Holismus

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Der Holismus (griech. ὅλος holos „ganz“) als moderne Ganzheitslehre vertritt den erkenntnistheoretischen Standpunkt, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Die Bezeichnung wurde erstmals von Jan Christiaan Smuts in seinem 1926 erschienen Buch Holism and Evolution verwendet. Smuts schreibt dazu im Vorwort:

„Dieser Faktor, der in der Folge Holismus genannt wird, liegt der synthetischen Tendenz im Universum zugrunde und ist das Prinzip, das für den Ursprung und den Fortschritt von Ganzheiten im Universum sorgt. Es wird versucht zu zeigen, dass diese ganzheitliche Tendenz von grundlegender Natur ist, dass sie einen gut gekennzeichneten, nachvollziehbaren Charakter hat und dass Evolution nichts ist als die allmähliche Entwicklung und Strukturierung einer fortschreitenden Reihe von Ganzheiten, die sich von den anorganischen Anfängen bis zu den höchsten Ebenen der geistigen Schöpfung erstrecken.“

Jan Christiaan Smuts: Holism and Evolution, Vorwort[1]

Ansätze zu einem holistischen Weltbild finden sich aber schon viel früher bei Gottfried Wilhelm Leibniz, Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Aristoteles.

Der Holismus geht heute davon aus, dass die einzelnen Elemente, in die sich ein System gliedert, das als „Ganzheit“ oder „Gestalt“ aufgefasst wird, durch die inneren Strukturbeziehungen vollständig bestimmt sind. Der Holismus steht damit im diametralen Gegensatz zu dem in den Naturwissenschaften heute überwiegend vertretenen Reduktionismus. Das Hauptargument gegen den Reduktionismus ist dabei das Phänomen der „Emergenz“, d.h. der nicht vollständigen Erklärbarkeit des Ganzen aus den Teilen. Dass die Welt aber auch aus physikalischer Sicht letzlich als Ganzheit zu betrachten ist, hat der Physiker Hans-Peter Dürr nachdrücklich betont:

„So steht das Getrennte (etwa durch die Vorstellung isolierter Atome) nach neuer Sichtweise nicht am Anfang der Wirklichkeit, sondern näherungsweise Trennung ist mögliches Ergebnis einer Strukturbildung, nämlich: Erzeugung von Unverbundenheit durch Auslöschung im Zwischenbereich (Dürr 1992). Die Beziehungen zwischen Teilen eines Ganzen ergeben sich also nicht erst sekundär als Wechselwirkung von ursprünglich Isoliertem, sondern sind Ausdruck einer primären Identität von allem. Eine Beziehungsstruktur entsteht also nicht nur durch Kommunikation, einem wechselseitigen Austausch von Signalen, verstärkt durch Resonanz, sondern gewissermaßen auch durch Kommunion, durch Identifizierung...

Die holistischen Züge der Wirklichkeit, wie sie in der neuen fundamentalen Struktur der Materie zum Ausdruck kommen, bieten hierbei die entscheidende Voraussetzung dafür, daß die für uns wesentlichen Merkmale des Lebendigen dabei nicht zu mechanistischen Funktionen verstümmelt werden.“ (Lit.: Dürr 1997)

Siehe auch

Literatur

  • Jan Christiaan Smuts: Holism and Evolution, Macmillan, New York 1926 archive.org
    • deutsch: Die holistische Welt, Mit einem Vorwort des Verfassers zur deutschen Ausgabe und einem Geleitwort von Adolf Meyer, herausgegeben und übersetzt von Helmut Minkowski, Metzner, Berlin 1938
  • Hans-Peter Dürr (Hrsg.): Rupert Sheldrake in der Diskussion, Scherz-Verlag, Bern München Wien 1997, S 227ff

Einzelnachweise

  1. „This factor, called Holism in the sequel, underlies the synthetic tendency in the universe, and is the principle which makes for the origin and progress of wholes in the universe. An attempt is made to show that this whole-making or holistic tendency is fundamental in nature, that it has a well-marked ascertainable character, and that Evolution is nothing but the gradual development and stratification of progressive series of wholes, stretching from the inorganic beginnings to the highest levels of spiritual creation.“
    Jan Christiaan Smuts: Holism and Evolution, Preface [1]