Phrenologie

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Phrenologie

Die Phrenologie (gr. φρήν, φρενός phrenos = „Geist“, „Gemüt“, „Zwerchfell“) wurde Anfang des 19. Jahrhunderts von dem Arzt und Anatom Franz Joseph Gall (1758–1828) begründet, der davon ausging, dass die geistigen Eigenschaften des Menschen eindeutig bestimmten Hirnarealen zuzuordnen seien und sich auch äußerlich an der Schädel- und Gehirnform ablesen ließen. Diese Ansicht ist allerdings aus heutiger wissenschaftlicher Sicht nicht haltbar. Auch Rudolf Steiner ging davon aus, dass es keinen allgemeingültigen Zusammenhang zwischen der Schädelform und den charakterlichen und geistigen Eigenschaften eines Menschen gibt. Die Schädelform ist vielmehr der individuelle Ausdruck der Taten, die der Mensch in früheren Erdenleben vollbracht hat. Der Zusammenhang kann darum auch niemals durch eine rein äußerliche, sonder nur durch eine geistige Betrachtung erkannt werden.

"Was wir durchfeuert haben in der Empfindungsseele mit jener Leidenschaft, die erglühen kann für hohe sittliche Ideale, was wir so in die Empfindungsseele gegossen haben und was wir mitnehmen können durch die Pforte des Todes, das können wir hinübertragen in das neue Leben, und da kann es die mächtigste plastische Kraft entwickeln. Wir sehen im neuen Leben in der Schädelbildung, in den verschiedenen Erhöhungen und Vertiefungen des Schädels zum Ausdruck kommen, was wir an hohen sittlichen Idealen uns erarbeitet haben. - So sehen wir herüberleben bis in die Knochen hinein dasjenige, was der Mensch aus sich gemacht hat; daher müssen wir auch erkennen, daß alles, was sich auf die Erkenntnis der eigentlichen Knochenbildung des Schädels bezieht, auf die Erkenntnis der Erhöhungen und Vertiefungen im Schädelbau, daß das schließen läßt auf den Charakter, daß das individuell ist. Es ist Hohn, wenn man glaubt, allgemeine Schemen, allgemeine typische Grundsätze aufstellen zu können für die Schädelkunde. Nein, so etwas gibt es nicht. Für jeden Menschen gibt es eine besondere Schädelkunde; denn dasjenige, was er als Schädel mitbringt, bringt er sich aus vorhergehenden Leben mit, und das muß man bei jedem Menschen erkennen. So gibt es hierfür keine allgemeine Wissenschaft. Nur Abstraktlinge, die alles auf Schemen bringen wollen, die können Schädelkunde im allgemeinen Sinn begründen; wer da weiß, was den Menschen bis in die Knochen hinein formt, wie das eben geschildert wurde, der wird nur von einer individuellen Erkenntnis am Knochenbau des Menschen sprechen können. Damit haben wir auch etwas in dieser Schädelbildung, was bei jedem Menschen anders ist, und wofür wir den Grund nimmer im Einzelleben finden. In der Schädelbildung können wir greifen dasjenige, was man Wiederverkörperung nennt; denn in den Formen des menschlichen Schädels greifen wir, was der Mensch in früheren Leben aus sich gemacht hat. Da wird Reinkarnation oder Wiederverkörperung handgreiflich. Man muß nur erst wissen, wo man die Dinge in der Welt aufzugreifen hat." (Lit.: GA 058, S. 175f)

"Dasjenige, was der Mensch als Kopforganisation an sich trägt, was das Wunderbarste, Vollkommenste ist, das aus der Weltenentwickelung hervorgeht, das zerbricht zum großen Teile, indem der Mensch durch die Todespforte geht, auch in seinem geistig-inneren Inhalte. Dagegen das, was der Mensch in seiner unteren Organisation hat, wenn Sie es auch nur physisch anschauen, zeigt Ihnen im Physischen das Bild dessen, was da lebt als Geistig-Seelisches in Armen, in Händen, in der ganzen Gliedmaßen-Stoffwechselorganisation. In dieser Gliedmaßen- Stoffwechselorganisation lebt ja nicht nur dasjenige, was man sieht als Fleisch und Blut; da leben Kräfte darinnen. Und hinter manchem, was Sie da sehen als Fleisch und Blut zu Armen und Händen physischer Natur geformt, leben die geistigen Kräfte. Diese geistigen Kräfte strömen gegenwärtig durch Ihre Arme, durch Ihre Beine. Im künftigen Erdenleben werden sie strömen durch diejenigen Organe, welche die Kiefer auf- und abwärtsbewegen in der Verlängerung des Ober- und Unterkiefers nach hinten. Die Kopfknochen werden in ihrer plastischen Bildung in dem nächsten Erdenleben sein die umgestalteten Arm- und Beinknochen - natürlich der geistige Teil derselben; das Physische fällt ab. Dasjenige, was Sie heute als Arme und Beine an sich tragen, tragen Sie in der nächsten Erdeninkarnation als die Konfigurationen des Kopfes in sich, den Kräften, der Dynamik nach gesagt. So daß selbst die physische Organisation ein Abbild davon gibt, wie der Mensch durch die Erdenleben durchgeht. Derjenige, der in der richtigen Weise die künstlerische Plastik des menschlichen Hauptes beim heutigen Erdenleben betrachtet, sieht darin die Gestalten, die der Mensch geformt hat durch dasjenige, was er im gewöhnlichen Leben im Behandeln der Menschen und der Erdenwelt durch seine Arme und Hände im vorhergehenden Erdenleben getan hat. Die Taten der Arme und Beine der einen Erdeninkarnation leben in der Formung des Kopfes der nächsten Erdeninkarnation fort. Die gewöhnliche Phrenologie ist darinnen dilettantisch, denn sie macht allerlei intellektuelle Interpretationen der Kopfformung. Aber dahinter steckt eine tiefe okkulte Phrenologie, welche bei jedem Menschen individuell ist und daher nicht in allgemeinen Regeln gelernt werden kann, die aber aus Intuitionen heraus aus den Formen des Kopfes sich enträtseln kann das, wozu der Mensch sich vorbereitet hat in dem, was er im Gehen, im Handeln, im Tun eines vorhergehenden Erdenlebens vollbracht hat." (Lit.: GA 227, S. 264ff)

Ideale prägen die Schädelbildung in der nächsten Inkarnation:

"Der Mensch kann die höchsten Empfindungen und Ideen und Ideale, die er überhaupt zunächst in diesem Zeitenzyklus haben kann, in sein Bewußtsein aufnehmen; zum Beispiel unsere ethischen Ideale, die ja allein schon für den Menschen ein Beweis vom Dasein einer geistigen Welt sein müßten. Wenn wir uns durch eine innere Stimme für diese ethischen Ideale begeistern, uns diesen hohen Idealen hingeben, so kann die Anregung dazu nicht von außen kommen. Nun kann das so weit gehen, daß der Mensch etwas, was er ohne Ideale empfindet, in diese erhebt, so daß er nicht aus Pflichtgefühl einer bestimmten Idee nachlebt, sondern weil er eben nicht mehr anders kann. Für den, der sich durchdringen läßt von einer sittlichen Idee, wird eintreten, daß er sich so hineinlebt in diese Idee, daß er sich selbst befiehlt, was in ihrem Sinne recht ist. So müssen die Ideale in der Bewußtseinsseele aufleuchten, dann strömen sie hinunter und werden Instinkte. Wenn dies geschieht, daß der Mensch so seine Empfindungen mit seinen Idealen durchdrungen hat, dann macht sich etwas Besonderes geltend. Diese Instinkte haben das Bestreben, bis zum physischen Körper sich zum Ausdruck zu bringen. Der Mensch kann aber zwischen Geburt und Tod nicht mehr an seinem physischen Körper arbeiten. So gehen gewisse Strömungen durch den Brustkorb zum Kopfe hin. Wenn jemand für ein Ideal begeistert ist, für dasselbe glüht und voll Feuer ist, so daß er mit Liebe empfindet: das soll geschehen -, so wird er sich in diesem Leben ihm hingeben, wird alles dafür tun. Aber dies ist nicht alles. Durch diese Tätigkeit gehen Strömungen in den oberen Teil bis zum Kopfe des Menschen. Das sind Kräfte, die bis zum physischen Körper zu wirken suchen; aber sie können in diesem Leben den Kopf nicht mehr ändern, weil des Menschen physischer Leib auch dann, wenn man sich selbst in solcher Weise veredelt, nicht mehr gestaltungsfähig ist. Diese Kräfte strömen aber dennoch nach oben. Diese Strömungen bleiben dem Menschen erhalten in seiner Seele, und wenn der Mensch durch den Tod und eine neue Geburt geht, bringt er sie mit in ein neues Dasein. Hier tritt das auf, was der Phrenologie eine individuelle Berechtigung gibt: in den Höckerbildungen des Schädels kommen diese Kräfte, die so erworben sind, heraus. Man kann nicht sagen, dieser Höcker drückt das allgemein aus, sondern das, was die Individualität während des vorhergehenden Lebens auf diese Weise oft mit sich verbunden hat und was doch den Körper nicht mehr hat umbilden können, das drückt sich da aus." (Lit.: GA 108, S. 107f)

Was wir in einer Inkarnation erleben und an Taten verrichten, prägt sich dem Gedächtnis ein, dessen organische Grundlage nach Steiner vor allem an der Oberfläche der inneren Organe zu suchen ist. Wenn es sich zum Beispiel um die Erinnerung sehr abstrakter Gedanken handelt, so ist daran außerordentlich stark die Lungenoberfläche beteiligt. Diese Erinnerungen werden in der Schädelformung der zukünftigen Inkarnation sichtbar.

"Nun, ich sprach, indem ich vom Erinnerungsvermögen sprach, von der Oberfläche der Organe. Es schlägt gewissermaßen überall das, was wir erleben, an die Oberfläche, wird reflektiert, und das führt zu den Erinnerungen. Aber es geht auch etwas hinein in den Organismus. Im gewöhnlichen Leben setzt sich das um, macht eine Metamorphose durch, so daß das Organ eine Absonderung hat. Die Organe, die so etwas verrichten, sind ja meist Drüsenorgane; sie haben eine innere Absonderung, und da setzt sich während des Lebens zunächst dasjenige um, was an solchen Kräften hineingeht. Aber nicht alles wird in dieser Weise in organischen Stoffwechsel und dergeichen umgesetzt, sondern die Organe nehmen in sich etwas auf, was in ihnen dann latent wird, eine innere Kraft bildet. So zum Beispiel alle Gedanken, die wir aufnehmen von der Art, daß sie, ich will sagen, mehr an die Anschauung der Außenwelt anknüpfen, daß wir uns durch diese Gedanken Bilder der äußeren Gegenstände bilden: die Kräfte, die in diesen Gedanken entwickelt werden, werden gewissermaßen in der Lunge, im Inneren der Lunge aufgespeichert. Und nun wissen Sie, daß das Innere der Lunge ja in Regsamkeit kommt durch den Stoffwechsel, durch die Gliedmaßenbewegung, und da bilden sich diese Kräfte so um, daß während des Lebens zwischen Geburt und Tod unsere Lunge gewissermaßen ein Reservoir von Kräften ist, in das der Stoffwechsel-Gliedmaßenorganismus fortwährend hineinspielt. Wenn wir sterben, so sind ja solche Kräfte aufgespeichert. Selbstverständlich, der physische Stoff fällt ab, aber diese Kräfte, die gehen nicht verloren, die gehen mit uns durch den Tod und durch das ganze Leben zwischen Tod und neuer Geburt hindurch. Und wenn wir in eine neue Inkarnation eintreten, so sind es vorzugsweise diese Kräfte, die in der Lunge waren, welche unser Haupt äußerlich formieren, welche äußerlich uns die Physiognomie unseres Hauptes aufdrücken. Was der Phrenologe studieren will an der äußeren Hauptesform, das müßte man vorgebildet suchen im Inneren der Lunge in der vorigen Inkarnation." (Lit.: GA 205, S. 101f)

Werden diese formenden Kräfte allerdings schon in der gegenwärtigen Inkarnation freigesetzt, führen sie zu zwanghaften Illusionen, was man bei schweren Lungenerkrankungen oft bemerken kann.

"Wenn man nun dieses in der Lunge Aufgespeicherte nicht in der richtigen Weise beherrscht, dann wird es so ausgepreßt, wie ich gestern sagte, daß ein Schwamm ausgepreßt wird, und dann entstehen aus dem, was eigentlich erst in der nächsten Inkarnation kopfformend herauskommen sollte, vorzugsweise solche abnormen Erscheinungen, die man gewöhnlich als Zwangsgedanken bezeichnet oder auch in irgendeiner Weise als Illusionen. Es ist ein interessantes Kapitel einer höheren Physiologie, bei Lungenkranken zu studieren, welche merkwürdigen Vorstellungen da auftreten im Hochstadium der Lungenkrankheiten. Das hängt zusammen mit dem, was ich eben jetzt auseinandergesetzt habe, mit diesem Herauspressen der Gedanken. Die Gedanken, die da herausgepreßt werden, sind deshalb Zwangsgedanken, weil sie schon die formende Kraft in sich haben. Die Gedanken, die wir jetzt normal im Bewußtsein haben sollen, die dürfen nur Bilder sein, die dürfen nicht eine formende Kraft in sich haben, dürfen uns nicht zwingen. Durch die lange Zeit zwischen Tod und neuer Geburt, da zwingen sie, da sind sie Kausalitäten, da wirken sie dann formend. Jetzt dürfen sie uns nicht überwältigen, sie dürfen nur beim Übergang von einem Leben ins andere ihre Kraft ausüben." (Lit.: GA 205, S. 102f)

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Metamorphosen des Seelenlebens – Pfade der Seelenerlebnisse. Erster Teil, GA 58 (1984), ISBN 3-7274-0585-6 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  2. Rudolf Steiner: Geisteswissenschaftliche Menschenkunde, GA 107 (1988), ISBN 3-7274-1070-1 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  3. Rudolf Steiner: Die Beantwortung von Welt- und Lebensfragen durch Anthroposophie, GA 108 (1986), ISBN 3-7274-1081-7 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  4. Rudolf Steiner: Menschenwerden, Weltenseele und Weltengeist – Erster Teil, GA 205 (1987), ISBN 3-7274-2050-2 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  5. Rudolf Steiner: Initiations-Erkenntnis, GA 227 (2000), ISBN 3-7274-2271-8 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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