Chymische Hochzeit Christiani Rosencreutz Anno 1459: Unterschied zwischen den Versionen

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Die romanhafte Schilderung der ''Chymischen Hochzeit'' beginnt damit, dass der achtzigjähriger Christian Rosenkreutz, der um 1459 in einer Eremitage am Abhang eines Berges lebte, über ein selbsterlebtes Abenteuer zu berichten beginnt, das er am Vorabend des Ostertages erlebt hat. Die ganze Erzählung erstreckt sich über sieben seelische Tagewerke und beginnt damit, dass Christian Rosenkreutz, tief in die [[Meditation]] versenkt, plötzlich einen grausamen Wind an seine Hütte heranwehen spürt, ein Zeichen dafür, dass er mit seinem [[Bewusstsein]] in die rastlos bewegte [[Äther]]welt eingetreten ist. Da titt plötzlich ein ''herrliches Weib mit Flügeln voller Augen in blauem Kleid und güldenen Sternen und einer Posaune'' in der Hand an ihn heran und überrreicht ihm einen Brief, der ihn zu einer königlichen Hochzeit lädt. Auf der Posaune steht ein Name, den Christian Rosenkreutz wohl erkennt, aber nicht preisgeben darf. Die Hochzeit, so erinnert er sich plötzlich, war ihm schon sieben Jahre zuvor angekündigt worden. Das im Brief gleich zu Beginn erwähnte Bild der ''drei Tempel'' auf dem Berg bleibt ihm vorerst rätselhaft. Im Traum sieht er sich noch in der selben Nacht in einen Turm versetzt, wo er und unzählige andere in Ketten gelegt der Befreiung harren. Da erscheint oben in der Öffnung des Turms ein alter ''eisgrauer Mann'' zusammen mit seiner Mutter. Auf ihr Geheiß wird sieben Mal ein Seil herabgelassen, an dem manche der Gefangenen - und schließlich beim sechsten Mal auch Christian Rosenkreutz - hochgezogen werden.
Die romanhafte Schilderung der ''Chymischen Hochzeit'' beginnt damit, dass der achtzigjähriger Christian Rosenkreutz, der um 1459 in einer Eremitage am Abhang eines Berges lebte, über ein selbsterlebtes Abenteuer zu berichten beginnt, das er am Vorabend des Ostertages erlebt hat. Die ganze Erzählung erstreckt sich über sieben seelische Tagewerke und beginnt damit, dass Christian Rosenkreutz, tief in die [[Meditation]] versenkt, plötzlich einen grausamen Wind an seine Hütte heranwehen spürt, ein Zeichen dafür, dass er mit seinem [[Bewusstsein]] in die rastlos bewegte [[Äther]]welt eingetreten ist. Da titt plötzlich ein ''herrliches Weib mit Flügeln voller Augen in blauem Kleid und güldenen Sternen und einer Posaune'' in der Hand an ihn heran und überrreicht ihm einen Brief, der ihn zu einer königlichen Hochzeit lädt. Auf der Posaune steht ein Name, den Christian Rosenkreutz wohl erkennt, aber nicht preisgeben darf. Die Hochzeit, so erinnert er sich plötzlich, war ihm schon sieben Jahre zuvor angekündigt worden. Das im Brief gleich zu Beginn erwähnte Bild der ''drei Tempel'' auf dem Berg bleibt ihm vorerst rätselhaft. Im Traum sieht er sich noch in der selben Nacht in einen Turm versetzt, wo er und unzählige andere in Ketten gelegt der Befreiung harren. Da erscheint oben in der Öffnung des Turms ein alter ''eisgrauer Mann'' zusammen mit seiner Mutter. Auf ihr Geheiß wird sieben Mal ein Seil herabgelassen, an dem manche der Gefangenen - und schließlich beim sechsten Mal auch Christian Rosenkreutz - hochgezogen werden.


Als Christian Rosenkreutz am zweiten Tag seine Zelle verläßt und in den Wald kommt, bemerkt er an einem Baum ein Täfelchen, das ihm ''vier Wege'' zum Ziel zur Wahl stellt, von denen aber nur drei übrigbleiben, denn den vierten kann kein Sterblicher wandeln. Durch die [[Imagination]] einer schneeweißen Taube, mit der er sein Brot teilt, und eines schwarzen Raben, der ihr das Brot wieder entreissen will, wird er, indem er unbedacht dem Raben nacheilt, auf den zweiten, den langsamen, Weg mehr "geschoben", als dass er ihn bewusst ergreift. Nach einiger Zeit, gerade noch bei Tageslicht, erreicht er eine Pforte, ein überaus schönes, königliches Portal, über der er die Worte lesen kann: "Weichet weit von hier, ihr Ungeweihten." Christian Rosenkreutz tritt ein und wird von dem Torhüter im himmelblauen Kleid freundlich empfangen. Nachdem ihm Christian Rosenkreutz sein Fläschchen Wasser als Gegenleistung übergeben hat, erhält er von ihm ein goldenes Zeichen, auf dem die zwei Buchstaben SC<ref name="SM">Sanctitate Constantia; Sponsus Carus; Spes Caritas; Signum Crucis = Beständigkeit in Heiligkeit; geliebter Bräutigam; Hoffnung, Liebe; Zeichen des Kreuzes.</ref> zu lesen sind und außerdem ein versiegeltes Brieflein für den zweiten Hüter. Lange belehrt in der Hüter und ist es mittlerweile schon tiefe Nacht, als Christian Rosenkreutz seinen Weg fortsetzt und schließlich an die zweite Pforte gelangt, über der zu lesen ist: "Gebet und euch wird gegeben werden." Davor liegt, an eine Kette gebunden, ein grausamer Löwe, der sich mit Gebrüll aufrichtet, aber von dem dadurch erwachten zweiten Hüter zurückgehalten wird. Christian Rosenkreutz übergibt ihm sein Brieflein und wird danach von dem zweiten Hüter mit großer Ehrfurcht behandelt. Für sein Salz als Gegengabe empfängt Christian Rosenkreutz wieder ein Zeichen, das die beiden Buchstaben SM<ref name="SM">Studio Merentis; Sponso Mittendus; Sal Mineralis; Sal Menstrualis = Zum Studium des Würdigen; dem Brätigam mitzubringen; Mineralsalz; Salz der Reinigung.</ref> trägt.
Als Christian Rosenkreutz am zweiten Tag seine Zelle verläßt und in den Wald kommt, bemerkt er an einem Baum ein Täfelchen, das ihm ''vier Wege'' zum Ziel zur Wahl stellt, von denen aber nur drei übrigbleiben, denn den vierten kann kein Sterblicher wandeln. Durch die [[Imagination]] einer schneeweißen Taube, mit der er sein Brot teilt, und eines schwarzen Raben, der ihr das Brot wieder entreissen will, wird er, indem er unbedacht dem Raben nacheilt, auf den zweiten, den langsamen, Weg mehr "geschoben", als dass er ihn bewusst ergreift. Nach einiger Zeit, gerade noch bei Tageslicht, erreicht er eine Pforte, ein überaus schönes, königliches Portal, über der er die Worte lesen kann: "Weichet weit von hier, ihr Ungeweihten." Christian Rosenkreutz tritt ein und wird von dem Torhüter im himmelblauen Kleid freundlich empfangen. Nachdem ihm Christian Rosenkreutz sein Fläschchen Wasser als Gegenleistung übergeben hat, erhält er von ihm ein goldenes Zeichen, auf dem die zwei Buchstaben SC<ref name="SC">Sanctitate Constantia; Sponsus Carus; Spes Caritas; Signum Crucis = Beständigkeit in Heiligkeit; geliebter Bräutigam; Hoffnung, Liebe; Zeichen des Kreuzes.</ref> zu lesen sind und außerdem ein versiegeltes Brieflein für den zweiten Hüter. Lange belehrt in der Hüter und ist es mittlerweile schon tiefe Nacht, als Christian Rosenkreutz seinen Weg fortsetzt und schließlich an die zweite Pforte gelangt, über der zu lesen ist: "Gebet und euch wird gegeben werden." Davor liegt, an eine Kette gebunden, ein grausamer Löwe, der sich mit Gebrüll aufrichtet, aber von dem dadurch erwachten zweiten Hüter zurückgehalten wird. Christian Rosenkreutz übergibt ihm sein Brieflein und wird danach von dem zweiten Hüter mit großer Ehrfurcht behandelt. Für sein Salz als Gegengabe empfängt Christian Rosenkreutz wieder ein Zeichen, das die beiden Buchstaben SM<ref name="SM">Studio Merentis; Sponso Mittendus; Sal Mineralis; Sal Menstrualis = Zum Studium des Würdigen; dem Brätigam mitzubringen; Mineralsalz; Salz der Reinigung.</ref> trägt.


Am dritten Tag erreicht Christian Rosenkreutz auf seiner Wanderung einen Berggipfel, wo er wie auch die Gäste durch eine Waage geprüft werden, deren Gewichte vielfach als die 7 [[Tugend]]en gedeutet werden. [[Rudolf Steiner]] sieht in ihnen die [[Sieben Freie Künste|Sieben Freien Künste]]. Diejenigen, die für tugendhaft befunden werden, dürfen der Hochzeit beiwohnen. Sie erhalten ein Goldenes Vlies und werden der königlichen Familie vorgestellt. Voller Erwartungen einer Hochzeit beizuwohnen, wird aber die königliche Familie geköpft und ihre Teile in sieben Schiffe verladen und auf einer weit abgelegenen Insel in den Olympischen Turm gebracht, der sieben Stockwerke hat. Innerhalb dieses Turmes erleben die Gäste einen Aufstieg und jeder von ihnen nimmt an alchemistischen Operationen teil, die durch einen Greis und eine Frau geführt werden. Aus den königlichen Überresten gewinnt man dabei eine Art flüssiges Destillat, welches ein weißes Ei gebiert. Aus diesem schlüpft wiederum ein Vogel, der gemästet und geköpft wird. Die Gäste werden aufgefordert aus den Überresten zwei winzige Statuen zu formen. Diese werden solang gefüttert, bis sie die Größe eines erwachsenen Menschen erreicht haben und es stellt sich heraus, dass diese der auferstandene König und die Königin sind. Nachdem das Werk vollbracht ist, werden die Gäste durch das Königspaar in den Orden vom Goldenen Stein eingeführt und kehren zum Schloss zurück. Christian Rosenkreutz spielt dabei noch eine weitere besondere Rolle. Da er im Schloss in das Mausoleum eingedrungen war, wurde er von der dort lebenden Venus als Schlosswächter verurteilt. Die Geschichte endet schließlich wieder in der Eremitage des Christian Rosenkreutz, womit nochmals verdeutlicht wird, dass es sich bei den Schilderungen um keine äußeren Erlebnisse, sondern um innere geistige Erfahrungen handelt.
Am dritten Tag erreicht Christian Rosenkreutz auf seiner Wanderung einen Berggipfel, wo er wie auch die Gäste durch eine Waage geprüft werden, deren Gewichte vielfach als die 7 [[Tugend]]en gedeutet werden. [[Rudolf Steiner]] sieht in ihnen die [[Sieben Freie Künste|Sieben Freien Künste]]. Diejenigen, die für tugendhaft befunden werden, dürfen der Hochzeit beiwohnen. Sie erhalten ein Goldenes Vlies und werden der königlichen Familie vorgestellt. Voller Erwartungen einer Hochzeit beizuwohnen, wird aber die königliche Familie geköpft und ihre Teile in sieben Schiffe verladen und auf einer weit abgelegenen Insel in den Olympischen Turm gebracht, der sieben Stockwerke hat. Innerhalb dieses Turmes erleben die Gäste einen Aufstieg und jeder von ihnen nimmt an alchemistischen Operationen teil, die durch einen Greis und eine Frau geführt werden. Aus den königlichen Überresten gewinnt man dabei eine Art flüssiges Destillat, welches ein weißes Ei gebiert. Aus diesem schlüpft wiederum ein Vogel, der gemästet und geköpft wird. Die Gäste werden aufgefordert aus den Überresten zwei winzige Statuen zu formen. Diese werden solang gefüttert, bis sie die Größe eines erwachsenen Menschen erreicht haben und es stellt sich heraus, dass diese der auferstandene König und die Königin sind. Nachdem das Werk vollbracht ist, werden die Gäste durch das Königspaar in den Orden vom Goldenen Stein eingeführt und kehren zum Schloss zurück. Christian Rosenkreutz spielt dabei noch eine weitere besondere Rolle. Da er im Schloss in das Mausoleum eingedrungen war, wurde er von der dort lebenden Venus als Schlosswächter verurteilt. Die Geschichte endet schließlich wieder in der Eremitage des Christian Rosenkreutz, womit nochmals verdeutlicht wird, dass es sich bei den Schilderungen um keine äußeren Erlebnisse, sondern um innere geistige Erfahrungen handelt.

Version vom 1. Mai 2007, 17:59 Uhr

Chymische Hochzeit des Christiani Rosencreutz Anno 1459, Ausgabe 1616

Die Chymische Hochzeit des Christiani Rosencreutz Anno 1459 erschien 1616 in Straßburg bei Lazare Zetzner erstmals im Druck, nachdem sie zuvor schon einige Zeit als Handschrift im Umlauf war. Entstanden ist sie zwischen 1603 und 1605. Geschildert werden darin die Einweihungserlebnisse des Christian Rosenkreutz, die schließlich zur Begründung des Rosenkreuzer-Schulungswegs geführt haben, in Form eines alchemistischen Romans.

Johann Valentin Andreae

Johann Valentin Andreae (1586-1654)

Die Chymische Hochzeit erschien zunächst anonym, doch gilt als ihr Autor Johann Valentin Andreae. Im äußeren Sinn ist das wohl richtig, doch war er nicht mehr als ein Werkzeug der geistigen Welt, denn wie Rudolf Steiner deutlichlich gemacht hat, war ihr geistiger Urheber gar keine physische Persönlichkeit:

"Aber kein Mensch, der die Biographie des Valentin Andrea kennt, wird im Zweifel darüber sein, daß der Valentin Andrea, der später ein philiströser Pastor geworden ist und salbungsvolle andere Bücher schrieb, nicht die «ChymischeHochzeit» geschrieben hat. Es ist ein bloßer Unsinn, zu glauben, daß der Valentin Andrea die «Chymische Hochzeit» geschrieben hat. Denn vergleichen Sie nur einmal die «Chymische Hochzeit» oder die «Reformation der ganzen Welt» oder die anderen Schriften von Valentinus Andrea - physisch war es schon dieselbe Persönlichkeit - mit dem schmalzig Salbungsvollen, Fettig-Öligen, was der Pastor Valentin Andrea, der nur denselben Namen trägt, in seinem späteren Leben dann geschrieben hat. Das ist doch ein höchst merkwürdiges Phänomen! Wir haben einen jungen Menschen, der überhaupt noch kaum erst die Schulzeit vollendet hat, der schreibt solche Dinge nieder wie die «Reformation der ganzen Welt», wie die «Chymische Hochzeit Christiani Rosencreutz», und wir müssen uns anstrengen, den inneren Sinn dieser Schriften zu ergründen. Er selber versteht gar nichts davon, denn das zeigt er später: er wird ein salbungsvoller öliger Pastor. Das ist derselbe Mensch! Und man braucht nur dieses Faktum zu nehmen, so muß man plausibel finden, was ich dazumal dargestellt habe: daß eben die «Chymische Hochzeit» nicht von einem Menschen geschrieben ist, oder nur insofern von einem Menschen geschrieben ist, nun ja - wie der stets angsterfüllte geheime Sekretär von Napoleon seine Briefe geschrieben hat. Aber Napoleon war immerhin ein Mensch, der stark mit seinen Füßen, mit seinen Beinen auf dem Boden stand, war eben eine physische Persönlichkeit. Derjenige, der die «Chymische Hochzeit» geschrieben hat, war nicht eine physische Persönlichkeit, und er hat sich dieses «Sekretärs» bedient, der eben dann später der ölige Pastor Valentin Andrea geworden ist." (Lit.: GA 232, S 143)

Inhalt

Die romanhafte Schilderung der Chymischen Hochzeit beginnt damit, dass der achtzigjähriger Christian Rosenkreutz, der um 1459 in einer Eremitage am Abhang eines Berges lebte, über ein selbsterlebtes Abenteuer zu berichten beginnt, das er am Vorabend des Ostertages erlebt hat. Die ganze Erzählung erstreckt sich über sieben seelische Tagewerke und beginnt damit, dass Christian Rosenkreutz, tief in die Meditation versenkt, plötzlich einen grausamen Wind an seine Hütte heranwehen spürt, ein Zeichen dafür, dass er mit seinem Bewusstsein in die rastlos bewegte Ätherwelt eingetreten ist. Da titt plötzlich ein herrliches Weib mit Flügeln voller Augen in blauem Kleid und güldenen Sternen und einer Posaune in der Hand an ihn heran und überrreicht ihm einen Brief, der ihn zu einer königlichen Hochzeit lädt. Auf der Posaune steht ein Name, den Christian Rosenkreutz wohl erkennt, aber nicht preisgeben darf. Die Hochzeit, so erinnert er sich plötzlich, war ihm schon sieben Jahre zuvor angekündigt worden. Das im Brief gleich zu Beginn erwähnte Bild der drei Tempel auf dem Berg bleibt ihm vorerst rätselhaft. Im Traum sieht er sich noch in der selben Nacht in einen Turm versetzt, wo er und unzählige andere in Ketten gelegt der Befreiung harren. Da erscheint oben in der Öffnung des Turms ein alter eisgrauer Mann zusammen mit seiner Mutter. Auf ihr Geheiß wird sieben Mal ein Seil herabgelassen, an dem manche der Gefangenen - und schließlich beim sechsten Mal auch Christian Rosenkreutz - hochgezogen werden.

Als Christian Rosenkreutz am zweiten Tag seine Zelle verläßt und in den Wald kommt, bemerkt er an einem Baum ein Täfelchen, das ihm vier Wege zum Ziel zur Wahl stellt, von denen aber nur drei übrigbleiben, denn den vierten kann kein Sterblicher wandeln. Durch die Imagination einer schneeweißen Taube, mit der er sein Brot teilt, und eines schwarzen Raben, der ihr das Brot wieder entreissen will, wird er, indem er unbedacht dem Raben nacheilt, auf den zweiten, den langsamen, Weg mehr "geschoben", als dass er ihn bewusst ergreift. Nach einiger Zeit, gerade noch bei Tageslicht, erreicht er eine Pforte, ein überaus schönes, königliches Portal, über der er die Worte lesen kann: "Weichet weit von hier, ihr Ungeweihten." Christian Rosenkreutz tritt ein und wird von dem Torhüter im himmelblauen Kleid freundlich empfangen. Nachdem ihm Christian Rosenkreutz sein Fläschchen Wasser als Gegenleistung übergeben hat, erhält er von ihm ein goldenes Zeichen, auf dem die zwei Buchstaben SC[1] zu lesen sind und außerdem ein versiegeltes Brieflein für den zweiten Hüter. Lange belehrt in der Hüter und ist es mittlerweile schon tiefe Nacht, als Christian Rosenkreutz seinen Weg fortsetzt und schließlich an die zweite Pforte gelangt, über der zu lesen ist: "Gebet und euch wird gegeben werden." Davor liegt, an eine Kette gebunden, ein grausamer Löwe, der sich mit Gebrüll aufrichtet, aber von dem dadurch erwachten zweiten Hüter zurückgehalten wird. Christian Rosenkreutz übergibt ihm sein Brieflein und wird danach von dem zweiten Hüter mit großer Ehrfurcht behandelt. Für sein Salz als Gegengabe empfängt Christian Rosenkreutz wieder ein Zeichen, das die beiden Buchstaben SM[2] trägt.

Am dritten Tag erreicht Christian Rosenkreutz auf seiner Wanderung einen Berggipfel, wo er wie auch die Gäste durch eine Waage geprüft werden, deren Gewichte vielfach als die 7 Tugenden gedeutet werden. Rudolf Steiner sieht in ihnen die Sieben Freien Künste. Diejenigen, die für tugendhaft befunden werden, dürfen der Hochzeit beiwohnen. Sie erhalten ein Goldenes Vlies und werden der königlichen Familie vorgestellt. Voller Erwartungen einer Hochzeit beizuwohnen, wird aber die königliche Familie geköpft und ihre Teile in sieben Schiffe verladen und auf einer weit abgelegenen Insel in den Olympischen Turm gebracht, der sieben Stockwerke hat. Innerhalb dieses Turmes erleben die Gäste einen Aufstieg und jeder von ihnen nimmt an alchemistischen Operationen teil, die durch einen Greis und eine Frau geführt werden. Aus den königlichen Überresten gewinnt man dabei eine Art flüssiges Destillat, welches ein weißes Ei gebiert. Aus diesem schlüpft wiederum ein Vogel, der gemästet und geköpft wird. Die Gäste werden aufgefordert aus den Überresten zwei winzige Statuen zu formen. Diese werden solang gefüttert, bis sie die Größe eines erwachsenen Menschen erreicht haben und es stellt sich heraus, dass diese der auferstandene König und die Königin sind. Nachdem das Werk vollbracht ist, werden die Gäste durch das Königspaar in den Orden vom Goldenen Stein eingeführt und kehren zum Schloss zurück. Christian Rosenkreutz spielt dabei noch eine weitere besondere Rolle. Da er im Schloss in das Mausoleum eingedrungen war, wurde er von der dort lebenden Venus als Schlosswächter verurteilt. Die Geschichte endet schließlich wieder in der Eremitage des Christian Rosenkreutz, womit nochmals verdeutlicht wird, dass es sich bei den Schilderungen um keine äußeren Erlebnisse, sondern um innere geistige Erfahrungen handelt.

Erläuterungen

  1. Sanctitate Constantia; Sponsus Carus; Spes Caritas; Signum Crucis = Beständigkeit in Heiligkeit; geliebter Bräutigam; Hoffnung, Liebe; Zeichen des Kreuzes.
  2. Studio Merentis; Sponso Mittendus; Sal Mineralis; Sal Menstrualis = Zum Studium des Würdigen; dem Brätigam mitzubringen; Mineralsalz; Salz der Reinigung.

Die Initiation durch Manes

Die Initiation des Christian Rosenkreutz im Jahre 1459 erfolgte durch Manes und war mit einer tieferen Einsicht in das Wesen und die Aufgabe des Bösen in der Welt verbunden:

"Als ein «höherer Grad» wird innerhalb dieser ganzen Strömung die Initiation des Manes angesehen, der 1459 auch Christian Rosenkreutz initiierte: sie besteht in der wahren Erkenntnis von der Funktion des Bösen. Diese Initiation muss mit ihren Hintergründen noch für lange vor der Menge ganz verborgen bleiben. Denn wo von ihr auch nur ein ganz kleiner Lichtstrahl in die Literatur eingeflossen ist, da hat er Unheil angerichtet, wie durch den edlen Guyau, dessen Schüler Friedrich Nietzsche geworden ist." (Lit.: GA 262, S 24)

Der Unterschied zwischen chymischer und mystischer Hochzeit

Christian Rosenkreutz bricht auf zu einem Einweihungsweg, der aber nicht, wie der Weg des Mystikers, nach innen geht und zur Mystischen Hochzeit mit dem eigenen geistigen Wesen führt, sondern er wandelt den Pfad des Alchemisten, der primär nach der Vereinigung mit dem Geistigen der Außenwelt strebt, das sich hinter der Sinneswelt verbirgt, und erst dadurch sekundär die eigenen Geistigkeit erkennen will. Er geht gleichsam einen objektiveren - und damit sichereren - Weg als der Mystiker.

"Die Forschungswege des Mystikers und des Alchimisten liegen nach entgegengesetzten Richtungen. Der Mystiker geht unmittelbar in das eigene Geistwesen des Menschen hinein. Sein Ziel ist, was die Mystische Hochzeit genannt werden kann, die Vereinigung der bewußten Seele mit der eigenen geistigen Wesenheit. Der Alchimist will das Geistgebiet der Natur durchwandeln, um nach der erfolgten Wanderung mit den in diesem Gebiet erworbenen Erkenntniskräften das Geistwesen des Menschen zu schauen. Sein Ziel ist die «Chymische Hochzeit», die Vereinigung mit dem Geistgebiet der Natur. Nach dieser Vereinigung erst will er die Anschauung der Menschenwesenheit erleben." (Lit.: GA 35, S 341)

Die mystische Versenkung in das eigene Innere, die in der mystischen Hochzeit kulminiert, gibt zunächst nur etwas für das subjektive Erleben des Menschen. Sie gibt im besten Sinn etwas für die moralische, für die geistige Entwicklung des einzelnen Menschen. Der Weg des Alchemisten führt weiter, indem die chymische Hochzeit zugleich ein objektives Ereignis in der geistigen Außenwelt ist. Sie arbeitet unmittelbar mit an der geistigen Erneuerung der Welt.

"Was ist denn der ganze Sinn der menschlichen Erdenentwickelung? Das ist der ganze Sinn der menschlichen Erdenentwickelung, daß sich der Mensch an die Erde anpaßt, daß er die Bedingungen der Erdenentwickelung in sich aufnimmt; daß er hineinträgt in die Zukunft seiner Entwickelung dasjenige, was die Erde ihm geben kann - ich meine jetzt nicht bloß in einer Inkarnation, sondern durch alle Inkarnationen hindurch -, für die spätere Entwickelung ihm geben kann. Das ist der Sinn der Erdenentwickelung. Dieser Sinn der Erdenentwickelung, er kann nur verwirklicht werden dadurch, daß der Mensch gewissermaßen auf der Erde nach und nach vergessen lernte seinen Zusammenhang mit den kosmischen, mit den himmlischen Mächten. Der Mensch lernte vergessen seinen Zusammenhang mit den himmlischen Mächten. Wir wissen ja, daß in alten Zeiten die Menschen ein atavistisches Hellsehen hatten, aber gerade innerhalb dieses atavistischen Hellsehens wirkten ja die himmlischen Mächte in die Menschen hinein. Da hatte der Mensch noch seinen Zusammenhang mit den himmlischen Mächten; da ragte gewissermaßen das Himmelreich in das menschliche Gemüt hinein. Das mußte anders werden, damit der Mensch seine Freiheit entwickeln kann. Der Mensch mußte in seiner Anschauung, in seiner unmittelbaren Wahrnehmung nichts mehr haben von dem himmlischen Reich, damit er der Erde verwandt werde. Aus diesem Grunde aber ist auch die Möglichkeit allein gegeben gewesen, daß der Mensch in der extremsten Zeit der Erdenverwandtschaft eben materialistisch wurde, im fünften Zeitraum, in dem wir selber drinnenstehen. Der Materialismus ist nur der radikalste, extremste Ausdruck der Verwandtschaft des Menschen mit der Erde. Das aber würde bedingen, daß der Mensch wirklich der Erde verfiele, wenn nichts anderes eintreten würde. Der Mensch mußte der Erde verwandt werden, nach und nach ganz das Schicksal der Erde teilen. Er mußte die Wege nehmen, die die Erde selber nimmt, er mußte sich ganz einfügen der Erdenentwickelung, wenn nichts anderes eintreten würde. Er mußte gleichsam mit der Erde sich losreißen vom ganzen Kosmos und sein Schicksal ganz mit dem Schicksal der Erde verbinden.

Das war aber nicht so gemeint für die Menschheit, sondern es war für die Menschheit anders gemeint. Der Mensch sollte auf der einen Seite sich richtig mit der Erde verbinden, aber es sollte Botschaft aus der himmlischen, geistigen Welt herunterkommen, die ihn, trotzdem er durch seine Natur erdenverwandt wird, wiederum hinwegträgt über diese Erdenverwandtschaft. Und dieses Herunterbringen der Himmelsbotschaft, das geschah durch das Mysterium von Golgatha. Daher mußte auf der einen Seite das Wesen, das durch das Mysterium von Golgatha ging, Menschenwesenheit annehmen, aber auf der anderen Seite in sich Himmelswesenheit tragen. Das heißt aber: Wir dürfen uns den Christus Jesus nicht bloß so vorstellen, daß er innerhalb der Menschheitsentwickelung nicht als auch einer sich entwickelt, und sei er auch der Höchste, sondern daß er sich als einer entwickelt, der aufnimmt himmlische Wesenheit, der nicht bloß eine Lehre verbreitet, sondern der in die Erde hereinträgt dasjenige, was aus dem Himmel kommt. Daher ist es wichtig, zu verstehen, was eigentlich die Johannes-Taufe im Jordan ist: daß das nicht bloß eine moralische Handlung ist - ich sage nicht «nicht» eine moralische Handlung ist, sondern «nicht bloß» eine moralische Handlung ist -, sondern eine reale Handlung ist; daß da etwas geschieht, das so wirklich ist, wie die Naturereignisse wirklich sind, das so wirklich ist, wie wenn ich mit irgendeinem Wärmequell etwas erwärme und die Wärme übergeht in das Erwärmte, daß die Christus-Wesenheit übergeht in den Menschen Jesus von Nazareth bei der Johannes-Taufe. Das ist gewiß im höchsten Grade ein Moralisches, aber auch im Naturlaufe ein Wirkliches, wie die Naturerscheinungen wirklich sind. Und darauf kommt es an, daß das verstanden wird, daß man es nicht nur mit irgend etwas zu tun hat, was aus rationalistischen menschlichen Begriffen heraus stammt, die immer nur übereinstimmen mit dem mechanischen, dem physischen oder chemischen Naturlaufe, sondern daß es etwas ist, was als Idee zu gleicher Zeit so in der realen Wirklichkeit drinnensteht, wie die Naturgesetze in der realen Wirklichkeit oder eigentlich die Naturkräfte in der realen Wirklichkeit drinnenstehen.

Von da aus, wenn man das erfaßt, werden dann auch andere Begriffe viel realer werden, als sie in der Gegenwart sind. Sehen Sie, der alte Alchimist - wir wollen uns jetzt nicht über Alchimie unterhalten, aber wir wollen auf das, was der Alchimist im Auge hatte, blicken; ob das berechtigt oder unberechtigt ist, darüber wollen wir uns nicht unterhalten, das kann vielleicht Gegenstand einer anderen Betrachtung sein -, er hatte im Auge, daß durch seine Vorstellungen nicht bloß etwas vorgestellt wird, sondern etwas geschieht. Sagen wir: Er räucherte. Und hatte er dann die Vorstellung oder sprach sie aus, so versuchte er, in diese Vorstellung eine solche Kraft hineinzubringen, daß die Räuchersubstanz wirklich Formen annahm. Er suchte solche Begriffe, die die Macht haben, in die äußere Naturrealität einzugreifen, nicht bloß innerhalb des Egoistischen des Menschen zu bleiben, sondern in die Naturrealität einzugreifen. Warum? Weil er auch noch von dem Mysterium von Golgatha die Vorstellung hatte, daß da etwas geschah, was in den Naturlauf der Erde eingreift, das ebenso eine Tatsache ist, wie ein Naturvorgang eine Naturtatsache ist.

Sehen Sie, auf diesem beruht ein bedeutungsvoller Unterschied, der in der zweiten Hälfte des Mittelalters und gegen die neuere Zeit, gegen unsere fünfte, auf die griechisch-lateinische folgende Weltenperiode eintrat. In der Kreuzzugszeit, der Zeit des 12., 13., 14., 15., ja 16. Jahrhunderts gab es insbesondere Frauennaturen, welche ihr Gemüt in eine solche Mystik brachten, daß sie dieses innere Erlebnis, das ihnen die Mystik brachte, wie eine Hochzeit empfanden mit dem Geistigen, sei es mit dem Christus, oder sonst etwas. Mystische Hochzeiten feierten zahlreiche asketische Nonnen und so weiter. Ich will mich heute nicht über das Wesen dieser innerlichen mystischen Vereinigungen ergehen; aber es war eben ein innerhalb des Gemüts Verlaufendes, das dann nur mit Worten ausgesprochen werden konnte, das gewissermaßen innerhalb der Vorstellungen, der Empfindungen und noch des Wortes, in das die Empfindungen gekleidet werden können, verlief. Dem setzte dann aus gewissen Vorstellungen und geisteswissenschaftlichen Zusammenhängen heraus Valentin Andreae seine «Chymische Hochzeit des Christian Rosenkreutz» entgegen. Diese chymische Hochzeit, wir würden heute sagen chemische Hochzeit, sie ist auch ein menschliches Erlebnis. Aber wenn Sie sie durchlesen, diese Chymische Hochzeit des Christian Rosenkreutz, so werden Sie sehen, daß es sich da nicht bloß um ein Gemütserlebnis handelt, sondern um etwas, was den ganzen Menschen ergreift, nicht bloß sich in Worten ausspricht; was nicht bloß hereingestellt ist wie ein Gemütserlebnis in die Welt, sondern wie ein realer Vorgang, ein Naturvorgang, wo der Mensch mit sich etwas macht, das wie ein Naturvorgang wird. Also etwas, was mehr von Wirklichkeit durchtränkt ist, meint Valentin Andreae mit seiner «Chymischen Hochzeit des Christian Rosenkreutz», als eine bloß mystische Hochzeit etwa der Mechthild von Magdeburg, die eine Mystikerin war. Durch die mystische Hochzeit der Nonnen wurde nur etwas getan für die Subjektivität des Menschen; durch die chymische Hochzeit gab sich der Mensch der Welt hin, durch ihn sollte etwas für die ganze Welt geleistet werden, so wie durch die Naturvorgänge etwas für die ganze Welt geleistet wird. Dies ist nun wiederum im eminent christlichen Sinne gedacht. Begriffe wollten die Menschen, die realer dachten - sei es nun selbst in dem einseitigen Sinne der alten Alchimisten -, Begriffe wollten sie, durch die sie die Wirklichkeit in richtiger Art meistern könnten, durch die sie in die Wirklichkeit richtiger eingreifen könnten, solche Begriffe, die nun wirklich etwas mit der Wirklichkeit zu tun haben. Die materialistische Zeit hat zunächst über solche Begriffe einen Schleier geworfen. Und die Menschen, während sie heute meinen, gerade recht über die Wirklichkeit zu denken, leben viel mehr in Illusionen als die von ihnen verachteten Menschen zum Beispiel der Alchimistenzeit, welche Begriffe anstrebten, durch die die Wirklichkeit gemeistert werden kann." (Lit.: GA 175, S 80ff)

Literatur

  1. Johann Valentin Andreä: Die Chymische Hochzeit des Christian Rosencreutz, gedeutet und kommentiert von Bastiaan Baan, Verlag Urachhaus, Stuttgart 2001
  2. Rudolf Steiner: Philosophie und Anthroposophie, GA 35 (1984)
  3. Rudolf Steiner: Bausteine zu einer Erkenntnis des Mysteriums von Golgatha, GA 175 (1996)
  4. Rudolf Steiner: Mysteriengestaltungen, GA 232 (1998)
  5. Rudolf Steiner / Marie Steiner-von Sivers: Briefwechsel und Dokumente 1901–1925, 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, GA 262 (2002)
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

  1. Johann Valentin Andreae: Chymische Hochzeit des Christiani Rosencreutz Anno 1459
  2. Rudolf Steiner: Die Chymische Hochzeit des Christian Rosenkreutz