Prädestination

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Die Prädestination (von lat. praedestinatio = Vorherbestimmung) oder Prädestinationslehre bezeichnet eine theologische Anschauung, nach der das Schicksal des Menschen und des ganzen Kosmos schon vom Schöpfungsurbeginn an von Gott vorherbestimmt ist. Sie ist Ausdruck der Allwissenheit und Allmacht Gottes und bezieht sich insbesondere auf die ewige Gnade oder die ewige Verdammnis des Menschen im Leben nach dem Tod. Die Prädestinationslehre wurde erstmals von Augustinus von Hippo formuliert und später insbesondere von Calvin vertreten.

Augustinus hat seine Prädestinationslehre vor allem in seinen Schriften De gratia et libero arbitrio und De correptione et gratia formuliert, die um das Jahr 427 entstanden sind. Aufgrund seiner sündhaften Natur könne der Mensch sein Heil in Gott nicht aus eigenem freien Willen finden, sondern er bedürfe dazu der weisheitsvollen Lenkung Gottes. Augustinus trat damit der im Pelagianismus vertretenen Selbsterlösungslehre entgegen. Er beruft sich dabei insbesondere auf folgende Bibelstellen:

"Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus. Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, daß wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten; in seiner Liebe hat er uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten." (Epheser 1,3-6 EU)
"Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt, bei denen, die nach seinem ewigen Plan berufen sind; denn alle, die er im voraus erkannt hat, hat er auch im voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei. Die aber, die er vorausbestimmt hat, hat er auch berufen, und die er berufen hat, hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht." (Römer 8,28-30 EU)

In so unterschiedlichen religiösen Konzepten, wie dem Koran, dem Calvinismus und in der Lehre der Zeugen Jehovas sind Elemente der Prädestinationslehre präsent. Sie bezieht sich aber in Wahrheit nicht auf die Individualität des Menschen, sondern auf seine äußere physische Körperlichkeit:

"Denken Sie doch einmal an solche grausam erscheinende Lehren wie die des Augustinus, sogar die des Calvin: daß von vornherein der eine Teil der Menschen bestimmt wäre zum Seligwerden, die andern zum Verdammtwerden, die einen zum Guten, die andern zum Bösen. Solche Lehren hat es gegeben. Sie erscheinen grausam. Und dennoch: für eine richtige Einsicht erscheinen diese Lehren nicht ganz unrichtig, wie überhaupt manches, was unrichtig erscheint, eine gewisse relative Richtigkeit hat. Was im Zeitalter des Augustinus und den nachfolgenden Jahrhunderten über den Menschen gewußt werden konnte, bezieht sich eigentlich gar nicht richtig auf die Menschenseelen und auf den Menschengeist - Sie wissen ja, der Menschengeist wurde sogar auf dem Konzil in Konstantinopel abgeschafft -, sondern es bezieht sich auf den auf der Erde herumwandelnden Menschen. Ich will versuchen, möglichst deutlich zu sprechen über das, worauf es ankommt.

Es kann Ihnen ein Mensch begegnen und ein anderer, und im Sinne der Augustinischen Lehre könnte man sagen: Der ist zum Guten, der ist zum Bösen bestimmt, aber nur seine äußere Körperlichkeit, nicht die Individualität! - Über die wirkliche Individualität hat das Augustinische Zeitalter überhaupt nicht gesprochen. Wenn man nun eine Anzahl von Menschen vor sich hat, so kann man sagen - aber das hat erst einen Sinn von der neueren Zeit an, bei den Griechen hätte es keinen Sinn gehabt -: Da sind die Menschenseelen; die sind natürlich die Schmiede ihres eigenen Schicksals. Da gibt es keine Prädestinationsimpulse. Aber die wohnen in Leibern, die zum Guten oder zum Bösen bestimmt sind. - Und immer weniger werden in der Erdenentwickelung die Menschen in der Lage sein, ihre Seelenentwickelung ganz parallel der Leibesentwickelung zu nehmen. Warum sollte es nicht sein können, daß eine Individualität sich verleiblicht in einem Körper, der nach seiner ganzen Konstitution zum Bösen bestimmt ist? Der Mensch kann ja trotzdem drinnen gut sein, weil die Individualität nicht mehr in einem intimen Zusammenhang mit der Körperlichkeit ist. Das ist wieder keine bequeme Wahrheit, aber eine Wahrheit, mit der man sich bekanntmachen muß." (Lit.: GA 177, S. 88f)

"Es bedeutete Prädestination in alten Zeiten die Namen derjenigen, die in dem Buch der Schöpfung eingetragen sind. Nun müssen Sie sich aber klar sein darüber, daß eigentlich noch bis zum 5., 6. Jahrhundert, also jedenfalls bis in die Zeit des Augustinus hinein, das gesamte Denken, das auf die geistige Welt selber sich bezog, gedacht ist von der geistigen Welt nach der physischen Welt gerichtet und nicht umgekehrt. Erst seit wenigen Jahrhunderten wird von unten nach oben gedacht und nicht mehr von oben nach unten. Wenn Sie also die Art des Denkens nehmen, wie sie bei Augustinus selbstverständlich war, von dem Moment an, da er überhaupt philosophisch hat denken können, da bedeutete Prädestination die Namen derer, die von Gott auserwählt waren, in das Buch des Lebens eingeschrieben zu werden, sie bedeuteten eine Konfiguration der Welt, wo die Namen da waren. Also Sie würden das Schema bekommen: Das Himmlische; nun kommt der erste Name: diejenigen, die da Almosen gegeben haben, also wir haben die Almosengeber. Als ein zweites diejenigen, die Kranke gepflegt haben; und als einen dritten Namen: diejenigen, die gelehrt haben. Und nun haben Sie bei dem, was von oben herunter gedacht ist, ja die Menschen noch gar nicht drin; die müssen sich selber erst den Anspruch auf diese Namen erwerben, müssen sich erst eingliedern. Bei all diesen Bezeichnungen haben Sie es mit Typenbezeichnungen zu tun, die sich von oben herunter senken, so daß die Menschen erst den Anspruch auf diese Typenbezeichnungen sich erwerben müssen. Es sind nicht die Menschen Krankenpfleger, es sind nicht die Menschen Almosengeber, Seelenhirten und so weiter; das sind die Namen – das sind aber nicht Namen, die der Einzelne trägt –, die muß man sich erst erwerben. Es ist die ganz andere Art zu denken, aus der heraus man ein solches Wort wie «Prädestination» zu verstehen suchen muß. Wie kommen Sie sonst zurecht mit der Lehre des Augustinus und mit dem ganzen damaligen Streit der Geister über die Prädestination? Sie kommen nicht zurecht. Sie können unmöglich dem Augustinus zuschreiben, daß er die Menschheit der Erde in zwei Gruppen geteilt habe, die eine zum Guten, die andere zum Bösen vorbestimmt. Was er gemeint hat, ist, daß er auf der einen Seite die Typen, auf der anderen Seite die anderen Typen hingestellt hat. Aber die Menschen selber gehören nicht von vorneherein einem Typus an, sie müssen sich erst ihren Anspruch erwerben auf einen Namen." (Lit.: GA 344, S. 248f)

Nach Rudolf Steiner kann es also keine Prädestination des individuellen menschlichen Schicksals geben. Dies verbietet die Lehre von Reinkarnation und Karma und die grundsätzliche Wahlfreiheit des Menschen zwischen gut und böse.

Siehe dazu auch die Lehre von den 144000 Erretteten.