Ödipus und Psychoanalyse: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Bild:Gustave Moreau Oedipus.jpg|thumb|180px|[[Wikipedia:Gustave Moreau|Gustave Moreau]], Ödipus und die Sphinx]]
[[Datei:AmaliaFreud.jpg|thumb|Der junge Sigmund Freud mit seiner Mutter Amalie]]
'''Ödipus''' (altgriechisch '''{{polytonisch|Οἰδίπους}}''', ''Oidípous'', heute ''Οιδίποδας'', ''Idípodas'') ist eine Gestalt der [[Wikipedia:Griechische Mythologie|griechischen Mythologie]]. Er ist ein Sohn des [[Wikipedia:Laios|Laios]], des Königs von [[Wikipedia:Theben (Griechenland)|Theben]], welchen er in einem Handgemenge tötet. Später erhält er als Belohnung dafür, dass er Theben von der [[Sphinx]] befreit, [[Wikipedia:Iokaste|Iokaste]], die Witwe des Königs und damit seine eigene Mutter, zur Ehefrau. Erst später erfährt er, dass Iokaste und Laios seine leiblichen Eltern sind. Wie es von einem [[Orakel]] vorausgesagt wurde, beging Ödipus also sowohl [[Wikipedia:Vatermord|Vatermord]] als auch [[Wikipedia:Inzest|Inzest]]. In [[Wikipedia:Sophokles|Sophokles]]’ Drama ''[[Wikipedia:König Ödipus|König Ödipus]]'' sticht sich Ödipus am Ende die Augen aus und flieht mit seiner Schande ins Exil.
Die '''Psychoanalyse''' (von {{grS|ψυχή}} ''psyche'' ‚Seele‘ und ἀνάλυσις ''analysis'' ‚Zerlegung‘, im Sinne von „Untersuchung, Enträtselung der [[Seele]]“) ist eine [[Psychologie|psychologische]] Theorie, die um 1890 von dem Wiener [[Neurologe]]n [[Sigmund Freud]] begründet wurde. Aus der Psychoanalyse heraus haben sich später die verschiedenen Schulen der [[Tiefenpsychologie]] entwickelt.


== Sagenkreis ==
Der Begriff „Psychoanalyse“ steht sowohl für das auf Freuds Theorien über die [[Psychodynamik]] des [[Unbewusstes|Unbewussten]] gegründete Beschreibungs- und Erklärungsmodell der menschlichen [[Psyche]] als auch für die ''psychoanalytischen Therapien'' – eine Gruppe von Verfahren zur Behandlung innerer und zwischenmenschlicher Konflikte – sowie für die ''psychoanalytische Methodik'', die sich auch mit der Untersuchung [[kultur]]eller Phänomene beschäftigt. In allen drei Aspekten wird die Psychoanalyse bis heute von Klinikern und Forschern weiterentwickelt und verändert; so ist die moderne Psychoanalyse durch einen theoretischen, methodischen und therapeutischen Pluralismus charakterisiert.


=== Der Fluch ===
== Anerkennenswertes ==


König Laios von Theben hatte einst die Gastfreundschaft des Königs [[Wikipedia:Pelops|Pelops]] missbraucht, indem er dessen Sohn [[Wikipedia:Chrysippos (Mythologie)|Chrysippos]] entführen und verführen wollte, weil er sich in den Knaben verliebt hatte. Aufgrund dessen wurde er von Pelops verflucht.
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"Diese Psychoanalyse hat wenigstens die Menschen aufmerksam gemacht darauf, dass Seelisches als Seelisches zu nehmen ist." {{Lit|{{G|178|144}}}}
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Laios und seine Frau [[Wikipedia:Iokaste|Iokaste]] blieben lange Zeit kinderlos und eines Tages machte sich [[Wikipedia:Laios|Laios]] auf den Weg zum [[Orakel von Delphi]] und erhielt Kunde von dem Fluch. Das Orakel sagte: „Solltest du dich je unterstehen, einen Sohn zu zeugen, so wird dieser seinen Vater erschlagen und seine Mutter heiraten.
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"Also immerhin sicher ein Weg, auf dem die Leute suchen, aus dem bloßen Materialismus herauszukommen und das Seelische ins Auge zu fassen." {{Lit|{{G|178|135}}}}
</div>


=== Ödipus in Korinth ===
Werden die Beobachtungen aus der Psychoanalyse richtig interpretiert, können sie für den Geisteswissenschaftler durchaus interessant sein.<ref>{{G|309|98}}</ref>


Iokaste bekam tatsächlich einen Sohn. Laios ließ also im Einverständnis mit seiner Frau Iokaste dem Neugeborenen die Füße durchstechen, zusammenbinden und ihn von einem Hirten so im [[Wikipedia:Kithairon|Kithairon]]-Gebirge aussetzen.<ref>Pausanias: ''Reisen in Griechenland.'' 9, 2, 4.</ref> Der Hirte aber hatte Mitleid mit dem Neugeborenen und übergab ihn einem vorbeiziehenden Hirten aus [[Wikipedia:Korinth|Korinth]]. Über diesen gelangte Ödipus zum König [[Wikipedia:Polybos|Polybos]] von Korinth und wurde von ihm adoptiert. Seine Frau [[Wikipedia:Merope|Merope]] oder nach anderer Überlieferung [[Wikipedia:Periboia|Periboia]] heilte seine Wunden. Sie nannte ihn wegen seiner geschwollenen Füße ''Oidipus'' („Schwellfuß“).<ref>[[Wikipedia:Apollodor von Athen (Schriftsteller)|Apollodor]]: ''Bibliotheke.'' 3, 49.</ref>
Auch die lindernde Wirkung, durch die Möglichkeit {{"|sich über das auszusprechen, was  einen drückt}}<ref>{{G|130|143}} </ref>, hebt [[Rudolf Steiner]] als positiven Aspekt hervor.


In neuerer Zeit ist diese [[Wikipedia:Etymologie|Etymologie]] des Namens angezweifelt worden. Einige Wissenschaftler schlagen vor, „Oidipous“ mit „Der, der alles weiß“ zu übersetzen.<ref>Wolfgang Christlieb: ''Der entzauberte Ödipus, Ursprünge und Wandlungen eines Mythos.''</ref>
== Geistiger Hintergrund ==


=== Ödipus tötet seinen Vater ===
Die geistige Hintergrund der Erkrankungen, auf deren Heilung die Psychoanalyse abzielt, ist nach [[Rudolf Steiner]] darin zu sehen, dass gegenwärtig der obere, bewusstere Teil des [[Astralleib]]s immer kleiner wird, während der untere, unbewusste Teil immer mehr anwächst. Diese Tendenz wird sich weiter fortsetzen. Dadurch bilden sich im [[Unterbewusstsein]] vermehrt krankheitsbildende «verborgene Seelenprovinzen», die die Psychoanalyse ins [[Bewusstsein]] zu heben versucht, um die durch sie bedingte seelische Verletzung zu heilen.


Ödipus wuchs in Korinth auf, ohne von seiner Herkunft zu wissen. Als er erwachsen war, macht ein Betrunkener auf einem Fest Andeutungen, denen zufolge er nicht der leibliche Sohn seiner Eltern sei. Ödipus war beunruhigt, die Antwort von Polybos und Merope befriedigte ihn nicht und so befragte er schließlich seinerseits das Orakel. Als ihm dieses verkündete, er werde seinen Vater töten und seine Mutter zur Frau nehmen, brach er in die Ferne auf, damit sich die Prophezeiung an seinen vermeintlichen Eltern in Korinth nicht bewahrheite.<ref>Apollodor: ''Bibliotheke.'' 3, 50–51.</ref>
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„Sehen Sie, da finden
Sie heute, indem die naturwissenschaftlich-medizinischen Anschauungen
über den Menschen erweitert werden, daß es Menschen
gibt, die im späteren Leben irgendwie in nervöse Zustände
bekommen, die sich bis in die physische Konstitution des Menschen
hineinerstrecken können, die zu wirklichen Krankheitsbildern
führen. Da sieht dann die gegenwärtige Medizin, wie sie ohnmächtig
ist, diese Krankheitsbilder in irgendeiner Weise anschaulich
zu beherrschen, eine Pathologie bis zur Therapie zu treiben.
Ich war selber ein unmittelbarer Zeitgenosse, als der ausgezeichnete
Wiener Arzt, der Internist Breuer, einmal vor einem solchen Fall
stand, wo etwas auftrat an einer Persönlichkeit, das aus physischer
Forschungsmethode nicht mehr pathologisch zu fassen war. Da
wurde zu der damals ja immer beliebter werdenden Hypnose Zuflucht
genommen. Da versetzte man die Persönlichkeit in eine
Hypnose. Man kam tatsächlich durch das Erforschen des hypnotisehen
Zustandes darauf, wie ein furchtbar schockierendes, ein
furchtbar schreckmachendes Lebensereignis in einer früheren Lebensepoche
da war. Dieses Lebensereignis war gewissermaßen, so
konnte man sich es dazumal nur erklären, hinuntergezogen in die
untere Region des menschlichen Lebens, wo das Unterbewußte,
das Unbewußte lagert. Da bildete es gewissermaßen eine «verborgene
Seelenprovinz». Aber wenn der Mensch auch von so etwas
nichts weiß, so ist es doch da in seinem Leben. Und es kann sogar
krankheitserzeugend da sein. Dann hat man etwas in dem Menschen
drinnen, was nur ein seelisches Erlebnis war, was nachwirkt,
nachrumort, was gewissermaßen eine isolierte Provinz im Seelenleben
ist, deren sich der Mensch nicht bewußt ist.


Auf dem Weg von Delphi nach [[Wikipedia:Daulis|Daulis]] traf er an einer engen Weggabelung im Gebirge [[Wikipedia:Parnassos|Parnassos]] – nach anderen Angaben im Kithairon – auf einen Wagen. Polyphontes, der Fahrer des anderen Wagen, forderte Ödipus auf, sofort Platz zu machen. Da ihm das zu langsam ging, tötete er eins der Pferde des Ödipus, woraufhin Ödipus sowohl den Polyphontes als auch dessen Passagier und somit seinen leiblichen Vater Laios, nichts ahnend, tötete und sich der erste Teil der Vorhersage des Orakels erfüllte.<ref>Pausanias: ''Reisen in Griechenland.'' 9, 2, 4 und 10, 5, 3.</ref>
Man kam darauf: Wenn man den Menschen daran erinnert,
wenn man so etwas heraufbringt ins Bewußtsein, so daß er es bewußt
ergreift, so kann es zur Heilung führen.


=== Ödipus besiegt die Sphinx ===
Solche Tatsachen wird man aber im gegenwärtigen Erdenleben
immer mehr und mehr finden. Aber man wird wissen müssen,
wenn man verstehen will, warum die Menschheit befallen wird von
solchen Zuständen - und immer mehr und mehr wird sie davon
befallen werden -, man wird wissen müssen aus einer geistigen
Erkenntnis heraus, wie es mit dem Immer-Kleinerwerden des oberen
Teiles des astralischen Leibes wird, und wie in dem immer
größerwerdenden unteren Teil des astralischen Leibes eine Tendenz
besteht zur Ansammlung von solchen unterbewußten Seelenprovinzen.
Man wird aufsteigen müssen von der seelenhaften Erkenntnis
des Menschen zu der historischen Geist-Erkenntnis, zu
der kosmischen Geist-Erkenntnis, um überhaupt solche Erscheinungen
erklären zu können. Breuer war eine tiefere Natur - ich
kannte ihn sehr gut - und ließ, weil er empfand, daß man in dieser
Weise nicht weitergehen kann mit dem bloßen Wissen der Gegenwart,
sozusagen den Faden der Forschung fallen. Dann nahmen ihn
andere auf, Freud vor allen Dingen und seine Nachfolger, und es
wurde dasjenige daraus, was gegenwärtig als Psychoanalyse überall
funktioniert. Die beruht auf etwas durchaus Wahrem, denn die
Erscheinungen sind da. Man ist genötigt, dasjenige, was sich physisch
ausdrückt, im Seelenhaften zu suchen. Der Gedanke ist richtig;
aber man hat nicht die Wissenschaft, um das zu beherrschen,
denn diese Wissenschaft würde erst die Geisteswissenschaft sein.
Und so tritt diese Psychoanalyse, die auf der ganz natürlichen,
historisch vor sich gehenden Defektheit des oberen astralischen
Leibes des Menschen beruht, mit diesen Tatsachen auf bei Leuten,
die erstens Dilettanten sind in der Seelenforschung, in der Geistesforschung,
aber die auch Dilettanten sind in der Leibesforschung,
in der Körperforschung, denn sie wissen nicht dem Geist in den
Leib hinein zu folgen. So kommen zwei Dilettantismen zusammen,
die wirklich einander gleich sind, denn diese Leute wissen wirklich
so wenig vom wirklichen Seelen- und Geistesleben des Menschen
wie vom physischen und ätherischen Leben. Diese zwei Größen
kommen zusammen, und wenn zwei gleiche Größen aufeinander
wirken, so multiplizieren sie sich: a x a = a<sup>2</sup> oder D x D = D<sup>2</sup>,
Dilettantismus multipliziert mit Dilettantismus ist Dilettantismus
zum Quadrat. Es ist tatsächlich so, daß ein Richtiges, etwas, was
auf ganz richtigen Unterlagen beruht, durch die Ohnmacht der
Forschung in der Gegenwart eben als Dilettantismus sich darstellt.
Aber man sieht in so etwas das Streben nach dem Richtigen. Man
darf so etwas wie Psychoanalyse nicht wiederum hinstellen als etwas,
was des Teufels ist, sondern als etwas, worin sich zeigt, daß
unsere Zeit das will, was sie eben nicht kann, daher so etwas, wie
das, was in der Psychoanalyse auftritt, erst in sein richtiges Fahrwasser
eintreten wird, wenn es in die Geistesforschung mündet.“ {{GZ||227|292ff}}
</div>


Nach Laios’ Tod übernahm dessen Schwager [[Wikipedia:Kreon (König von Theben)|Kreon]] die Herrschaft über Theben. Zu dieser Zeit lauerte die [[Sphinx]] Reisenden in der Nähe von Theben auf. Sie saß auf einem Felsen und stellte den Vorbeikommenden ein Rätsel und verschlang alle, die es nicht lösen konnten. Kreon versprach jenem den Thron von Theben und zusätzlich seine Schwester Iokaste zur Frau, der [[das Rätsel der Sphinx]] lösen konnte. Ödipus löste das Rätsel, worauf sich die Sphinx ins Meer stürzte, und befreite so Theben von der Sphinx. Zur Belohnung wurde er zum König von Theben ernannt und erhielt Iokaste, seine eigene Mutter, zur Frau, mit der er die Zwillinge [[Wikipedia:Eteokles|Eteokles]] und [[Wikipedia:Polyneikes|Polyneikes]] und die Töchter [[Wikipedia:Antigone|Antigone]] und [[Wikipedia:Ismene|Ismene]] zeugte. So erfüllte sich auch der zweite Teil der Prophezeiungen. Mutter und Sohn wussten jedoch weder von der Tötung des Laios durch Ödipus noch von ihrer biologischen Verwandtschaft.<ref>Apollodor: ''Bibliotheke,'' 3, 52–55.</ref>
== Die unzulänglichen Erkenntnismittel der Psychoanalyse ==


Andere Überlieferungen nennen eine zweite Gattin des Ödipus ''Euryganeia'', die Tochter des ''Hyperphas'', als Mutter der Kinder Eteokles, Polyneikes, Antigone und Ismene.<ref>Apollodor: ''Bibliotheke.'' 3, 55.</ref> [[Wikipedia:Pausanias Periegetes|Pausanias]] führt hierzu ein Werk namens ''Oidipodia'' an und berichtet von einem Gemälde des [[Wikipedia:Onasias|Onasias]], das er in [[Wikipedia:Platää|Platää]] gesehen hatte. Dieses Gemälde zeigt Euryganeia bestürzt über den Krieg zwischen ihren Söhnen Eteokles und Polyneikes.<ref>Pausanias: ''Reisen in Griechenland.'' 9, 5, 10–12.</ref> Mit Iokaste soll er Vater des Phrastor und des Laonytos gewesen sein. Später soll er noch Astymedusa, die Tochter des Sthenelos, geheiratet haben.<ref>[[Wikipedia:Hesiod|Hesiod]]: ''Eoien.'' 191.</ref>
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"So dass man sagen kann: Psychoanalyse ist in unserer Zeit eine Erscheinung, welche die Menschen nötigt, aufmerksam zu werden auf gewisse Seelenvorgänge; auf der andern Seite aber veranlasst sie die Menschen, solche Seelenerscheinungen mit, ich möchte sagen, unzulänglichen Erkenntnismitteln zu betrachten. Und das ist ganz besonders bedeutsam, weil diese Betrachtung mit unzulänglichen Erkenntnismitteln einer Sache, die ganz augenscheinlich da ist und die menschliche Erkenntnis in der Gegenwart herausfordert, zu den mannigfaltigsten schweren Verirrungen führt und nicht ungefährlich ist für das soziale Leben, für die Fortentwickelung der Erkenntnis und den Einfluß dieser Fortentwickelung der Erkenntnis auf das soziale Leben.


{{GZ|Betrachten wir einen solchen hervorragenden Mythus, der gerade mit
Man kann schon sagen: Viertelswahrheiten können unter Umständen schädlicher sein als ganze Irrtümer. Und als eine Art von Viertelswahrheiten müssen schon die Dinge betrachtet werden, welche bei den psychoanalytischen Theoretikern heute zutage treten." {{Lit|{{G|178|124}}}}
dem zusammenhängt, was ich jetzt vor Ihre Seele hingeführt habe, betrachten
</div>
wir den Mythus, der da erzählt, wie ein Orakel dem Laios von
Theben bei seiner Vermählung mit Jokaste weissagte, daß aus seiner Ehe
mit Jokaste hervorgehen werde ein Sohn, welcher der Mörder seines
Vaters werden wird, der mit seiner Mutter in Blutschande leben wird.
Laios hat sich zwar nicht abhalten lassen, die Vermählung zu vollziehen,
aber als aus der Ehe doch der Sohn hervorging, ließ er ihm die Fersen
durchbohren und ließ ihn aussetzen auf dem Kithäron. Einem Hirten
wurde dieser Sohn übergeben. Die Gemahlin des Hirten nannte ihn
ödipus, von den durchlochten Fersen. Sie wissen, wie die Sache weitererzählt
wurde. Sie wissen, daß der Knabe ödipus heranwuchs, daß sich
seine Talente entwickelten, daß er sich früh von Zweifeln in seiner
Seele beunruhigt fand wegen seiner Abstammung, weil Jugendgenossen
ihn auf verschiedenes aufmerksam machten; daß dann das delphische
Orakel einen bedeutsamen Ausspruch tat. Ihn heute zu studieren, ist
eine schmerzliche Angelegenheit, wenn man ihn in seinem ganzen Zusammenhange
studieren kann. Er heißt ja einfach: Meide die Heimat,
sonst wirst du deines Vaters Mörder und deiner Mutter Gemahl, - Das
war also dem ödipus gesagt.


Nun war er aber in einer vollkommenen Illusion darinnen. Er wußte
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nicht, wer sein Vater wirklich war und seine Mutter. Er mußte Korinth
"Die Psychoanalyse macht vor allen Dingen den Fehler, daß sie Erscheinungen isoliert betrachtet, die nur, wenn sie an andere Erscheinungsreihen angeschlossen werden, erklärbar sind. Durch diese einseitige Betrachtung entstehen Fehler." {{Lit|{{G|301|243}}}}
für seine Heimat halten, wo er aufgewachsen war. Schließlich wanderte
</div>
er von Korinth fort, um dort nicht Unheil zu stiften, seinen Vater zu
töten und seine Mutter zu heiraten. Aber gerade, daß er fortwanderte,
daß er den Weg nach Theben antrat, gerade das wurde ihm zum Verhängnis.
Auf dem Wege traf er ein Gefährt, in dem sein Vater Laios
fuhr mit einem Wagengefährten. Er kam in Streit, tötete den Vater,
setzte den Weg fort nach Theben, und seine erste Tat, die er verrichtete,
war ja, wie Sie wissen, die Lösung des Rätsels der Sphinx. Dadurch
haben wir ödipus so recht hineingestellt in den ganzen Entwickelungszusammenhang
des vierten nachatlantischen Zeitraums. Denn in einer
gewissen Beziehung gehörte das Rätsel der Sphinx, das Menschenrätsel,
diesem Zeiträume an. Also ödipus war einer von denjenigen, die Bescheid
wußten. Er sagte zur Sphinx nicht: «Ungern entdeck' ich höheres
Geheimnis», sondern er löste das Geheimnis. Damit war etwas in den
vierten nachatlantischen Zeitraum hineinversetzt als ein Impuls, der
weiter wirkte, an dem ödipus beteiligt war. Man könnte Stunden über
Stunden reden über die Lösung des Rätsels der Sphinx durch ödipus.
Aber das ist heute nicht nötig. Wir wollen uns nur klarmachen, daß dasjenige,
was da ödipus tut, ihn so recht zeigt als einen Helden des vierten
nachatlantischen Zeitraums.


Nun ging er nach Theben, heiratete seine Mutter, die er natürlich
== Hereinwirkung der Toten in das Unterbewusstsein ==
nicht für seine Mutter hielt, war verhältnismäßig glücklich, bis eine Pest
auftrat. Der Seher Teiresias war es, welcher zuletzt die Wahrheit von
dem Ganzen herausbrachte. Jokaste, die sich plötzlich als die Gemahlin
des eigenen Sohnes wußte, tötete sich, ödipus blendete sich und wurde
vertrieben von seinen eigenen Söhnen, wurde von einem andern dann
im Haine von Attika, von Theseus, geschützt bis zu seinem Tode, ruhte
dann in attischer Erde. Nur soweit brauchen wir das Ödipus-Drama vor
unsere Seele zu führen.


Was stellt es uns denn dar? Es stellt uns dar, wie eine Individualität,
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die Ödipus-Individualität, herausgenommen wird aus dem Blutszusammenhang,
"Würde der Materialismus
herausversetzt wird, sich entwickelt außerhalb der Blutsbande
siegen, so würden die Menschen immer mehr und mehr den Glauben
und dann zu seinem Verderb wiederum hineinversetzt wird.
haben: Alles, was vom Toten übrig ist, ist in der Urne oder im Grabe
Nicht nur einen subjektiven Rebellen gegen die Blutsbande haben wir
verwesend. - Dieser Gedanke ist aber eine reale Macht. Er ist eine
vor uns, sondern einen Menschen, der durch die, man möchte sagen,
Unwahrheit. Wenn der hier Zurückbleibende denkt: Der Tote ist
Naturgesetze selber zur Auflehnung gebracht wird gegen die Blutsbande,
nicht mehr lebend, der Tote ist nicht mehr da - , so ist es ein falscher
und diese gerade dadurch gegen sich wachruft.
Gedanke, aber dieser falsche Gedanke ist doch in den Seelen, die ihn
denken, real, ist doch wirklich. Diesen wirklichen Gedanken nimmt
der Tote wahr; er nimmt ihn als sehr bedeutsam für sich wahr. Und
das ist nicht einerlei, sondern im Gegenteil von grundwesentlicher
Bedeutung, ob derjenige, der hier zurückbleibt, in lebendigem innerem
Seelenleben pflegt den Gedanken an den fortlebenden Toten, an
den in der geistigen Welt befindlichen Toten, oder ob er mehr oder
weniger sich dem Jammergedanken hingibt: Der Tote ist eben tot,
verwest. - Das ist nicht nur nicht gleichgültig, sondern es ist ein
ganz wesentlicher Unterschied [...]


Versuchen Sie die griechische Mythologie auf solche Menschen hin
Und jetzt beginnt das gefährliche Spiel. Da suchen nun die Psychoanalytiker
durchzusehen, auf solche Heroen, die auf eine gewisse Weise hineingestellt
alles mögliche als isolierte, unterirdische, verborgene
sind in den Blutszusammenhang, die ausgesetzt werden, daß sie
Seelenprovinz, wie sie sich ausdrücken; suchen nach bei jemand,
ihre Entwickelung außerhalb des Biutszusammenhanges durchmachen
der hysterisch in seinem dreißigsten Jahre ist, nach Verirrungen in
und dann gerade andere Entwickelungsimpulse hereinbringen dadurch,
seinem siebenten Jahre, die dazumal nicht ausgelebt worden sind,
daß sie aus der alten, der normalen Ordnung hinausversetzt werden.
die man ihm wieder ins Bewußtsein bringen muß, weil dieses Ins-
Ein solcher ist Ödipus, ein solcher ist auch Theseus, der ihn schützt im
Bewußtsein-Bringen heilen soll und so weiter. Es ist ein Spiel mit
Haine von Attika.|273|112ff}}
außerordentlich gefährlichen Waffen! [...] Es ist wahr, in vielen Menschen spielt heute Unterbewußtes,
das nicht heraufkommt ins Bewußtsein. Aber das, was die Psychoanalytiker
herauszufinden glauben, ist in der Regel das allerwenigst
Bedeutsame; deshalb werden auch die Heilerfolge in der Regel recht
fragliche sein. Wenn man irgendeine dreißigjährige Dame findet und
eine sexuelle Verirrung in ihrem vierzehnten Jahre, die sich nicht ausgelebt
hat, und die daher fortwuchert und die Hysterie bewirkt, so
hat man noch das Allerunbeträchtlichste [...]


==== Der Albtraum und das Fragemotiv der Sphinx ====
Denken Sie an das, was ich schon angeführt habe. Der Gedanke an
den nicht mehr vorhandenen Toten, der lebt in der Seele, lebt irgendwie,
ohne daß die Seele eigentlich viel darüber nachdenkt, lebt bloß
deshalb, weil die Seele heute noch gedankenlos ist, und diese Seele ist
etwas empfindlich für solche gedankenlose Gedanken - dann ist der
Tote durch die ewigen Weltgesetze gezwungen, mit diesen Gedanken
zu leben; der Tote spukt in der Seele des zurückgebliebenen Lebendigen.
Dem ist nur zu begegnen dadurch, daß man weiß, der Tote
lebt. Und immer mehr und mehr werden durch den Unglauben an das
Leben der Toten die Menschen auf dem physischen Plane in Seelenkrankheiten
hineingetrieben werden. Es sind in der Regel nicht
sexuelle Jugendverirrungen, es sind die Gedanken des Unglaubens,
die diese Erscheinungen bewirken. Denn die Gedanken haben in
unserer Zeit den Beruf, reale Mächte zu werden, nicht nur solche
reale Mächte, die für sich wirken; für sich wirken sie, indem die Seele
nach dem Tode immer ähnlicher wird dem, als was sie sich vorstellt
in dem Leibe; in höherem Sinne noch werden diese Gedanken reale
Mächte dadurch, daß sie sogar Wesen, in diesem Falle die Toten
selber, in einer unrichtigen Weise verbinden mit den Lebenden. Nur
dadurch, daß man, so gut man es kann, die Gedankenverbindung mit
dem Verstorbenen aufrecht erhält als einem Fortlebenden, rettet man
auch sich davor, daß das Verhältnis zum Toten verhängnisvoll wird
für den zurückgebliebenen Lebenden, und in gewisser Beziehung
auch für den Verstorbenen selbst, der fortwährend aus einem ewigen,
weisheitsvollen Gesetze heraus in die Notwendigkeit versetzt ist, in
dem Zurückgebliebenen so zu spuken, daß dem Zurückgebliebenen
dies nicht einmal zum Bewußtsein kommt, sondern in krankhaften
Erscheinungen sich auslebt.


In verfeinerter Form zeigt sich [[Albtraum]] in der Rätselfrage der [[Sphinx]], wie sie durch die Ödipus-Sage überliefert ist. Sie beruht auf dem [[luzifer]]ischen Einfluss auf die [[Atmung]] und [[Blut]]bewegung, der in der [[Griechisch-Lateinische Kultur|griechisch-lateinischen Zeit]] besonders stark war und zu einer Ausweitung des [[Ätherleib]]s über die Grenzen des [[Physischer Leib|physischen Leibs]] führte. Heute tritt an dessen Stelle vermehrt der [[ahriman]]ische Einfluss, der sich im Erleben der [[Mephistopheles]]-Gestalt äußert, wie sie [[Goethe]] in seiner [[Faust-Tragödie]] schildert.
Fragen Sie jetzt: Was wird das wirkliche Heilmittel für viele solche
Erscheinungen sein, wie sie dem Psychoanalytiker heute entgegentreten?
- Die Verbreitung der Kenntnis von der geistigen Welt. Die
ist das allgemeine Heilmittel, die allgemeine Therapie, nicht diese
individuelle Behandlung, die man einem einzelnen angedeihen läßt." {{Lit|{{G|178|111ff}}}}
</div>


{{GZ|In das menschliche Leben spielen immer Erlebnisse
== Psychoanalyse und Karma ==
herein, die von Luzifer und Ahriman stammen. In das Grunderlebnis
der vierten nachatlantischen Periode spielte insbesondere Luzifer
herein; in unsere Periode spielt Ahriman herein und bedingt das
Grunderlebnis. Nun hängt Luzifer mit alledem zusammen, was noch
nicht bis zur Deutlichkeit der einzelnen Sinne sich ausgewachsen hat,
was undeutlich an den Menschen, undifferenziert an ihn herankommt.
Mit andern Worten, Luzifer hängt mit dem Atemerlebnis zusammen,
mit dem Erlebnis des Ein- und Ausatmens. Das Atmen des Menschen
ist etwas, was in einem ganz bestimmten geregelten Verhältnis stehen
muß zu seiner Gesamtorganisation. In dem Augenblick, wo der Atmungsprozeß
in irgendeiner Weise gestört ist, verwandelt sich sogleich
die Atmung aus dem, wie sie sonst auftritt, nämlich als unbewußter
Vorgang, auf den wir nicht zu achten brauchen, in einen bewußten, in
einen mehr oder weniger traumhaft bewußten Vorgang. Und wenn -
wir können es ganz trivial ausdrücken - der Atmungsprozeß zu energisch
wird, wenn er größere Anforderungen an den Organismus stellt,
als dieser Organismus leisten kann, dann hat Luzifer die Möglichkeit,
mit dem Atmen einzudringen in den menschlichen Organismus. Er muß
es ja nicht selbst sein, aber seine Scharen tun es, diejenigen, die zu ihm
gehören.


Ich weise damit auf eine Erscheinung hin, welche jeder kennt als
<div style="margin-left:20px">
Traumerlebnis. Dieses Traumerlebnis kann sich in beliebiger Weise
"Denken Sie sich das Verhältnis des Pädagogen, der psychoanalytisch vorgehen will, zu einem Zögling oder zu einem Patienten. Indem er sich heranmacht an seinen Seeleninhalt, der in die Gefühlssphäre hineinrutscht, macht er sich nicht nur an das individuelle Leben des Menschen heran, sondern er macht sich heran an das umfassende Leben, das über das Individuelle weit hinausgeht. Für dieses umfassende Leben liegen aber zwischen den Menschen nicht Zusammenhänge vor, die sich durch bloße Vorstellungen erschöpfen lassen, sondern die führen hinein in reale Lebenszusammenhänge - das ist sehr wichtig! Denken Sie also, es würde ein solches Verhältnis des psychoanalytischen Erziehers zu dem Zögling stattfinden, so würde das, was sich da abspielt, sich nicht abspielen können bloß auf dem Vorstellungsgebiete, indem man dem Betreffenden etwas beibringt, sondern es würden sich reale karmische Beziehungen anknüpfen müssen, weil man viel mehr in das Leben hineingreift. Man würde gewissermaßen das betreffende Individuum herausreißen aus seinem Karma, würde es in seinem karmischen Verlauf ändern. Das kann nicht gehen, dass man dasjenige, was über das Individuum hinausführt, individuell behandelt, sondern das muss generell, allgemein-menschlich behandelt werden. Wir sind in einer gewissen Zeitepoche zusammengeführt, also muss wirken ein Gemeinsames, sobald man über das Individuelle hinausgeht. Das heißt, es darf nicht gegenübertreten Individuum dem Individuum und das Individuum therapeutisch oder pädagogisch so behandeln, wie es der Psychoanalytiker macht, sondern es muss etwas Allgemeines eintreten. In die Zeitkultur muss etwas hereintreten, was die Seele hinweist auf dasjenige, was sonst unterbewusst bleibt; und das, was heraufzieht, das muss nur Milieu werden, nicht eine Angelegenheit, die sich von Individuum zu Individuum abspielt.
steigern. Der Alptraum, wo also der Mensch durch das gestörte Atmen
zum Traumbewußtsein kommt, so daß sich Erlebnisse der geistigen Welt
Hier liegt der große Fehler, der gemacht wird, der von einer ungeheuren Tragweite, von einer riesigen Bedeutung ist. Statt die Bestrebung dahinzuführen, das Geistesleben zu durchdringen mit dem, was Wissen von der geistigen Welt werden kann, wie es in der Gegenwart sein muss, sperrt man diejenigen Seelen, an denen sich zeigt, wie das zurückgestaute Geistesleben krankhaft wirkt, in Sanatorien ein und behandelt einen einzelnen. Das kann niemals zu etwas anderem führen, als dass karmisch verworrene Verhältnisse sich anknüpfen, dass aus dem, was sich vollzieht zwischen den Individuen, nicht herauskommt ein wirkliches Heben des unterbewussten Seeleninhaltes, sondern dass sich karmische Beziehungen zwischen den Behandelnden und dem Behandelten anknüpfen, weil es übergreift in das Individuelle." {{Lit|{{G|178|167}}}}
hineinmischen können, und auch alle Angst- und Furchterlebnisse, die
</div>
mit Alpträumen verbunden sind, haben in dem luziferischen Element
der Welt ihren Ursprung. Alles, was vom gewöhnlichen Atmungsprozeß
übergeht zum Würgen, zu dem Gefühl des Gewürgtwerdens,
das hängt zusammen mit dieser Möglichkeit, daß Luzifer sich einmischt
in den Atmungsprozeß. Das ist der grobe Prozeß, wo durch eine Herabminderung
des Bewußtseins Luzifer sich in das Atemerlebnis hineinmischt,
gestaltenhaf t in das Traumbewußtsein tritt und da zum Würger
wird. Das ist das grobe Erlebnis.
 
Es gibt aber auch ein feineres Erlebnis, das uns dieses Würgeerlebnis
gleichsam verfeinert, nicht so grob wie ein physisches Würgen darstellt.
Man achtet gewöhnlich nicht darauf, daß eine solche Verfeinerung des
Würgens zu den menschlichen Erlebnissen gehört. Aber jedesmal, wenn
an die menschliche Seele dasjenige herantritt, was zu einer Frage wird
oder zu einem Zweifel an diesem oder jenem in der Welt, dann ist in
verfeinerter Weise ein Würgeerlebnis da. Man kann schon sagen: Wenn
wir eine Frage aufstellen müssen, wenn ein kleines oder ein großes Weltenrätsel
sich uns aufdrängt, dann werden wir gewürgt, aber so, daß
wir es nicht merken. - Jeder Zweifel, jede Frage ist ein verfeinertes
Alpdrücken oder ein verfeinerter Alptraum.
 
So verwandeln sich die Erlebnisse, die uns sonst grob entgegentreten,
in feinere Erlebnisse, wenn sie mehr seelisch auftreten. Man kann sich
schon denken, daß die Wissenschaft einmal dazu kommen wird, den
Zusammenhang des Atmungsprozesses mit der Fragestellung oder der
Empfindung eines Zweifels in der Menschenseele zu studieren. Aber
auch alles das, was mit Fragen und Zweifeln zusammenhängt, alles das,
was damit zusammenhängt, daß wir unbefriedigt sind, weil die Welt an
uns herantritt und eine Antwort verlangt, oder weil wir gezwungen
sind, eine Antwort zu geben durch das, was wir sind, hängt mit dem
Luziferischen zusammen.
 
Wenn wir nun die Sache geisteswissenschaftlich betrachten, so können
wir sagen: Bei allem, wo der Würgeengel im Alptraum uns bedrückt,
oder wo wir durch die Fragestellung eine innere Bedrückung,
einen Anflug von Beängstigung erfahren, haben wir es mit einem gleichsam
stärkeren, energischeren Atmungsprozeß zu tun, mit etwas, was im
Atem lebt, was aber, damit die menschliche Natur in der richtigen
Weise funktioniert, harmonisiert, abgeschwächt werden muß, damit
das Leben richtig verläuft. Was findet nun statt, wenn ein energischerer
Atmungsprozeß eintritt? Da ist gleichsam der Ätherleib und alles, was
mit der ätherischen Natur des Menschen zusammenhängt, zu weit ausgedehnt,
zu sehr auseinandergedrängt, und da sich das dann auslebt
im physischen Leibe, so kann es sich nicht auf den physischen Leib
beschränken, es will ihn gewissermaßen auseinanderzerren. Ein zu
üppiger, ein zu weit ausgedehnter Ätherleib liegt einem verstärkten
Atmungsprozeß zugrunde, und dann besteht die Möglichkeit für das
luziferische Element, sich besonders geltend zu machen.
Man kann also sagen: Das Luziferische kann sich in die menschliche
Natur hineinschleichen, wenn der Ätherleib geweitet ist. — Man kann
auch sagen: Das Luziferische hat die Tendenz, in einem der menschlichen
Form gegenüber geweiteten Ätherleibe sich auszudrücken, also
in einem Ätherleibe, der mehr Raum braucht, als in der menschlichen
Haut eingeschlossen ist, der die Form üppiger gibt. — Man kann sich
nun denken, daß man künstlerisch diese Frage beantworten will, und
da kann man sagen: So wie der menschliche Ätherleib normal ist, ist er
der Bildner der menschlichen Gestalt, die physisch vor uns steht. Aber
sobald er sich weitet, sobald er sich einen größeren Raum, weitere Grenzen
verschaffen will, als in der menschlichen Haut darinnen sind, will
er auch andere Formen geben. Es kann da nicht die menschliche Form
bleiben. Er will überall über die menschliche Form hinaus. - Dieses
Problem hat man in alter Zeit schon gelöst. Was für eine Form kommt
da heraus, wenn der geweitete Ätherleib, der nicht für das menschliche
Wesen, sondern für das luziferische Wesen paßt, sich Geltung verschafft
und formhaft vor die menschliche Seele tritt? Was kommt da
heraus? Die Sphinx!
 
Hier haben wir eine besondere Art, uns in die Sphinx hinein zu vertiefen.
Die Sphinx ist es, was eigentlich an einem würgt. Wenn der
Ätherleib des Menschen durch die Energie des Atmens sich ausweitet,
taucht ein luziferisches Wesen in der Seele auf. Es lebt in diesem Ätherleibe
nicht die menschliche Gestalt, sondern die luziferische Gestalt, die
Sphinxgestalt. Die Sphinx taucht auf als die Zweifelaufwerferin, als
die Fragepeinigerin. Diese Sphinx hat also eine besondere Beziehung
zum Atmungsprozeß. Wiederum wissen wir aber, daß der Atmungsprozeß
eine besondere Beziehung zur Blutbildung hat. Daher lebt das
Luziferische auch im Blute, durchwogt und durchwallt das Blut.
Überall kann auf dem Umwege durch die Atmung das Luziferische
in das Blut des Menschen hinein, und wenn zuviel Energie in das
Blut hineinkommt, dann ist das Luziferische, die Sphinx, besonders
stark.
 
So steht der Mensch dadurch, daß er in seinem Atmungsprozeß dem
Kosmos geöffnet ist, der Sphinxnatur gegenüber. Dieses Erlebnis, in
seinem Atmen der Sphinxnatur des Kosmos gegenüberzustehen, dieses
Grunderlebnis ging besonders in der vierten nachatlantischen, der griechisch-
lateinischen Kulturperiode auf. Und in der Ödipus-Sage sehen
wir, wie der Mensch der Sphinx gegenübersteht, wie die Sphinx sich an
ihn kettet, zur Fragepeinigerin wird. Der Mensch und die Sphinx, oder
wir können auch sagen, der Mensch und das Luziferische im Weltall
sollten gleichsam als ein Grunderlebnis der vierten nachatlantischen
Kulturperiode so hingestellt werden, daß, wenn der Mensch sein äußeres
normales Leben auf dem physischen Plan nur ein wenig durchbricht,
er mit der Sphinxnatur in Berührung kommt. Da tritt Luzifer in seinem
Leben an ihn heran, und er muß mit Luzifer, mit der Sphinx fertig
werden.|158|99ff}}
 
=== Iokastes Tod ===
 
Als nach glücklichen Jahren in Theben eine Seuche ausbricht, verkündet das Orakel von Delphi, der Mörder des Laios müsse gefunden werden, damit die Seuche verschwinden könne. Der blinde Seher [[Teiresias]] enthüllte widerwillig, von Ödipus dazu gedrängt, diesen als den Mörder von Laios. Ödipus glaubte ihm nicht, kam jedoch nach eigener Untersuchung der alten Vorfälle selbst zu der Erkenntnis, dass er Laios getötet hat, dass Laios sein Vater und Iokaste, seine Frau, auch seine Mutter ist. Daraufhin erhängte sich Iokaste an ihrem Schleier und Ödipus stach sich mit der Nadel aus Iokastes Gewand die Augen aus.<ref name="Apollodor3_56">Apollodor: ''Bibliotheke.'' 3, 56.</ref>
 
=== Tod des Ödipus ===
 
Es gibt zahlreiche Versionen zu den weiteren Begebenheiten:
 
* Ödipus übergab die Regierung an Eteokles und verließ zusammen mit seiner Tochter [[Wikipedia:Antigone|Antigone]] Theben.<ref name="Apollodor3_56" />
 
* [[Wikipedia:Kreon (König von Theben)|Kreon]], Bruder der Iokaste, übernahm wieder die Herrschaft und verbannte Ödipus aus der Stadt. Dieser wanderte einige Jahre mit seiner Tochter Antigone umher, bis er in [[Wikipedia:Kolonos|Kolonos]] bei [[Wikipedia:Athen|Athen]] in einem heiligen [[Wikipedia:Hain|Hain]] für Bittsteller von [[Theseus]] aufgenommen wurde und dort starb.<ref>[[Wikipedia:Sophokles|Sophokles]]: ''[[Wikipedia:Ödipus auf Kolonos|Ödipus auf Kolonos]]''.</ref>
 
* Eteokles und Polyneikes nahmen Ödipus gefangen, um die Schande ihres Vaters vor der Öffentlichkeit verborgen zu halten, worauf Ödipus seine eigenen Söhne verfluchte.
 
* Ödipus regierte nach dem Tode Iokastes weiter und starb in einer Schlacht.<ref>[[Wikipedia:Homer|Homer]]: ''Ilias.'' 679.</ref>
 
* Ödipus stürzte sich aus Verzweiflung in eine Schlucht, die als Tor zum [[Hades]] gilt.
 
* Ödipus verlangt von Kreon, ihn zu verbannen, was auch erfolgt. Seine Bitte, seine Tochter Antigone mitzunehmen, wird von Kreon nicht erfüllt.
 
== Die Ödipus- und die Judas-Sage ==
 
In [[Christentum|christlicher]] Zeit verwandelt sich die Ödipus-Sage in bedeutsamer Weise zur Judas-Sage.
 
{{GZ|Ein Bild ist zum
Beispiel das, welches uns gegeben wird in der Ödipus-Sage. Es wird
durch ein Orakel, das heißt von einer Stätte her, wo man geheimnisvolle
Zusammenhänge hellseherisch erschaut, die sich dem menschlichen
Blicke schon entziehen, dem Vater gesagt, daß, wenn er einen Sohn
bekommt, dieser Sohn Unheil bringen werde; er werde den Vater morden
und die Mutter heiraten. Er bekommt diesen Sohn. Er versucht
sogar das zu tun, was dazu führen könnte, daß das, was hellseherisch
erschaut ist, sich nicht vollziehen solle. Der Sohn wird ausgesetzt, in
eine ganz andere Gegend gebracht. Der Sohn erfährt das Orakel, das
heißt, in seine Seele zieht etwas ein, was nur durch hellseherisches
Schauen erkundet werden kann. Das griechische Bewußtsein wollte
sagen: Zwar ragt so etwas aus alten Zeiten herein, aber die menschliche
Organisation ist schon so weit gekommen, daß sie nicht mehr
taugt für diese Art des Hellsehens, daß diese ihr nichts mehr nutzt,
Ödipus legt das Orakel wegen des gewandelten Bewußtseins so aus,
daß es sich erst recht erfüllt, das heißt der Mensch kann nicht mehr das,
was das hellseherische Bewußtsein ist, in der richtigen Weise handhaben;
es hat sich eben die geistige, spirituelle Welt von ihm zurückgezogen;
es nutzt ihm das alte Hellsehen nichts mehr. Aber auch davon
ist immer ein Bewußtsein vorhanden gewesen, daß diese Dinge sich
wieder umkehren werden, daß wieder das, was aus solchen Welten
kommt, etwas werden wird für die Menschheit, daß nur für eine Weile
sozusagen eine Schicht des Erlebens hinüber sich breiten soll über das,
was aus solchen Welten kommt. Auch davon war ein Bewußtsein vorhanden,
auch das haben die mythebildenden Kräfte der Menschheitsentwickelung
zum Ausdruck gebracht. Die Christus-Tatsache war in
der Menschheitsentwickelung das Maßgebende dafür, daß die beiden
Kräfte, das Luzifer-Prinzip und das Christus-Prinzip, übereinandergetreten
sind. Da war also der entscheidende Wendepunkt, wo von
einer anderen Seite, dem Kosmos her, das, was aus den geistigen Quellen
kommt, wie ein Ferment sich hineinergießen sollte in die Menschheitsentwickelung.
Verlorengegangen war es, aber es soll wiederum wie ein
Ferment hineingegossen werden. Was der Menschheit schädlich geworden
war, was ihr selbst zu einem Bösen ausgeschlagen hat, soll wie ein
Ferment hineingegossen und umgewandelt werden in das Gute. Das
Böse soll hineinfallen in die fruchtbringende geistige Kraft der Menschheitsentwickelung
und mitwirken am Guten. Auch das ist in der Mythologie
zum Ausdruck gekommen.
 
Es gibt eine andere Sage, die etwa folgendermaßen lautet: Es wurde
einem Elternpaar von einem Orakel geweissagt, daß es einen Sohn
bekommen werde, daß der Sohn werde Unheil bringen über sein ganzes
Volk. Dieser Sohn wird seinen Vater ermorden und seine Mutter heiraten.
Die Mutter bekam diesen Sohn. Da dieser Spruch vorlag, setzte
man auch diesen Sohn aus, man setzte ihn auf die Insel Kariot, und es
fand ihn die Königin der Insel Kariot. Und weil dieses Elternpaar
keinen Sohn hatte, nahmen sie ihn auf. Später aber bekamen sie einen
Sohn. Da glaubte sich der Findling schlecht behandelt und tötete den
wirklichen Sohn. Da mußte er fliehen von der Insel Kariot. Er floh
und kam an den Hof des Pilatus in Palästina, wo er ein Amt bekam
als Aufseher im Hauswesen des Pilatus. Er bekam Streit mit seinem
Nachbar, von dem er nichts weiter wußte, als daß es eben sein Nachbar
war. Im Streite erschlug er ihn und heiratete später dessen Gattin.
Dann erst erfuhr er, daß das sein wirklicher Vater war, den er erschlagen
hatte, und daß er also seine Mutter geheiratet hatte. Die Sage sagt
uns, daß es dem, der jetzt alles das hat über sich hereinbrechen sehen,
nicht ähnlich erging wie dem Ödipus, sondern daß ihn Reue überkam,
und daß er hinging zu dem Christus, und der Christus nahm ihn auf;
denn das war der Judas aus Kariot. Und das, was hier in dem Judas
lebte, dieses Böse, das verleibt sich ein wie ein Ferment der ganzen
Menschheitsentwickelung. Denn die Tat von Palästina hat etwas zu
tun mit dem Verrate des Judas; er gehört zum Ganzen, er gehört zu
den Zwölfen, die sind gar nicht ohne ihn zu denken. Hier zeigte sich,
daß der Orakelspruch sich zwar erfüllte, und daß sein Inhalt sich einverleibt
der Menschheitsentwickelung wie das Böse, das umgewandelt
wird und weiter lebt im guten Sinne. In bedeutungsvoller Weise weist
die Sage, die wahrhaftig weiser ist als die äußere Wissenschaft, darauf
hin, daß es eine solche Umwandlung in der Menschennatur im Laufe
der Zeit gibt, daß man selbst über das gleiche Ding in verschiedenen
Zeiten in der verschiedensten Weise denken muß. Wie sich ein Orakelspruch
erfüllt, darf man nicht in derselben Weise erzählen, wenn man
von der Ödipus-Zeit spricht und von der Christus-Zeit. Dieselbe Tatsache
wird einmal zur Ödipus-Sage, das andere Mal in der christlichen
Zeit zur Judas-Sage.|113|145ff}}
 
== Fortwirken des Mythos in der Kunst ==
 
Als Inbegriff einer griechischen [[Wikipedia:Tragödie|Tragödie]] wurde das Thema schon in der Antike künstlerisch mehrfach bearbeitet. [[Wikipedia:Sophokles|Sophokles]] gestaltete Ödipus’ Schicksal gleich in mehreren Stücken. Die Ödipus-Dramen von [[Wikipedia:Aischylos|Aischylos]] und [[Wikipedia:Euripides|Euripides]] sind uns nicht erhalten geblieben. Ebenso verarbeitete der Römer [[Wikipedia:Seneca der Jüngere|Seneca der Jüngere]] diesen Stoff.
 
Auch mehrere [[Wikipedia:neuzeit|neuzeit]]liche Künstler haben den Ödipus-Mythos dargestellt:  z.&nbsp;B. [[Wikipedia:Pierre Corneille|Pierre Corneille]], [[Wikipedia:Voltaire|Voltaire]], J. [[Wikipedia:Péladan|Péladan]], [[Wikipedia:Hugo von Hofmannsthal|Hugo von Hofmannsthal]], [[Wikipedia:André Gide|André Gide]], [[Wikipedia:Jean Cocteau|Jean Cocteau]] und [[Wikipedia:Max Frisch|Max Frisch]] in der Literatur sowie [[Wikipedia:Igor Strawinski|Igor Strawinski]], [[Wikipedia:George Enescu|George Enescu]] und [[Wikipedia:Carl Orff|Carl Orff]] in der Musik. Zuletzt [[Wikipedia:Andreas Schmitz|Andreas Schmitz]] in seinem Stück „Schwellfußeinlagen“, dessen Welturaufführung am 12. Juni 2006 vielbejubelt in Salzburg über die Bühne ging. Handelt es sich bei „Schwellfußeinlagen“ um einen übermütigen Jux mit Motiven aus dem Ödipus-Mythos, so ist „König Ödipus – Eine Komödie aus der Alten Zeit“ von [[Wikipedia:Anselm Korff|Anselm Korff]] die wahrscheinlich erste Ödipus-[[Wikipedia:Komödie|Komödie]], die den Stoff und den darin enthaltenen Konflikt sehr ernst nimmt.
 
== Aufnahme des Mythos in der Wissenschaft ==
 
[[Sigmund Freud]] benannte ein [[Psychoanalyse|psychoanalytisches]] Phänomen nach dem Mythos „[[Wikipedia:Ödipus-Komplex|Ödipus-Komplex]]“ bzw. „Ödipuskonflikt“. Die kindliche Entwicklungsphase, in der die Rivalität zwischen Sohn und Vater ein zentrales Thema bildet, heißt nach Freud dementsprechend „ödipale Phase“.
 
[[Wikipedia:Erich Fromm|Erich Fromm]] verwirft diese Interpretation Freuds und führt unter Berufung auf [[Wikipedia:Johann Jakob Bachofen|Johann Jakob Bachofen]] aus, der Mythos (also alle drei Teile) beschreibe den Kampf zwischen [[Wikipedia:Patriarchat (Soziologie)|patriarchalischem]] und [[Wikipedia:Matriarchat|matriarchalischem]] Prinzip. In allen drei Teilen sei somit auf der ''familiären Ebene'' der Vaterkonflikt als Autoritätskonflikt zu deuten. Dies schlage sich auch auf gesellschaftlich-staatlicher Ebene nieder, in Person des Kreon, der für das patriarchalische Gesellschaftssystem eintritt, und seiner Konfrontation mit Antigone und Haimon, die beide die alte matriarchalische Ordnung vertreten. Kreon vertritt die Auffassung, dass die Söhne ihren Vätern zu Diensten sein sollen, das [[staat]]liche Gesetz oberste Priorität habe und der Herrscher den Staat und seine Untertanen besitze. Dies müsse laut Bachofen zur Zeit des Mutterrechts anders gewesen sein. Aufgrund der Unmöglichkeit, die Vaterschaft in einer [[Wikipedia:Promiskuität|promiskuitiven]] Gesellschaft zu bestimmen, müssten früher alle Menschen als Brüder und Schwestern gegolten haben und einzig die Frau habe ihre Kinder zuordnen können. Somit kam nach Bachofen der Blutsverwandschaft und dem mütterlich-fürsorglichen Prinzip eine größere Bedeutung zu als staatlichen Bindungen. Das mütterliche Prinzip finde sich jedoch nicht nur in Familie und Gesellschaft wieder, sondern auch in der [[Religion]], weshalb Bachofen darauf hinweist, dass die ältesten Gottheiten Frauen gewesen seien (z.&nbsp;B. [[Demeter]]). Ödipus sei in diesem Zusammenhang als einer der letzten Vertreter der matriarchalischen Ordnung zu verstehen.<ref>Erich Fromm: ''Märchen, Mythen, Träume.''</ref>
 
Der Philosoph [[Wikipedia:Michel Foucault|Michel Foucault]] beschrieb den Ödipus-Mythos in ''Die Wahrheit und die juristischen Formen'' als die Schilderung eines antiken „Kriminalfalles“, der auf zwei verschiedene Arten gelöst zu werden versucht: Einmal durch das archaische Mittel der „Probe“, also den Orakelspruch und das Gottesurteil, und dann später durch die „enquête“, die Untersuchung von Tathergängen und Befragung von Zeugen, die Ödipus selbst führt. Ödipus ist somit Opfer seines Wissens. Zuerst erhält er dadurch Macht (bei der Begegnung mit der [[Sphinx]]) und wird König von Theben, nur um sie dann eben durch sein erworbenes Wissen (nämlich wer er ist und dass er selbst seinen Vater tötete) wieder zu verlieren.
 
Die beiden [[Wikipedia:Poststrukturalismus|poststrukturalistischen]] Denker [[Wikipedia:Gilles Deleuze|Gilles Deleuze]] und [[Wikipedia:Felix Guattari|Felix Guattari]] gaben ihrer Kritik an der Freudschen [[Psychoanalyse]] 1972 den plakativen Titel ''Anti-Ödipus''. Als Vertreter der [[Wikipedia:Antipsychiatrie|Antipsychiatrie]] plädieren sie stattdessen für eine „[[Wikipedia:Schizoanalyse|Schizoanalyse]]“.
 
[[Wikipedia:Immanuel Velikovsky|Immanuel Velikovsky]] stellte in seinem (allerdings als [[Wikipedia:Pseudowissenschaft|pseudowissenschaftlich]] gewerteten) Buch ''Ödipus und Echnaton'' die Theorie auf, dass es sich hierbei um eine Wandersage aus dem „hunderttorigen“ [[Wikipedia:Theben (Ägypten)|ägyptischen Theben]] handeln müsse.<ref>Immanuel Velikovsky, Ilse Fuhr: ''Oedipus und Echnaton.''</ref>


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* [[Wikipedia:Oidipus tyrannos|Oidipus tyrannos]]
* [[Wikipedia:Ödipuskomplex|Ödipuskomplex]]
* [[Wikipedia:König Ödipus|König Ödipus]]


== Literatur==
[[Sigmund Freud]], [[Carl Gustav Jung]], [[Assoziation (Psychologie)]], [[Hypnose]]


* Jean Bollack: ''Ödipus. Von der Tragödie zum Komplex und vice versa.'' In: ''Maske und Kothurn'', Nr. 1/2006, S. 9–17, ISBN 3-205-77559-7-
== Literatur ==
* Wolfgang Christlieb: ''Der entzauberte Ödipus, Ursprünge und Wandlungen eines Mythos.'' Nymphenburger, München 1979, ISBN 3485018503.
#Rudolf Steiner: ''Individuelle Geistwesen und ihr Wirken in der Seele des Menschen'', [[GA 178]] (1992), ISBN 3-7274-1780-3 {{Vorträge|178}}
* [[Wikipedia:Erich Fromm|Erich Fromm]]: ''Märchen, Mythen, Träume.''  Rowohlt, Reinbek, ISBN 3499174480.
#Rudolf Steiner: ''Anthroposophische Pädagogik und ihre Voraussetzungen'', [[GA 309]] (1981), ISBN 3-7274-3090-7 {{Vorträge|309}}
* [[Wikipedia:Rudolf Heinz|Rudolf Heinz]]: ''Oedipus complex. Zur Genealogie von Gedächtnis.'' Passagen, Wien 1991,
#Rudolf Steiner: ''Das esoterische Christentum und die geistige Führung der Menschheit'', [[GA 130]] (1995), ISBN 3-7274-1300-X {{Vorträge|130}}
* [[Wikipedia:Claude Lévi-Strauss|Claude Lévi-Strauss]]: ''Die Struktur der Mythen.'' In: ders.: ''Strukturale Anthropologie,'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 1967, S. 227–254.
#Rudolf Steiner: ''Initiations-Erkenntnis'', [[GA 227]] (2000), ISBN 3-7274-2271-8 {{Vorträge|227}}
* Immanuel Velikovsky, Ilse Fuhr: ''Oedipus und Echnaton,'' Europa-Verlag  1966.
#Rudolf Steiner: ''Die Erneuerung der pädagogisch-didaktischen Kunst durch Geisteswissenschaft'', [[GA 301]] (1991), ISBN 3-7274-3010-9 {{Vorträge|301}}
* Rudolf Steiner: ''Der Zusammenhang des Menschen mit der elementarischen Welt'', [[GA 158]] (1993), ISBN 3-7274-1580-0 {{Vorträge|158}}
#[[Rudy Vandercruysse]]: ''Die therapeutische Dimension des Denkens: anthroposophische Aspekte zur Psychoanalyse'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1999, ISBN 3772518559
* Rudolf Steiner: ''Geisteswissenschaftliche Erläuterungen zu Goethes «Faust»'', Band II: Das Faust-Problem, [[GA 273]] (1981), ISBN 3-7274-2730-2 {{Vorträge|273}}
* Rudolf Steiner: ''Der Orient im Lichte des Okzidents'', [[GA 113]] (1982), ISBN 3-7274-1130-9 {{Vorträge|113}}


{{GA}}
{{GA}}


== Weblinks ==
== Einzelnachweise ==
{{Commons|Oedipus|Ödipus}}
<references />
* [http://gutenberg.spiegel.de/schwab/sagen/sch1531.htm Die Ödipussage beim Projekt Gutenberg]
* [http://www.theaterportal.de/detail_search?stueck=%D6dipus ''Ödipus'' im Spielplan deutschsprachiger Bühnen]
* [http://web.tiscali.it/korff/Oedipus-Komoedie.pdf „König Ödipus – Eine Komödie aus der Alten Zeit“]


[[Kategorie:Griechische Mythologie|Odipus]]
{{Wikipedia}}
[[Kategorie:Griechische Sage]]
[[Kategorie:Ödipus]]


 
[[Kategorie:Psychoanalyse|!]]
{{Wikipedia}}

Version vom 21. August 2019, 14:43 Uhr

Der junge Sigmund Freud mit seiner Mutter Amalie

Die Psychoanalyse (von griech. ψυχή psyche ‚Seele‘ und ἀνάλυσις analysis ‚Zerlegung‘, im Sinne von „Untersuchung, Enträtselung der Seele“) ist eine psychologische Theorie, die um 1890 von dem Wiener Neurologen Sigmund Freud begründet wurde. Aus der Psychoanalyse heraus haben sich später die verschiedenen Schulen der Tiefenpsychologie entwickelt.

Der Begriff „Psychoanalyse“ steht sowohl für das auf Freuds Theorien über die Psychodynamik des Unbewussten gegründete Beschreibungs- und Erklärungsmodell der menschlichen Psyche als auch für die psychoanalytischen Therapien – eine Gruppe von Verfahren zur Behandlung innerer und zwischenmenschlicher Konflikte – sowie für die psychoanalytische Methodik, die sich auch mit der Untersuchung kultureller Phänomene beschäftigt. In allen drei Aspekten wird die Psychoanalyse bis heute von Klinikern und Forschern weiterentwickelt und verändert; so ist die moderne Psychoanalyse durch einen theoretischen, methodischen und therapeutischen Pluralismus charakterisiert.

Anerkennenswertes

"Diese Psychoanalyse hat wenigstens die Menschen aufmerksam gemacht darauf, dass Seelisches als Seelisches zu nehmen ist." (Lit.: GA 178, S. 144)

"Also immerhin sicher ein Weg, auf dem die Leute suchen, aus dem bloßen Materialismus herauszukommen und das Seelische ins Auge zu fassen." (Lit.: GA 178, S. 135)

Werden die Beobachtungen aus der Psychoanalyse richtig interpretiert, können sie für den Geisteswissenschaftler durchaus interessant sein.[1]

Auch die lindernde Wirkung, durch die Möglichkeit „sich über das auszusprechen, was einen drückt“[2], hebt Rudolf Steiner als positiven Aspekt hervor.

Geistiger Hintergrund

Die geistige Hintergrund der Erkrankungen, auf deren Heilung die Psychoanalyse abzielt, ist nach Rudolf Steiner darin zu sehen, dass gegenwärtig der obere, bewusstere Teil des Astralleibs immer kleiner wird, während der untere, unbewusste Teil immer mehr anwächst. Diese Tendenz wird sich weiter fortsetzen. Dadurch bilden sich im Unterbewusstsein vermehrt krankheitsbildende «verborgene Seelenprovinzen», die die Psychoanalyse ins Bewusstsein zu heben versucht, um die durch sie bedingte seelische Verletzung zu heilen.

„Sehen Sie, da finden Sie heute, indem die naturwissenschaftlich-medizinischen Anschauungen über den Menschen erweitert werden, daß es Menschen gibt, die im späteren Leben irgendwie in nervöse Zustände bekommen, die sich bis in die physische Konstitution des Menschen hineinerstrecken können, die zu wirklichen Krankheitsbildern führen. Da sieht dann die gegenwärtige Medizin, wie sie ohnmächtig ist, diese Krankheitsbilder in irgendeiner Weise anschaulich zu beherrschen, eine Pathologie bis zur Therapie zu treiben. Ich war selber ein unmittelbarer Zeitgenosse, als der ausgezeichnete Wiener Arzt, der Internist Breuer, einmal vor einem solchen Fall stand, wo etwas auftrat an einer Persönlichkeit, das aus physischer Forschungsmethode nicht mehr pathologisch zu fassen war. Da wurde zu der damals ja immer beliebter werdenden Hypnose Zuflucht genommen. Da versetzte man die Persönlichkeit in eine Hypnose. Man kam tatsächlich durch das Erforschen des hypnotisehen Zustandes darauf, wie ein furchtbar schockierendes, ein furchtbar schreckmachendes Lebensereignis in einer früheren Lebensepoche da war. Dieses Lebensereignis war gewissermaßen, so konnte man sich es dazumal nur erklären, hinuntergezogen in die untere Region des menschlichen Lebens, wo das Unterbewußte, das Unbewußte lagert. Da bildete es gewissermaßen eine «verborgene Seelenprovinz». Aber wenn der Mensch auch von so etwas nichts weiß, so ist es doch da in seinem Leben. Und es kann sogar krankheitserzeugend da sein. Dann hat man etwas in dem Menschen drinnen, was nur ein seelisches Erlebnis war, was nachwirkt, nachrumort, was gewissermaßen eine isolierte Provinz im Seelenleben ist, deren sich der Mensch nicht bewußt ist.

Man kam darauf: Wenn man den Menschen daran erinnert, wenn man so etwas heraufbringt ins Bewußtsein, so daß er es bewußt ergreift, so kann es zur Heilung führen.

Solche Tatsachen wird man aber im gegenwärtigen Erdenleben immer mehr und mehr finden. Aber man wird wissen müssen, wenn man verstehen will, warum die Menschheit befallen wird von solchen Zuständen - und immer mehr und mehr wird sie davon befallen werden -, man wird wissen müssen aus einer geistigen Erkenntnis heraus, wie es mit dem Immer-Kleinerwerden des oberen Teiles des astralischen Leibes wird, und wie in dem immer größerwerdenden unteren Teil des astralischen Leibes eine Tendenz besteht zur Ansammlung von solchen unterbewußten Seelenprovinzen. Man wird aufsteigen müssen von der seelenhaften Erkenntnis des Menschen zu der historischen Geist-Erkenntnis, zu der kosmischen Geist-Erkenntnis, um überhaupt solche Erscheinungen erklären zu können. Breuer war eine tiefere Natur - ich kannte ihn sehr gut - und ließ, weil er empfand, daß man in dieser Weise nicht weitergehen kann mit dem bloßen Wissen der Gegenwart, sozusagen den Faden der Forschung fallen. Dann nahmen ihn andere auf, Freud vor allen Dingen und seine Nachfolger, und es wurde dasjenige daraus, was gegenwärtig als Psychoanalyse überall funktioniert. Die beruht auf etwas durchaus Wahrem, denn die Erscheinungen sind da. Man ist genötigt, dasjenige, was sich physisch ausdrückt, im Seelenhaften zu suchen. Der Gedanke ist richtig; aber man hat nicht die Wissenschaft, um das zu beherrschen, denn diese Wissenschaft würde erst die Geisteswissenschaft sein. Und so tritt diese Psychoanalyse, die auf der ganz natürlichen, historisch vor sich gehenden Defektheit des oberen astralischen Leibes des Menschen beruht, mit diesen Tatsachen auf bei Leuten, die erstens Dilettanten sind in der Seelenforschung, in der Geistesforschung, aber die auch Dilettanten sind in der Leibesforschung, in der Körperforschung, denn sie wissen nicht dem Geist in den Leib hinein zu folgen. So kommen zwei Dilettantismen zusammen, die wirklich einander gleich sind, denn diese Leute wissen wirklich so wenig vom wirklichen Seelen- und Geistesleben des Menschen wie vom physischen und ätherischen Leben. Diese zwei Größen kommen zusammen, und wenn zwei gleiche Größen aufeinander wirken, so multiplizieren sie sich: a x a = a2 oder D x D = D2, Dilettantismus multipliziert mit Dilettantismus ist Dilettantismus zum Quadrat. Es ist tatsächlich so, daß ein Richtiges, etwas, was auf ganz richtigen Unterlagen beruht, durch die Ohnmacht der Forschung in der Gegenwart eben als Dilettantismus sich darstellt. Aber man sieht in so etwas das Streben nach dem Richtigen. Man darf so etwas wie Psychoanalyse nicht wiederum hinstellen als etwas, was des Teufels ist, sondern als etwas, worin sich zeigt, daß unsere Zeit das will, was sie eben nicht kann, daher so etwas, wie das, was in der Psychoanalyse auftritt, erst in sein richtiges Fahrwasser eintreten wird, wenn es in die Geistesforschung mündet.“ (Lit.:GA 227, S. 292ff)

Die unzulänglichen Erkenntnismittel der Psychoanalyse

"So dass man sagen kann: Psychoanalyse ist in unserer Zeit eine Erscheinung, welche die Menschen nötigt, aufmerksam zu werden auf gewisse Seelenvorgänge; auf der andern Seite aber veranlasst sie die Menschen, solche Seelenerscheinungen mit, ich möchte sagen, unzulänglichen Erkenntnismitteln zu betrachten. Und das ist ganz besonders bedeutsam, weil diese Betrachtung mit unzulänglichen Erkenntnismitteln einer Sache, die ganz augenscheinlich da ist und die menschliche Erkenntnis in der Gegenwart herausfordert, zu den mannigfaltigsten schweren Verirrungen führt und nicht ungefährlich ist für das soziale Leben, für die Fortentwickelung der Erkenntnis und den Einfluß dieser Fortentwickelung der Erkenntnis auf das soziale Leben.

Man kann schon sagen: Viertelswahrheiten können unter Umständen schädlicher sein als ganze Irrtümer. Und als eine Art von Viertelswahrheiten müssen schon die Dinge betrachtet werden, welche bei den psychoanalytischen Theoretikern heute zutage treten." (Lit.: GA 178, S. 124)

"Die Psychoanalyse macht vor allen Dingen den Fehler, daß sie Erscheinungen isoliert betrachtet, die nur, wenn sie an andere Erscheinungsreihen angeschlossen werden, erklärbar sind. Durch diese einseitige Betrachtung entstehen Fehler." (Lit.: GA 301, S. 243)

Hereinwirkung der Toten in das Unterbewusstsein

"Würde der Materialismus siegen, so würden die Menschen immer mehr und mehr den Glauben haben: Alles, was vom Toten übrig ist, ist in der Urne oder im Grabe verwesend. - Dieser Gedanke ist aber eine reale Macht. Er ist eine Unwahrheit. Wenn der hier Zurückbleibende denkt: Der Tote ist nicht mehr lebend, der Tote ist nicht mehr da - , so ist es ein falscher Gedanke, aber dieser falsche Gedanke ist doch in den Seelen, die ihn denken, real, ist doch wirklich. Diesen wirklichen Gedanken nimmt der Tote wahr; er nimmt ihn als sehr bedeutsam für sich wahr. Und das ist nicht einerlei, sondern im Gegenteil von grundwesentlicher Bedeutung, ob derjenige, der hier zurückbleibt, in lebendigem innerem Seelenleben pflegt den Gedanken an den fortlebenden Toten, an den in der geistigen Welt befindlichen Toten, oder ob er mehr oder weniger sich dem Jammergedanken hingibt: Der Tote ist eben tot, verwest. - Das ist nicht nur nicht gleichgültig, sondern es ist ein ganz wesentlicher Unterschied [...]

Und jetzt beginnt das gefährliche Spiel. Da suchen nun die Psychoanalytiker alles mögliche als isolierte, unterirdische, verborgene Seelenprovinz, wie sie sich ausdrücken; suchen nach bei jemand, der hysterisch in seinem dreißigsten Jahre ist, nach Verirrungen in seinem siebenten Jahre, die dazumal nicht ausgelebt worden sind, die man ihm wieder ins Bewußtsein bringen muß, weil dieses Ins- Bewußtsein-Bringen heilen soll und so weiter. Es ist ein Spiel mit außerordentlich gefährlichen Waffen! [...] Es ist wahr, in vielen Menschen spielt heute Unterbewußtes, das nicht heraufkommt ins Bewußtsein. Aber das, was die Psychoanalytiker herauszufinden glauben, ist in der Regel das allerwenigst Bedeutsame; deshalb werden auch die Heilerfolge in der Regel recht fragliche sein. Wenn man irgendeine dreißigjährige Dame findet und eine sexuelle Verirrung in ihrem vierzehnten Jahre, die sich nicht ausgelebt hat, und die daher fortwuchert und die Hysterie bewirkt, so hat man noch das Allerunbeträchtlichste [...]

Denken Sie an das, was ich schon angeführt habe. Der Gedanke an den nicht mehr vorhandenen Toten, der lebt in der Seele, lebt irgendwie, ohne daß die Seele eigentlich viel darüber nachdenkt, lebt bloß deshalb, weil die Seele heute noch gedankenlos ist, und diese Seele ist etwas empfindlich für solche gedankenlose Gedanken - dann ist der Tote durch die ewigen Weltgesetze gezwungen, mit diesen Gedanken zu leben; der Tote spukt in der Seele des zurückgebliebenen Lebendigen. Dem ist nur zu begegnen dadurch, daß man weiß, der Tote lebt. Und immer mehr und mehr werden durch den Unglauben an das Leben der Toten die Menschen auf dem physischen Plane in Seelenkrankheiten hineingetrieben werden. Es sind in der Regel nicht sexuelle Jugendverirrungen, es sind die Gedanken des Unglaubens, die diese Erscheinungen bewirken. Denn die Gedanken haben in unserer Zeit den Beruf, reale Mächte zu werden, nicht nur solche reale Mächte, die für sich wirken; für sich wirken sie, indem die Seele nach dem Tode immer ähnlicher wird dem, als was sie sich vorstellt in dem Leibe; in höherem Sinne noch werden diese Gedanken reale Mächte dadurch, daß sie sogar Wesen, in diesem Falle die Toten selber, in einer unrichtigen Weise verbinden mit den Lebenden. Nur dadurch, daß man, so gut man es kann, die Gedankenverbindung mit dem Verstorbenen aufrecht erhält als einem Fortlebenden, rettet man auch sich davor, daß das Verhältnis zum Toten verhängnisvoll wird für den zurückgebliebenen Lebenden, und in gewisser Beziehung auch für den Verstorbenen selbst, der fortwährend aus einem ewigen, weisheitsvollen Gesetze heraus in die Notwendigkeit versetzt ist, in dem Zurückgebliebenen so zu spuken, daß dem Zurückgebliebenen dies nicht einmal zum Bewußtsein kommt, sondern in krankhaften Erscheinungen sich auslebt.

Fragen Sie jetzt: Was wird das wirkliche Heilmittel für viele solche Erscheinungen sein, wie sie dem Psychoanalytiker heute entgegentreten? - Die Verbreitung der Kenntnis von der geistigen Welt. Die ist das allgemeine Heilmittel, die allgemeine Therapie, nicht diese individuelle Behandlung, die man einem einzelnen angedeihen läßt." (Lit.: GA 178, S. 111ff)

Psychoanalyse und Karma

"Denken Sie sich das Verhältnis des Pädagogen, der psychoanalytisch vorgehen will, zu einem Zögling oder zu einem Patienten. Indem er sich heranmacht an seinen Seeleninhalt, der in die Gefühlssphäre hineinrutscht, macht er sich nicht nur an das individuelle Leben des Menschen heran, sondern er macht sich heran an das umfassende Leben, das über das Individuelle weit hinausgeht. Für dieses umfassende Leben liegen aber zwischen den Menschen nicht Zusammenhänge vor, die sich durch bloße Vorstellungen erschöpfen lassen, sondern die führen hinein in reale Lebenszusammenhänge - das ist sehr wichtig! Denken Sie also, es würde ein solches Verhältnis des psychoanalytischen Erziehers zu dem Zögling stattfinden, so würde das, was sich da abspielt, sich nicht abspielen können bloß auf dem Vorstellungsgebiete, indem man dem Betreffenden etwas beibringt, sondern es würden sich reale karmische Beziehungen anknüpfen müssen, weil man viel mehr in das Leben hineingreift. Man würde gewissermaßen das betreffende Individuum herausreißen aus seinem Karma, würde es in seinem karmischen Verlauf ändern. Das kann nicht gehen, dass man dasjenige, was über das Individuum hinausführt, individuell behandelt, sondern das muss generell, allgemein-menschlich behandelt werden. Wir sind in einer gewissen Zeitepoche zusammengeführt, also muss wirken ein Gemeinsames, sobald man über das Individuelle hinausgeht. Das heißt, es darf nicht gegenübertreten Individuum dem Individuum und das Individuum therapeutisch oder pädagogisch so behandeln, wie es der Psychoanalytiker macht, sondern es muss etwas Allgemeines eintreten. In die Zeitkultur muss etwas hereintreten, was die Seele hinweist auf dasjenige, was sonst unterbewusst bleibt; und das, was heraufzieht, das muss nur Milieu werden, nicht eine Angelegenheit, die sich von Individuum zu Individuum abspielt.

Hier liegt der große Fehler, der gemacht wird, der von einer ungeheuren Tragweite, von einer riesigen Bedeutung ist. Statt die Bestrebung dahinzuführen, das Geistesleben zu durchdringen mit dem, was Wissen von der geistigen Welt werden kann, wie es in der Gegenwart sein muss, sperrt man diejenigen Seelen, an denen sich zeigt, wie das zurückgestaute Geistesleben krankhaft wirkt, in Sanatorien ein und behandelt einen einzelnen. Das kann niemals zu etwas anderem führen, als dass karmisch verworrene Verhältnisse sich anknüpfen, dass aus dem, was sich vollzieht zwischen den Individuen, nicht herauskommt ein wirkliches Heben des unterbewussten Seeleninhaltes, sondern dass sich karmische Beziehungen zwischen den Behandelnden und dem Behandelten anknüpfen, weil es übergreift in das Individuelle." (Lit.: GA 178, S. 167)

Siehe auch

Sigmund Freud, Carl Gustav Jung, Assoziation (Psychologie), Hypnose

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Individuelle Geistwesen und ihr Wirken in der Seele des Menschen, GA 178 (1992), ISBN 3-7274-1780-3 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  2. Rudolf Steiner: Anthroposophische Pädagogik und ihre Voraussetzungen, GA 309 (1981), ISBN 3-7274-3090-7 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  3. Rudolf Steiner: Das esoterische Christentum und die geistige Führung der Menschheit, GA 130 (1995), ISBN 3-7274-1300-X pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  4. Rudolf Steiner: Initiations-Erkenntnis, GA 227 (2000), ISBN 3-7274-2271-8 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  5. Rudolf Steiner: Die Erneuerung der pädagogisch-didaktischen Kunst durch Geisteswissenschaft, GA 301 (1991), ISBN 3-7274-3010-9 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  6. Rudy Vandercruysse: Die therapeutische Dimension des Denkens: anthroposophische Aspekte zur Psychoanalyse, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1999, ISBN 3772518559
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
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