Gesteinsmetamorphose und Gestaltpsychologie: Unterschied zwischen den Seiten

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Als '''Gesteinsmetamorphose''' (von {{ELSalt|μεταμόρφωσις}} ''metamórphosis'' „Verwandlung“, „Umgestaltung“) wird in der [[Geologie]] die Umwandlung beliebiger [[Gestein]]stypen zu [[Gestein|metamorphen Gesteinen]] in tieferen Schichten der [[Erdkruste]] durch erhöhten Druck und erhöhte Temperatur bezeichnet, wobei der feste Zustand beibehalten wird.
[[Datei:Necker-wuerfelrp.png|thumb|Nach längerer Betrachtung „kippt“ der Würfel. Man hat dieses Kippen als ''[[Gestaltwechsel]]'' bezeichnet]]


== Goethes entwickelnde Methode ==
Als '''Gestaltpsychologie''' wird eine Richtung innerhalb der [[Psychologie]] bezeichnet, die die menschliche Wahrnehmung als Fähigkeit beschreibt, Strukturen und Ordnungsprinzipien in Sinneseindrücken auszumachen. Das Wort „Gestaltpsychologie“ kann nur bedingt als klar definierbarer wissenschaftlicher Begriff gelten; es ist zum Teil ein durch seinen Gebrauch organisch gewachsener Name für eine Anzahl ähnlicher Auffassungen. Die Gestaltpsychologien unterschiedlicher Richtung leiten sich jedoch aus einer einzigen Arbeit aus dem Jahre 1890 her, in der der Philosoph [[wikipedia:Christian von Ehrenfels|Christian von Ehrenfels]] seine Erkenntnis berichtete, die Wahrnehmung enthalte Qualitäten, die sich nicht aus der Anordnung einfacher Sinnesqualitäten ergeben. So sei die Melodie eine solche '''Gestaltqualität''', denn die Töne als Elemente der Melodie könnten durch ganz andere Töne ersetzt werden, und es wäre dennoch dieselbe Melodie, wenn nur die Anordnungsbeziehung zwischen den Tönen erhalten bliebe.


[[Goethe]] fasste nach seiner [[Entwickelnde Methode|entwickelnden Methode]] die [[Gesteinsbildung]] und Gesteinsmetamorphose in einem anderen Sinn auf als die zeitgenössische [[Geologie]]. Er suchte die allen Gesteinsbildungen zugrunde liegende [[Idee]], die ideele Urform, aus der sich die einzelnen Gesteinsarten ''ideell'' entwickeln und dadurch in ihrem inneren Zusammenhang verstehen lassen.
'''Gestalttheorie''' ist ein allgemeinerer Begriff für den Ansatz, der Anfang des 20. Jahrhunderts unter der Bezeichnung [[Gestaltpsychologie]] bekannt wurde. Mit dem Begriff Gestalttheorie wird darauf verwiesen, dass es sich zwar um eine psychologische Theorie handelt, dass diese aber für sich in Anspruch nimmt, auch über die [[Psychologie]] hinaus für andere Wissenschaftszweige als [[wikipedia:Metatheorie|Metatheorie]] relevant zu sein.  
[[Image:Reification.jpg|thumb|250px|Bilder, die in der phänomenalen Wahrnehmungswelt auf Grundlage von Gehirnprozessen vervollständigt werden]]


{{GZ|Sein Streben ging dahin, sich zu einer solchen Anschauung
emporzuarbeiten, daß ihm das, was er getrennt sah, im inneren,
notwendigen Zusammenhang erscheine. Seine Methode
war «die entwickelnde, entfaltende, keineswegs die
zusammenstellende, ordnende». Ihm genügte es nicht, da
den Granit, dort den Porphyr usw. zu sehen, und sie einfach
nach äußerlichen Merkmalen aneinanderzureihen, er
strebte nach einem Gesetze, das aller Gesteinsbildung zugrunde
lag und das er sich nur im Geiste vorzuhalten
brauchte, um zu verstehen, wie da Granit, dort Porphyr
entstehen mußte. Er ging von dem Unterscheidenden auf
das Gemeinsame zurück. Am 12. Juni 1784 schrieb er an
Frau v. Stein: «Der einfache Faden, den ich mir gesponnen
habe, führt mich durch alle diese unterirdischen Labyrinthe
gar schön durch und gibt mir Übersicht selbst in der Verwirrung.» [WA 6, 297 u. 298] Er sucht das gemeinsame
Prinzip, das je nach den verschiedenen Umständen, unter
denen es zur Geltung kommt, einmal ''diese'', das andere Mal
jene Gesteinsart hervorbringt. Nichts in der Erfahrung ist
ihm ein Festes, bei dem man stehenbleiben könne; nur das
''Prinzip'', das allem zugrunde liegt, ist ein solches. Er ist daher
auch immer bestrebt, die ''Übergänge'' von Gestein zu
Gestein zu finden. Aus ihnen ist ja die Absicht, die Entstehungstendenz
viel besser zu erkennen, als aus dem in bestimmter
Weise ausgebildeten Produkt, wo ja die Natur nur
in einseitiger Weise ihr Wesen offenbart, ja gar oft bei
«ihren Spezifikationen sich in eine Sackgasse verirrt».


Es ist ein Irrtum, wenn man diese Methode Goethes damit
=== Gestaltgesetze ===
widerlegt zu haben glaubt, daß man darauf hinweist,
[[wikipedia:Max Wertheimer|Wertheimer]] formulierte sechs Gesetze:<ref>http://www.ch-becker.de/extern/vosem/3.html</ref><ref>http://psychologie.fernuni-hagen.de/lernportal/Externe_Materialien/Brennd_Objektwahrnehmung/Objektwahrnehmung.html#5</ref>
die heutige Geologie kenne ein solches Übergehen eines
; Gesetz der Nähe [[Datei:Gestalt_proximity.svg|mini|hochkant|Gesetz der Nähe]]
Gesteines in ein anderes nicht. Goethe hat ja nie behauptet,
: Elemente mit geringen Abständen zueinander werden als zusammengehörig wahrgenommen.
daß Granit tatsächlich in etwas anderes übergehe. Was einmal
; Gesetz der Ähnlichkeit [[Datei:Gestalt_similarity.svg|mini|hochkant|Gesetz der Ähnlichkeit]]
Granit ist, ist fertiges, abgeschlossenes Produkt und
: Einander ähnliche Elemente werden eher als zusammengehörig erlebt als einander unähnliche.
hat nicht mehr die innere Triebkraft, aus sich selbst heraus
; Gesetz der guten Gestalt (oder Einfachheit bzw. Prägnanz)
ein anderes zu werden. Was aber Goethe suchte, das fehlt
: Es werden bevorzugt Gestalten wahrgenommen, die in einer einprägsamen ([[Prägnanztendenz]]) und einfachen Struktur (= „Gute Gestalt“) resultieren.
der heutigen Geologie eben, das ist die ''Idee'', das Prinzip,
; Gesetz der guten Fortsetzung (oder der durchgehenden Linie)
das den Granit konstituiert, bevor er Granit geworden ist,
: Linien werden immer so gesehen, als folgten sie dem einfachsten Weg. Kreuzen sich zwei Linien, so gehen wir nicht davon aus, dass der Verlauf der Linien an dieser Stelle einen Knick macht, sondern wir sehen zwei gerade durchgehende Linien.
und ''diese'' Idee ist dieselbe, die auch allen anderen Bildungen
; [[Datei:Nocube.svg|mini|hochkant|Die Kanten des Würfels sind imaginär; sie werden von unserem Gehirn nach dem ''Gesetz der Geschlossenheit'' erzeugt]]
zugrunde liegt. Wenn also Goethe von einem Übergehen
; Gesetz der Geschlossenheit
eines Gesteins in ein anderes spricht, so meint er damit
: Es werden bevorzugt Strukturen wahrgenommen, die eher geschlossen als offen wirken.
nicht ein ''tatsächliches'' Umwandeln, sondern eine Entwicklung
; Gesetz des gemeinsamen Schicksals
der objektiven Idee, die sich zu den einzelnen
: Zwei oder mehrere sich gleichzeitig in eine Richtung bewegende Elemente werden als eine Einheit oder Gestalt wahrgenommen.
Gebilden ausgestaltet, jetzt diese Form festhält und Granit
 
wird, dann wieder eine andere Möglichkeit aus sich herausbildet
Zusätzlich zu diesen von Wertheimer formulierten Gesetzen fand Stephen Palmer in den 1990er Jahren drei weitere Gestaltgesetze:<ref>Stephen E. Palmer: ''Vision Science''. MIT Press, Cambridge (USA) 1999, ISBN 978-0262161831.</ref>
und Schiefer wird usw. Nicht eine wüste Metamorphosenlehre,
; Gesetz der gemeinsamen Region
sondern ''konkreter Idealismus'' ist Goethes
: Elemente in abgegrenzten Gebieten werden als zusammengehörig empfunden.
Ansicht auch auf diesem Gebiete. Zur vollen Geltung mit
; Gesetz der Gleichzeitigkeit
allem, was in ihr liegt, kann aber jenes gesteinsbildende
: Elemente, die sich gleichzeitig verändern, werden als zusammengehörig empfunden.
Prinzip nur im ganzen Erdkörper kommen. Daher wird
; Gesetz der verbundenen Elemente
die Bildungsgeschichte des Erdkörpers für Goethe die
: Verbundene Elemente werden als ein Objekt empfunden.
Hauptsache, und jedes Einzelne hat sich derselben einzureihen.
Es kommt ihm darauf an, welche Stelle ein Gestein
im Erdganzen einnimmt; das Einzelne interessiert ihn nur
mehr als Teil des Ganzen. Es erscheint ihm schließlich dasjenige
mineralogisch-geologische System als das richtige,
das die Vorgänge in der Erde nachschafft, das zeigt, warum
an dieser Stelle gerade das, an jener das andere entstehen
mußte. Das Vorkommen wird ihm ausschlaggebend. Er tadelt
es daher an Werners Lehre, die er sonst so hoch verehrt,
daß sie die Mineralien nicht nach dem Vorkommen, das
uns über ihr Entstehen Aufschluß gibt, als vielmehr nach
zufälligen äußeren Kennzeichen anordnet. '' Das vollkommene System macht nicht der Forscher, sondern das hat die Natur selbst gemacht.''|1|244ff}}


{{GZ|Auf seinen
Harzreisen glaubt er zu erkennen, wie sich große anorganische
Massen gestalten. Er schreibt ihnen die Tendenz zu,
sich «in mannigfachen, regelmäßigen Richtungen zu trennen, so daß Parallelepipeden entstehen, welche wieder in
der Diagonale sich zu durchschneiden die Geneigtheit haben.» (Vergl. den Aufsatz «Gestaltung großer anorganischer
Massen», Kürschner, Band 34.) Er denkt sich die
Steinmassen von einem ideellen Gitterwerk durchzogen,
und zwar sechsseitig. Dadurch werden kubische, parallelepipedische,
rhombische, rhomboidische, säulen- und plattenförmige
Körper aus einer Grundmasse herausgeschnitten.
Er stellt sich innerhalb dieser Grundmasse Kräftewirkungen
vor, die sie in dem Sinne trennen, wie das ideelle
Gitterwerk es veranschaulicht. Wie in der organischen Natur,
so sucht Goethe auch in dem Steinreiche das wirksame
Ideelle. Auch hier forscht er mit Geistesaugen. Wo die Trennung
in regelmäßige Formen nicht in die Erscheinung tritt,
da nimmt er an, daß sie ideell in den Massen vorhanden ist.|6|193f}}


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
 
== Anmerkungen ==
* {{WikipediaDE|Metamorphose (Geologie)}}
<references/>


== Literatur ==
== Literatur ==
#[[Dankmar Bosse]]: ''Die gemeinsame Evolution von Erde und Mensch: Entwurf einer Geologie und Paläontologie der lebendigen Erde'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgat 2002, ISBN 978-3772515934
#Rudolf Steiner: ''Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften'', [[GA 1]] (1987), ISBN 3-7274-0011-0; '''Tb 649''', ISBN 978-3-7274-6490-4 {{Schriften|001}}
{{GA}}
{{GA}}
 
{{wikipedia}}
[[Kategorie:Geologie]]
[[Kategorie:Wahrnehmung]][[Kategorie:Denken]][[Kategorie:Wissenschaft]][[Kategorie:Philosophie]][[Kategorie:Erkenntnistheorie]]

Version vom 4. Juli 2015, 23:05 Uhr

Nach längerer Betrachtung „kippt“ der Würfel. Man hat dieses Kippen als Gestaltwechsel bezeichnet

Als Gestaltpsychologie wird eine Richtung innerhalb der Psychologie bezeichnet, die die menschliche Wahrnehmung als Fähigkeit beschreibt, Strukturen und Ordnungsprinzipien in Sinneseindrücken auszumachen. Das Wort „Gestaltpsychologie“ kann nur bedingt als klar definierbarer wissenschaftlicher Begriff gelten; es ist zum Teil ein durch seinen Gebrauch organisch gewachsener Name für eine Anzahl ähnlicher Auffassungen. Die Gestaltpsychologien unterschiedlicher Richtung leiten sich jedoch aus einer einzigen Arbeit aus dem Jahre 1890 her, in der der Philosoph Christian von Ehrenfels seine Erkenntnis berichtete, die Wahrnehmung enthalte Qualitäten, die sich nicht aus der Anordnung einfacher Sinnesqualitäten ergeben. So sei die Melodie eine solche Gestaltqualität, denn die Töne als Elemente der Melodie könnten durch ganz andere Töne ersetzt werden, und es wäre dennoch dieselbe Melodie, wenn nur die Anordnungsbeziehung zwischen den Tönen erhalten bliebe.

Gestalttheorie ist ein allgemeinerer Begriff für den Ansatz, der Anfang des 20. Jahrhunderts unter der Bezeichnung Gestaltpsychologie bekannt wurde. Mit dem Begriff Gestalttheorie wird darauf verwiesen, dass es sich zwar um eine psychologische Theorie handelt, dass diese aber für sich in Anspruch nimmt, auch über die Psychologie hinaus für andere Wissenschaftszweige als Metatheorie relevant zu sein.

Bilder, die in der phänomenalen Wahrnehmungswelt auf Grundlage von Gehirnprozessen vervollständigt werden


Gestaltgesetze

Wertheimer formulierte sechs Gesetze:[1][2]

Gesetz der Nähe
Gesetz der Nähe
Elemente mit geringen Abständen zueinander werden als zusammengehörig wahrgenommen.
Gesetz der Ähnlichkeit
Gesetz der Ähnlichkeit
Einander ähnliche Elemente werden eher als zusammengehörig erlebt als einander unähnliche.
Gesetz der guten Gestalt (oder Einfachheit bzw. Prägnanz)
Es werden bevorzugt Gestalten wahrgenommen, die in einer einprägsamen (Prägnanztendenz) und einfachen Struktur (= „Gute Gestalt“) resultieren.
Gesetz der guten Fortsetzung (oder der durchgehenden Linie)
Linien werden immer so gesehen, als folgten sie dem einfachsten Weg. Kreuzen sich zwei Linien, so gehen wir nicht davon aus, dass der Verlauf der Linien an dieser Stelle einen Knick macht, sondern wir sehen zwei gerade durchgehende Linien.
Die Kanten des Würfels sind imaginär; sie werden von unserem Gehirn nach dem Gesetz der Geschlossenheit erzeugt
Gesetz der Geschlossenheit
Es werden bevorzugt Strukturen wahrgenommen, die eher geschlossen als offen wirken.
Gesetz des gemeinsamen Schicksals
Zwei oder mehrere sich gleichzeitig in eine Richtung bewegende Elemente werden als eine Einheit oder Gestalt wahrgenommen.

Zusätzlich zu diesen von Wertheimer formulierten Gesetzen fand Stephen Palmer in den 1990er Jahren drei weitere Gestaltgesetze:[3]

Gesetz der gemeinsamen Region
Elemente in abgegrenzten Gebieten werden als zusammengehörig empfunden.
Gesetz der Gleichzeitigkeit
Elemente, die sich gleichzeitig verändern, werden als zusammengehörig empfunden.
Gesetz der verbundenen Elemente
Verbundene Elemente werden als ein Objekt empfunden.


Siehe auch

Anmerkungen

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.
Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Gestaltpsychologie aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.