiegen bis zu dieser physischen Form und diese Form steht unter der Gewalt des Gottes, der über meinem Schicksal, meinem Karma steht, das ist mit Egoismus ganz und gar durchtränkt. Nie, nie darf ich sagen, ich sei ohne Egoismus, das ist niemals wahr - ich kann sogar nicht ohne Egoismus sein auf der physischen Welt.

Aber wenn ich hinschauen lerne auf mein aus Gott geborenes Urbild, wenn ich mein Denken, Fühlen und Wollen, all meine Seelenkräfte ganz und gar hineinsterben lasse in dies Urbild, dann darf ich hoffen, den Egoismus in mir zu besiegen und mich meinem Urbild wiederum zu nähern. Wir werden bemerken, daß in demselben Maße, in dem wir selbstloser werden, wir auch physisch kraftvoller werden. Wir werden bemerken, daß wir keine Furcht, keinen Schrecken mehr empfinden, wir werden nicht mehr zusammenzucken in plötzlichem Schreck. Wir werden in unserem ganzen Menschenwesen kraftvoll und stark werden." (Lit.: GA 266b, S. 109f)

Der Egoismus ist aber auch ein Schutzmittel, das den Menschen hindert, unreif in die geistige Welt einzudringen oder gar geistige Kräfte im Sinne der schwarzen Magie zu missbrauchen.

"Die Selbstsucht ist eine Kraft, die nicht deshalb von den Göttern in die Menschennatur verpflanzt worden ist, damit der Mensch sie so ohne weiteres verleugne oder verneine. Es gehört sogar die Selbstsucht zu den wesentlichsten Dingen, durch die der Mensch wirkt. Wenn wir den Gründen der Selbstsucht nachforschen, wenn wir uns fragen: Warum haben denn die Götter, die gütigen Götter dem Menschen die Selbstsucht eingepflanzt? - , da diese so etwas Abscheuliches ist nach Ansicht so vieler Leute, da bekommen wir aus dem wirklichen Okkultismus herausgeboren die Antwort, daß die Selbstsucht ein ganz gewaltiger Schutz ist gegenüber dem, was mit dem Menschen in der Welt geschehen würde, wenn er nicht diese Selbstsucht hätte. Wissen Sie, was den Menschen am besten davor schützt, gewisse recht schlimme Kräfte anzuwenden, von denen wir gleich nachher sprechen werden? Es wäre ein Leichtes heute für jemand, der selbst schwarze Magie betreiben wollte, einen Menschen als Schüler zu sich heranzuziehen und diesem Schüler gewisse Handgriffe und Machinationen der wirklichen schwarzen Magie beizubringen; er würde in der entsetzlichsten Weise in der Welt wirken können. Die meisten aber werden das nicht so ohne weiteres tun. Und wissen Sie, warum nicht? Aus dem einfachen Grunde nicht, weil sie sich fürchten, weil sie für ihre Persönlichkeit fürchten. Sie gewahren ein klein wenig von den Folgen im Geist und furchten sich selbstsüchtig davor. Und das ist ganz gut, daß sie sich fürchten und die Sache deshalb bleiben lassen. Wenn im Beginne der Erdenentwickelung die Menschen alles gleich ausgeliefert erhalten hätten, was es an Kräften gibt, um auf den astralischen, auf den ätherischen und auf den physischen Leib zu wirken, dann würden diese Menschen schlimme Dinge in der Welt angestellt haben. So aber ist ihnen der Egoismus gegeben worden, und der bringt den Menschen dazu, daß er zunächst nur für sich selbst sorgt, und daß die Sorge für sich selbst ihn ganz beschäftigt. Wie eine Schutzwand haben die Götter den Egoismus um die Menschen herum errichtet. Der Egoismus ist es, der den Menschen den Einblick in die Dinge verhüllt, die hinter der Welt der Erscheinungen liegen. Das zu betrachten ist außerordentlich wichtig. Es ist eine von den weisen Bremsvorrichtungen, welche die Götter aufgestellt haben, damit der Mensch nicht zu schnell eindringe in die geistigen Reiche. Das ist also der Egoismus; er ist ein gutes Schutzmittel." (Lit.: GA 101, S. 119f)

Egoismus und christliches Gebet

Die richtige Grundstimmung und Haltung beim Beten liegt in den Worten: "Nicht mein, sondern Dein Wille geschehe". Steiner führt als Beispiel zwei betende Bauern an, der eine bittet um Regen, der andere bittet um Sonnenschein. Dies sind nach Steiner egoistische Bitten. Er differenziert aber nicht weiter, inwiefern etwa der Bauer nichts für sich persönlich will, sondern es ihm etwa ausschließlich um die von ihm abhängigen Menschen geht, für die er verantwortlich ist, oder er sich um die Ernte sorgt, und um die Ernährung der Menschen, die diese Ernte dazu benötigen. Sondern er betont einen anderen Aspekt: die Bejahung der Notwendigkeit der Eingeordnetheit aller erfüllbaren Bitten in den alles umfassenden göttlichen Willen, und das Erfordernis einer entsprechenden Gebetsstimmung:

"Es gibt ein christliches Urgebet, in dem der Christus Jesus selbst, so klar als es irgend möglich ist, darauf hingewiesen hat, welche Stimmung für den Christen im Gebet notwendig ist. Und dieses Urgebet ist einfach das: «Vater, ist es möglich, so laß diesen Kelch an mir vorübergehen, doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe.» Fassen wir einmal diese letzten Worte ins Auge. Wir haben es zunächst mit einer wirklichen Bitte zu tun: das Vorübergehenlassen des Kelches, aber zu gleicher Zeit mit einem völligen Aufgehen in dem Willen des Göttlich-Geistigen: «Doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe.» Diese Stimmung, daß man während des Gebets den Willen des Göttlich-Geistigen durch sich hindurchwirken läßt, aufgeht darin, nichts für sich will, sondern in sich die Gottheit wollen läßt, diese Stimmung muß als eine Unterströmung, ein Grundton das Gebet durchdringen, wenn es christlich sein soll.

Klar ist, wie unmöglich es ist, hierdurch ein egoistisches Gebet zu haben. Es ist ja schon auch aus andern Gründen unmöglich, ein egoistisches Gebet zu Gott zu schicken, denn der eine würde bitten um Regen, der Nachbar um Sonnenschein, beide würden bitten aus ihrem Egoismus heraus, ganz abgesehen von dem Falle, wo zwei Heere kampfbereit einander gegenüberstehen, und jedes bittet, daß ihm der Sieg verliehen werde, was ja ganz ausgeschlossen ist. Aber wenn man den Unterton, den Grundton hat, «nicht mein, sondern dein Wille geschehe», dann kann man um alles bitten, dann ist das ein Aufgehen in dem göttlich-geistigen Willen. Ich möchte um das bitten, aber ich stelle es der göttlich-geistigen Wesenheit anheim, zu entscheiden, ob es mir werden soll oder nicht." (Lit.: GA 097, S. 102f)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.