Ethik

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Die Ethik (von griech. ἠθική (ἐπιστήμη) ēthikē (epistēmē) „das sittliche (Verständnis)“, von ἦθος ēthos „gewohnter Sitz; Gewohnheit, Sitte, Brauch; Charakter, Sinnesart“) ist seit Aristoteles eine philosophische Disziplin, die sich mit der auf der Vernunft gegründeten Erkenntnis des rechten, moralischen Handelns des Menschen befasst und ein darauf aufbauendes Ethos zu begründen sucht. Die ethische Gesinnung wurzelt in der auf das Geistige gerichteten Tätigkeit der Bewusstseinsseele, die Aristoteles als Dianoetikon bezeichnet hat.

Grundsätzlich kann zwischen einer Sollensethik, die das Individuum durch Weisung von außen bestimmt, und einer Strebensethik, die auf die individuelle moralische Eigenkompetenz aufbaut, unterschieden werden. Darüber hinaus werden gemeinhin drei verschiedene Grundformen der Ethik unterschieden, wobei es allerding Überschneidungen gibt:

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich namentlich im angloamerikanischen Sprachraum eine als Metaethik bezeichnete Forschungsrichtung etabliert, die keine inhaltlichen Aussagen über moralische Werten macht, sondern ganz allgemein und formal die Natur der Moral zu bestimmen sucht, etwa durch semantische Analyse moralischer Urteile. Dabei werden namentlich folgende Fragen diskutiert: „Gibt es überhaupt objektive Werte jenseits subjektiver Wertvorstellungen und Wünsche?“, „Können ethische Werte, sollten sie objektiv (bzw. zumindest intersubjektiv) existieren, als solche erkannt werden?“, d.h. sind sie im logischen Sinn wahrheitsfähig, und schließlich auch die entscheidende Frage: „Sollen wir überhaupt moralisch sein? Und falls ja, warum?“

Der ethische Individualismus bei Rudolf Steiner

Ein auf die Freiheit des Menschen gegründeter, aus eigener moralischer Intuition geschöpfter ethische Individualismus, dessen philosophische Grundlagen Rudolf Steiner schon 1894 in seinem philosophischen Hauptwerk, der Philosophie der Freiheit, ausführlich besprochen hat, soll nach und nach alle auf bloß traditionell überlieferte Wertvorstellungen und moralische Pflichten gegründete normative Ethik durch eine wahrhafte freie Sittlichkeit erweitern und später ganz ersetzen.

„Wer sich einen Weltengrund außer unserer Ideenwelt denkt, der denkt sich, daß der ideale Grund, warum von uns etwas als wahr erkannt wird, ein anderer ist, als warum es objektiv wahr ist. So ist die Wahrheit als Dogma aufgefaßt. Und auf dem Gebiete der Ethik ist das Gebot das, was in der Wissenschaft das Dogma ist. Der Mensch handelt, wenn er die Antriebe zu seinem Handeln in Geboten sucht, nach Gesetzen, deren Begründung nicht von ihm abhängt; er denkt sich eine Norm, die von außen seinem Handeln vorgeschrieben ist. Er handelt aus Pflicht. Von Pflicht zu reden, hat nur bei dieser Auffassung Sinn. Wir müssen den Antrieb von außen empfinden und die Notwendigkeit anerkennen, ihm zu folgen, dann handeln wir aus Pflicht. Unsere Erkenntnistheorie kann ein solches Handeln, da wo der Mensch in seiner sittlichen Vollendung auftritt, nicht gelten lassen. Wir wissen daß die Ideenwelt die unendliche Vollkommenheit selbst ist; wir wissen, daß mit ihr die Antriebe unseres Handelns in uns liegen; und wir müssen demzufolge nur ein solches Handeln als ethisch gelten lassen, bei dem die Tat nur aus der in uns liegenden Idee derselben fließt. Der Mensch vollbringt von diesem Gesichtspunkte aus nur deshalb eine Handlung, weil deren Wirklichkeit für ihn Bedürfnis ist. Er handelt, weil ein innerer (eigener) Drang, nicht eine äußere Macht, ihn treibt. Das Objekt seines Handelns, sobald er sich einen Begriff davon macht, erfüllt ihn so, daß er es zu verwirklichen strebt. In dem Bedürfnis nach Verwirklichung einer Idee, in dem Drange nach der Ausgestaltung einer Absicht soll auch der einzige Antrieb unseres Handelns sein. In der Idee soll sich alles ausleben, was uns zum Tun drängt. Wir handeln dann nicht aus Pflicht, wir handeln nicht einem Triebe folgend, wir handeln aus Liebe zu dem Objekt, auf das unsere Handlung sich erstrecken soll. Das Objekt, indem wir es vorstellen, ruft in uns den Drang nach einer ihm angemessenen Handlung hervor. Ein solches Handeln ist allein ein freies. Denn müßte zu dem Interesse, das wir an dem Objekt nehmen, noch ein zweiter anderweitiger Anlaß kommen, dann wollten wir nicht dieses Objekt um seiner selbst willen, wir wollten ein anderes und vollbrächten dieses, was wir nicht wollen; wir vollführten eine Handlung gegen unseren Willen. Das wäre etwa beim Handeln aus Egoismus der Fall. Da nehmen wir an der Handlung selbst kein Interesse; sie ist uns nicht Bedürfnis, wohl aber der Nutzen, den sie uns bringt. Dann aber empfinden wir es auch zugleich als Zwang, daß wir jene Handlung, nur dieses Zweckes willen, vollbringen müssen. Sie selbst ist uns nicht Bedürfnis; denn wir unterließen sie, wenn sie den Nutzen nicht im Gefolge hätte. Eine Handlung aber, die wir nicht um ihrer selbst willen vollbringen, ist eine unfreie. Der Egoismus handelt unfrei. Unfrei handelt überhaupt jeder Mensch, der eine Handlung aus einem Anlaß vollbringt, der nicht aus dem objektiven Inhalt der Handlung selbst folgt. Eine Handlung um ihrer selbst willen ausführen, heißt aus Liebe handeln. Nur derjenige, den die Liebe zum Tun, die Hingabe an die Objektivität leitet, handelt wahrhaft frei. Wer dieser selbstlosen Hingabe nicht fähig ist, wird seine Tätigkeit nie als eine freie ansehen können.“ (Lit.:GA 1, S. 201ff)

Das spiegelt sich in der von Rudolf Steiner formulierten Grundmaxime der freien Menschen wider:

„Leben in der Liebe zum Handeln und Lebenlassen im Verständnisse des fremden Wollens ist die Grundmaxime der freien Menschen.“ (Lit.:GA 4, S. 166)

„Diese Ausführungen verbreiten Licht über jene Fragen, die eine allgemeine Ethik zu beantworten hat. Man behandelt die letztere ja vielfach so, als ob sie eine Summe von Normen sei, nach denen das menschliche Handeln sich zu richten habe. Man stellt von diesem Gesichtspunkte aus die Ethik der Naturwissenschaft und überhaupt der Wissenschaft vom Seienden gegenüber. Während nämlich die letztere uns die Gesetze von dem, was besteht, was ist, vermitteln soll, hätte uns die Ethik jene vom Seinsollenden zu lehren. Die Ethik soll ein Kodex von allen Idealen des Menschen sein, eine ausführliche Antwort auf die Frage: Was ist gut? Eine solche Wissenschaft ist aber unmöglich. Es kann keine allgemeine Antwort auf diese Frage geben. Das ethische Handeln ist ja ein Produkt dessen, was sich im Individuum geltend macht; es ist immer im einzelnen Fall gegeben, nie im allgemeinen. Es gibt keine allgemeinen Gesetze darüber, was man tun soll und was nicht. Man sehe nur ja nicht die einzelnen Rechtssatzungen verschiedener Völker als solche an. Sie sind auch nichts weiter als der Ausfluß individueller Intentionen. Was diese oder jene Persönlichkeit als sittliches Motiv empfunden hat, hat sich einem ganzen Volke mitgeteilt, ist zum «Recht dieses Volkes » geworden. Ein allgemeines Naturrecht, das für alle Menschen und alle Zeiten gelte, ist ein Unding. Rechtsanschauungen und Sittlichkeitsbegriffe kommen und gehen mit den Völkern, ja sogar mit den Individuen. Immer ist die Individualität maßgebend.“ (Lit.:GA 1, S. 201ff)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks