Martin Scherber und Graien: Unterschied zwischen den Seiten

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Martin Scherber (* 16. Januar 1907 in Nürnberg; † 10. Januar 1974 ebenda) war ein deutscher Komponist und Schöpfer der Metamorphosensinfonik.
[[Datei:Fuseli perseus.jpg|miniatur|''Perseus Returning the Eye of the Graii'' (Perseus gibt Auge der Graien zurück); Zeichnung von [[Wikipedia:Johann Heinrich Füssli|Johann Heinrich Füssli]]]]
[[Bild:Scherber Martin (1907-1974).jpg|right|thumb|Martin Scherber um das Jahr 1930, vermutlich in Aussig an der Elbe]]  
Die '''Graien''' ({{ELSalt|γραῖαι}}, ''Greisinnen'') oder '''Phorkyaden''' mit Namen Pemphredo, Enyo und Deino sind die Töchter des [[Phorkys]] und der [[Ketos]]. Sie sind in der [[Wikipedia:Griechische Mythologie|griechischen Mythologie]] als die drei Schwestern der [[Gorgonen]] oder auch als „die Grauen“ bekannt, da sie seit Geburt grauhaarig sind. Die Graien sind anscheinend nichts anderes als das personifizierte Alter<ref>[[Wikipedia:Herbert Jennings Rose|Herbert J. Rose]]: ''Griechische Mythologie – Ein Handbuch'', S. 28. [[Wikipedia:Verlag C. H. Beck|Verlag C. H. Beck]], München, 2003. ISBN 978-3-406-494581.</ref>.


== Kindheit und Jugend ==
Um sie von anderen greisen Göttinnen, wie den [[Moiren]], zu unterscheiden, werden sie auch als die „Graeae des Phorkys“, „Phorkiden“ oder „Phorkyaden“ bezeichnet. Sie kamen schon als Greisinnen zur Welt und teilten sich zusammen einen Zahn und ein Auge, die sie sich gegenseitig bei Bedarf überließen, und an ihrer Wohnstatt, einer Höhle am Fuße des [[Wikipedia:Atlas (Gebirge)|Atlas]], leuchteten weder [[Sonne]] noch [[Mond]] – ein Hinweis darauf, dass von [[Perseus (Mythologie)|Perseus]] sehr viel verlangt wurde, als er sich mit ihnen treffen musste.  
In den frühen Morgenstunden des 16. Januar 1907 erblickte Martin Scherber in Nürnberg als drittes und jüngstes Kind von Marie und Bernhard Scherber <ref> Bernhard Scherber * 1. Dezember 1864 in Klein Tschachwitz bei Dresden - † 8. Juni 1941 in Nürnberg; Maria Scherber geb. Egloff * 20. Juli 1878 in Maxhütte/Oberpfalz - † 11. März 1963 in Nürnberg </ref>  das Licht der Welt. Sein Vater war erster Kontrabassist am Städtischen Opernhaus (heute: [http://de.wikipedia.org/wiki/Staatstheater_N%C3%BCrnberg Staatstheater Nürnberg]) <ref> Booklet zur ''Sinfonie No. 3 in h-moll durch Martin Scherber'', Peermusic Classical, Hamburg/ col legno Bad Wiessee 2001, S. 7. </ref>, seine Mutter arbeitete in dessen Verwaltung, bis die Kindererziehung ihre Hauptaufgabe wurde.  


Als Kind hatte er eine weit zurückgehende Erinnerung, empfand sich ‚aus dem Paradies verstoßen' und erlebte sich, insbesondere, wenn ihm Märchen erzählt wurden, in eine Bilderwelt versetzt, die ihm Kunde vom eigentlichen Leben zuzuströmen schien. Er war ein stilles Kind, voller Fragen – ohne zu fragen.  ''„Dieser Tatbestand , dass mir abwechselnd die Innenwelt zu einer real erlebten und angeschauten Welt wurde, wobei dann die Außenwelt wie ein leiser Traum war, und dann wieder die Welt, die mit Augen gesehen wird, real erlebbar wurde, wodurch die Innenwelt verfinstert wurde – etwa wie die Sterne durch die Sonne unsichtbar werden – dieser Tatbestand, das Leben in zwei nicht voll verstandenen Welten – ist mir der eigentliche ‚Schlüssel’ geworden für alle Welträtsel und [Welt]geheimnisse.“'' <ref> Martin Scherber ''Autobiographische Notiz 1'' aus dem Nachlaß; Archiv des Bruckner-Kreises Nürnberg (A/BRK-N)</ref> 
Perseus überlistet sie auf seiner Suche nach der Gorgo [[Medusa]], deren Aufenthaltsort nur die Graien kennen, indem er ihnen anbietet, das Auge und den Zahn zu halten, damit sie seine Wegzehrung essen können, nach der es sie gelüstet. Perseus erpresst sie nun: Entweder sie sagen ihm, wo die Medusa zu finden sei, oder alle drei bleiben blind und zahnlos. Nachdem er die Auskunft bekommen hat, gibt er ihnen wohl den Zahn zurück, wirft das Auge aber in den „Tritonissee“, so dass sie danach tauchen müssen und die daneben wohnenden [[Nymphe]]n durch dieses erzwungene Bad endlich von deren Gestank befreit werden.


Mit sieben Jahren kam er in die in seiner direkten Nachbarschaft liegende Volksschule <ref>heute Bismarck-Schule </ref>. Hier hatte er große Sorge, dass ihm das geschilderte Erleben 'wegpädagogisiert' würde, wie er sich später erinnernd ausdrückte. Es blieb ihm aber geschützt und dadurch erhalten. Früh zeigten sich technische, musikalische und darüber hinausgehende Begabungen, welche in einem liebevollen Mitleben seiner natürlichen und sozialen Umwelten bestanden.  
Ein alternativer Geschichtsverlauf wird von [[Wikipedia:Karl Kerényi|Karl Kerényi]] wie folgt dargestellt: Die Graien halten jeweils einzeln Wache am Eingang zu den Gärten der [[Hesperiden]], müssen sich somit beim Wachwechsel das einzige Auge überreichen und sind jeweils zu diesem Zeitpunkt alle zusammen blind. Perseus – zusätzlich unter dem Schutz seiner [[Tarnkappe]] – wartet auf diesen Augenblick und stiehlt den Graien das Auge, um sie erpressbar zu machen. [[Hesiod]] kennt nur zwei Graien, nämlich die „schöngewandete“ Pemphredo und die „[[Wikipedia:safran|safran]]-gewandete“ Enyo und betont deren schönes Gesicht. Nach einer anderen Erzählung handelt es sich bei den Graien um [[Schwäne|schwanenähnliche]] greise [[Jungfrau]]en.


Er kam 1918 auf die Oberrealschule <ref> Oberrealschule an der Löbleinstraße; heute: [http://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Sachs-Gymnasium_N%C3%BCrnberg Hans-Sachs-Gymnasium Nürnberg]</ref>, da sein Vater meinte, er wäre prädestiniert für das Ingenieurdasein.  Schließlich entschied er sich jedoch für die Musik.
== Literatur ==
* ''[[Wikipedia:Bibliotheke des Apollodor|Bibliotheke des Apollodor]]'' 2, 4, 2, 3.
* [[Wikipedia:Hesiod|Hesiod]], ''[[Wikipedia:Theogonie|Theogonie]]'' 270 f.
* [[Johann Wolfgang von Goethe]], [[Faust. Der Tragödie zweiter Teil]]
* [[Wikipedia:Karl Kerényi|Karl Kerényi]]: ''Die Mythologie der Griechen - Die Götter- und Menschheitsgeschichten''. Deutscher Taschenbuchverlag, München 1992, ISBN 3-423-30030-2.


Beim immer umfangreicher ausgeübten Musizieren – er hatte mit etwa fünf Jahren bei seinem strengen Vater angefangen, Geige zu spielen, wozu bald Klavier kam – erlangte er eine Geistesgegenwart, welche ihm erlaubte, ohne Noten, die er einfach nicht lernen wollte, synchron mit seinem Mitspieler zu musizieren. Eine Eigenschaft, die später beim Unterrichten dazu führte, dass er praktisch gleichzeitig mit den Taktfehlern seiner Schülerinnen und Schüler mitsprang. Wenn er musizierte, hatte er das Empfinden ''‚hinter die Wände’'' zu treten, später kam, als er mit dreizehn Jahren anfing zu komponieren, das Erleben dazu, wie er eingebettet war in eine '' 'Hülle aus Musik' '' , oder wie er es auch ausdrückte - in eine '' 'Mutterhülle aus Klängen' '' <ref> Martin Scherber: ''Autobiographische Notiz 2.'' Archiv Bruckner-Kreis Nürnberg (A/BRK-N). </ref>.  Diese  rätselhaften Erlebnisse versuchte er von da an zu ergründen. 
== Einzelnachweise ==
 
== Studium in München und Zeit in Aussig ==
Ab September 1925 besuchte er die Staatliche Akademie der Tonkunst in München <ref> heute: [http://website.musikhochschule-muenchen.de/de/index.php Hochschule für Musik und Theater] </ref>. Dazu erhielt er Stipendien <ref> Vermutlich von der Stadt Nürnberg - für die gesamte Studienzeit an der Akademie 1925-28 </ref>. Gleichzeitig studierte er als Gasthörer an der Universität München Philosophie. Hier befasste er sich besonders mit Erkenntnistheorie, d.h. der Verständigung des tätigen Bewusstseins mit sich selbst und den Eingliederungsmöglichkeiten dieser Bewusstseinstätigkeiten in das Weltgeschehen. Beides - die Innen- und Außensicht - verschmolz er in seinem künstlerischen Erleben und gewann dadurch eine sichere Basis für das Erfassen der sich dabei bietenden Zusammenhänge. Die verborgen gebliebenen Fragen seiner Kindheit konnten nun aus diesen neu errungenen Einsichten heraus richtig gestellt werden.  Dabei stieß er zuerst auf das Werk von [http://wiki.anthroposophie.net/Goethe Johann Wolfgang von Goethe] (1749-1832), dessen umfassende Weltsicht und künstlerische Art, mit den inneren und äußeren Phänomenen umzugehen, ihn unmittelbar ansprach.
Während seiner Goethestudien fragte er den Fremden, welcher sich  bei seinen Eltern eingemietet hatte und eine kleine Bibliothek besaß, nach Schriften über Goethe, und er erhielt das Buch ‚Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung’ <ref>  '' 'Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung mit besonderer Rücksicht auf Schiller' '' von 1886;  Rudolf Steiner Verlag Dornach, 8. neu durchgesehene Auflage 2003 ('''G'''esamt'''A'''usgabe) GA 2, ISBN 978-3-7274-0020-9 </ref>. Das war ungefähr im Jahre 1925. Der Autor dieser Abhandlung - [http://wiki.anthroposophie.net/Steiner Rudolf Steiner] (1861-1925) - berührte ihn durch seine unkonventionelle und lebendige Darstellungsweise gerade der Fragen, die ihm so am Herzen lagen. Nun begann er dessen erkenntnispraktische und spirituelle Hinweise mit der ihm eigenen Selbständigkeit zu erproben. Dadurch gelang es ihm, langsam bewusster an die inneren Quellen der Musik heranzukommen.
 
Nach seiner Münchner Zeit – vermutlich hatte er dort in der Nähe des Englischen Gartens gewohnt – ging er nach [http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Ast%C3%AD_nad_Labem  Aussig], heute Tschechien. Dort war er am Stadttheater von 1929-33 Korrepetitor, später Kapellmeister und Chorleiter. Obwohl er große Anerkennung fand <ref> ''"Grandiose Goethefeier im Stadttheater"''  mit Prolog von Martin Scherber, Zeitung Aussig, 1932, Zum 200. Todestag Goethes, genaues Datum der Feier unbebekannt </ref>, verließ er 1933 die Elbestadt. In Nürnberg machte er sich selbständig, leitete Chöre, Ensembles und wirkte dort, von 1940-46 durch Kriegsdienst und Gefangenschaft unterbrochen, als Privatmusiklehrer und freischaffender Komponist.
[[File:Martin Scherber am Bechsteinflügel in seinem Musikzimmer - 1950er Jahre.jpg|left|200px|thumb| Der Komponist während der Entstehungszeit der Grossen Metamorphosensinfonien in seinem Musikzimmer am Bechsteinflügel ; etwa Anfang der 1950er Jahre]]
 
== Nürnberg - Hauptort eines verborgenen Wirkens ==
Hier entstanden seit 1935 in aller Stille die meisten seiner Werke: Kammermusiken und Chöre a capella oder mit Begleitung; Lieder  und Liedzyklen; der Zyklus 'ABC-Stücke für Klavier' (ca. 1935-65) - ein Versuch, die deutschen Sprachlaute 'musikalisch einzufangen'; seine Klavierbearbeitungen der Bruckner-Symphonien Nr. 3-9 (1948-50) und die beiden großen Metamorphosensymphonien in den Jahren 1951-55 als Fortsetzung des sinfonischen Prologs von 1938. Auch von diesen gibt es Auszüge für zwei Klaviere.
 
Martin Scherber  verbrannte alle Werke, die er vor dem Jahre 1935 geschrieben hatte. Darunter waren Walzer, Märsche, Rhapsodien, Passacaglias, Fugen, Variationen, Klaviersonaten, ein Streichtrio und Teile der Goethelieder von 1930. Verschollen blieben die Toten-, Bergmanns- und Winterlieder; die Klavierstücke ''‚Der Teufel entführt eine Seele’'' und die Märchenmusik für Streichorchester ''‚Prinzessin Sternröslein’''  (Aussig). Aufgetaucht sind wieder einige seinerzeit verschenkte Kompositionen wie die sieben Goethelieder von 1930, die sich vierzig Jahre später bei der Sängerin Magda Steiner-Hauschild in Wien wiederfanden. Sie hatte in Aussig zu Scherbers dortiger Zeit debutiert und nahm nach seinem Unfall 1970 wieder Kontakt zu ihm auf <ref>Die ''Sieben Goethelieder'' und ein Lied von Martin Scherber ('''So schön war jene Stunde''') wurden 2009 eingespielt, aber noch nicht veröffentlicht. Interpreten: Thomas Heyer (Tenor, Frankfurt) und Lars Jönsson (Klavier, Stuttgart)</ref>. 
 
Die Anregungen, die ihm durch die Werke von Goethe und Steiner zuflossen, waren einige der frühen Voraussetzungen für Scherbers spätere künstlerische Erkenntniserlebnisse. Die Entdeckung der Metamorphose als ''‚Wesenselement der Musik’'' <ref> Henning Kunze: ''Die Metamorphose als Wesenselement der Musik.'' In: ''Die Drei.'' 9/1990, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1990, S. 676-687, Hinweise auf die Zweite Sinfonie </ref> wurde dadurch vorbereitet. Sie ging ihm in den beginnenden 1930er Jahren auf und wurde allmählich durch die meditative Arbeit <ref> Henning Kunze: ''Zur Dritten Symphonie von Martin Scherber.'' Booklet zur Dritten, Peermusic Classical/col legno, 2001, S. 4-7. </ref> und seine sich ausweitende innere menschlich-musikalische Entwicklung  hervorgeholt. In einem Brief an Magda Steiner schreibt er im Januar 1932 ''„Mit dem Komponieren steht es augenblicklich ein wenig schlimm – ich merke beim Phantasieren, das etwas ganz anderes werden will. Es ist noch nicht bestimmt [...] Es muß eine ganz neue Art der Musik, eine ganz neue Einstellung zur Musik heraufkommen.“'' Das empfanden auch viele seiner zeitgenössischen Komponistenkollegen und suchten nach eigenständigen Wegen. Es dauerte aber Jahre bis Scherber seine Fähigkeiten so weit gesteigert hatte, dass als Ansatz die I. Symphonie niedergeschrieben werden konnte. Eigentlich wollte er ein Chorwerk schaffen. Das war 1938.
Erst nach seinen Erlebnissen im Zweiten Weltkrieg <ref> Er wurde am 6.11.1940 als Soldat nach Brockzettel einberufen, war mit der schweren Bahnflak in Deutschland, Polen, Frankreich und Dänemark unterwegs, kam ins Musikcorps nach Rerik, war Sanitäter vom 7.5.-29.11.1945 in Lüneburg, wurde dann in Munsterlager vom 29.11.1945-22.1.1946 gefangen gesetzt und schließlich über Lüneburg nach Nürnberg entlassen </ref>, und nachdem er auch die Symphonik von [http://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Bruckner Anton Bruckner]  bei der Umsetzung in Klavierbearbeitungen <ref>Wilhelm Furtwängler schrieb über die Klavierbearbeitungen: ''"Sie sandten mir neben einigen verständnisvollen Worten über mein Buch ,Gespräche über Musik', für die ich Ihnen vielmals danke, einige Proben Ihrer Klavierbearbeitung der 7. Symphonie von Bruckner. Dieselbe scheint mir getreu und vernünftig zu sein - das Beste was man von einer Klavierbearbeitung sagen kann. ..."'' (Wilhelm Furtwängler (1886-1954), Brief vom 12. September 1950)</ref> genau durchgenommen hatte, war das seelisch-geistige Terrain bereitet für die Weiterführung der symphonischen Entwicklung zu den Grossen Metamorphosensymphonien im Beginn der 1950er Jahre.
Neben dem Unterrichten und Komponieren leitete Scherber über Jahrzehnte hinweg (1946-74) Kurse und Arbeitskreise zu erkenntnistheoretischen, künstlerischen und sozialen Themen. Er war ein sensibler, humorvoller, sehr aufmerksam zuhörender Gesprächspartner und war fähig, in den Fragen, Problemen und Idealen seiner Gesprächspartner zu leben. Daraus erwuchsen die Anregungen, die er hier und da geben konnte - und lebenslange Freund- und zeitbedingte Feindschaften. Auch seine aufschlußreichen Korrespondenzen geben davon Kunde. Er wanderte gerne in der Fränkischen Schweiz, den Alpen, der Lüneburger Heide und an der Nordsee. Im Familiengarten nicht weit von seiner Wohnung entfernt konnte man ihn regelmäßig treffen. <ref> Seine Wohnung lag in der Nürnberger Schoppershofstrasse 34. Der Garten lag nicht weit von ihr im Osten, jenseits der Welserstrasse, auf der später auch der Unfall geschah. Heute ist das ehemalige Gartengelände überbaut. Aus der Welserstrasse wurde eine doppelspurige Hauptverkehrsader</ref> Spazierengehen und Gärtnern wäre er seiner Gesundheit schuldig, sagte er dazu. So sparte er sich die dafür notwendige Zeit ab. 
 
== Die Metamorphose als Wesenselement der Musik == 
Metamorphosensinfonik ist komplexe Wandlungsmusik.  In ihr pulsiert reines Leben. Darum kann man auch bei ihr zu Recht von 'organischer Musik' sprechen. Sie wird nicht konstruiert <ref> siehe Darstellung bei Henning Kunze ''‚Die Metamorphose ale Wesenselement der Musik’'', Anmerkung 12 </ref>.
 
Musik-Metamorphosen erwachsen aus dem Unhörbaren - der inneren Quellsphäre der Musik. Sie konzentrieren  sich allmählich zu einem Themenkeim <ref> Booklet zur Symphony No. 2, Cascade Medien, Staufen im Breisgau 2010 ''‚Grosse Metamorphosensymphonie in f-moll’'', Seite 6-10 </ref>. Dieser beherrscht die ganze sinfonische Entwicklung. Aus dieser Einheit erwachsen alle Differenzierungen. Trotz der Vielheit der sich eröffnenden musikalischen Wege bleibt der Inhalt des Themas stets anwesend, immer produktiv,  weiterschreitend, zielstrebig... Das 'Ganze' beherrscht die 'Teile' und letztere leben aus dem ersteren. Alle Orchesterstimmen werden aus dem Thema und seinem Umfeld entwickelt.
 
Sätze mit jeweils fremden thematischen Neuanfängen, wie in der klassischen Sinfonie, kann es nicht mehr geben, wohl aber Glieder. Die historischen Satzcharaktere gehen sich durchdringend in das Ganze über. Sie sind formale und erlebnismäßige Vorläufer der Metamorphosensinfonik. 
 
Daraus folgt, dass hier kein kontrapunktisches, kein lineares oder sich additiv vernetzendes, kompositorisches, also zusammensetzendes Bewußtsein tätig ist, welches auf zu verarbeitende  'gute Einfälle' oder 'faszinierende Anregungen' oder 'schicksalhafte Lebensimpulse' warten muss, um diese nach bestimmten Methoden auszuführen <ref>  ''„Ich behaupte nur, daß sie [die Inspiration] keineswegs eine Voraussetzung für den schöpferischen Akt ist, sondern  daß sie in zeitlicher Folge eine Äußerung von sekundärer Art ist“.'' [...] ''„Im eigentlichen Sinn bedeutet Kunst so viel, wie Werke nach bestimmten Methoden herstellen.“'' Nach [http://de.wikipedia.org/wiki/Igor_Strawinski Igor Strawinskis] ''‚Musikalische Poetik’''; aus einem Brief Martin Scherbers an den Dirigenten Fred Thürmer vom 27.6.1955, Zitat leicht nach dem Originalwerk korrigiert.  Strawinsky, Igor: ''Musikalische Poetik'', Wiesbaden 1960, S. 34. </ref>, sondern ein alles gleichzeitig umfassendes Bewußtsein - ein sich in den Quellströmen der Musik frei bewegendes, sowohl individualisiertes als auch  universalisiertes  'Erlebnisbewußtsein' <ref> Rudolf Steiner beschreibt dieses Bewußtsein in seiner ''Philosophie der Freiheit - Grundzüge einer modernen Weltanschauung  - Seelische Beobachtungsergebnisse nach naturwissenschaftlicher Methode'', Rudolf Steiner Verlag, 16. Auflage 1995, ISBN 9783727400407 bzw. TB  Tb 627 ISBN 9783727462719</ref>. Dieses handhabt die äußerlichen [http://de.wikipedia.org/wiki/Parameter_%28Musik%29  musikalischen Parameter] als bewirkte Ausdrucksweisen lebendiger Zusammenhänge, verwebt sie und läßt sie so zu einem hörbaren musikalischen Organismus heranreifen.
Auch die zur Darbietung nötigen Instrumente mit ihren spezifischen Charakteren und Aussageweisen gehen aus diesem Erlebnisbewusstsein hervor <ref> Friedrich Oberkogler. ''Vom Wesen und Werden der Musikinstrumente'', Novalis Verlag, Schaffhausen, 1985; ISBN 3721400062</ref>.
Scherber schilderte diese Art von Bewusstseinstätigkeiten als ein ‚Über-Kreuz-Erleben’. ''„Im Innern nicht ich, sondern die Welt; außen nicht die Welt, sondern sich selbst.“'' Die dabei durchzumachenden Erlebnisse ''„können nicht in Worte gebracht werden, nur zunächst in Tongebilde: dramatisch-symphonisches Geschehen. Wesentlich: der schöpferische Mensch ist dabei wacher (gesteigertes Bewusstsein), die Erlebnisse realer!“''
 
Metamorphosenmusik geht über traditionell geschaffene Musik mit ihren Modulations- und Variationsweisen, über avangardistische kombinatorische, serielle, aleatorische, über computergenerierte Musik hinaus, obwohl sie Elemente dieser Kompositionsweisen in sich trägt. Sie wird durch strenge Schulung aus bewußt gewordenen Lebensprozessen und umfassenderen Schöpfungstätigkeiten  gewonnen. Es gibt folglich keine Konstruktionen, keine Sensationen oder Sentimentalitäten etc.. wie Scherber in einem seiner seltenen Hinweise [http://www.martin-scherber.de/von-urquellen.html ''"Von Urquellen..."'']deutlich macht.
 
Der Tonkünstler ordnet Disharmonisches und Konsonantisches als Wesenhaftes zeitgerecht in den Musikstrom ein, läßt beides angemessen zur Geltung kommen, und löst, wenn nötig, sentimental ausufernde Konsonantik, brutal und zerstörerisch sich breit machende Disharmonik im Harmonischen der Musik auf. Er beherrscht das Ganze, denn er lebt in ihm und dieses gibt den sinfonischen Gliedern ihren Sinn. Disharmonien lässt er als retardierende, aber auch progressive Anregungen und Weckimpulse;  Konsonanzen als Ruhe-, Festigungs-, Wachstums- und Regenerationsphasen gelten. Eine hypertrophiernde Emanzipation der Disharmonien oder anderer vereinzelter musikalischer Elemente, eine Musik ohne Herz und Zentrum, kann es hier nicht geben.
Das musikalische Thema durchdringt bei Scherber als sich wandelndes bewusstseinstiftendes Element, als ‚unendliche Melodie’, die sinfonischen Entwicklungen, die Rhythmen strömen in reiner schöpferischer Energie dahin und sogar die Harmonik gerät in Bewegung, wird lebendig. Sie ‚kippt’ fortwährend aus ihrer Vertikalität und sucht im Wandlungsstrom mit Melodie und Rhythmus ihre musikalische Vollendung. 
 
Es wirken - und das macht die Beurteilung der Metamorphosenmusik erst einmal nicht leicht - viele historisch-musikalische Elementarprozesse in ihr. Umgekehrt wirft sie Licht auf die bisherige Musikevolution. Das Neue lebt im 'Wie' der Durchführungen, denn Metamorphosensinfonien sind 'Durchführungssinfonien'. Feine Wandlungen des sich scheinbar Wiederholenden und die besondere Art des Einsatzes der disharmonischen und konsonantischen  Elemente bewirkt, dass das musikalische Bewußtsein sich ‚auf der Wanderschaft’ erlebt. Metamorphosensinfonik ist eben offene, eigentlich nur anregende Musik und kann nicht zuende sein, wenn sie endet.
 
Metamorphosenmusik ist absolute Musik. Sie hat unmittelbar mit dem menschlichen Leben und seinen Entwicklungsmöglichkeiten in der Welt, in welche der Mensch mit seinen Erkenntnisbemühungen, Freuden, Leiden und Taten eingebettet ist, zu tun. Doch ist in ihr trotz dieser Bezüge kein Programm zu vermuten. Sie ist in ihrer Absolutheit weder wurzellos noch abstrakt. Sie fließt aus der verborgenen Universalität der Lebensbedürfnisse der einzelnen Menschen und dient ihnen in ihrer Zeit.
 
Die 'einheitliche Sinfonieform' deutet sich nicht nur bei Anton Brucker durch die Wiederaufnahme von Themen in seinen Sätzen und Sinfonien an, sondern theoretisch <ref> [http://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Wagner Richard Wagner] ''"...am Ende seines Lebens. Er und Liszt sprachen in Venedig über einsätzige Symphonien, die vor allem Wagner gern noch schreiben wollte."''  (Martin Gregor-Dellin: ''Richard Wagner. Eine Biographie in Bildern - Das Bayreuther Werk'' in ''Richard Wagner: Werke, Schriften und Briefe'', S. 51696 aus Digitale Bibliothek Publishing GmbH, Berlin, Band 107. Auch in den Tagebüchern von Cosima Wagner Band 2 S. 827 - Digitale Bibliothek Band 107 ''Richard Wagner'' S. 40469</ref> oder praktisch auch bei vielen anderen Komponisten <ref> Bei Sinfonikern des 20. Jahrhunderts taucht die 'einsätzige' Sinfonie immer häufiger auf. Von [http://de.wikipedia.org/wiki/Allan_Pettersson Allan Pettersson] hörte man z. B.: ''"No one in the 50‘s noticed, that I am always breaking up the structures, that I was creating a whole new symphonic form."''  ''"Niemand nahm in den 1950er Jahren zur Kenntnis, dass ich ständig die [alten] musikalischen Formen aufbrach, dass ich [damit] eine gänzlich neue sinfonische Form schuf"'',  Paul Rapoport: ''Allan Pettersson''. Stockholm 1981, S. 21</ref> des vergangenen Jahrhunderts. Die Einsätzigkeit der neueren Sinfonien darf keine Verarmung gegenüber der klassischen Sinfonieform sein - ein Satz statt vier. Es müssen alle wesentlichen Qualitäten der bisherigen Satzcharaktere in die neue organische Einheit stiftende Sinfonieform übergehen können. Die Einsicht in die Metamorphosensinfonik gibt einen Schlüssel für die Musikevolution überhaupt. 
 
Die Metamorphosenmusik steht, trotz der schriftlichen Fixierung, der echten musikalischen Improvisation nahe. Sie stellt in der Regel einen kleinen Ausschnitt aus dem Gesamterleben des Komponisten dar, der nicht nur eine starke Konzentration auf dem Wege zu ihr, sondern auch bei der Umkehrung in das sinnlich Fassbare, Präsente und Interpretierbare herbeiführen muss.
 
Die Klavierimprovisation gehörte beispielsweise zu den besonderen Fähigkeiten von Martin Scherber. Ein Können, welches durch den spirituellen Anschluss an die Sphären des Lebens, an die tieferen Quellen der Musik überhaupt, seine Wirksamkeit entfaltet. Nicht umsonst waren alle großen Komponisten wie [http://de.wikipedia.org/wiki/Van_Beethoven Ludwig van Beethoven] oder Anton Bruckner  begnadete Improvisatoren, weil sie sich seelisch frei entweder spontan beim Spielen in die Quellregionen der Musik hineinspürten, oder bei ihren schriftlich ausgearbeiteten Werken aus diesen heraus - eben authentisch - komponieren konnten. Selbst heute werden sogar Interpreten durch ihre eigenständige schöpferische Improvisationskunst bekannt - beispielsweise [http://de.wikipedia.org/wiki/Gabriela_Montero Gabriela Montero].
 
== Unfall ==
Im Mai 1970 setzte ein schwerer Unfall all diesen Tätigkeiten ein Ende - gerade als mit der Veröffentlichung seines symphonischen Werkes begonnen werden sollte. Ein volltrunkener Autofahrer fuhr Scherber auf einem Spaziergang vollständig zusammen. So muss der Tatbestand berichtet werden. Nach schwierigen Operationen, wochenlanger Intensivstation mit künstlicher Ernährung und einem insgesamt achtmonatigen Krankenhausaufenthalt blieb er zeitlebens - wegen verbliebener Lähmungen - an den Rollstuhl gefesselt. Er konnte musikalisch und kompositorisch nicht mehr arbeiten. Was dieser brutale Eingriff in die Biographie eines so sensiblen Künstlers bedeutete, dürfte schwer nachvollziehbar sein. Er unterstützte die Veröffentlichung jedoch weiterhin mit besten Kräften und führte seinen Hauptarbeitskreis bis zu seinem Lebensende fort.
 
Er starb am 10. Januar 1974 in seiner Heimatstadt am Versagen der beim Unfall gequetschten Nieren (akute Zuckerkrankheit) - inmitten heftiger Auseinandersetzungen mit der Versicherung des Unfallfahrers, die ihm, obwohl gerichtlich seine Unschuld festgestellt worden war, aus finanziellen Gründen eine Mitschuld am Unfall diktieren wollte.
 
== Werke (Auszug) ==
; Klavierwerke
* Tänze für zwei Klaviere zu je vier Händen
* ABC-Stücke für Klavier (ca.1938–1963), UA: offen
[[Datei:Partiturtitel von Martin Scherber Symphonie no.2 in f-moll -Nuremberg.jpg|right|200px|thumb| Partiturtitel der Grossen Metamorphosensinfonie in f-moll (1951/52), Faksimileausgabe bei Hans Bosannek, Nürnberg 1973]]
 
; Klavierbearbeitungen
* Max Reger: Symphonischer Prolog für Großes Orchester von 1908 (1926)
* Anton Bruckner: Sinfonien No. 3 bis 9, (1948-50)
* Martin Scherber: Sinfonien No. 1(1938, Überarbeitung 1951); No. 2 (1951-52); No. 3 (1952-55)
 
; Sinfonische Musik
* 1. Sinfonie in d-moll 1938 (Überarbeitung 1952), UA 11. März 1952 in Lüneburg; Lüneburger Sinfonie-Orchester, Dirigent Fred Thürmer
* 2. Sinfonie in f-moll 1951–1952, UA 24. Januar 1957 in Lüneburg; Niedersächsisches Sinfonie-Orchester Hannover, Dirigent Fred Thürmer
* 3. Sinfonie in h-moll 1952–1955, UA offen
 
; Vokalwerke
* Goethelieder (1930), 7 Vertonungen
* Stör’ nicht den Schlaf 1936 (Morgenstern)
* Wanderers Nachtlied 1937 (Goethe)
* Kinderliederzyklen 1930/1937 (Scherber (9), Brentano (18))
* Hymne an die Nacht 1937 (Novalis)
* Chöre a cappella (10) und Chöre mit Klavier oder Orchester (3 Stücke)
 
; Texte
* Von Urquellen wahrhaft moderner Kunst und der Allverbindung des vereinsamten Menschen (1972)
* Warum heute wieder Märchen? (1972)
* Aphorismen I + II (1976 und 1993)
 
[[Datei:Martin Scherber Cover vom Booklet der II. Symphonie in f-moll.jpg|right|200px|thumb|Titelseite der II. Symphonie (1952-55) als CD im Digipak mit Texten in deutscher, englischer, französischer, spanischer und russischer Sprache, Veröffentlichung 2010]]
 
== Diskografie ==
Große Metamorphosensinfonien
* Sinfonie No. 3 in h-moll, 2001 bei col legno WWE 1 CD 20078; World Premiere Recording. Herausgeber: Peermusic Classical, Hamburg 2001.
* Sinfonie No. 2 in f-moll, 2010 bei cascade Order No. 05116; am@do-classics. World Premiere Recording. Herausgeber: Bruckner-Kreis, Nürnberg 2010
 
== Anmerkungen ==
<references/>
<references/>


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{wikiquote}}
{{Commonscat|Graeae|Graien}}
{{Commonscat|Martin Scherber (composer)|Martin Scherber}}
* [http://www.martin-scherber.de Website über Martin Scherber] mit Hörbeispielen
* [http://www.russiandvd.com/store/album_asx.asp?sku=39643 Sinfonie No.3] Grosse Metamorphosensinfonie in h-moll
* [http://www.youtube.com/watch?v=cRryODgJp7A Sinfonie No.2] Hörproben aus der Grossen Metamorphosensinfonie in f-moll
*[http://www.youtube.com/watch?v=YzebrDEENrA&feature=related 'Über allen Gipfeln ist Ruh'] Aus dem Goetheliederzyklus von 1930
* [https://portal.d-nb.de/opac.htm?query=scherber%2C+martin&method=simpleSearch Werke Scherbers in der DNB] Katalog der [[Deutsche Nationalbibliothek|Deutschen Nationalbibliothek]] (Deutsches Musikarchiv)
* {{DNB-Portal|123998301|TYP=Werke von und über}}
* [http://www.bsb-muenchen.de/OPACplus.92.0.html] - [[Bayerische Staatsbibliothek]], München.
* [http://aleph.onb.ac.at/F/61AMSP7SH2Y2G7PHYJUD6CDB6QX63VVFQNLNNA3191JNF1MKLY-20131?func=find-b&find_code=WRD&adjacent=N&request=Martin+Scherber&x=12&y=10] - [[Österreichische Nationalbibliothek]] Katalog der Musiksammlung, Wien.
* [http://entrypoint.bl.uk/Results.aspx?query=martin+scherber&Web=True&ILS=True&CB=True&BLD=True] - [[British Library]] Online Catalogue, London.
* [http://www.loc.gov/search/?q=martin+scherber&st=list] - [[Library of Congress]] Online Catalog, Washington.
* [http://www.collectionscanada.gc.ca/lac-bac/results/all?form=all&lang=eng&FormName=Fed+Simple+Search&SourceQuery=&ResultCount=5&PageNum=1&MaxDocs=-1&SortSpec=score+desc&Language=eng&SearchIn_1=&SearchInText_1=Martin+Scherber&Operator_1=AND&SearchIn_2=&SearchInText_2=&Operator_2=AND&SearchIn_3=&SearchInText_3=&Sources_1=amicus&Sources_2=mikan&Sources_3=genapp&Sources_4=web&soundex=&cainInd=] - [[Library and Archives Canada]] (Nationalbibliothek Canada); Ottawa, Québec.


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Version vom 7. Juli 2014, 23:37 Uhr

Perseus Returning the Eye of the Graii (Perseus gibt Auge der Graien zurück); Zeichnung von Johann Heinrich Füssli

Die Graien (griech. γραῖαι, Greisinnen) oder Phorkyaden mit Namen Pemphredo, Enyo und Deino sind die Töchter des Phorkys und der Ketos. Sie sind in der griechischen Mythologie als die drei Schwestern der Gorgonen oder auch als „die Grauen“ bekannt, da sie seit Geburt grauhaarig sind. Die Graien sind anscheinend nichts anderes als das personifizierte Alter[1].

Um sie von anderen greisen Göttinnen, wie den Moiren, zu unterscheiden, werden sie auch als die „Graeae des Phorkys“, „Phorkiden“ oder „Phorkyaden“ bezeichnet. Sie kamen schon als Greisinnen zur Welt und teilten sich zusammen einen Zahn und ein Auge, die sie sich gegenseitig bei Bedarf überließen, und an ihrer Wohnstatt, einer Höhle am Fuße des Atlas, leuchteten weder Sonne noch Mond – ein Hinweis darauf, dass von Perseus sehr viel verlangt wurde, als er sich mit ihnen treffen musste.

Perseus überlistet sie auf seiner Suche nach der Gorgo Medusa, deren Aufenthaltsort nur die Graien kennen, indem er ihnen anbietet, das Auge und den Zahn zu halten, damit sie seine Wegzehrung essen können, nach der es sie gelüstet. Perseus erpresst sie nun: Entweder sie sagen ihm, wo die Medusa zu finden sei, oder alle drei bleiben blind und zahnlos. Nachdem er die Auskunft bekommen hat, gibt er ihnen wohl den Zahn zurück, wirft das Auge aber in den „Tritonissee“, so dass sie danach tauchen müssen und die daneben wohnenden Nymphen durch dieses erzwungene Bad endlich von deren Gestank befreit werden.

Ein alternativer Geschichtsverlauf wird von Karl Kerényi wie folgt dargestellt: Die Graien halten jeweils einzeln Wache am Eingang zu den Gärten der Hesperiden, müssen sich somit beim Wachwechsel das einzige Auge überreichen und sind jeweils zu diesem Zeitpunkt alle zusammen blind. Perseus – zusätzlich unter dem Schutz seiner Tarnkappe – wartet auf diesen Augenblick und stiehlt den Graien das Auge, um sie erpressbar zu machen. Hesiod kennt nur zwei Graien, nämlich die „schöngewandete“ Pemphredo und die „safran-gewandete“ Enyo und betont deren schönes Gesicht. Nach einer anderen Erzählung handelt es sich bei den Graien um schwanenähnliche greise Jungfrauen.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Herbert J. Rose: Griechische Mythologie – Ein Handbuch, S. 28. Verlag C. H. Beck, München, 2003. ISBN 978-3-406-494581.

Weblinks

Commons: Graien - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema


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