Klassisches Wertparadoxon

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Der Begriff klassisches Wertparadoxon (auch: Wasser-Diamanten-Paradoxon) bezeichnet den Unterschied zwischen Nutzen, Wert und Preis eines Gutes. Beispiel: Das lebensnotwendige und somit „wertvolle“ Gut Wasser hat meist einen geringen Preis, während ein Diamant mit einem geringeren elementaren Nutzen einen sehr hohen Preis hat.

Diese Unterscheidung von Wert und Nutzen findet sich erstmals bei John Law in Money and Trade Considered (Kapitel 1, S. 1). Law erklärt es durch das Nachfrage-Angebots-Verhältnis:[1]

„Wasser besitzt großen Nutzen aber geringen Wert, die Menge des vorhandenen Wassers ist nämlich im Verhältnis viel größer als die Nachfrage danach. Diamanten haben zwar einen geringen Nutzen aber einen großen Wert, da die Nachfrage nach Diamanten viel größer als ihre angebotene Menge ist.“

Law beschreibt in seinem Hauptwerk lediglich Wert und Nutzen als Grundlage vor der dann erfolgenden Herleitung der Sinnhaftigkeit von Papiergeld und dessen Nutzen. Er führt dort auch aus, dass Silber als Zahlungsmittel einen zusätzlichen Nutzen erlangen kann, das das Silber als reines Metall nicht hat. Diese Definitionen wurden von den Klassikern zunächst nicht weiter verfeinert; das Ansehen von Law war bei den Ökonomen des 18. und 19. Jahrhunderts aufgrund seiner „betrügerischen Bankabenteuer“ eher gering.

Adam Smith übernimmt das Paradoxon und versucht es zu erklären, indem er den Begriff des Wertes aufspaltet in Tauschwert („value in exchange“) und Gebrauchswert („value in use“). Der Gebrauchswert von Wasser ist hoch, während der Gebrauchswert eines Diamanten relativ gering ist. Der Tauschwert dieser Güter verhält sich umgekehrt.[2] Es war ihm nicht möglich, es grundlegend aufzulösen. Man behalf sich in der Klassik damit, Diamanten als „Seltenheitsgüter“ zu definieren, was die Frage nach der Ursache des hohen Preises aber nicht hinreichend beantworten konnte.[3]

Karl Marx unternahm in der von ihm entwickelten Arbeitswerttheorie u. a. den Versuch, das Wesentliche im Widerspruch zwischen Gebrauchs- und Tauschwert aufzudecken. Während der Gebrauchswert die Beziehung der Dinge zu den menschlichen Bedürfnissen ausdrückt, drückt der Tauschwert die Beziehungen zwischen den Menschen aus. Es bestehe, wie schon Smith zeigte, keine direkte Verbindung zwischen den Proportionen von Gebrauchswert und Tauschwert. Aus marxistischer Perspektive wurde ebenfalls eingewandt, dass es sich bei dem Wasser-Diamanten-Paradoxon um einen Sonderfall handle: es wird eben davon ausgegangen, dass kein Markt besteht. Die Werttheorie gilt jedoch nur unter den Voraussetzungen, dass Marktkonkurrenz zwischen industriell produzierten Waren herrscht. Dies formulierte schon David Ricardo.[4] Insofern fallen auch alle Waren aus der Betrachtung, die nicht unter diesen Voraussetzungen produziert werden können, wie Kunstwerke, historische Funde usw. In einer Krise mag der Preis von Brot in unermessliche Höhen steigen, um vor dem Verhungern zu bewahren. Die Arbeitswerttheorie gilt jedoch nur für Warenwerte bzw. Warenpreise, die unter normaler marktwirtschaftlicher Konkurrenz zustandekommen.

Die Neoklassische Theorie gibt mit ihrer marginalistischen Betrachtung einen Lösungsvorschlag für das Wertparadoxon. Der Wert (ausgedrückt als Preis) eines Gutes ergibt sich danach aus seinem Grenznutzen (Nachfrage) und seinen Grenzkosten (Angebot).

Siehe auch

Literatur

  • David Ricardo: On the Principles of Political Economy and Taxation. (1817) ISBN 0-486-43461-3.
  • Paul A. Samuelson, William D. Nordhaus, Regina Berger: Das Wertparadoxon. In: Volkswirtschaftslehre: Das internationale Standardwerk der Makro- und Mikroökonomie. MI Wirtschaftsbuch, 2007. ISBN 3636031139. S. 144.

Einzelnachweise

  1. John Law: Money and trade considered., Edinburgh 1705, p. 4.
  2. „Es ist zu beachten, daß das Wort Wert zwei verschiedene Bedeutungen besitzt. Es drückt manchmal die Nützlichkeit eines bestimmten Gegenstandes aus und manchmal die durch den Besitz dieses Gegenstandes verliehene Fähigkeit, andere Waren zu kaufen. Das eine kann man Gebrauchswert, das andere Tauschwert nennen. Die Gegenstände, die den größten Gebrauchswert haben, besitzen häufig einen geringen oder gar keinen Tauschwert, während andererseits diejenigen, die den größten Tauschwert haben, oft einen geringen oder keinen Gebrauchswert besitzen. Nichts ist nützlicher als Wasser, aber man kann damit kaum etwas kaufen oder eintauschen. Ein Diamant hingegen hat kaum irgendeinen Gebrauchswert, aber eine große Menge anderer Waren ist häufig dafür im Austausch erhältlich.“ (Smith, A., Eine Untersuchung über den Ursprung und das Wesen des Reichtums der Nationen, Akademie-Verlag, Berlin 1963, S. 38f.)
  3. Ulrich van Suntum: Die unsichtbare Hand. Springer; 2005, 3. Auflage, Seite 35/36
  4. „Es gibt einige Dinge, deren Wert nur von ihrer Seltenheit abhängt. Keine Arbeit kann ihre Zahl vermehren, und daher kann ihr Wert nicht durch ein vermehrtes Angebot herabgesetzt werden. Einige auserlesene Statuen und Bilder, seltene Bücher und Münzen, Wein von spezieller Qualität, der nur aus Trauben gekeltert werden kann, die auf besonderem Boden beschränkter Ausdehnung gedeihen, gehören zu dieser Kategorie. Ihr Wert ist völlig unabhängig von der zu ihrer Produktion ursprünglich erforderlichen Menge Arbeit, und er verändert sich mit dem Wechsel des Wohlstandes und der Neigungen derer, die sie zu besitzen wünschen. Allerdings stellen diese Dinge nur einen sehr kleinen Teil der Warenmasse dar, die täglich auf dem Markt ausgetauscht wird. Der weitaus größte Teil der Gegenstände, für die ein Bedürfnis besteht, wird durch Arbeit gewonnen. Sie können nicht nur allein in einem, sondern in vielen Ländern in fast unbegrenzter Menge vermehrt werden, wenn wir dazu bereit sind, die für ihre Erzeugung notwendige Arbeit aufzuwenden. Wenn wir also von Waren, ihrem Tauschwert und den Prinzipien reden, die ihre relativen Preise bestimmen, so haben wir stets nur solche im Auge, deren Menge durch menschliche Arbeit vermehrt werden kann und deren Produktion durch uneingeschränkte Konkurrenz beherrscht wird.“ Ricardo, D., Über die Grundsätze der Politischen Ökonomie und der Besteuerung. Akademie Verlag, Berlin 1959, S. 10