Essener

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Die Essener oder Essäer (aramäisch chasya, Heiliger, von חזן ḥāzên „rein, heilig“; hebr. אִסִּיִים Isiyim; griech. Ἐσσηνοί, Ἐσσαῖοι oder Ὀσσαῖοι Essenoi, Essaioi, Ossaioi) waren eine mystische religiöse Gruppierung innerhalb des Judentums der Antike. Sie haben sich vermutlich um 165 v. Chr. gegründet und bildeten bis 70 n. Chr. neben den Pharisäern (hebr. פְּרוּשִׁים peruschim „Abgesonderte“) und den Sadduzäern (hebr. צְדוֹקִים Ṣəḏōqīm „Anhänger der Lehre Zaddoks“) eine dritte bedeutende jüdische Gemeinschaft zur Zeit des Zweiten Tempels. Wie die Pharisäer sind sie aus der endzeitlich orientierten Chassidim-Bewegung (hebr. חסידים Chassidim „die Frommen“) hervorgegangen, die um etwa 300 bis 175 v. Chr. auf der Suche nach Recht und Gerechtigkeit ihre Wohnsitze verließen und in die Wüste zogen, um den religionspolitischen Zwangsmaßnahmen der Seleukiden zu entgehen (1.Makkabäer 2,29-38 LUT). Durch die Absonderung von der übrigen Bevölkerung suchten sie auch den ihnen verderblich erscheinenden Einfluss des Hellenismus von sich fernzuhalten.

Name

Pinchas Lapide leitet hypothetisch Essener vom verstümmelten Ossé (Ha-Torah) ab, welches als die Bezeichnung der Leute von Qumran überliefert worden sein soll. Dieses Ossé wurde zu Ossenes und später zu Essener. Auch Epiphanius von Salamis wusste von ihnen.

Geschichte

Die Essener bildeten bis 70 n. Chr. neben den Pharisäern und den Sadduzäern die dritte bedeutende jüdische Gruppe der Römerzeit (Pharisäer, Sadduzäer, Essener und Zeloten).

Die Essener (griech. hosios, esenios; aram. chasya) waren wie die Pharisäerpartei aus der Chassidim-Bewegung (griech. asideanos; Frommer) herausgewachsen. Um etwa 165 v. Chr. fand die Trennung statt. Gründer der Essenerpartei war der Wahre Meister.

Sie versuchten durch eine räumliche Trennung von der übrigen Bevölkerung, den verderblichen Einfluss des Hellenismus von sich fernzuhalten. Die Essener gliederten sich wahrscheinlich in zwei Untergruppen. Die eine Untergruppe lebte im Zölibat und war als Orden organisiert. Ihr spirituelles Zentrum war möglicherweise das Kloster Qumran, wobei umstritten ist, worum es sich um die in Qumran gefundenen Ruinen handelt. Ableger gab es auch in Jerusalem (Südwesthügel) und in der Batanäa Judäa jenseits des Jordans. Die zweite Untergruppe der Essener lebte nicht zölibatär. Die Mitglieder hatten Familie und gingen einem normalen Handwerk nach. Dieser Zweig lebte vor allem in Judäa jenseits des Jordan und wahrscheinlich auch in En Gedi. s.[1]

Sie führten ein Leben der stetigen Heiligung. Zentral war dabei das spirituelle Wasserbad, die Mikwe. Welche Einstellung sie zu den Tieropfern hatten, kann noch nicht schlüssig beantwortet worden.

Judith von Halle berichtet ausführlich von den Essäern der Zeitenwende: "Die Essäer verfolgten (...) eine asketische Lebensform, und sie hatten auch ein Bewusstsein von der Reinkarnation. Vornehmlich diese beiden Aspekte hatten sie aus der Lehre Buddhas übernommen. Wenn man heute jüdische Theologen nach den Essäer-Gemeinden fragt, so bestätigen diese, dass es sich bei der Weltanschauung der Essäer um eine Art jüdischen Buddhismus oder um ein buddhistisches Judentum handelte. Dies kam durch die Anlehnung der Essäer an die Mysterien der dritten nachatlantischen Kulturepoche zustande; sie pflegten ein starkes kosmisches Element in ihren Schulen." (Lit.: Judith von Halle, S. 142)

Nach Rudolf Steiner und nach Judith von Halle lebte Jesus von Nazareth einige Jahre unter den Essäern, und zwar für die Jahre unmittelbar vor der Jordan-Taufe.

Sowohl von Josephus Flavius als auch von Philo von Alexandria erwähnt, spielen sie im Neuen Testament und in den talmudischen Schriften keine prominente Rolle. In den Evangelien finden die Essener Erwähnung als Söhne des Lichts (Lukas 16,8 LUT) und im Zusammenhang mit dem Zölibat (Matthäus 19,10-12 LUT).

Gewisse Autoren unterscheiden zwischen den Essenern im allgemeinen und der Qumran-Sekte im speziellen. Sie verstehen die Qumran-Sekte nicht als Zweig der Essenerbewegung. Nach dem heutigen Stand der Forschung kann diese Frage noch nicht schlüssig beantwortet werden.

Pinchas Lapide wiederum bringt Qumran und die Essener in die Nähe der Wüste als heilsbringender theologischer Verheißungsort der jüdischen Religion und Geschichte ins Gespräch. Im Hebräischen wurde diese Wüste Araba genannt, die sich genau dort, wo Qumran liegt, am Westrand des Toten Meeres, befindet, und seit Jesaja als heilsträchtig bekannt ist. Die Qumranschriften nennen weder die Bezeichnung Qumran noch das Wort Essener. Sektenschriften aus Qumran sprechen vom „Haus Juda“ oder einfach nur „Juda“, aber auch als „Verbannte der Steppe“. Damaskus galt vermutlich als Chiffre für Qumran in apokalyptischen Kreisen. In den Schriften, u.a. der Damaskus-Rolle, ist von „Damaskus in der Wüste“ die Rede. Auch manche biblisch-jüdische Quelle nennt dieses Wüstendamaskus (Elia in 1.Kön 19,15f.). Nach Lapide ging Paulus mit dem bekannten Auftrag auch nicht nach Damaskus in Syrien, was politisch-rechtlich gar nicht möglich gewesen wäre, sondern eben nach Qumran. Er sagt im Brief an die Galater, dass er „von Arabien nach Damaskus“ ging, was sich dieser Deutung nach (Araba - Damaskus in der Wüste) in unmittelbarer Nähe befand. Jesus von Nazareth hatte (laut Neuem Testament) Berührung mit einigen Essenern, er übernimmt vermutlich Ideen und Lehren aus Qumran, verwirft dafür wieder andere vehement. Er könnte nach der Bar Mitzwa und vor seinem 30. Lebensjahr in Qumran gewesen sein, wofür inhaltliche Parallelen und Auseinandersetzungen sprechen würden. Pinchas führt des Weiteren die Bezeichnung Qumran auf das biblische Gomorrha zurück, ebenfalls ein in der Wüste Araba gelegener Ort (Gen).

Um nach Aram/Damaskus zu gelangen musste man zwar durch die Wüste Baschan ziehen, die oberhalb des Sees Kinnereth (See Genezareth) beginnt, aber selbst war es in hellenistischer und römischer Zeit eine blühende Stadt in einer blühenden Landschaft.

Bedeutung

Die Essener können als Vorläufer späterer Mönchsorden angesehen werden, die es aber im jüdischen Selbstverständnis damals noch nicht gab. Nach den antiken Quellen lebten sie getrennt vom offiziellen Tempeljudentum und in Anlehnung an Jeremia 31,31-34 als Neuer Bund in klösterlicher Einsamkeit. Sie forderten asketische Ordensgemeinschaft mit Gütergemeinschaft, ähnlich den ägyptischen Therapeutae bei Alexandria, bei denen es auch weibliche Mitglieder gab. Wie die Pharisäer wandten sie sich gegen die Ernennung Jonatans zum Hohenpriester und widersetzten sich seiner Führung. Das Priesterkönigtum der Hasmonäer verabscheuten sie und folgten damit einem gewissen Fundamentalismus.

Theologische Glaubensinhalte

Die Essener lebten in dem Bewusstsein, die letzten wahren Gläubigen ihrer Zeit und somit auch die letzten Gläubigen am Ende der Zeit zu sein. Charakteristisch für ihr streng geregeltes Leben waren die täglichen Waschungen (Taufe = Selbsttaufe), die aber natürlich auf der jüdischen Mikwe basieren, das tägliche Kultmahl und die genau festgelegte Rangordnung. Die Glieder der Gemeinschaft brachten ihr persönliches Eigentum in den Besitz der Gemeinde ein, in der alle Güter geteilt wurden. Über deren Verwendung hatten von der Gemeinschaft gewählte Verwalter zu bestimmen. Wollte jemand der Gemeinschaft beitreten, so musste er den Angehörigen der Gemeinschaft einen „furchtbaren“ Eid schwören, dass er die Gottheit ehren, seine Pflichten gegenüber den Menschen erfüllen, niemanden aus eigenem Antrieb oder auf Befehl Schaden zufügen, stets die Ungerechten hassen und den Gerechten beistehen, sowie er Treue gegen jedermann und besonders gegen die Vorgesetzten üben wolle. Zu ihrer Endzeitlehre gehörte unter anderem die Vorstellung von der Auferstehung des Fleisches. Von Ideen aus dem iranischen Raum beeinflusst, erwarteten sie einen welterschütternden Kampf zwischen den Mächten des Guten und den von Satan, dem Fürst der Finsternis, angeführten Heeren des Bösen als Vorzeichen der Endzeitkatastrophe.

Zudem warteten die Essener nach den Qumranschriften auf einen zweifachen Messias: einen priesterlichen aus dem Hause Aaron und einen königlichen aus dem Hause Davids oder Juda. Sie zählten zur Zeit Jesu etwa 4000 Mitglieder.

Mit dem Christentum haben sie lt. Wikipedia allerdings nichts zu tun. Sie scheinen auch stark in ihren Glaubensinhalten von der Jerusalemer Urgemeinde abzuweichen. Einige Autoren, darunter auch der 1997 verstorbene jüdische Theologe Pinchas Lapide versuchten aber zu belegen, dass sowohl Jesus von Nazareth als auch Paulus Kontakte mit Essenern hatten. Er versuchte außerdem plausibel zu machen, dass beide auch in Qumran waren.

Entgegen weitverbreiteter Mißverständnisse kamen Jesus von Nazareth, ebenso wie Johannes der Täufer durchaus in intensiven Kontakt mit den Essäern. Sie lebten jeweils für einige Zeit unter ihnen. Es glaubten die Essäer an die Reinkarnation und an die Unsterblichkeit des Menschen, wie Judith von Halle gut belegt. Es ist dennoch wohl falsch die Essäer einfach mit den urchristlichen Gemeinden zu identifizieren, obwohl es zwischen den Urchristen und den Essäern vielfache Kontakte und Verbindungen gab.

Der sogenannte Essäerbrief

Bei dem Essäerbrief handelt es sich um eine historische Fälschung aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Brief tauchte 1847 das erste Mal auf und gibt sich als Übersetzung einer lateinischen Vorlage. Der Verfasser selbst ist unbekannt. Sein Anliegen ist, Jesus aus seinem jüdischen Kontext herauszulösen, indem Jesus zum Kind eines Esseners erklärt wird. Hintergrund ist die historische Fiktion einer Arisierung der ägyptischen Essener, wie dies im 19. Jahrhundert populär war.

Die Aufgabe der Essäer- und Therapeuten-Gemeinden

„Die eigentlichen Essäergemeinden waren dem tieferen Lehrgehalt nach - davon können Sie sich auch durch die äußere Geschichte überzeugen - verhältnismäßig bald verschwunden, nachdem das Christus- Ereignis sich auf der Erde abgespielt hatte. Daher wird es nicht gar so unglaublich erscheinen, wenn ich sage, daß im Grunde die Therapeuten- und Essäergemeinden wesentlich dazu eingerichtet waren, um aus den geistigen Regionen, aus den Sphären der Bodhisattvas dasjenige heruntergelangen zu lassen, was man brauchte, um das große, bedeutsame Ereignis der Christus-Erscheinung zu begreifen. Die wichtigsten Lehren, die der Menschheit zugekommen sind, um das Christus- Ereignis zu begreifen, stammten aus den Therapeuten- und Essäergemeinden.“ (Lit.:GA 123, S. 94)

Die Essener-Einweihung

Die Jünger der Essener-Gemeinschaft pflegten einer besonderen Art der Einweihung, die Rudolf Steiner ausführlich in seinen Vorträgen über das Matthäusevangelium geschildert hat:

„Das Wesentliche, worauf es bei diesen Gemeinden ankam, die also ein Jahrhundert vor dem Christus-Ereignis blühten, um es durch Lehre vorzubereiten, war die Art, wie bei denen, die Mitglieder der Therapeuten und Essäer waren, die Einweihung bewirkt wurde. Sie machten eine Einweihung durch, die ganz besonders geeignet sein sollte, ein Verständnis, ein Verständnis durch hellseherische Anschauung hervorzurufen von der Bedeutung des Hebräismus, des Abrahamismus für das Christus-Ereignis. Das war geradezu ein Mysterium der Therapeuten- und Essäergemeinden. Ihre Bekenner wurden dazu eingeweiht, gerade den hiermit bezeichneten Zusammenhang hellseherisch genauer einzusehen.“ (Lit.:GA 123, S. 94f)

Im Lichte dieser Aufgabe resp. der Voraussetzung der Einweihung der Mitglieder der Essäer- und Therapeutengemeinden sind auch die asketischen Vorschriften und Exerzitien zu sehen, in denen sich die Jünger übten:

„Also sagte sich ein Essäer der damaligen Zeit: Was eigentlich das hebräische Volk bilden konnte, wodurch es der Träger der Christus- Mission werden konnte, das wurde zuerst in der Anlage bewirkt durch jenes geheimnisvolle Wesen, das man nur finden kann, wenn man durch die ganze Generationenfolge hinaufsteigt bis zu Abraham, wo es gleichsam hineingeschlüpft ist in die innere Organisation des Abraham, um dann durch das Blut hindurch als eine Art von Volksgeist im hebräischen Volke zu wirken. Will man also dieses sozusagen letzte Geheimnis der Menschheitsevolution verstehen, so muß man zu diesem Geiste hinaufsteigen, der jene Anlage verpflanzt hat, und ihn dort aufsuchen, wo er noch nicht in die Organisation des Abraham hineingeschlüpft war. Deshalb sagte der Essäer: Wenn der Mensch zu diesem eigentlich inspirierenden oder inaugurierenden Geist des hebräischen Volkes hinaufsteigen will und ihn in seiner Reinheit erkennen will, so muß er als Essäer oder Therapeut eine gewisse Entwickelung durchmachen, wodurch er sich von alledem reinigt, was seit dem Abraham- Ereignis aus der physischen Welt an die menschliche Seele herangekommen ist. Denn der Essäer sagte sich: Das geistige Wesen, das der Mensch in sich trägt, und alle die geistigen Wesenheiten, die mitwirken an dem Menschheitswerden, sind in ihrer Reinheit nur in der geistigen Welt zu schauen; wie sie in uns selbst wohnen, sind sie verunreinigt durch die Kräfte der physisch-sinnlichen Welt. Nun hatte nach Anschauung der Essäer - und das ist natürlich auf einem gewissen Gebiet der Erkenntnis absolut richtig - ein jeder Mensch, der damals lebte, alles das in sich, was in vorausgegangenen Zeiten in die menschliche Seele hineingekommen war an Verunreinigungen, was den freien Blick auf das geistige Wesen trübte, das jene charakterisierte Anlage in Abraham gelegt hatte. Es mußte demnach eine jede Essäerseele sich reinigen von dem, was in die Anlage hineingekommen war und was sozusagen den Blick auf jenes Wesen trübte, das im Blute dieser Generationen wohnte; erst dann konnte es richtig geschaut werden. Alle Reinigungen seelischer Art, alle Exerzitien des Essäers waren darauf berechnet, die Seele frei zu bekommen von den durch die Generationen herunter vererbten Einflüssen und vererbten Merkmalen, welche den Blick auf das den Abraham inspirierende geistige Wesen trüben konnten; denn der Mensch hat ja nicht bloß sein innerstes geistig-seelisches Wesen in sich, sondern er hat es getrübt und verunreinigt in sich durch die vererbten Merkmale.“ (S. 96f)

Die 42 Stufen der Exerzitien entsprechen den 42 Generationen von Jesus von Nazareth bis zu Abraham hinauf:

„Daher waren die Reinigungen der Essäer darauf berechnet, alles aus dem Inneren durch innere Exerzitien, durch sorgfältige Schulung herauszuarbeiten, was durch zweiundvierzig Generationen hindurch an Verunreinigungen in die Seele hineingekommen war. Deshalb mußte jeder Essäer schwere innere Exerzitien, schwere mystische Wege durchmachen; die führten ihn durch zweiundvierzig Stufen dazu, seine Seele zu reinigen. In der Tat waren es zweiundvierzig genau definierbare Stufen, die er in sich durchmachen mußte; dann wußte er sich frei von allen Einflüssen der Sinnenweit, von allem, was durch Vererbung an Verunreinigung seines inneren Wesens entstanden war.

So stieg der Essäer hinauf durch zweiundvierzig Stufen so weit, daß er seine innerste Wesenheit, den Zentralkern seines Wesens verwandt fühlte mit dem Göttlich-Geistigen. Deshalb sagte er sich: Ich steige bis zu dem Gotte hinauf, auf den es mir ankommt, indem ich diese zweiundvierzig Stufen durchmache. Es hatte der Essäer eine gute Anschauung davon, wie man zu einem noch nicht in die Materie untergetauchten Gotteswesen aufsteigt. Er kannte den Weg hinauf. Das wußte er aus eigener Erfahrung. Unter all denen, die damals auf der Erde lebten, waren die Therapeuten und Essäer die einzigen, die mit Bezug auf ein solches Ereignis, wie es das Abraham-Ereignis war, das Richtige wußten. Sie wußten es, insofern es auf die Vererbung durch die Generationen ankommt. Sie wußten: Will man hinaufsteigen zu einem Wesen, das in die Vererbungslinie hineingekommen ist, und will man an dem Ort ankommen, wo es noch nicht in die Materie untergetaucht ist, dann muß man durch zweiundvierzig Stufen, die den zweiundvierzig Generationen entsprechen, hinaufsteigen, dann findet man es.“ (S. 97f)

Für die andere Richtung von Abraham bis zu Jesus von Nazareth erkannten die Essäer und Therapeuten durch ihre Einweihung das entsprechende: Wie dieser Gott in die Menschheit hinabstieg durch 42 Generationen:

„Aber die Essäer kannten noch etwas anderes. Sie wußten: Ebenso wie der Mensch durch zweiundvierzig Stufen, welche die Entsprechungen sind der zweiundvierzig Generationen, hinaufsteigen muß, um zu diesem göttlichen Wesen zu kommen, so muß dieses göttliche Wesen, wenn es bis in das menschliche Blut hinunterdringen will, durch zweiundvierzig Stufen hinuntersteigen, muß also den umgekehrten Weg machen. Braucht der Mensch zweiundvierzig Stufen, um zu dem Gotte hinaufzusteigen, so braucht der Gott zweiundvierzig Stufen, um herunterzusteigen, um Mensch unter Menschen zu werden.“ (S. 98)

Sadduzäer, Pharisäer und Essäer

Tatsächlich wohnt in jedem Menschen ein Sadduzäer, ein Pharisäer und ein Essäer. Dafür sollte man als geistig strebender Mensch ein deutliches Gefühl entwickeln. Der innere Sadduzäer wirkt in der Bewusstseinsseele, der innere Pharisäer in der Verstandesseele und der inner Essäer in der Empfindungsseele:

„Das Vorherrschen der Bewußtseinsseele wird im Okkultismus der «innere Sadduzäer» genannt. Er zeigt sich, wenn der Mensch festumrissene Begriffe von der Wahrheit hat, ein kleines Feld für das Allumfassende hält und meint, daß diese Wahrheiten unveränderlich sind, wie zum Beispiel die Menschen der Wissenschaft, die nicht zugeben wollen, daß jede Wahrheit ihre Zeit und ihren Ort hat.

Das Überwiegen der Verstandesseele heißt der «innere Pharisäer». Das tritt auf, wenn der Mensch eine Wahrheit erlebt hat und diese bei anderen Menschen auch als eine objektive Wahrheit durchsetzen will; wenn jemand meint, daß dasjenige, was er für sich selber als Wahrheit eingesehen hat, auch für alle anderen Menschen gelten müsse. Daher ist immer eine gewisse Unaufrichtigkeit im Spiel sich selbst gegenüber und den anderen Menschen gegenüber, die man davon überzeugen will, daß dasjenige, was man persönlich erlebt hat, die einzig geltende Wahrheit sei. Daher macht diese Seelenverfassung immer den Eindruck einer Heuchelei.

Das Überwiegen der Empfindungsseele wird «Essäer» genannt. Zwar waren die Essäer ein Orden, der für seine Zeit viel Gutes getan hat, aber man kann trotzdem von dem «inneren Essäer» im Menschen sprechen. Das ist das Ausschließlich-in- die-eigene-Seele-sich-Vertiefen, das Sich-Zurückziehen-von-anderen, die Askese - in Erwartung der Offenbarungen aus höheren Welten. Für unsere Zeit wäre es ein Sich-Berufen auf Tauler, Meister Eckhart und dergleichen und die Mystik überhaupt. Das Ablehnen, das Nicht-Lernenwollen von all demjenigen, was für die Erkenntnis der höheren Welten im Kosmos und in der Natur notwendig ist, das kennzeichnet den inneren Essäer.

All das hält nicht vor dem Hüter der Schwelle stand, das muß innerlich bekämpft werden.“ (Lit.:GA 266b, S. 406f)

„Wir sollen nun diese drei in uns wohnenden Menschen, den Sadduzäer, den Pharisäer und den Essäer, untereinander in ein Verhältnis bringen, denn jeder allein für sich ist etwas Schädliches. Der Pharisäer soll dem Sadduzäer dienen und diese beiden zusammen dem Essäer. Dieser soll über die zwei herrschen, aber allein für sich darf er nicht herrschen. Wir sollen als Esoteriker es wirklich ins Gefühl bekommen, daß wir diese drei in uns haben, denn wenn wir an den Hüter der Schwelle kommen, werden wir sie sehr deutlich spüren; denn wir werden sie zurücklassen müssen als etwas Vergängliches, was nicht in die geistigen Welten gehört. Wenn man sagt, ein Essäer beschäftige sich ja gerade mit den geistigen Welten, so muß geantwortet werden, daß er sich mit ihnen in seiner ihm angemessenen Art in der physischen Welt beschäftigt, aber daß eben sein ganzer Orden für die physische Welt und für einen bestimmten Punkt der Erde gegründet wurde und daß in den geistigen Welten von anderen Gesichtspunkten ausgegangen wird.“ (Lit.:GA 266b, S. 399)

„Es gibt Menschen, die wie eingeschlossen sind in einem bestimmten Gesichtskreis, innerhalb dessen sie sehr zu Hause sein können und Bedeutendes zu leisten vermögen. Solche Menschen schließen sich gleichsam ab gegen alles, was von außen in ihren Gesichtskreis hereindrängen möchte, oder sie formen es so, daß es in ihren Bewußtseinshorizont eingespannt wird. Das sind Menschen, die vorwiegend in ihrer Bewußtseinsseele leben, bei denen die Bewußtseinsseele die übrigen Seelenglieder stark überwiegt. Sehr aktive Menschen, Willensnaturen gehören dazu. Für diese Menschen hat der Okkultist einen Ausdruck: Sadduzäer.

Dann gibt es Menschen, die alles erklären möchten und alles erklärlich finden möchten. Solche Menschen kommen, auch wenn sie aus starkem Wahrheitstrieb heraus handeln, doch leicht dazu, es mit der Wahrheit letzten Endes nicht so genau zu nehmen. Denn eine absolute Wahrheit gibt es nicht. Die Wahrheit ist ein Relatives, ein Wandelbares, und muß sich dem Geiste der Zeit anpassen und dem Individuellen im Menschen [...]

Solche Menschen sind von ihrer Verstandesseele beherrscht. Der Okkultist gebraucht für diese Art von Menschen den Ausdruck Pharisäer [...]

Nun gibt es aber auch Menschen, die sich in einer anderen Art abschließen und darin unter Umständen Bedeutendes leisten und in ihrer Weise angenehme, liebe Leute sein können. Das sind Naturen, die ganz in ihrer eigenen Empfindung leben, die sich wie ein Johannes Tauler oder Meister Eckhart auf ihr inneres Selbst zurückziehen und ganz darin aufgehen. Die wie Einsiedler in einer eigenen Welt leben, in der sie Hohes, Schönes, tief innerlich Empfundenes erleben und auch von sich geben können, das aber doch in gewisser Weise wieder so ist, daß, wenn es ein anderer liest oder nachempfindet, es eigentlich nicht mehr ganz dasselbe ist. So wie sie es erleben und von sich geben, ist es eigentlich nur für sie selber ganz richtig. Alle bloßen Mystiker und unklaren Schwärmer, aber auch viele bedeutende Dichter aller Zeiten gehören dazu. Auch in unserer Zeit gibt es viele derartige Künstlernaturen. In gewissem Sinne kann man diese Art des inneren Erlebens geradezu die Grundstimmung der künstlerisch und ästhetisch empfindenden Menschen unserer Zeit nennen. - Auch unter den Theosophen gibt es viele solcher Naturen, die sich so abschließen und sich dabei für etwas Besonderes halten. Diese Stimmung ist auch ganz erklärlich, denn diese Art von innerer Veranlagung entspringt aus dem Überwiegen dessen, was das Stärkste in uns sein sollte und was wir als die Empfindungsseele bezeichnen. Der Okkultist bezeichnet derartige Naturen mit dem Worte Essäer.“ (Lit.:GA 266b, S. 400ff)

Siehe auch

Jeshu ben Pandira

Essener (Akuelle Wikipedia-Version im Unterschied zu der von 2007, die diesem Artikel zugrunde liegt.)

Literatur

Geisteswissenschaftliche Forschung

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Text-Quellen

  • Flavius Josephus: Geschichte des Jüdischen Krieges. Fourier, Wiesbaden 1994. ISBN 3-921695-00-7
  • Johann Maier: Die Qumran-Essener. Die Texte vom Toten Meer. 3 Bde. Ernst Reinhardt, München/Basel 1995-1996. (wissenschaftliche deutsche Quellenausgabe der Qumrantexte)

Wissenschaftliche Studien

  • Günter Stemberger: Pharisäer, Sadduzäer, Essener. Stuttgart 1991. ISBN 3-460-04441-1
  • Lena Cansdale: Qumran and the Essenes. A Re-Evaluation of the Evidence. Texte und Studien zum antiken Judentum. Bd 60. Mohr, Tübingen 1990. ISBN 3-16-146719-1
  • Florentino García Martínez, Julio Trebolle Barrera: The People of the Dead Sea Scrolls. Their Writings, Beliefs and Practices. Brill, Leiden 1995. ISBN 90-04-10085-7
  • Rainer Riesner: Essener und Urgemeinde in Jerusalem. Neue Funde und Quellen. Biblische Archäologie und Zeitgeschichte. Bd 6. Brunnen-Verl., Gießen 1998 (2. erw. Aufl.). ISBN 3-7655-9806-2
  • Hartmut Stegemann: Die Essener, Qumran, Johannes der Täufer und Jesus. Freiburg im Breisgau 1999 (9. Aufl.). ISBN 3-451-04128-6 (Eine Einführung in die Geschichte und Archäologie der Essenergemeinde von Qumran)
  • Geza Vermes: Scrolls, Scriptures and Early Christianity. Library of Second Temple Studies. Bd 56. T. & T. Clark Intl., London 2005. ISBN 0-567-08387-X
  • Pinchas Lapide: Paulus zwischen Damaskus und Qumran. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1993, 42001, S.104ff. ISBN 3-579-01425-0
  • Bargil Pixner. Unravelling the Copper Scroll Code: A Study on the Topography of 3Q15, RQ11 (1983) 323-366(350-353).
  • Schonfield H. 1995. El enigma de los esenios. Editorial EDAF, SA, Madrid. ISBN 84-7640-886-2. Übersetzung von „The Essene Odyssey“ © Schonfield, 1984.

Literarische Rezeption

  • Cay Rademacher: Das Geheimnis der Essener. Ein historischer Kriminalroman aus dem antiken Rom. Nymphenburger, München 2003. ISBN 3-485-00959-8
  • Anne und Daniel Meurois-Givaudan: Im Lande Kal. Der Weg der Essener. München 1994. ISBN 3-880-34765-4 (mythologisch-esoterisch)

Einzelnachweise

  1. Bargil Pixner (1991). Essener und Nazoräer. In: Wege des Messias und Stätten der Urkirche, Reiner Riesner, Brunnen-Verlag, Gießen. ISBN 3-7655-9802-X.
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