Stereotyp

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Ein Stereotyp (von griech. στερεός stereós „fest, haltbar, räumlich“ und τύπος týpos „Form, Typus“) ist eine in der öffentlichen Meinung weit verbreitete, meist sehr vereinfachte, aber anschaulich einprägsame, nicht notwendigerweise wertende Charakterisierung bestimmter Personen oder Personengruppen. Der Begriff wurde 1922 von dem US-amerikanischen Journalisten, Schriftsteller und Medienkritiker Walter Lippmann (1889-1974) geprägt.

Automatische Stereotype

Tatsächlich ist die nahezu unbewusst und fast automatisch ablaufende Kategorisierung der Mitmenschen nach Alter, Geschlecht, Größe, Haartracht, Hautfarbe usw. ein alltäglicher und weitgehend unproblematischer Vorgang, der der raschen Orientierung im sozialen Umfeld dient. Derartige automatische Stereotype sind sehr treffsicher. Sie werden schon früh in der Kindheit ab dem Erwachen des Ich-Bewusstseins im 3. Lebensjahr ausgebildetet und unterstützen einerseits das Zugehörigkeitsgefühl und andererseits auch die notwendige Abgrenzung von anderen Menschen. Stereotype sind also nicht nur negativ zu bewerten, wie Lippmann und seine Nachfolger meinen. Ausgedehnte empirische Untersuchungen von Lee Jussim, Thomas R. Cain und anderen US-amerikanischen Forschern anhand psychologischer Messungen und demographischer und soziologischer Daten mit Probanden aus allen Bevölkerungsschichten haben überdies ergeben, dass wertneutrale ethnische und geschlechtsspezifische Stereotype auch eine überraschend hohe statistische Übereinstimmung von über 70% mit der Wirklichkeit aufweisen. Sie sind damit deutlich treffsicherer sind als jene, die auf auf später erworbenen persönlichen oder gruppenspezifischen Vorurteilen beruhen[1]. Auch stimmt die Fremdcharakterisierung anderer Menschengruppen weitgehend mit deren Selbstcharakterisierung überein, wenn diese auch meist etwas differenzierter ausfällt.

Egoistische bzw. gruppenegoistische Stereotype

Sehr problematisch sind hingegen egoistische bzw. gruppenegoistische Stereotype, die mit einer sehr ausgeprägten postiven oder negativen Bewertung verbunden und meist sehr emotional aufgeladen sind und die automatischen Stereotype überlagern. Mit der Wirklichkeit stimmen sie im Gegensatz zu diesen zumeist nur wenig überein. Auch ist die Kluft zwischen Fremdcharakterisierung und Selbstcharakterisierung oft sehr groß. Sie unterliegen in der Regel auch einem stärkeren Wandel als die automatischen Stereotypen und hängen stark von der aktuellen sozialen Situation ab.

Grundsätzlich problematisch bei allen Arten von Stereotypen ist, dass sie dem seelisch-geistigen Reichtum eines Individuums niemals gerecht werden können und durch ihre schablonenhafte, aber sich stark aufdrängende Natur den wirklich menschlichen Umgang mit anderen Individuen nicht nur erschweren, sondern sogar verhindern können.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Lee Jussim: Social Perception and Social Reality. Why accuracy dominates bias and self-fulfilling prophecy. Oxford 2012; Lee Jussim, Thomas R. Cain u.a.: The unbearable accuracy of stereotypes. In: Todd D. Nelson (Hg.): Handbook of prejudice, stereotyping, and discrimination. New York 2009.