Norwegische Sprache

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Die norwegische Sprache (Eigenbezeichnung Norsk [nɔʃk]), die die beiden Standardvarietäten Bokmål ['buːkmoːl] und Nynorsk ['nyːnɔʃk] oder ['nyːnɔʀsk] umfasst, gehört zum nordgermanischen Zweig der indogermanischen Sprachen. Norwegisch wird von etwa fünf Millionen Norwegern als Muttersprache gesprochen, von denen der größte Teil in Norwegen lebt, wo es Amtssprache ist. Es ist auch Arbeits- und Verkehrssprache im Nordischen Rat. Das Norwegische wurde im Laufe der Zeit in vier Varietäten standardisiert, von denen zwei heute amtlich anerkannt sind:

Bokmål (dt. „Buchsprache“), bis 1929 Riksmål:

Riksmål ['rɪksmoːl] (dt. „Reichssprache“) im heutigen Sinne versteht sich als Variante des Bokmål:

  • ohne offiziellen Status
  • konservative, aus historischen Gründen noch stärker als Bokmål am Dänischen orientierte Varietät

Nynorsk (dt. „Neunorwegisch“), bis 1929 Landsmål:

  • offizielle Standardvarietät
  • basiert vor allem auf ländlichen norwegischen Dialekten.

Høgnorsk ['høːgnɔʃk] (dt. „Hochnorwegisch“):

  • ohne offiziellen Status
  • konservatives, stärker an der ursprünglichen Aasen’schen Standardisierung (Landsmål) orientiertes Nynorsk

Bokmål wird von circa 85 bis 90 Prozent der norwegischen Bevölkerung geschrieben. Es handelte sich dabei ursprünglich um eine Varietät des Dänischen, das jahrhundertelang auch in Norwegen Schriftsprache war, die aber – besonders in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – schrittweise auf der Basis der bürgerlich-städtischen Umgangssprache norwegisiert wurde.

Das Riksmål ist eine ältere, heute amtlich missbilligte Varietät, die einem moderaten Bokmål ähnlich ist. Es ist der dänisch-norwegischen literarischen Tradition verpflichtet und in der Rechtschreibung weniger norwegisiert.

Nynorsk hingegen ist eine Synthese aus den autochthonen norwegischen Dialekten. Es wird von etwa 10 bis 15 Prozent der norwegischen Bevölkerung geschrieben. Trotz der Vorsilbe Ny- („Neu-“) ist Nynorsk („Neunorwegisch“) nicht die jüngere, sondern die ältere der amtlich anerkannten norwegischen Sprachvarietäten.

Høgnorsk schließlich wird nur in sehr kleinen Kreisen gepflegt.

Verhältnis der skandinavischen Sprachen untereinander

Die drei festlandskandinavischen Sprachen sind eng miteinander verwandt. Daher verstehen Norweger, Dänen und Schweden die Sprache der Nachbarn recht gut. Dadurch stellt sich etwa für die dortigen Verlage die Frage, ob sie beispielsweise ein in Dänisch geschriebenes Buch in andere skandinavische Sprachen übersetzen lassen oder ob die Menschen der Nachbarländer das Buch in dessen Originalsprache verstehen.

Dank einer gewissen „Mittelposition“ können die Norweger dem Dänischen und dem Schwedischen besser folgen als Dänen und Schweden untereinander. Norweger – vor allem die Benutzer des Nynorsk – haben auch etwas bessere Voraussetzungen, Färöisch und Isländisch zu erlernen, da diese Sprachen ihren Ursprung in den Dialekten Westnorwegens haben.

Geschichte

Der Ursprung der norwegischen Sprache liegt im Altnordischen, das von Norwegern und Isländern als Norrønt mál (nordische Sprache) bezeichnet wurde. Anders als in den meisten anderen mittleren und größeren Sprachen Europas konnten sich die altnorwegischen Schriftvarietäten jedoch nicht über die Jahrhunderte hinweg zu einem einheitlich normierten Standard entwickeln. Gründe sind erstens die besondere Unwegsamkeit Norwegens und die folglich schlechten Verkehrswege, die eine vergleichsweise unbeeinflusst und unabhängig voneinander erfolgte Entwicklung der Dialekte förderte, zweitens das lange Fehlen eines unbestrittenen politischen und wirtschaftlichen Zentrums und drittens die ab dem Spätmittelalter bis ins frühe 19. Jahrhundert andauernde dänische Vorherrschaft, die das Dänische als Amtssprache in Norwegen verankerte.

Im Spätmittelalter und in der älteren Neuzeit wurde Norwegisch stark vom Niederdeutschen und vom Dänischen beeinflusst. In der Hansezeit war Mittelniederdeutsch die Verkehrssprache des Nordens. Viele niederdeutsche Wörter wurden als Lehnwörter integriert. Von 1380 bis 1814 war Norwegen mit Dänemark vereinigt, anfangs noch als dänisch-norwegische Personalunion, später als Realunion. Während dieser Zeit geriet die alte norwegische Schriftsprache zunehmend außer Benutzung und verschwand im Zuge der Reformation gänzlich.

Die ursprünglichen Dialekte wurden auf dem Lande aber weiterhin gesprochen. Nach der Trennung Norwegens von Dänemark im Jahre 1814 entstand im Laufe des 19. Jahrhunderts, wie auch in anderen jungen Staaten Europas, eine nationalromantische Welle, die hauptsächlich an die norwegische Vergangenheit des Mittelalters (also an die Zeit vor der Vereinigung mit Dänemark) anzuknüpfen suchte. Dies betraf ebenfalls die Sprache: Die Anhänger dieser Bewegung forderten, dass die ursprüngliche norwegische Sprache des Mittelalters erneut zum Leben erweckt werden solle, um der Emanzipation Norwegens ein Zeichen zu setzen. So entzündete sich eine Sprachdebatte um die Frage, ob man die dänischen Einflüsse im Norwegischen weiterhin billigen solle (Welhaven, Anton Martin Schweigaard), oder ob man auf Basis herkömmlicher norwegischer Dialekte eine eigenständige Sprache schaffen solle (Wergeland, P. A. Munch, Rudolf Keyser). Während Wergeland und dessen Anhänger die vergangenen 400 Jahre dänischen Einflusses unbeachtet lassen und dem mittelalterlichen Norwegischen Vorschub gewähren wollten, wies Schweigaard 1832 in der Zeitung Vidar jedoch darauf hin, dass man über mehrere Jahrhunderte des Kulturaustausches nicht einfach hinwegsehen könne; es sei unmöglich, das einmal Assimilierte wieder auszugliedern.[1]

Schließlich wurde in den 1850er Jahren von dem Dichter und Sprachwissenschaftler Ivar Aasen das Landsmål entwickelt, das seit 1929 offiziell Nynorsk heißt. Das Ziel war ausdrücklich, dem – Dialekt sprechenden – Volk seine eigene Schriftsprache zu geben, die neben die dänische Schriftsprache der bürgerlich-städtischen Oberschicht treten sollte; Nynorsk wurde damit zu einem zentralen Element der Demokratiebewegung. Seit 1885 ist Landsmål/Nynorsk eine amtlicherseits anerkannte Schriftsprache. Die Grundlage für diese neue Sprache bildete nicht eine einzige Mundart, sondern ein gemeinsames System, das Aasen durch die wissenschaftliche Erforschung einer Vielzahl von Mundarten aller Landesteile gefunden hatte. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde das zuvor eher west- und zentralnorwegisch dominierte Nynorsk im Rahmen mehrerer Reformen unter Zurückdrängung der zentralnorwegischen Elemente verstärkt den ostnorwegischen Dialekten einerseits und dem südostnorwegisch geprägten Bokmål angenähert. Von einer Plansprache unterscheidet sich Nynorsk durch seine Verankerung in engverwandten, lebendigen Dialekten.

Der Gymnasiallehrer Knud Knudsen trat zur gleichen Zeit für eine durchgreifende Sprachreform auf der Grundlage einer von ihm angenommenen „Umgangssprache der Gebildeten“ ein. Seine Reformvorschläge wurden in der Rechtschreibreform von 1862 weitestgehend vom Parlament übernommen und bildeten die Grundlage des Riksmål, das 1929 vom Parlament in Bokmål umbenannt wurde und sich später aufgrund von Kontroversen über die Normierung in Bokmål und Riksmål mit je eigenen Normen und Traditionen aufteilte.

Aufgrund des erstarkten Nationalbewusstseins konnte Nynorsk bis 1944 immer mehr Anhänger gewinnen und hatte seinerzeit knapp ein Drittel der Norweger auf seiner Seite. Inzwischen ist deren Anteil bevölkerungsmäßig auf etwa 10–15 Prozent zurückgegangen. Dies hat mehrere Gründe: In den urbanen Gebieten, also vor allem in der Region Oslo, wird Nynorsk als befremdlich empfunden. Das städtische Bürgertum hat das auf ländlichen Mundarten basierende Nynorsk ohnehin stets abgelehnt. Folglich fehlt dem Nynorsk bis heute eine wirkliche Verankerung in den wirtschaftlichen und politischen Zentren. Zum anderen wird von manchen Landbewohnern, besonders in Ostnorwegen, Nynorsk als artifiziell empfunden, da es wie dialektales Flickwerk scheint; und schließlich ist die Grammatik des Nynorsk schwieriger als die des Bokmål, obgleich einzuräumen ist, dass die meisten norwegischen Dialekte dennoch dem Nynorsk näher als dem Bokmål stehen, das wiederum einige dem autochthonen Norwegisch ziemlich fremde phonologische, morphologische und sonstige grammatische Züge aufweist.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden mehrere Rechtschreibreformen durchgeführt, mit dem Versuch, beide Schriftsprachen einander anzunähern (Fernziel: Samnorsk „Gemeinnorwegisch, Einheitsnorwegisch“). So wurde in der Reform von 1917 auf Druck der Nynorsk-Bewegung eine Reihe spezifisch „norwegischer“ Ausdrücke propagiert, die traditionelle dänische Begriffe ersetzen sollten. Da dies nicht in dem Maße geschah, wie man es sich vorgestellt hatte, wurde 1938 eine weitere Reform verabschiedet: Zahlreiche traditionelle dänische Elemente durften nicht mehr gebraucht werden. Diese Sprache wurde aber kaum angenommen. Es kam zu großen Streitigkeiten, Eltern korrigierten beispielsweise die Schulbücher ihrer Kinder, weil der Konflikt sehr stark von Gefühlen geprägt war und auch nach wie vor ist. Gleichzeitig wurde auch Nynorsk verstärkt sprachgeschichtlich jüngeren Formen geöffnet. 1959, 1981 (Bokmål), 2005 (Bokmål) und 2012 (Nynorsk) fanden weitere Reformen statt, wobei diejenigen von 2005 im Bokmål wieder eine Reihe traditionell dänischer Formen zuließ. Ergebnis all dieser Reformen ist die Existenz von „moderaten“ und „radikalen“ Formen in der Rechtschreibnorm, zwischen denen man wählen kann. Das komplizierte System von offiziellen Haupt- und Nebenformen wurde im Bokmål 2005 aufgegeben, im Nynorsk 2012.[2] Das Fernziel eines Samnorsk wurde gleichzeitig ausdrücklich fallengelassen.

Rechtliche Verhältnisse und Verbreitung der Sprachformen

Verbreitung der einzelnen Sprachformen

Seitens des Staates sind die beiden Sprachformen Bokmål und Nynorsk offiziell anerkannt. Gemäß Sprachengesetz darf keine staatliche Behörde eine der beiden zu mehr als 75 % gebrauchen, was in der Praxis allerdings – zu Ungunsten von Nynorsk – oft nicht befolgt wird. Die Behörden des Staates und der Fylker (Regierungsbezirke) müssen Anfragen in der gleichen Sprachform beantworten, in der sie gestellt werden. Auf der Ebene der Gemeinden (Kommunen) darf die Behörde in derjenigen Sprachform antworten, die sie für ihr Territorium als amtlich erklärt hat. In der Schule werden beide Varianten unterrichtet, wobei diejenige, die nicht die Hauptvariante ist, als sidemål (Nebensprache) bezeichnet wird.

Nynorsk ist Amtssprache von 27 % der Gemeinden, in denen insgesamt 12 % der Gesamtbevölkerung leben; die übrigen Gemeinden haben rund je zur Hälfte Bokmål als Amtssprache oder aber sind „sprachneutral“ (was faktisch meist mit Bokmål-Gebrauch gleichzusetzen ist). Auf der Ebene der Schulkreise und Kirchengemeinden geht der amtliche Gebrauch des Nynorsk über dieses Gebiet hinaus; so haben auf Grundschulstufe 15 % aller Schüler Nynorsk als Schulsprache, und in 31 % der Kirchengemeinden sind Liturgie und Predigt auf Nynorsk.

Geographisch gesehen ist Nynorsk offizielle Sprachform in den meisten Gemeinden des fjordreichen Westnorwegens (ohne die Städte und stadtnahen Gemeinden) sowie in den geographisch anschließenden zentralen Gebirgstälern Ostnorwegens (Hallingdal, Valdres, Gudbrandsdal) und Südnorwegens (Setesdal, Vest-Telemark). Bokmål dagegen ist offizielle Sprachform in den meisten Gemeinden Südostnorwegens und an der Südküste einerseits sowie in manchen Gemeinden Nordnorwegens andererseits. Auf regionaler Ebene ist Nynorsk Amtssprache von drei Fylker, nämlich Hordaland, Sogn og Fjordane und Møre og Romsdal; Bokmål ist Amtssprache von zwei Fylker, nämlich Vestfold und Østfold; die andern vierzehn Fylke sind „sprachneutral“. Von diesen sprachneutralen Fylker weisen Oppland, Telemark und Rogaland allerdings einen relativ großen Anteil an Nynorsk-Gemeinden auf.

Das Sprachabkommen im Nordischen Rat garantiert im Übrigen, dass Dänisch und Schwedisch im offiziellen Schriftverkehr erlaubt sind. Das gilt gegenseitig.

Modernes Norwegisch

Bokmål und Nynorsk

Beispiele für Unterschiede zwischen Bokmål, Nynorsk und anderen nordgermanischen Sprachen:

Bokmål
Dänisch
Jeg kommer fra Norge. [jæɪ kɔmːər fra nɔrgə]
[jɑɪ (jə) kɔmɔ fʁa nɔʁɣə]
Nynorsk Eg kjem frå Noreg. [eːg çɛm fro noːrɛg]
Isländisch Ég kem frá Noregi. [jɛːɣ cɛːm frauː noːrɛːjɪ]
Schwedisch Jag kommer från Norge. [jɑː(g) kɔmər froːn nɔrjə]
„Ich komme aus Norwegen.“
Bokmål Hva heter du? [va heːtər dʉ]
Dänisch Hvad hedder du? [væ hɛðɔ du]
Nynorsk Kva heiter du? [kva hæɪtər dʉ]
Isländisch Hvað heitir þú? [kvað heitɪr θuː]
Schwedisch Vad heter du? [vɑ heːɛtər dʉ]
„Wie heißt du?“
(wörtlich: „Was heißt du?“)

Riksmål

Gegner der Sprachreformen, die Bokmål näher an Nynorsk bringen sollten, benutzen für die von ihnen gepflegte Sprachform den Namen Riksmål weiter. Typisch ist hierfür etwa die Verwendung einiger dänischer Zahlwörter, von Wortformen wie efter statt etter oder sne statt snø, die Vermeidung des femininen Genus (z. B. boken statt boka, „das Buch“) und die Vermeidung von Diphthongen (z. B. sten statt stein, „Stein“). Tatsächlich haben sich einerseits durch die Wiederzulassung vieler danonorwegischer Formen im Bokmål, andererseits durch die Aufnahme zahlreicher Elemente aus dem Bokmål ins Riksmål diese beiden Varianten in den letzten dreißig Jahren einander stark angenähert.

Høgnorsk

Das sog. Høgnorsk (etwa „Hochnorwegisch“) ist eine inoffizielle Variante des Nynorsk, eine Sprachform, die dem originalen Landsmål von Ivar Aasen sehr ähnlich ist. Die Høgnorsk-Bewegung missachtet die Reformen des Nynorsk nach 1917.

Diese Sprachform wird schriftlich nur von einer sehr kleinen Gruppe Norweger verwendet, doch Elemente des Hochnorwegischen finden immer noch bei vielen Raum. Die Schreibweise wirkt oft archaisch auf die Mehrheit der Norweger, im Mündlichen aber lässt sich die Sprache kaum von den traditionellen Mundarten und der darauf gebauten Normalsprache unterscheiden. Nur werden im Hochnorwegischen eher einheimische Wörter als niederdeutsche Lehnwörter verwendet. Ein großer Teil des norwegischen Gesangsschatzes ist, da vor 1917 geschrieben, aus heutiger Sicht hochnorwegisch verfasst.

Riksmål, Bokmål, Nynorsk und Høgnorsk im Vergleich

Riksmål, Bokmål, Dänisch Dette er en hest.
Nynorsk, Høgnorsk: Dette er ein hest.
Schwedisch Detta är en häst. (andere Schreibweise)
Isländisch Þetta er hestur. (ohne unbestimmten Artikel)
„Dies ist ein Pferd.“
Riksmål, Dänisch Regnbuen har mange farver.
Bokmål Regnbuen har mange farger.
Nynorsk Regnbogen har mange fargar.
Høgnorsk Regnbogen hev mange fargar.
Schwedisch Regnbågen har många färger.
„Der Regenbogen hat viele Farben.“

Phonologie (Lautlehre)

Allgemeine Ausspracheregeln

Bokmål und Nynorsk sind Schriftsprachen, die Aussprache ist eigentlich nicht festgelegt, denn gesprochen werden vor allem die Dialekte. Die Ausspracheangaben variieren je nach Grammatik, und was man letztendlich zu hören bekommt, klingt wieder ganz anders. Am besten bleibt man mit der eigenen Aussprache so nah wie möglich am Schriftbild. Oft ist zu lesen, welche Konsonanten nicht ausgesprochen werden sollen – im Prinzip genügt es aber, wenn man lediglich das auslautende t beim bestimmten Artikel (det / -et) und das „g“ der Endsilbe -ig nicht mitspricht.

Aussprache der Vokale

Der ö-Laut hat im Norwegischen den Buchstaben Ø ø, der ä-Laut hat Æ æ, der o-Laut hat häufig Å å, während der Buchstabe o oft den u-Laut repräsentiert: bo [buː] „wohnen“, dør [døːr] „Tür“, ærlig [æːrli] „ehrlich“. Norwegisches u wird meist ʉ, vor einer Nasalverbindung aber u gesprochen. Unbetontes e ist kurz wie in Sprache (ə). y ist ein ü-Laut y.

Aussprache der Konsonanten

Die meisten norwegischen Dialekte besitzen ein gerolltes „r“ ähnlich wie im Italienischen oder im Südostdeutschen (Vorderzungen-R), einige westliche haben aber auch deutsches bzw. dänisches „r“ (Zäpfchen-R). Der r-Laut darf nicht verschluckt werden (also dager [daːgər], und nicht [daːgɐ]).

Das norwegische s ist immer stimmlos (wie scharfes S in außen), das norwegische v (und ebenso die Buchstabenverbindung hv) wird wie in „Vase“ gesprochen (nicht wie in Vogel!).

Folgende Lautverbindungen sind zu berücksichtigen: sj, skj werden „sch“ gesprochen: nasjon [naʃuːn] „Nation“, gj, hj, lj werden „j“ gesprochen, tj wird wie in „tja“ gesprochen, kj ist der ich-Laut ç: kjøre [çøːrə] „fahren“, rs wird in manchen Dialekten „sch“ gesprochen: vær så god! „bitte schön!“ ist also [værsɔgu:] oder [væʃɔgu:].

Vor hellen Vokalen (i, y, ei, øy) gelten besondere Regeln: sk wird hier „sch“, g wird hier „j“ und k wird hier „ch“ ç gesprochen: ski [ʃiː], gi [jiː] „geben“, kirke [çɪrkə] „Kirche“.

Die Buchstaben c, q, w, x, z kommen nur in wenigen Fremdwörtern vor. Statt ck schreibt man kk, für qu tritt kv ein, für ph/th/kh treten f/t/k ein, z (im Deutschen) wird meist durch s ersetzt: sentrum / senter entspricht „Zentrum“, sukker entspricht „Zucker“.

Ausnahmen und Varianten

Zu beachten sind vor allem folgende Ausnahmen (Bokmål): det [de] „das, es, jenes“, -et ə „das“, de [diː] „sie, die (Mehrzahl)“, og o „und“, jeg/meg/deg/seg [jæi mæi dæi sæi] „ich/mich/dich/sich“.

Je nach Sprecher tendiert langes a zu einem o-ähnlichen Laut wie in englisch call, während æ Richtung „a“ wie in „Vater“ geht und y kaum von unserem „i“ zu unterscheiden ist. Je nach Dialekt wird der Diphthong ei wie [æj] oder [aj] gesprochen.

Übersicht über die Laute des Norwegischen

Vokale

Das Norwegische besitzt 19 Monophthonge und sieben Diphthonge.

Monophthonge des Norwegischen
  vorne zentral hinten
ungerundet gerundet
lang kurz lang kurz lang kurz lang kurz
geschlossen i y ʉː ʉ u
mittel e øː ø   / ɔː ɔ
offen æː æ     ɑː ɑ

Die Diphthonge des Norwegischen sind /æi øy æʉ ɑi ɔy ʉi ui/, die es je in einer langen und einer kurzen Variante gibt.

Konsonanten

Das Norwegische besitzt 23 Konsonanten, darunter fünf retroflexe Laute, die als Allophone anzusehen sind. Letztere kommen nicht in den Dialekten mit Zäpfchen-R vor.[3]

Konsonanten des Norwegischen
  bilabial labio-
dental
alveolar post-
alveolar
retroflex palatal velar glottal
Plosive p b   t d   ʈ ɖ   k g  
Nasale m   n   ɳ   ŋ  
Trills/Flaps     r   ɽ      
Frikative   f v s ʃ   ç j   h
Laterale     l   ɭ      

Akzent 1 und Akzent 2

Das Norwegische hat (wie das Schwedische) zwei bedeutungsunterscheidende Akzente, die oft Akzent 1 und Akzent 2 genannt werden. Siehe dazu: Akzente in den skandinavischen Sprachen.

Grammatik

Allgemeine Vorbemerkung: Im Folgenden werden von den Nynorsk-Varianten nur diejenigen vermerkt, die gemäß der Rechtschreibreform von 2012 gültig sind. Seltene, fast nur in älteren Texten vorkommende oder im Kreise der Høgnorsk-Anhänger benutzte Lautungen und Formen bleiben ausgespart.

Substantive und Artikel (Hauptwörter)

Genera (Geschlechter)

Die norwegische Sprache kennt offiziell die drei Genera: maskulin, feminin und neutrum. Riksmål und konservatives Bokmål kennen aber wie die dänische Sprache nur das männlich-weibliche (Utrum) und das sächliche Geschlecht (Neutrum). Die Substantive geben in der Regel aber keinen Hinweis darauf, welches Geschlecht sie haben. Häufig stimmt das Geschlecht mit dem des deutschen Substantivs überein (z. B. sola „die Sonne“, månen „der Mond“, barnet „das Kind“).

Auch kennt das Norwegische den unbestimmten Artikel, für jedes Geschlecht existiert eine eigene Form:

Bokmål Nynorsk Deutsch Geschlecht
en dag ein dag ein Tag männlich
ei/en flaske ei flaske eine Flasche weiblich
et hus eit hus ein Haus sächlich
et eple eit eple ein Apfel sächlich
et øye eit auga/auge ein Auge sächlich

Wie im Dänischen wird der bestimmte Artikel bei unbegleiteten Substantiven (d. h. wenn kein Adjektiv vor bzw. kein Personalpronomen hinter dem Substantiv steht) nur als Suffix angehängt, an dem auch das Geschlecht des Substantivs zu erkennen ist:

Bokmål Nynorsk Deutsch
dagen dagen der Tag
flaska/flasken flaska die Flasche
huset huset das Haus
eplet eplet der Apfel
øyet auga/auget das Auge

Beim bestimmten Artikel Neutrum (-et) wird das t nicht gesprochen! eple („Apfel“) und eplet („der Apfel“) werden also gleich ausgesprochen.

Weibliche Substantive werden im Bokmål aber – dänischer Tradition folgend – oft auch wie männliche behandelt:

  • ei flaske = en flaske – „eine Flasche“
  • flaska = flasken – „die Flasche“

Plural (Mehrzahl)

In der unbestimmten Mehrzahlform enden männliche, weibliche und (im Bokmål) mehrsilbige sächliche Substantive auf -er (im Nynorsk gibt es, vergleichbar mit dem Schwedischen, die Endungen -ar und -er), einsilbige (im Nynorsk auch mehrsilbige) sächliche bleiben in der Regel endungslos:

Bokmål Nynorsk Deutsch
dager dagar „Tage“
flasker flasker „Flaschen“
hus hus „Häuser“
epler eple „Äpfel“
øyne augo/auge „Augen“

Unregelmäßige Mehrzahl haben unter anderem:

  • fedre „Väter“, mødre „Mütter“, brødre „Brüder“, søstre „Schwestern“, døtre „Töchter“
  • ender „Enten“, hender „Hände“, krefter „Kräfte“, netter „Nächte“, render „Ränder“
  • stender „Stände (Klassen)“, stenger „Stangen“, strender „Strände“, tenger „Zangen“, tenner „Zähne“
  • bøker „Bücher“, bønder „Bauern“, røtter „Wurzeln“
  • klær „Kleider“, knær „Knie“, trær „Bäume“, tær „Zehen“, menn „Männer“, øyne (BM) / augo (NN) „Augen“

Gar keine Mehrzahlendung haben alle einsilbigen Neutra, z. B. hus „Haus/Häuser“, barn „Kind/Kinder“, aber ausnahmsweise auch männliche einsilbige Wörter, z. B. sko „Schuh(e)“ oder neutrale mehrsilbige Wörter, z. B. våpen „Waffen“.

Um die Mehrzahl der bestimmten Formen zu bilden, wird im Bokmål geschlechtsübergreifend -ene bzw. -a (optional bei einsilbigen Neutra) angefügt.

Nynorsk kennt -ane, -ene, -o und -a:

Bokmål Nynorsk Deutsch
dagene dagane „die Tage“
flaskene flaskene „die Flaschen“
husene (seltener: husa) husa „die Häuser“
eplene (seltener: epla) epla „die Äpfel“
øynene (seltener: øya) augo/auga „die Augen“

Die unregelmäßigen Substantive haben hier: fedrene „die Väter“, endene „die Enten“, bøkene „die Bücher“ und – mit Erhalt des „r“ vor æklærne „die Kleider“ usw.

Genitiv (Wesfall)

Das norwegische Substantiv kennt neben der Grundform eine eigene Form für den Genitiv, indem sowohl im Singular wie im Plural unabhängig vom Genus ein -s an das Substantiv (nicht an Artikel und Pronomen!) angehängt wird. Bei mehrgliedrigen Ausdrücken wird diese Genitivregel auf den gesamten Ausdruck angewandt, das heißt, das letzte Wort im Ausdruck erhält die Ergänzung -s. Enden das Substantiv oder der Ausdruck bereits auf einem -s, -x oder -ch, wird anstatt des Genitiv-s nur ein Apostroph -' angehängt:

Bokmål Nynorsk Deutsch
kongens kongens oder til/åt kongen oder kongen sin „des Königs“
kongenes konganes oder til/åt kongane oder kongane sin „der Könige“
mannen på husets tak mannen på huset sitt tak „der Mann auf dem Dach des Hauses“
mars' til/åt mars oder mars sin „des März“

Weitere Beispiele (Bokmål): Guds ord „Gottes Wort“, de gamle mennenes fortellinger „Die Erzählungen der alten Männer“

Der Genitiv wird, außer bei Namen und Personen, vorwiegend im geschriebenen Bokmål verwendet. Im geschriebenen Nynorsk und in der gesprochenen Sprache überhaupt wird er gewöhnlich mit den Präpositionen av, til, på usw. oder aber mit einer Dativkonstruktion („garpegenetiv“, einer dem Niederdeutschen entlehnten Konstruktion) umschrieben, etwa prisen på boka statt bokas pris (der Preis des Buches), boka til Olav statt Olavs bok (Olavs Buch), taket på huset statt husets tak (das Dach des Hauses), Stortinget si sak statt Stortingets sak (die Angelegenheit des Parlaments, wörtlich: „dem Parlament seine Angelegenheit“).

Nach absteigender Priorität verwendet man für ‚die Haustür‘: husdøra, husets dør, døra på huset. Die Präposition „auf“ steht in diesem Fall, da die Türe nicht mehr als zum Hause selbst gehörig empfunden wird.

Gebrauch des Artikels

Kein Artikel steht bei

  • Angaben zu Nation, Beruf, Religion: han er nordmann (BM und NN), han er lutheraner (BM) bzw. han er lutheranar (NN) „er ist Norweger, er ist Protestant“
  • folgenden Adjektiven: første / øverste / neste / siste / forrige / venstre / høyre (BM) bzw. høgre (NN) „erste / oberste / nächste / letzte / vorige / linke / rechte“, also z. B. neste dag „am nächsten Tag“, på venstre side „auf der linken Seite“
  • festen Wendungen: på kino/sirkus „im Kino/Zirkus, ins Kino/in den Zirkus“, på skole „in die Schule“, i telt „in einem Zelt“, å skrive brev „einen Brief schreiben“, å kjøre bil (BM) bzw. å køyre bil (NN) „Auto fahren“, spille gitar „Gitarre spielen“.

Deklination von Adjektiven (Beugung von Eigenschaftswörtern)

Wie in allen germanischen Sprachen (mit Ausnahme des Englischen) wird im Norwegischen zwischen starken und schwachen Endungen unterschieden. Sowohl im Bokmål als auch im Nynorsk hat der Plural aller regelmäßigen Adjektive immer die Endung -e; diese Endung haben auch alle veränderlichen schwachen Adjektive für alle Geschlechter.

Siehe auch

Literatur

Grammatiken:

  • Jan Terje Faarlund, Svein Lie, Kjell Ivar Vannebo: Norsk referansegrammatikk. Universitetsforlaget, Oslo 1997. (3. Auflage 2002, ISBN 82-00-22569-0) (Bokmål und Nynorsk).
  • Olav T. Beito: Nynorsk grammatikk. Lyd- og ordlære. Det Norske Samlaget, Oslo 1986, ISBN 82-521-2801-7.
  • Kjell Venås: Norsk grammatik. Nynorsk. Universitetsforlaget, Oslo 1990. (2. Auflage ebd. 2002, ISBN 82-13-01972-5).
  • Åse-Berit Strandskogen, Rolf Strandskogen: Norsk grammatikk for utlendinger. 6. Auflage. Gyldendal Norsk Forlag, Oslo 1991, ISBN 82-05-10324-0.

Lehrbücher:

  • Eldrid Hågård Aas: Langenscheidts Praktischer Sprachlehrgang Norwegisch. Langenscheidt Verlag, München/Berlin 2009, ISBN 978-3-468-80373-4.

Wörterbücher:

  • Bokmålsordboka und Nynorskordboka, hg. von der Avdeling for leksikografi ved Institutt for lingvistiske og nordiske studier (ILN) ved Universitetet i Oslo, in Zusammenarbeit mit dem Språkrådet, mehrere Auflagen; digital: Bokmålsordbok | Nynorskordboka.
  • Norsk Ordbok. Ordbok over det norske folkemålet og det nynorske skriftmålet. Bände 1–12, Oslo 1965–2016.
  • Norsk Riksmålsordbok. 1937–1957 (vier Bände). Nachdruck 1983 (sechs Bände), Supplement 1995 (2 Bände), Neubearbeitung seit 2002.
  • K. Antonsen Vadøy, M.  Hansen, L.  B. Stechlicka: Thematisches Wörterbuch Neu-Norwegisch – Deutsch / Deutsch – Neu-Norwegisch. Ondefo-Deutschland 2009, ISBN 978-3-939703-49-5.
  • K. Antonsen Vadøy, M. Hansen, L. B. Stechlicka: Tematisk Ordbok Nynorsk – Tysk / Tysk – Nynorsk. Ondefo, Hagenow 2009, ISBN 978-3-939703-49-5.

Verschiedenes:

  • Egil Pettersen: Die Normierungsarbeit des norwegischen Sprachrats (Norsk Språkråd). In: Robert Fallenstein, Tor Jan Ropeid (Hrsg.): Sprachpflege in Europäischen Ländern. Schriften des Germanistischen Instituts der Universität Bergen, Bergen 1989, ISBN 82-90865-02-3.
  • Åse Birkenheier: Ivar Aasen – der Mann, der eine neue, alte Sprache schuf. In: dialog. Mitteilungen der Deutsch-Norwegischen Gesellschaft e. V., Bonn. Nr. 42, 32. Jahrgang 2013, S. 24–27.
  • Kari Uecker: Das Norwegische mit seinen vielen Varianten. Regionalsprachen und Dialekte gewinnen an Popularität. In: dialog. Mitteilungen der Deutsch-Norwegischen Gesellschaft e. V., Bonn. Nr. 42, 32. Jahrgang 2013, S. 57.

Weblinks

 Wiktionary: Norwegisch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Wiktionary: Kategorie:Norwegisch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Norwegische Sprache - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wikibooks: Norwegisch – Lern- und Lehrmaterialien

Einzelnachweise

  1. Vidar 1832 Nr. 15, S. 115.
  2. Språkrådet: Nynorskrettskrivinga skal bli enklare, abgerufen am 29. November 2011 (Nynorsk)
  3. SAMPA für Norwegisch (englisch)
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