Essener-Tor

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Essener-Tor bezeichnet ein von Flavius Josephus im 4. Kapitel des fünften Buches des Bellum Judaicum (Jüdischen Krieges) benanntes Tor im Süden der damaligen Stadtmauer Jerusalems (Bell V 145). Im Jahre 1894 entdeckten die beiden englischen Forscher F.J. Bliss und A.C. Dickie bei Ausgrabungen am Südhang des Zionberges, unweit des protestantischen Friedhofes Reste eines Turmes, Mauerreste und vier übereinanderliegende Schwellen eines Tores. Die Grabung wurde nicht weiter verfolgt und fiel in Vergessenheit. Erst im Jahre 1977 konnte der Benediktinerpater Bargil Pixner von der Dormition Abbey den Ort des Essener Tores bei einer Grabung wieder lokalisieren. Spätere Grabungen konnten belegen, dass das Tor aus herodianischer Zeit stammt.

„In gewissen symbolischen Gepflogenheiten drückte sich auch das aus, was die Essäer wollten: daß sie keine Münzen bei sich tragen durften, daß sie nicht durch ein Tor gehen durften, das bemalt war oder in dessen Nähe Bilder waren. Und weil der Essäerorden in der damaligen Zeit in einer gewissen Weise auch äußerlich anerkannt war, hatte man in Jerusalem besondere Tore, unbemalte Tore gemacht, so daß auch sie in die Stadt gehen konnten. Denn wenn der Essäer an ein bemaltes Tor kam, mußte er immer wieder umkehren.“ (Lit.:GA 148, S. 67)

„Schon seit längerer Zeit hatte Jesus von Nazareth etwas Besonderes beobachten können : Wenn er an Orte kam, wo Essäertore waren, wo bildlose Tore waren, da konnte Jesus von Nazareth durch solche Tore nicht schreiten, ohne wiederum eine bittere Erfahrung zu machen. Er sah diese bildlosen Tore, aber für ihn waren geistige Bilder an diesen Toren; für ihn erschien zu beiden Seiten eines solchen Tores immer dasjenige, was wir jetzt kennengelernt haben in den verschiedenen geisteswissenschaftlichen Auseinandersetzungen unter dem Namen Ahriman und Luzifer. Und allmählich hatte sich ihm das Gefühl, der Eindruck in der Seele gefestigt, daß die Abneigung der Essäer gegen die Torbilder etwas zu tun haben müsse mit dem Herbeizaubern solcher geistiger Wesenheiten, wie er sie an diesen Toren erschaute, daß Bilder an den Toren Abbilder von Luzifer und Ahriman seien. Und öfter hatte Jesus von Nazareth dieses bemerkt, öfter waren solche Gefühle in seiner Seele aufgestiegen.“ (Lit.:GA 148, S. 70)

„Eines Tages, als er die Versammlung der Essäer verließ, hatte er ein bedeutsames Erlebnis. Als er zum Tore der einsamen Wohnstätte der Essäer hinausging, sah er zwei Gestalten von beiden Seiten des Tores wie wegfliehend, und er konnte empfinden, daß Luzifer und Ahriman das seien. Und öfter wiederholte sich ihm dies wie eine ähnliche Vision. Die Essäer waren ja ein an Menschen sehr zahlreicher Orden. Sie hatten überall ihre Niederlassungen auf die Art, wie ich es geschildert habe. Daher wurden sie als solche auch in einer gewissen Weise respektiert, obwohl sie ihr soziales Leben in einer ganz anderen Art führten als die anderen Menschen der damaligen Zeit. Die Städte, die sie besuchten, machten ihnen besondere Tore; denn der Essäer durfte - das gehörte zu seinen Regeln - durch kein Tor gehen, an dem ein Bildnis angebracht war. Er mußte, wenn er in eine Stadt wollte und an ein Tor kam, wo ein Bildnis angebracht war, wieder umkehren und an einem anderen Orte zur Stadt hineingehen, wo kein Bildnis angebracht war. In dem ganzen System der Essäer-Vervollkommnungslehre spielte das eine gewisse Rolle, denn es war so, daß nichts von Legendenhaftem, Mythischem oder Religiösem im Bilde dargestellt werden durfte. Das Luziferische der Bildimpulse wollte der Essäer dadurch fliehen. So lernte denn auf seinen Wanderungen der Jesus von Nazareth die bildlosen Essäertore kennen. Und immer wieder und wieder zeigte sich ihm an diesen bildlosen Essäertoren, wie Luzifer und Ahriman wie unsichtbare Bildnisse sich dort hingestellt hatten, wo die sichtbaren Bildnisse verpönt waren. Es waren das bedeutsame Erfahrungen in dem Leben des Jesus von Nazareth.

Was ergab sich ihm aus diesen bedeutsamen Erfahrungen im Zusammenhänge mit den zahlreichen Gesprächen, die er haben konnte mit den Essäern, die eine hohe Vollkommenheitsstufe erlangt hatten? Es ergab sich ihm etwas, was wieder ungeheuer bedrückend, tief, tief bedrückend auf seine Seele wirkte, was ihm unendliche Qualen und Schmerzen machte. Es ergab sich ihm nämlich, daß er sich sagen mußte: Ja, da ist eine streng in sich abgeschlossene Gemeinschaft; da sind Leute, die streben darnach, in der Gegenwart einen Zusammenhang zu bekommen mit den spirituellen Mächten, mit der göttlichgeistigen Welt. Es ist also auch in der Gegenwart noch etwas da unter den Menschen, was diesen Zusammenhang wieder zu bekommen sucht. Aber auf welche Kosten hin? Auf das hin, daß diese Gemeinschaft der Essäer ein Leben führt, welches die anderen Menschen nicht führen konnten. Denn hätten alle Menschen das Leben der Essäer geführt, so wäre eben das Leben der Essäer nicht möglich gewesen. Und jetzt ging ihm auf ein auf seine Seele ungeheuer bedrückend wirkender Zusammenhang: Wohin fliehen denn Luzifer und Ahriman, sagte er sich, wenn sie von den Toren der Essäer wegfliehen? Sie fliehen dahin, wo die Seelen der anderen Menschen sind! Dazu also hatte es die Menschheit gebracht, daß eine Gemeinschaft sich aussondern muß, wenn sie den Zusammenhang mit der göttlich-geistigen Welt finden will. Und weil sie sich aussondert, sich so aussondert, daß sie sich in ihrem ganzen sozialen Zusammenhalt nur entwickeln kann, indem sie die anderen Menschen von sich ausschließt, verurteilt sie die anderen Menschen, gerade um so tiefer in das hineinzusinken, was sie, diese Essäergemeinschaft, floh. Dadurch, daß die Gemeinschaft der Essäer stieg, mußten die anderen um so mehr fallen! Dadurch, daß der Essäer ein Leben führte, welches Luzifer und Ahriman nicht mit ihm in Berührung kommen ließ, konnten Ahriman und Luzifer gerade versuchend und verlockend zu den anderen Menschen hin kommen.“ (Lit.:GA 148, S. 129f)

Literatur

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Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
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