Maat (ägyptische Mythologie)

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Maat in Hieroglyphen
Ideogramm
C10
Altes Reich
U2
Aa11
D36
X1
H6G7

U2
Aa11
D36
X1
C19
[A 1]
U2
N20
a
X1

Mittleres Reich
U2
Aa11
a
X1
C10

Neues Reich
U4a
X1
H6C10Y1
Z2

H6X1

Saitenzeit
Aa11
X1

Maat
M3ˁt
Maat
Maat

Maat war eine altägyptische Göttin, die Gerechtigkeit, Weltordnung, Wahrheit, Staatsführung und Recht repräsentiert. Sie ist seit dem Alten Reich belegt und galt als Tochter des Re und trat unter anderem in ihrer Erscheinungsform der Tefnut als Auge des Re auf.

Etymologie

Maat steht als Wort für ein Prinzip. Eine angemessene Übertragung des Begriffes ins Deutsche ist nicht möglich, da einzelne Wörter wie Gerechtigkeit (koptisch me, mei), Wahrheit oder Weltordnung jeweils nur einen Teilaspekt wiedergeben.

Der Begriff Maat entstand zeitgleich mit der Entwicklung des ägyptischen Staatssystems. Er tritt zum ersten Mal in Personennamen der Thinitenzeit wie etwa Nimaathapi auf.[1]

Die Bezeichnung „Maat“ stellt die konventionelle Schreibung in der Ägyptologie dar, wobei die Konsonanten als aa wiedergegeben werden. Die ursprüngliche Vokalisation wurde über die verschiedenen Namen der Könige (Pharaonen) in keilschriftlicher Überlieferung als Mu3ˁat erschlossen; beispielsweise für Amenophis III. durch ni-ib-mu-a-ri/e-a für den Thronnamen „Neb-maat-Re“.[2]

Das Verb m3ˁ bezieht sich einerseits auf die Bedeutung von „lenken“, „richten“ sowie „Dingen eine Richtung geben“ und andererseits auf „darbringen“ sowie „opfern“. Aus diesen Bedeutungen ergeben sich Übersetzungen, die mit der Thematik des „Richtungssinns“ in Verbindung stehen, wobei darunter die „richtige Richtung unter Einschluss der Wahrheit“ zu verstehen sein dürfte.[2]

Maat als Göttin

Maat - Meyers Konversations-
lexikon, 1890

Maat wurde in späterer Zeit personifiziert als eine Göttin der ägyptischen Mythologie. Dargestellt als Frau mit einer Straußenfeder auf dem Kopf und dem Anch in der Hand, symbolisiert sie die moralische Weltordnung. Maat taucht zuerst als untergeordneter Begriff beziehungsweise Gottheit in den Legenden um Re auf und trat erst später als eigenständige Gottheit hervor. Das ist möglicherweise ein Grund, warum sie nicht in der göttlichen Neunheit vertreten ist.

Oft taucht auch der Begriff der Maa.tj auf, „die beiden Maat“. Zuordnungsversuche wie beispielsweise einer für die innere und eine für die äußere Ordnung konnten sich in der Forschung nicht durchsetzen. Auch der Ursprung dieser Verdoppelung ist nicht geklärt.

Der Maat wurde in späterer Zeit eine Schwester namens Isfet als Gegenpol zugeordnet, die für das Chaos steht. Obwohl Isfet gefürchtet wird, weil sie Leid und Verwüstung mit sich bringt, wird ihre eigentliche Existenz jedoch nicht in Frage gestellt, da beide Aspekte, das Positive und das Negative, vorhanden sein müssen, damit ein Gleichgewicht bestehen kann.

Entwicklung der Gottesvorstellung

Maat in Beziehung zu anderen Göttern

  • Maat als Begleiterin des Re
Sie begleitet ihn auf der Fahrt in der Sonnenbarke (Pyramidentexte).
  • Maat wurde in späterer Zeit zur Tochter des Re
Als Ordnung von Beginn an kommt die Gott gegebene Maat vom Schöpfergott, Re. Die Personifizierung dessen, Maat als Göttin, ist dementsprechend zuerst in einem untergeordneten Verwandtschaftsverhältnis zu ihm aufgekommen. Die Maat als Göttin wird auch als Ka des Re bezeichnet. Durch ihre Funktion als Lebenskraft-Spenderin für Re wird sie in späterer Zeit teilweise in rituellen Texten auch als „Mutter des Re“ angesprochen.
  • Maat in Gleichsetzung mit Uräus und Sonnenauge
„... sie ist vereint mit deinem Haupt“ (meint den Uräus), „Dein rechtes Auge ist Maat, dein linkes Auge ist Maat“.
  • Maat als Gemahlin des Thot
Durch die Ehe mit Thot, dem Wesir des Sonnengottes Re, soll die Verbindung zwischen Thot und Maat symbolisiert werden [3]. Thot wurde zu späterer Zeit für die Ausführung der Beschlüsse des Sonnengottes zuständig, die sich auf Maat beziehen und auf ihr gründen.
  • Maat als Nachfolgerin des Thot
in der ersten Götterdynastie, überliefert durch den Königspapyrus Turin.

Kultische Zusammenhänge

  • Rechtspflege
„Polizeiliche“ Vernehmungen fanden in Kultstätten der Maat statt; auch Untersuchungsgefangene wurden in ihnen verwahrt (Bonnet). Hohe Richter trugen Pektorale mit dem Bild der Göttin; dies sollte sie eventuell als Priester der Maat kennzeichnen.
  • Jenseitsgöttin
Durch die Bedeutung der Maat im Totengericht wird sie in späterer Zeit eine Art Totengöttin. Ungefähr im Mittleren Reich erhält sie den Beinamen „Herrin des Westens“, gelegentlich auch „Herrin des Nordwindes“. Nekropolen, z. B. die Thebanische, wurden als „Stätten der Maat“ bezeichnet.
  • Verschmelzung mit anderen Göttinnen
Die Heiligtümer der Maat waren meistens an größere Heiligtümer anderer Göttinnen, z. B. Hathor oder Isis, angeschlossen. In der Spätzeit kam es zur Verschmelzung.

Maat als Weltordnung

Maat bezeichnet ebenfalls das Prinzip der kosmologischen Ordnung. Nur dank der Maat geht die Sonne auf und nur dank ihr ist Leben möglich. Maat bezeichnet in diesem Sinne nicht nur das angestrebte Ideal der Welt, sondern in gewisser Weise ihren Ist-Zustand. Die Basis des Maat-Prinzips bildete die Vorstellung, dass die göttliche Gemeinschaft als Abbild der irdischen Weltordnung in der kosmologischen Ebene existiert.[4] Der König erhielt daher den göttlichen Auftrag, jene kosmologische Ordnung auf der Erde durch das Königtum zu verwirklichen:

„Re hat den König eingesetzt auf der Erde der Lebenden für immer und ewig, beim Rechtsprechen der Menschen, beim Befrieden der Götter, bei dem Entstehenlassen der Maat, bei der Vernichtung von Isfet. Er (der König) gibt Gottesopfer den Göttern und Totenopfer des Verklärten. Der Name des Königs ist im Himmel wie (der des) Re.“

Der König als Sonnenpriester [5]

Die Maat ist jedoch nicht nur ein unveränderlicher Zustand. Durch das menschliche Verhalten können die Waagschalen aus dem Gleichgewicht geraten und Isfet, also Chaos und Vernichtung, kommen über die Erde. Aus diesem Grunde ist es vor allem am wichtigsten, die Maat aufrechtzuerhalten. Die Maat ist kein niedergeschriebener Kodex mit Geboten und Verboten, sondern vielmehr ein Gedankenkonzept. Die Gesetze der Maat haben sich mit der Zeit sicherlich verändert, sind jedoch nur indirekt erhalten. Aus Grabinschriften, die Inhalte des ägyptischen Totenbuches enthalten, wird das Verständnis hinsichtlich des Maat-Prinzips aus Sicht der dem König Untergebenen deutlich:

„Ich tat dir die Maat, als ich auf Erden war, weil ich mir bewusst war, dass du von ihr lebst. Ich bin der Vortreffliche, der seinem Gotte wohlgefällig ist, ich bin mir bewusst, dass er die Herzen richtet und dass er von der Maat lebt. Ich tat die Maat für den Herrn der beiden Länder des Nachts wie am Tage, denn ich war mir bewusst, dass er von ihr lebt.“

Passagen aus Grabinschriften [6]

Die Weltordnung der Maat hatte vom Alten Reich bis zum Ende der zweiten Zwischenzeit als festes Handlungsschema ihre Blütezeit. Mit Beginn des Neuen Reiches und der Einführung des Totenbuches begannen erste Veränderungen der klassischen Sichtweise. Die sich im weiteren Verlauf herausbildenden persönlichen Frömmigkeiten widersprachen vom Grundsatz dem eigentlichen Maat-Prinzip, das statt der individuellen Bedürfnisse auf dem Gleichheitsprinzip aufbaute.[7]

Das Erhalten der Maat

Die Maat musste durch ein kompliziertes Geflecht gepflegt werden: zum Einen hatte der König (Pharao) die Aufgabe, durch geheime Rituale und sein Verhalten die Weltordnung aufrechtzuerhalten. Zum Anderen musste sich auch jeder Ägypter, egal welches Standes, den Regeln der Maat unterwerfen. Ansonsten brachte er Chaos und Vernichtung, wenn schon nicht über das ganze Land, so doch zumindest über sein eigenes Schicksal.

Diese Verhaltensweisen sind zwar religiös motiviert, doch greifen sie in sämtliche Lebensbereiche ein. Das macht es allerdings so schwer, sie genau zu lokalisieren. Einen Anhaltspunkt bieten die Weisheitslehren, beispielsweise des Ptahhotep oder Chnumhotep, doch auch Grabtexte geben Aufschluss wie beispielsweise das negative Sündenbekenntnis.

Maat im Totengericht

Der unterirdische Gerichtssaal, dessen Darstellung sich in den Papyrusrollen so häufig findet, heißt nach ihr mât mât („Saal der beiden Wahrheiten“, d. h. der Wahrheit oder Gerechtigkeit, die selig macht, und derjenigen, die verdammt).

Die Feder der Maat hat besonders für einen Toten große Bedeutung, der sich vor dem Gericht der Götter (dem Osiris vorsteht) für sein Leben rechtfertigen muss. Bei diesem Totengericht wird das Herz des Verstorbenen gegen die Feder der Maat gewogen, welche Wahrheit und Ordnung symbolisiert. Nur ein Mensch, der vollständig das negative Schuldbekenntnis bestand, konnte in die Duat übertreten. Die Bezeichnungen für Verstorbene, „Gerechtfertigter“ oder „wahr an Stimme“ (Maa-cheru), zeugen von der Wichtigkeit der Maat.

Symbol der Feder aus geistiger Sicht

„Die Feder weist eine außerordentlich nahe Verbindung zum Licht auf.“ (Heinz Grill)

„Das Symbol der Feder, das im alten Ägypten der Göttin Maat zugeordnet wurde, ist deshalb erwähnenswert, da die Feder mit dem Licht eine außerordentlich nahe Verbindung aufweist und sie deshalb sogar als Maßeinheit für das Totengericht erwählt wurde. Mit der Feder, dem Lichtsymbol, wurde beispielsweise von der Göttin Maat das Herz nach den moralischen Werten gewogen. Nicht ein physisches Gewicht sollte dieses Herz wägen, sondern ein lichtes, leichtes Gewicht, eben die Feder mit ihrem streichelnden und fast schwerelosen Charakter, wurde für den bildlichen Wägevorgang gewählt.

In alten Zeiten wählte man tatsächlich die einzelnen Symbole nicht durch einen Zufall, sondern man wählte sie mit einer ausgesprochen intuitiven Empfindungsgabe und nach den Vorgaben, die die damaligen Initiierten den Künstlern offenbarten. Die Feder ist feinst ziseliert, sie trägt den Vogel in den Lüften und sie besitzt einen außerordentlich hohen Kieselgehalt, der Ausdruck für die kosmische Beziehung der Feder ist. Das Licht und der Kosmos gehören im alten Ägypten wie eine Einheit zusammen und deshalb ist die Feder dasjenige Wahrheitssymbol, das geeignet ist, den moralischen Wert des Herzens im Totengericht, das heißt im Jenseits, zu bemessen.“

Auswirkungen auf die ägyptische Gesellschaft

Nur durch dieses Gedankenmuster blieb die ägyptische Gesellschaft über Jahrtausende relativ stabil. Auch andere wesentliche Merkmale, wie der Kunststil oder die Begräbnispraxis, blieben eine erstaunlich lange Zeit konstant. Dies war in der – durch das Prinzip der Maat hervorgerufenen – Abneigung gegen Neuheiten begründet.

Wenn Ägypter eine Technik fanden, die funktionierte, so wurde diese beibehalten und nur geringfügig verändert. Jede Veränderung konnte auch eine Veränderung zum Negativen sein und damit Chaos hervorrufen. Aus diesem Grund blieben beispielsweise die medizinischen Kenntnisse, anfangs überragend im Vergleich zu anderen Völkern, schließlich hinter dem Entwicklungsstand z. B. der Griechen zurück. Erst mit den Ptolemäern kam es nicht nur in diesem Gebiet zu neuer Bewegung. Dieser Forschungsdrang, der der Maat so entgegensteht, ist einer der Gründe, warum es schwer ist, die Ptolemäer als Pharaonen und diese Epoche als ägyptisch zu bezeichnen.

Siehe auch

Literatur

  • Jan Assmann: Ma'at. Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im Alten Ägypten. 2. Auflage, Beck, München 1995, ISBN 3-406-39039-0.
  • Claas Jouco Bleeker: De beteekenis van de egyptische godin Ma-a-t. IJdo, Leiden 1929 (Leiden, Univ., Diss., 1929).
  • Hans Bonnet: Maat. In: Hans Bonnet: Lexikon der ägyptischen Religionsgeschichte. 3., unveränderte Auflage, Nikol, Hamburg 2000, ISBN 3-937872-08-6, S. 430–434.
  • Wolfgang Helck, Eberhard Otto (Hrsg.): Maat. In: Kleines Lexikon der Ägyptologie. 4., überarbeitete Auflage, Harrassowitz, Wiesbaden 1999, ISBN 3-447-04027-0, S. 176 f.
  • Gabriele Höber-Kamel (Hrsg.): Das Prinzip der Maat (= Kemet Heft 2/ 2012). Kemet-Verlag, Berlin 2012, ISSN 0943-5972.
  • Emily Teeter: ma’at. In: Kathryn A. Bard (Hrsg.): Encyclopedia of the Archaeology of Ancient Egypt. Routledge, London 1999, ISBN 0-415-18589-0, S. 458–60.

Weblinks

Commons: Maat - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Anmerkungen

  1. Die Originalhieroglyphe ist im Zeichensatz von Wikipedia nicht darstellbar. Statt des männlichen Gottes Ptah ist eine stehende Frauenmumie mit der Maat-Feder auf dem Kopf zu sehen.

Einzelnachweise

  1. Gabriele Höber-Kamel: Maat – Lebensprinzip und göttliche Norm. in: Kemet Heft 2/2012., S. 5.
  2. 2,0 2,1 Jan Assmann: Ma'at. Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im Alten Ägypten. München 1995, S. 15.
  3. Hans Bonnet: Maat. Hamburg 2000, S. 433.
  4. Jan Assmann: Ma'at. Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im Alten Ägypten. München 1995, S. 287.
  5. Jan Assmann: Ma'at. Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im Alten Ägypten. München 1995, S. 206.
  6. Jan Assmann: Ma'at. Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im Alten Ägypten. München 1995, S. 212.
  7. Jan Assmann: Ma'at. Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im Alten Ägypten. München 1995, S. 10.
  8.  Heinz Grill: Die Heilkraft der Seele. Der Lichtäther und der Lichtseelenprozess. Stephan Wunderlich Verlag, 2015, ISBN 978-3-9817200-2-0, S. 78.
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