Erkenntnistheorie und Phänomenalismus: Unterschied zwischen den Seiten

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Die '''Erkenntnistheorie''' oder '''Epistemologie''' (von {{ELSalt|ἐπιστήμη}}, ''epistéme'' – Erkenntnis, Wissen, Wissenschaft und {{polytonisch|λόγος}}, ''lógos'' – Wort, auch Wissenschaft, Lehre; auch ''Gnoseologie'') ist eine fundamentale Disziplin der [[Philosophie]], die den [[Erkenntnis|Erkenntnis]]vorgang als solchen und die prinzipielle Gültigkeit seiner Ergebnisse zu erfassen und systematisch zu beschreiben sucht.
Der '''Phänomenalismus''' ({{ELSalt|φαινόμενο(ν)}} ''phainomenon'' „Sichtbares, Erscheinung“), der von [[Rudolf Steiner]] zu den zwölf grundlegenden [[Weltanschauung]]en gezählt wird und nicht zu verwechseln ist mit der [[Phänomenologie]], ist eine vor allem im [[19. Jahrhundert]] häufig verwendete Bezeichnung für jene [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretischen]] [[Philosophie|philosophischen]] Systeme, das davon ausgehen, dass niemals die [[Wirklichkeit]] selbst, das [[Ding an sich]] in der Diktion [[Immanuel Kant]]s, sondern nur dessen [[Erscheinung]] Gegenstand der durch [[Erfahrung]] gewonnenen [[Erkenntnis]] werden könne. Im [[Tierkreis]] entspricht dem Phänomenalismus nach Steiner das Zeichen der [[Jungfrau (Sternbild)|Jungfrau]].


== Die erkenntnistheoretische Grundlage der Anthroposophie ==
{{GZ|Man kann sagen: Gewiß, ich halte mich an die Welt, die mich ringsherum umgibt. Aber ich behaupte nicht, daß ich ein Recht habe zu sagen, diese Welt sei die wirkliche. Ich weiß nur von ihr zu sagen, daß sie mir erscheint. Und zu mehr habe ich überhaupt nicht Recht, als zu sagen: Diese Welt erscheint mir. Ich habe kein Recht, von ihr mehr zu sagen. - Das ist also ein Unterschied. Man kann von dieser Welt, die sich um uns herum ausbreitet, sagen, sie ist die reale Welt. Aber man kann auch sagen:
[[Datei:GA4.jpg|thumb]]
Von einer anderen Welt kann ich nicht reden; aber ich bin mir klar, daß es die Welt ist, die mir erscheint. Ich rede nicht davon, daß diese Welt von Farben und Tönen, die doch nur dadurch entsteht, daß sich in meinem Auge gewisse Prozesse abspielen, die sich mir als Farben zeigen, daß sich in meinem Ohr Prozesse abspielen, die sich mir als Töne zeigen und so weiter, daß diese Welt die wahre ist. Sie ist die Welt der Phänomene. - Phänomenalismus ist die Weltanschauung, um die es sich hier handeln würde.|151|42}}
[[Datei:GA322.jpg|thumb]]
Die erkenntnistheoretische Basis für seine später entwickelte [[Anthroposophie]] legte [[Rudolf Steiner]] schon in den «[[GA 1|Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften (1884 - 1897)]]». Eine weitere Vertiefung und [[Wikipedia:Präzision|Präzisierung]] folgte in den «[[GA 2|Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung mit besonderer Rücksicht auf Schiller]]», in «[[GA 3|Wahrheit und Wissenschaft]]» und insbesondere in seinem [[Philosophie|philosophischen]] Hauptwerk «[[GA 4|Die Philosophie der Freiheit]]». In der Vorrede zur Neuausgabe von 1918 heißt es:


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Je nachdem, ob hinter den [[Phänomen]]en auch eine [[objekt]]ive [[Realität]] - eben das [[Ding an sich]] - vermutet wird, oder die [[Wirklichkeit]] sich überhaupt nur in diesen [[Bewusstsein]]sphänomenen erschöpft, kann noch zwischen einem ''[[objekt]]iven'' und einem  ''[[subjekt]]iven'' Phänomenalismus unterschieden werden. Prominentester Vertreter der ersten Denkrichtung war [[Immanuel Kant]]; [[Ernst Mach]] war ein konsequenter Anhänger des ''subjektiven Phänomenalismus''. Einen ''reinen Phänomenalismus'' vertrat [[Goethe]], der große Antipode Kants:
"Wenn jemand verwundert darüber sein sollte, daß man in diesem Buche noch keinen Hinweis findet auf das Gebiet der geistigen Erfahrungswelt, das in späteren Schriften von mir zur Darstellung gekommen ist, so möge er bedenken, daß ich damals eben nicht eine Schilderung geistiger Forschungsergebnisse geben, sondern erst die Grundlage erbauen wollte, auf der solche Ergebnisse ruhen können. Diese «Philosophie der Freiheit» enthält keine solchen speziellen Ergebnisse, ebensowenig als sie spezielle naturwissenschaftliche Ergebnisse enthält; aber was sie enthält, wird derjenige nach meiner Meinung nicht entbehren können, der Sicherheit für solche Erkenntnisse anstrebt. Was in dem Buche gesagt ist, kann auch für manchen Menschen annehmbar sein, der aus irgend welchen ihm geltenden Gründen mit meinen geisteswissenschaftlichen Forschungsergebnissen nichts zu tun haben will. Demjenigen aber, der diese geisteswissenschaftlichen Ergebnisse als etwas betrachten kann, zu dem es ihn hinzieht, dem wird auch wichtig sein können, was hier versucht wurde. Es ist dies: nachzuweisen, wie eine unbefangene Betrachtung, die sich bloß über die beiden gekennzeichneten für alles Erkennen grundlegenden Fragen erstreckt, zu der Anschauung führt, daß der Mensch in einer wahrhaftigen Geistwelt drinnen lebt. In diesem Buche ist erstrebt, eine Erkenntnis des Geistgebietes vor dem Eintritte in die geistige Erfahrung zu rechtfertigen. Und diese Rechtfertigung ist so unternommen, daß man wohl nirgends bei diesen Ausführungen schon auf die später von mir geltend gemachten Erfahrungen hinzuschielen braucht, um, was hier gesagt ist, annehmbar zu finden, wenn man auf die Art dieser Ausführungen selbst eingehen kann oder mag." {{Lit|{{G|004|7f}}}}
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{{GZ|Man kann allerdings sagen: Gerade derjenigen Naturerkenntnis, die heute immerdar besonders damit prunkt, daß sie das Naturphänomen rein auffaßt, gelingt es kaum, das Naturphänomen rein aufzufassen, das heißt, es nicht mehr, gar nicht mehr zu durchdringen mit dem Gedankengewebe desjenigen, was nur im Begriffe, innerlich subjektiv, gemacht ist. — Es werden ja noch immer über den äußeren Phänomenverlauf allerlei Hypothesen aufgestellt, nicht nur berechtigte, sondern unberechtigte. Aber ein Mensch hat doch in der neueren Zeit scharf betont, und zwar verhältnismäßig früh, daß diese neuere Zeit in bezug auf das Betrachten der äußeren natürlichen Vorgänge nach dem reinen Phänomen, nach der reinen Phänomenologie hinstreben muß. Und das war Kants Antipode Goethe. Er hat verlangt, daß die Phänomene, die Erscheinungen rein sich selbst aussprechen. Er hat scharf betont, daß dasjenige, was sich in der Verstandesentwickelung abspielt, durchaus ferne bleiben muß demjenigen, was man als Beschreibung der Phänomene und des phänomenalen Verlaufs selber hinstellt. Und in allerschärfster, in bewunderungswürdiger Weise fordert Goethe wiederholt diesen reinen Phänomenalismus.|76|40}}
"Ich schrieb, um zu protestieren gegen das Aufsuchen einer
wesenlosen Metaphysik, die nur dadurch entsteht, daß wir im charakterisierten
Sinne aus innerer Trägheit über den Sinnenschleier hinaus
das Denken fortrollen lassen, als Motto über meine «Philosophie der
Freiheit»: «Seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher
Methode.» Ich wies darauf hin, daß alles dasjenige, was Inhalt
einer Philosophie ist, nicht ersonnen ist, sondern daß es im strengsten
Sinne so Beobachtungsresultat nach innen hin ist, wie Farbe und Ton
Beobachtungsergebnisse nach außen hin sind. Und indem man in diesem,
allerdings die menschliche Wesenheit wie erkältenden Elemente
des reinen Denkens lebt, macht man eine Entdeckung. Man macht die
Entdeckung, daß die Menschen zwar instinktiv von Freiheit reden
können, daß im Menschenwesen Impulse sind, die durchaus nach Freiheit
hintendieren, die aber so lange unbewußt, instinktiv bleiben, bis
man die Freiheit wieder entdeckt, indem man weiß, aus dem sinnlichkeitsfreien
Denken heraus können Impulse erfließen für unser sittliches
Handeln, die, weil wir ein Denken ergriffen haben, das selbst
keine Sinnlichkeit mehr enthält, dann selber nicht aus der Sinnlichkeit
heraus determiniert sind, sondern aus der reinen Geistigkeit heraus
determiniert sind. Und man erlebt die reine Geistigkeit, indem man
beobachtet, rein beobachtet, wie einfließt die Kraft des Sittlichen in
das sinnlichkeitsfreie Denken. Und das beste Resultat, das man aus so
etwas erzielt, das ist das, daß man erstens jedem mystischen Aberglauben
Valet sagen kann, denn der hat etwas zum Ergebnis, was in
irgendeiner Weise verhüllt ist und nur auf irgendeine dunkle Empfindung
hin angenommen wird. Man kann ihm Valet sagen aus dem
Grunde, weil man jetzt etwas in seinem Bewußtsein erlebt, was innerlich
durchsichtig ist, was nicht mehr von außen impulsiert wird, sondern
was von innen her sich mit Geistigkeit erfüllt. Man hat ergriffen
in einem Punkt das Weltendasein, indem man sich selbst nur zum
Schauplatz des Erkennens gemacht hat, man hat ergriffen, wie das
Weltendasein verläuft in seiner wahren Gestalt und sich - wenn wir
uns fügen diesem inneren Beobachten - uns dann ergibt. Ich möchte
sagen: In einem Punkt nur ergreifen wir dasjenige, was das Wesen des
Weltendaseins eigentlich ist, und wir ergreifen es als eine Realität, nicht
als ein abstraktes Denken, indem herein imputieren in die Gewebe des
sinnlichkeitsfreien Denkens die moralischen Antriebe, die dadurch als
freie erscheinen, daß sie jetzt leben nicht mehr als Instinkte, sondern
in dem Gewände des sinnlichkeitsfreien Denkens. Wir erleben die
Freiheit, allerdings eine Freiheit, von der wir dann zugleich wissen,
daß der Mensch sich ihr nur nähern kann so, wie sich die Hyperbel ihrer
Asymptote nähert, aber wir wissen, daß diese Freiheit lebt im Menschen,
insofern das Geistige lebt. Wir ergreifen zuerst aus dem Elemente
der Freiheit heraus das Geistige." {{Lit|{{G|322|52f}}}}
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Weitere Angaben zur spezifisch anthoposophischen Forschungsmethode finden sich u.a. in «[[GA 10|Wie erlangt man Erkenntnisse der h&ouml;heren Welten?]]» und in «[[GA 13|Die Geheimwissenschaft im Umri&szlig;]]».
{{GZ|Was ist dieser Phänomenalismus? Er besteht darin, daß man die Phänomene - gleichgültig ob durch Beobachtung oder durch Experiment - rein auffaßt, so wie sie sich sinnenfällig ergeben, und daß man das Denken nur dazu verwendet, um die Phänomene in einem gewissen Zusammenhang zu schauen, die Phänomene so aufzureihen, daß sich die Phänomene selber erklären. Damit wird aber zunächst ausgeschaltet aus der reinen Naturwissenschaft alles, was Hypothesen nicht bloß als Hilfskonstruktionen auffaßt, sondern sie so auffaßt, als ob sie etwas geben könnten über das Wirkliche. Wenn man bei dem reinen Phänomenalismus stehen bleibt, so ist man zwar berechtigt, aus der Beobachtung und aus dem Experiment heraus eine atomistische Struktur - sei es in der materiellen, sei es in der Kräftewelt - anzunehmen, aber diese Tendenz zur atomistischen Struktur darf man nur insoweit gelten lassen, als man sie phänomenologisch verfolgen kann, als man sie anhand der Phänomene beschreiben kann.  


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Gegen dieses Prinzip sündigt jene wissenschaftliche Weltanschauung, welche eine Atomistik konstruiert, die hinter den sinnlich verfolgbaren Phänomenen Tatsächliches konstatiert, das nicht in die Welt der Phänomene selbst hereinfallen kann. In dem Augenblicke, wo man zum Beispiel die Welt der Farben, die vor uns ausgebreitet ist, nicht einfach so verfolgt, daß man die eine Farbenerscheinung an die andere reiht, um dadurch zum gesetzmäßigen Zusammenhang des Farbigen zu kommen, sondern wenn man von dem Phänomen auf etwas Dahinterliegendes geht, das eben nicht bloß etwa eine Hilfskonstruktion sein, sondern ein Reales statuieren soll, wenn man dazu übergeht, Schwingungen oder dergleichen im Äther anzunehmen, dann dehnt man das Denken aus - über das Phänomen hinaus. Man durchstößt gewissermaßen aus einer gewissen Trägheit des Denkens heraus den Sinnes- teppich, und man statuiert hinter dem Sinnesteppich eine Welt von wirbelnden Atomen oder dergleichen, wozu gar keine Veranlassung bei einem sich selbst verstehenden Denken vorliegt, das nur Diener sein will für die Aufreihung der Phänomene, für den immanenten gesetzmäßigen Zusammenhang innerhalb der Phänomene, das aber gegenüber der äußeren Sinneswelt nichts aussagen kann über das, was hinter dieser Sinneswelt liegen soll.  
"Zu Erkenntnissen in höheren Welten gelangt der Mensch, wenn er sich, außer dem Schlafen und Wachen, noch einen dritten Seelenzustand erwirbt. Während des Wachens ist die Seele hingegeben den Sinneseindrücken und den Vorstellungen, welche von diesen Sinneseindrücken angeregt werden. Während des Schlafes schweigen die Sinneseindrücke; aber die Seele verliert auch das Bewußtsein. Die Tageserlebnisse sinken in das Meer der Bewußtlosigkeit hinunter. — Man denke sich nun: die Seele könnte während des Schlafes zu einer Bewußtheit kommen, trotzdem die Eindrücke der Sinne, wie sonst im tiefen Schlafe, ausgeschaltet blieben. Ja, es würde ''auch die Erinnerung'' an die Tageserlebnisse nicht vorhanden sein. Befände sich nun die Seele in einem Nichts? Könnte sie nun gar keine Erlebnisse haben? — Eine Antwort auf diese Frage ist nur möglich, wenn ein Zustand wirklich hergestellt werden kann, welcher diesem gleich oder ähnlich ist. Wenn die Seele etwas erleben kann, auch dann, wenn keine Sinneswirkungen und keine Erinnerungen an solche in ihr vorhanden sind. Dann befände sich die Seele in bezug auf die gewöhnliche Außenwelt wie im Schlafe; und doch schliefe sie nicht, sondern wäre wie im Wachen einer wirklichen Welt gegenüber. — Nun kann ein solcher Bewußtseinszustand hergestellt werden, wenn der Mensch diejenigen Seelenerlebnisse herbeiführt, welche ihm die Geisteswissenschaft möglich macht. Und alles, was diese über jene Welten mitteilt, welche über die sinnliche hinausliegen, ist durch einen solchen Bewußtseinszustand erforscht." {{Lit|{{G|013|299f}}}}
 
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So aber zieht gerade die Anthroposophie die letzte Konsequenz, zu der in der modernen Naturwissenschaft eigentlich alles hintendiert. Wir sind sogar in dieser modernen Naturwissenschaft in der letzten Zeit in hohem Maße zu einer zwar theoretisch noch wenig zugegebenen, aber praktisch angewandten Ausbildung dieses Phänomenalismus gekommen, indem man sich einfach um die hypothetischen Atomwelten und dergleichen nicht kümmert und innerhalb der Phänomene stehenbleibt. Aber das hat ja eine ganz bestimmte Folge, wenn man innerhalb der Phänomene stehen bleibt. Das hat die Folge, daß man dann wirklich zum Agnostizismus kommt. Wenn man durch das Denken bloß die Phänomene aneinanderreiht, Ordnung hineinbringt in die Phänomene, so kommt man niemals mit diesem Ordnen, mit diesem Verfolgen von Gesetzmäßigkeiten an den Menschen selbst heran. Und das ist das Eigentümliche, daß man sich einfach offen gestehen muß: Wenn man die letzte, vollberechtigte Konsequenz der modernen Naturwissenschaft zieht, wenn man bis zum reinen Phänomenalismus geht, wenn man nicht unberechtigte Denkhypothesen hinter den Teppich der Sinnenwelt setzt - man kann gar nicht anders als zum Agnostizismus kommen.|75|262f}}
 
{{GZ|Dieser Agnostizismus ist nun allerdings, wenn er philosophisch auftritt, eine Art Gegensatz zur Anthroposophie, und ich könnte ja, wenn es mich danach gelüsten würde, von diesem Zeitpunkte an anfangen, mich polemisch kritisierend, schimpfend meinetwegen, je nach Temperament, gegen den zeitgenössischen Agnostizismus zu wenden [...]  Aber das möchte ich heute nicht. Ich möchte in diesem Agnostizismus doch auch aufzeigen etwas, was notwendigerweise einmal heraufkommen mußte in der geistigen Menschheitsentwickelung.|82|204}}
 
{{GZ|Denn was folgt daraus, daß wir zu den Phänomenen kommen und damit, wenn wir nichts anderes kennen als die äußeren Phänomene, in den Agnostizismus hineingerissen werden? Es folgt daraus, daß, wenn wir Menschen bleiben wollen, wir nach der geistigen Welt auf eine andere Weise als durch Interpretation der äußeren Sinneswelt hinmüssen. Und für denjenigen Teil der äußeren Welt, der der Sinneswelt zugrunde liegt, muß man sagen: Wir finden ihn nicht innerhalb der Sinneswelt.|82|210}}
 
{{GZ|In dem Augenblick, wo man sich klar ist darüber, daß die äußere Welt phänomenalistisch zu erfassen ist, in dem Augenblick hat man sie nicht etwa entgeistigt, aber man hat die Notwendigkeit gezeigt, diesen Geist, dieses Übersinnliche auf anderen Wegen zu suchen, durch andere Erkenntnismittel und andere Erkenntnismethoden. Und das sind eben diejenigen, die ich geschildert habe. Die müssen hinzukommen zu den phänomenalistischen Erkenntnismethoden. Sie sehen, Anthroposophie ist gerade bemüht, den Phänomenalismus voll zu begründen, voll gelten zu lassen, weil sie sich klar ist darüber, daß dasjenige, was zu geistigen Welten führt, eben mit diesen anderen Erkenntnismethoden erreicht werden muß. Also auch das, was der äußeren Sinneswelt als Geistiges zugrunde liegt.|82|211}}
 
{{GZ|Und so haben wir denn die Notwendigkeit, uns zu fragen: Wie begründen wir Moralwissenschaft und damit die Grundlage aller Geisteswissenschaft, auch aller Sozialwissenschaft, wie begründen wir Moralwissenschaft in der Zeit, in der wir berechtigterweise für die äußere Natur den Phänomenalismus anerkennen müssen? Das war die große Frage für mich in der Zeit, als ich meine «[[Philosophie der Freiheit]]» schrieb. Ich stand auf dem Boden - völlig auf dem Boden! - der modernen Naturwissenschaft, ja, auf dem Boden eines Phänomenalismus gegenüber dem, was durch den Erkenntnisprozeß von der Sinnenaußenwelt zu ergründen ist. Dann aber muß man sich, wenn man die Konsequenz mit aller Ehrlichkeit bis zuletzt verfolgt, sagen: Wenn Moral objektiv begründet werden soll, dann muß sich neben diese Erkenntnis, die zum Phänomenalismus und damit zum Agnostizismus führt, eine andere hinstellen können - eine Erkenntnis, die nun nicht das Denken verwendet, um hypothetische Welten auszusinnen hinter den Phänomenen der Sinne, sondern es muß eine Erkenntnis begründet werden, die das Geistige unmittelbar in der Anschauung erfassen kann, nachdem es - außer dem Mathematischen - nicht mehr im alten Stile hinausgetragen wird in die Welt. Gerade der Agnostizismus ist es, der uns auf der einen Seite nötigt, ihn voll anzuerkennen auf seinem Gebiete, zugleich aber auf der anderen Seite auch nötigt, unseren Geist zur Aktivität aufzuraffen, um eine geistige Welt zu erfassen, aus welcher wir zunächst, wenn wir nicht bloß im Subjektiven bleiben wollen, durch objektive geistige Beobachtung die Moralprinzipien finden können.|75|271f}}


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Kategorie:Erkenntnistheorie}}
* {{WikipediaDE|Phänomenalismus}}
* {{WikipediaDE|Erkenntnistheorie}}
* {{Eisler|Phänomenalismus}}
*[[Erkenntniswissenschaft]]
* {{Kirchner|Phänomenalismus}}
*[[Wissenschaftstheorie]]


== Literatur ==
== Literatur ==
* Reijo Wilenius u.a.: ''Erkenntnistheorie als Erkenntnispraxis'', Beiheft 6/Juni 1993, Zeitschrift "Die Drei", Verlag Freies Geistesleben
* [[Herbert Witzenmann]]: Die Philosophie der Freiheit als Grundlage künstlerischen Schaffens, Spicker-Verlag 1988, 2. erw. Auflage, ISBN 38-57041-52-8
* [[Karl-Martin Dietz]]: Rudolf Steiners Philosophie der Freiheit: Eine Menschenkunde des höheren Selbst, Verlag Freies Geistesleben 1993, ISBN 37-72511-64-3
* Thomas Kracht: Erfahrung des Denkens: Zum Studium der "Philosophie der Freiheit" Rudolf Steiners. Band 1: Kapitel 1-3, Verlag Freies Geistesleben 1996, ISBN 10: 37-72516-01-7
* Frank Teichmann: Auferstehung im Denken: Der Christusimpuls in der "Philosophie der Freiheit" und in der Bewusstseinsgeschichte, Verlag Freies Geistesleben 1996, ISBN 37-72516-00-9
* [[Peter Selg]]: Rudolf Steiners innere Situation zur Zeit der "Philosophie der Freiheit", Verlag am Goetheanum 2007, ISBN 3-7235-1307-7
* [[Sergej O. Prokofieff]]: Anthroposophie und die "Philosophie der Freiheit", Verlag am Goetheanum 2006), ISBN 3-7235-1248-8
* Heinrich Leiste: Von der Philosophie der Freiheit zur Christosophie, Philosophisch Anthroposophischer Verlag am Goetheanum 1933
* Otto Palmer: Rudolf Steiner über seine 'Philosophie der Freiheit', Verlag Freies Geistesleben 1984, ISBN 3-7725-0665-8
* ''Rudolf Steiners Wissenschaftsbegriff im Gespräch mit der Gegenwart. Beträge zu den >Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschaung<'', mit Beiträgen von Günter Röschert, Lorenzo Ravagli, Reinhard Falter und Roland Halfen. Zeitschrift Die Drei, Beiheft 4/Juni 1991
* ''Erkenntnistheorie als Erkenntnispraxis'', mit Beiträgen von Reijo Wilenius, Thomas Kracht, Oskar B. Hansen, Walter Kugler, Klaus Hartmann, Jens Heisterkamp, Manfred Krüger. Zeitschrift Die Drei, Beiheft 6/Juni 1993
* [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/download/philosophie_grundriss6_erkenntnistheorie.pdf Erkenntnistheorie] PDF
* [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/download/philosophie_thomas_aufbau_der_erkenntnis.pdf Thomas von Aquin über den Aufbau der Erkenntnis] PDF
*Ginges, Hal Jon: ''The act of knowing. Rudolf Steiner and the Neo-Kantian Tradition'', Diss., University of Western Sydney, 2012 ; ''(Kritische Betrachtung mit Ausblick auf Eckart Förster und Richard Tarnas)''


;Schriften und Vorträge von Rudolf Steiner
* [[Rudolf Steiner]]: ''Das Verhältnis der Anthroposophie zur Naturwissenschaft. Grundlagen und Methoden'', [[GA 75]] (2010), ISBN 978-3-7274-0750-5 {{Vorträge|075}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften'', [[GA 1]] (1987), ISBN 3-7274-0011-0; '''Tb 649''', ISBN 978-3-7274-6490-4 {{Schriften|001}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die befruchtende Wirkung der Anthroposophie auf die Fachwissenschaften'', [[GA 76]] (1977), ISBN 3-7274-0760-3 {{Vorträge|076}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung''. 8. Auflage. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 2002, ISBN 3-7274-0020-X; '''Tb 629''', ISBN 978-3-7274-6290-0 {{Schriften|002}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Damit der Mensch ganz Mensch werde'', [[GA 82]] (1994), ISBN 3-7274-0820-0 {{Vorträge|082}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Wahrheit und Wissenschaft''. 5. Auflage. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1980, ISBN 3-7274-0030-7; '''Tb 628''', ISBN 978-3-7274-6280-1 {{Schriften|003}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Der menschliche und der kosmische Gedanke'', [[GA 151]] (1990) {{Vorträge|151}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Philosophie der Freiheit'', [[GA 4]] (1995), ISBN 3-7274-0040-4; '''Tb 627''', ISBN 978-3-7274-6271-9 {{Schriften|004}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?'', [[GA 10]] (1993), ISBN 3-7274-0100-1; '''Tb 600''', ISBN 978-3-7274-6001-2 {{Schriften|010}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Geheimwissenschaft im Umriß'', [[GA 13]] (1989), ISBN 3-7274-0130-3; '''Tb 601''', ISBN 978-3-7274-6011-1 {{Schriften|013}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Grenzen der Naturerkenntnis'', [[GA 322]] (1981), ISBN 3-7274-3220-9 {{Vorträge|322}}


{{GA}}
{{GA}}


[[Kategorie:Erkenntnistheorie|!]] [[Kategorie:Phänomenologie]] [[Kategorie:Erkenntnistheorie nach Richtung|!]] [[Kategorie:Erkenntnistheoretische Richtung|!]]
[[Kategorie:Die zwölf Weltanschauungen|104]]
[[Kategorie:Weltanschaulicher -ismus]]
[[Kategorie:Erkenntnistheorie]]
[[Kategorie:Weltanschauung]]
[[en:Phenomenalism]]

Version vom 13. Juni 2022, 17:06 Uhr

Der Phänomenalismus (griech. φαινόμενο(ν) phainomenon „Sichtbares, Erscheinung“), der von Rudolf Steiner zu den zwölf grundlegenden Weltanschauungen gezählt wird und nicht zu verwechseln ist mit der Phänomenologie, ist eine vor allem im 19. Jahrhundert häufig verwendete Bezeichnung für jene erkenntnistheoretischen philosophischen Systeme, das davon ausgehen, dass niemals die Wirklichkeit selbst, das Ding an sich in der Diktion Immanuel Kants, sondern nur dessen Erscheinung Gegenstand der durch Erfahrung gewonnenen Erkenntnis werden könne. Im Tierkreis entspricht dem Phänomenalismus nach Steiner das Zeichen der Jungfrau.

„Man kann sagen: Gewiß, ich halte mich an die Welt, die mich ringsherum umgibt. Aber ich behaupte nicht, daß ich ein Recht habe zu sagen, diese Welt sei die wirkliche. Ich weiß nur von ihr zu sagen, daß sie mir erscheint. Und zu mehr habe ich überhaupt nicht Recht, als zu sagen: Diese Welt erscheint mir. Ich habe kein Recht, von ihr mehr zu sagen. - Das ist also ein Unterschied. Man kann von dieser Welt, die sich um uns herum ausbreitet, sagen, sie ist die reale Welt. Aber man kann auch sagen: Von einer anderen Welt kann ich nicht reden; aber ich bin mir klar, daß es die Welt ist, die mir erscheint. Ich rede nicht davon, daß diese Welt von Farben und Tönen, die doch nur dadurch entsteht, daß sich in meinem Auge gewisse Prozesse abspielen, die sich mir als Farben zeigen, daß sich in meinem Ohr Prozesse abspielen, die sich mir als Töne zeigen und so weiter, daß diese Welt die wahre ist. Sie ist die Welt der Phänomene. - Phänomenalismus ist die Weltanschauung, um die es sich hier handeln würde.“ (Lit.:GA 151, S. 42)

Je nachdem, ob hinter den Phänomenen auch eine objektive Realität - eben das Ding an sich - vermutet wird, oder die Wirklichkeit sich überhaupt nur in diesen Bewusstseinsphänomenen erschöpft, kann noch zwischen einem objektiven und einem subjektiven Phänomenalismus unterschieden werden. Prominentester Vertreter der ersten Denkrichtung war Immanuel Kant; Ernst Mach war ein konsequenter Anhänger des subjektiven Phänomenalismus. Einen reinen Phänomenalismus vertrat Goethe, der große Antipode Kants:

„Man kann allerdings sagen: Gerade derjenigen Naturerkenntnis, die heute immerdar besonders damit prunkt, daß sie das Naturphänomen rein auffaßt, gelingt es kaum, das Naturphänomen rein aufzufassen, das heißt, es nicht mehr, gar nicht mehr zu durchdringen mit dem Gedankengewebe desjenigen, was nur im Begriffe, innerlich subjektiv, gemacht ist. — Es werden ja noch immer über den äußeren Phänomenverlauf allerlei Hypothesen aufgestellt, nicht nur berechtigte, sondern unberechtigte. Aber ein Mensch hat doch in der neueren Zeit scharf betont, und zwar verhältnismäßig früh, daß diese neuere Zeit in bezug auf das Betrachten der äußeren natürlichen Vorgänge nach dem reinen Phänomen, nach der reinen Phänomenologie hinstreben muß. Und das war Kants Antipode Goethe. Er hat verlangt, daß die Phänomene, die Erscheinungen rein sich selbst aussprechen. Er hat scharf betont, daß dasjenige, was sich in der Verstandesentwickelung abspielt, durchaus ferne bleiben muß demjenigen, was man als Beschreibung der Phänomene und des phänomenalen Verlaufs selber hinstellt. Und in allerschärfster, in bewunderungswürdiger Weise fordert Goethe wiederholt diesen reinen Phänomenalismus.“ (Lit.:GA 76, S. 40)

„Was ist dieser Phänomenalismus? Er besteht darin, daß man die Phänomene - gleichgültig ob durch Beobachtung oder durch Experiment - rein auffaßt, so wie sie sich sinnenfällig ergeben, und daß man das Denken nur dazu verwendet, um die Phänomene in einem gewissen Zusammenhang zu schauen, die Phänomene so aufzureihen, daß sich die Phänomene selber erklären. Damit wird aber zunächst ausgeschaltet aus der reinen Naturwissenschaft alles, was Hypothesen nicht bloß als Hilfskonstruktionen auffaßt, sondern sie so auffaßt, als ob sie etwas geben könnten über das Wirkliche. Wenn man bei dem reinen Phänomenalismus stehen bleibt, so ist man zwar berechtigt, aus der Beobachtung und aus dem Experiment heraus eine atomistische Struktur - sei es in der materiellen, sei es in der Kräftewelt - anzunehmen, aber diese Tendenz zur atomistischen Struktur darf man nur insoweit gelten lassen, als man sie phänomenologisch verfolgen kann, als man sie anhand der Phänomene beschreiben kann.

Gegen dieses Prinzip sündigt jene wissenschaftliche Weltanschauung, welche eine Atomistik konstruiert, die hinter den sinnlich verfolgbaren Phänomenen Tatsächliches konstatiert, das nicht in die Welt der Phänomene selbst hereinfallen kann. In dem Augenblicke, wo man zum Beispiel die Welt der Farben, die vor uns ausgebreitet ist, nicht einfach so verfolgt, daß man die eine Farbenerscheinung an die andere reiht, um dadurch zum gesetzmäßigen Zusammenhang des Farbigen zu kommen, sondern wenn man von dem Phänomen auf etwas Dahinterliegendes geht, das eben nicht bloß etwa eine Hilfskonstruktion sein, sondern ein Reales statuieren soll, wenn man dazu übergeht, Schwingungen oder dergleichen im Äther anzunehmen, dann dehnt man das Denken aus - über das Phänomen hinaus. Man durchstößt gewissermaßen aus einer gewissen Trägheit des Denkens heraus den Sinnes- teppich, und man statuiert hinter dem Sinnesteppich eine Welt von wirbelnden Atomen oder dergleichen, wozu gar keine Veranlassung bei einem sich selbst verstehenden Denken vorliegt, das nur Diener sein will für die Aufreihung der Phänomene, für den immanenten gesetzmäßigen Zusammenhang innerhalb der Phänomene, das aber gegenüber der äußeren Sinneswelt nichts aussagen kann über das, was hinter dieser Sinneswelt liegen soll.

So aber zieht gerade die Anthroposophie die letzte Konsequenz, zu der in der modernen Naturwissenschaft eigentlich alles hintendiert. Wir sind sogar in dieser modernen Naturwissenschaft in der letzten Zeit in hohem Maße zu einer zwar theoretisch noch wenig zugegebenen, aber praktisch angewandten Ausbildung dieses Phänomenalismus gekommen, indem man sich einfach um die hypothetischen Atomwelten und dergleichen nicht kümmert und innerhalb der Phänomene stehenbleibt. Aber das hat ja eine ganz bestimmte Folge, wenn man innerhalb der Phänomene stehen bleibt. Das hat die Folge, daß man dann wirklich zum Agnostizismus kommt. Wenn man durch das Denken bloß die Phänomene aneinanderreiht, Ordnung hineinbringt in die Phänomene, so kommt man niemals mit diesem Ordnen, mit diesem Verfolgen von Gesetzmäßigkeiten an den Menschen selbst heran. Und das ist das Eigentümliche, daß man sich einfach offen gestehen muß: Wenn man die letzte, vollberechtigte Konsequenz der modernen Naturwissenschaft zieht, wenn man bis zum reinen Phänomenalismus geht, wenn man nicht unberechtigte Denkhypothesen hinter den Teppich der Sinnenwelt setzt - man kann gar nicht anders als zum Agnostizismus kommen.“ (Lit.:GA 75, S. 262f)

„Dieser Agnostizismus ist nun allerdings, wenn er philosophisch auftritt, eine Art Gegensatz zur Anthroposophie, und ich könnte ja, wenn es mich danach gelüsten würde, von diesem Zeitpunkte an anfangen, mich polemisch kritisierend, schimpfend meinetwegen, je nach Temperament, gegen den zeitgenössischen Agnostizismus zu wenden [...] Aber das möchte ich heute nicht. Ich möchte in diesem Agnostizismus doch auch aufzeigen etwas, was notwendigerweise einmal heraufkommen mußte in der geistigen Menschheitsentwickelung.“ (Lit.:GA 82, S. 204)

„Denn was folgt daraus, daß wir zu den Phänomenen kommen und damit, wenn wir nichts anderes kennen als die äußeren Phänomene, in den Agnostizismus hineingerissen werden? Es folgt daraus, daß, wenn wir Menschen bleiben wollen, wir nach der geistigen Welt auf eine andere Weise als durch Interpretation der äußeren Sinneswelt hinmüssen. Und für denjenigen Teil der äußeren Welt, der der Sinneswelt zugrunde liegt, muß man sagen: Wir finden ihn nicht innerhalb der Sinneswelt.“ (Lit.:GA 82, S. 210)

„In dem Augenblick, wo man sich klar ist darüber, daß die äußere Welt phänomenalistisch zu erfassen ist, in dem Augenblick hat man sie nicht etwa entgeistigt, aber man hat die Notwendigkeit gezeigt, diesen Geist, dieses Übersinnliche auf anderen Wegen zu suchen, durch andere Erkenntnismittel und andere Erkenntnismethoden. Und das sind eben diejenigen, die ich geschildert habe. Die müssen hinzukommen zu den phänomenalistischen Erkenntnismethoden. Sie sehen, Anthroposophie ist gerade bemüht, den Phänomenalismus voll zu begründen, voll gelten zu lassen, weil sie sich klar ist darüber, daß dasjenige, was zu geistigen Welten führt, eben mit diesen anderen Erkenntnismethoden erreicht werden muß. Also auch das, was der äußeren Sinneswelt als Geistiges zugrunde liegt.“ (Lit.:GA 82, S. 211)

„Und so haben wir denn die Notwendigkeit, uns zu fragen: Wie begründen wir Moralwissenschaft und damit die Grundlage aller Geisteswissenschaft, auch aller Sozialwissenschaft, wie begründen wir Moralwissenschaft in der Zeit, in der wir berechtigterweise für die äußere Natur den Phänomenalismus anerkennen müssen? Das war die große Frage für mich in der Zeit, als ich meine «Philosophie der Freiheit» schrieb. Ich stand auf dem Boden - völlig auf dem Boden! - der modernen Naturwissenschaft, ja, auf dem Boden eines Phänomenalismus gegenüber dem, was durch den Erkenntnisprozeß von der Sinnenaußenwelt zu ergründen ist. Dann aber muß man sich, wenn man die Konsequenz mit aller Ehrlichkeit bis zuletzt verfolgt, sagen: Wenn Moral objektiv begründet werden soll, dann muß sich neben diese Erkenntnis, die zum Phänomenalismus und damit zum Agnostizismus führt, eine andere hinstellen können - eine Erkenntnis, die nun nicht das Denken verwendet, um hypothetische Welten auszusinnen hinter den Phänomenen der Sinne, sondern es muß eine Erkenntnis begründet werden, die das Geistige unmittelbar in der Anschauung erfassen kann, nachdem es - außer dem Mathematischen - nicht mehr im alten Stile hinausgetragen wird in die Welt. Gerade der Agnostizismus ist es, der uns auf der einen Seite nötigt, ihn voll anzuerkennen auf seinem Gebiete, zugleich aber auf der anderen Seite auch nötigt, unseren Geist zur Aktivität aufzuraffen, um eine geistige Welt zu erfassen, aus welcher wir zunächst, wenn wir nicht bloß im Subjektiven bleiben wollen, durch objektive geistige Beobachtung die Moralprinzipien finden können.“ (Lit.:GA 75, S. 271f)

Siehe auch

Literatur

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Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.