Wollen und Carl Gustav Jung: Unterschied zwischen den Seiten

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Das '''Wollen''', der '''Wille''' ([[Wikipedia:Mittelhochdeutsch|mhd.]] ''wille''; [[Wikipedia:Althochdeutsch|ahd.]] ''willo''; [[Latein|lat.]] ''voluntas'') zählt zu den drei [[Seelenkräfte]]n des [[Mensch]]en. Der Wille wird am unmittelbarsten durch den [[Geist]], d.h. durch unser [[Ich]] impulsiert, allerdings [[unbewusst]], indem das Ich direkt auf das [[Stoffwechsel-Gliedmaßen-System]] einwirkt, das im [[Dreigliederung des menschlichen Organismus|dreigliedrigen menschlichen Organismus]] das hauptsächlichste [[leib]]liche Werkzeug des Wollens ist. Gerade von unseren [[Stoffwechsel]]vorgängen haben wir aber kein unmittelbares Bewusstsein. Was unser eigentliches Wollen ausmacht, hat daher keinen helleren [[Bewusstsein]]sgrad als unser [[Tiefschlafbewusstsein]]. Schon im [[Traum|Träumen]] verliert das Ich weitgehend die bewusste Herrschaft über das [[Seelenleben]] und die eigentliche [[Willensfreiheit]] des Menschen ist heute entgegen einer weitverbreiteten Meinung erst sehr wenig ausgebildet. Tatsächlich ist der menschliche Wille heute nur insofern indirekt frei, als er sich durch das bewusste [[Denken]] bestimmen lässt. Dadurch schöpfen wir aber nur den aller geringsten Teil unseres Willenspotentials aus.
[[Datei:CGJung.jpg|mini|Carl Gustav Jung
[[Datei:Carl Jung signature.svg|rahmenlos|Unterschrift von Carl Gustav Jung]]]]


== Der Wille ist die als Kraft wirkende Idee ==
'''Carl Gustav Jung''' (* 26. Juli 1875 in Kesswil, Schweiz; † 6. Juni 1961 in Küsnacht, Schweiz), meist kurz ''C. G. Jung'', war ein Schweizer [[wikipedia:Psychiater|Psychiater]] und der Begründer der [[Analytische Psychologie|analytischen Psychologie]].
Wille ist, so kann man auch sagen, die real tätig werdende, d.h. als [[Kraft]] wirkende [[Idee]], wie es [[Rudolf Steiner]] bereits in seinen «[[GA 1|Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften]]» ausgesprochen hat. Er ist in diesem Sinn kein ''blinder'', d.h. gesetzlos chaotisch tätiger, sondern [[geist]]erfüllter Wille:


<div style="margin-left:20px">
== C.G. Jungs Typologie ==
"Wille ist also die Idee selbst als Kraft aufgefaßt.
[[Bild:Psychische Basisfunktionen Jung-de.svg|thumb|left|Die psychischen Basisfunktionen nach Jung]]
Von einem selbständigen Willen zu sprechen ist völlig
[[Bild:Persona.svg|right|250px|thumb|Typisch männliche Einstellung der '''Persona''', bei der das äußere Ich dem objektiven Denken, das innere jedoch der subjektiven Gefühlswelt zugewandt ist. Die Hauptfunktion, das Denken, beherrscht hier die Ich-Hülle, die ''Persona''. Die minderwertige Funktion, das Fühlen, kommt hier der '''Anima''' zu.]]
unstatthaft. Wenn der Mensch irgend etwas vollbringt, so
Die von Jung entwickelte Typologie psychologischer Typen und/oder psychischen Einstellungen zum Leben hat auch außerhalb der an Jung orientierten Forschung und Rezeption Aufmerksamkeit und Anerkennung bis in den Alltag hinein gefunden. Die Unterscheidung zwischen Menschen mit extravertierter und introvertierter Einstellung geht auf Jung zurück. Jung kombiniert diese Grundunterscheidung mit den Anpassungs- oder Orientierungsfunktionen Intuition, Empfindung,[[Fühlen]] und Denken, wodurch sich acht bzw. 16 verschiedene Einstellungen des Individuums zu sich selbst und zur Welt ergeben, die bei jedem Menschen in individueller Mischung vorkommen. <ref>C.G. Jung: Gesammelte Werke, Bd. 6. Psychologische Typen. / Jolande Jacobi: Die Psychologie von C.G. Jung, Seite 20ff.</ref>
kann man nicht sagen, es komme zu der Vorstellung noch
 
der Wille hinzu. Spricht man so, so hat man die Begriffe
"Diese vier Funktionstypen, die beim Individuum durch die jeweilige Vorherrschaft der einen oder der anderen Funktion feststellbar sind, haben in dieser Form natürlich nur in der Theorie Gültigkeit. Im Leben kommen sie fast niemals rein vor, sondern mehr-minder als Mischtypen (...) Ein reiner Denktypus war z.B. [[Kant]], wogegen [[Schopenhauer]] schon als intuitiver Denktypus bezeichnet werden muß. Die Funktionen, aber nur die 'benachbarten', können also vielfach als Mischtypen auftreten, und wenn sie so in Mischtypen mit geringerem oder größerem Überwiegen der einen Funktion erscheinen, machen sie die Zuordnung des Individuums zu einem Funktionstypus außerordentlich schwierig." (Jacobi, S. 26)
nicht klar erfaßt, denn, was ist die menschliche Persönlichkeit,
 
wenn man von der sie erfüllenden Ideenwelt absieht?
Nach Jung sind Empfindung und Intuition irrationale Funktionen, Denken und Fühlen rationale Funktionen. Das Fühlen in diesem rationalen Sinne ist mit einem Werturteil verbunden, z.B. einem Geschmacksurteil, was in einer Situation passendes Verhalten sei, oder mit Bezug auf das eigene Wohlergehen, das Gefühl, ob einem der Besuch einer bestimmten Party am Wochenende gut tun würde. Denken ist eine Orientierungsfunktion, die über eine geschlossene begriffliche Ordnung der Welt verfügt, die auch einer Leitidee untergeordnet sein kann. Ein jedes Ding oder Ereignis hat in solchem System seinen Platz und erfährt einen entsprechenden Umgang. Der Empfindungstyp orientiert sich mehr an dem, was sich ihm empirisch zu zeigen scheint. Er beobachtet genau, und beachtet subtile Differenzen, die ihm Information oder auch ästhetischen Genuß liefern. Der intuitive Typus orientiert sich mittels der Erfassung von Ganzheiten, spontanen Eingebungen, was es mit einem Vorfall oder Menschen auf sich habe. So kann z.B. ein machtbewußter Mensch im Umgang mit anderen möglicherweise intuitiv spontan erkennen, welche Menschen seinen Machtanspruch gefährden, und welche für seine Vorhaben ungefährlich sind.
Doch ein tätiges Dasein. Wer sie anders faßte: als totes,
untätiges Naturprodukt, setzte sie ja dem Steine auf der
Straße gleich. Dieses tätige Dasein ist aber ein Abstraktum,
es ist nichts Wirkliches. Man kann es nicht fassen, es ist
ohne Inhalt. Will man es fassen, will man einen Inhalt,
dann erhält man eben die im Tun begriffene Ideenwelt. E.
v. Hartmann macht dieses Abstraktum zu einem zweiten
welt-konstituierenden Prinzip neben der Idee. Es ist aber
nichts anderes als die Idee selbst, nur in einer Form des
Auftretens. Wille ohne Idee wäre nichts. Das gleiche kann
man nicht von der Idee sagen, denn die Tätigkeit ist ein
Element von ihr, während sie die sich selbst tragende Wesenheit
ist." {{Lit|{{G|001|197f}}}}
</div>


== Der Wille und seine Beziehung zum Leben nach dem Tod ==
Die Anordnung der vier Grundtypen im Kreis ist also nicht beliebig. Die vier Mischtypen sind "Empirisches Denken", "Intuitives spekulatives Denken", "Empfindendes Fühlen" und "Intuitives Fühlen". Dabei kann so eine Mischung ausgeglichen sein, oder aber eine Funktion überwiegen, was meist der Fall ist. Die gegenüber liegenden Kombinationen Denken und Fühlen, oder Empfinden und Intuieren kommen gemäß dieser Lehre nicht vor. Meist ist eine Funktion sehr gut entwickelt, und eine weitere Hilfsfunktion zusätzlich in geringerem Maße, während die gegenüberliegende Funktion die minderwertige (i.S.v. unentwickelt, eher unbewußt, unterdrückt, unspezialisiert etc.) Funktion ist. Die Extraversion oder Intraversion liegt jeweils auf einer Hälfte des Kreises. Die gegenüberliegende Funktion Fühlen ist bei einem extravertierten Denktypus z.B. introvertiert. Wenn die entwickelte Denkfunktion introvertiert ist, ist entsprechend dann die Funktion des Fühlens extravertiert.


Seine volle geistig-seelische Realität entfaltet der Wille erst im [[Leben nach dem Tod]].
Diese grundsätzlichen Funktionstypen und Einstellungen bilden die Basisbausteine für C.G. Jungs psychologische Struktur- und Entwicklungslehre. Weitere Konzepte bzw. in empirischer Hinsicht vorkommende Persönlichkeitsaspekte sind [[Persona_(C.G._Jung)|Persona]], [[ Anima_(Archetypus)|Anima - bzw. Animus]], der [[Schatten_(Archetypus)|Schatten]] sowie das [[Selbst_(Archetypus)|Selbst]]. Die Integration zunächst der minderwertigen Funktion und des Schattens, und dann der Anima bzw. dem Animus kann zur Selbstfindung und [[Individuation]] führen.


<div style="margin-left:20px">
== Das kollektive Unbewusste und seine Archetypen ==
"Der
[[Datei:Carl Gustav Jung.jpg|mini|Carl Gustav Jung (Zeichnung von unbekannter Hand)]]
Wille ist eigentlich für das gewöhnliche Bewußtsein etwas außerordentlich
Rätselhaftes; er ist eine Crux der Psychologen, einfach aus dem
Grunde, weil dem Psychologen der Wille entgegentritt als etwas sehr
Reales, aber im Grunde genommen doch keinen rechten Inhalt hat.
Denn wenn Sie bei den Psychologen nachsehen, welchen Inhalt sie dem
Willen verleihen, dann werden Sie immer finden: solcher Inhalt rührt
vom Vorstellen her. Für sich selber hat der Wille zunächst einen eigentlichen
Inhalt nicht. Nun ist es wiederum so, daß keine Definitionen da
sind für den Willen; diese Definitionen sind beim Willen um so schwieriger,
weil er keinen rechten Inhalt hat. Was ist er aber eigentlich? Er
ist nichts anderes, als schon der Keim in uns für das, was nach dem
Tode in uns geistig-seelische Realität sein wird. Also wenn Sie sich
vorstellen, was nach dem Tode geistig-seelische Realität von uns wird,
und wenn Sie es sich keimhaft in uns vorstellen, dann bekommen Sie
den Willen. In unserer Zeichnung endet der Lebenslauf auf der Seite
des Todes, und der Wille geht darüber hinaus (siehe Zeichnung S. 34).


[[Bild:GA293 034.gif|center|400px|Zeichnung aus GA 293, S 34]]
Nach der Jung sind die Archetypen Manifestationen des [[kollektives Unbewusstes|kollektiven Unbewußten]].


Wir haben uns also vorzustellen: Vorstellung auf der einen Seite,
Um zu verdeutlichen was er unter dem Archetypus verstand, brachte Jung gern das Beispiel
die wir als Bild aufzufassen haben vom vorgeburtlichen Leben; Willen
mit dem in der Mutterlauge vorhandenen, aber nicht sichtbaren Kristallgitter, das erst durch das Anschießen der Ionen und Moleküle als Kristall in Erscheinung tritt. Die so entstandenen Kristalle
auf der anderen Seite, den wir als Keim aufzufassen haben für späteres.
basieren zwar alle auf der präformierten Strukturmatrize (dem Kristallgitter), aber treten als sichtbare Erscheinung in den unterschiedlichsten Formen auf (vergleichbar mit dem Bild des Archetypus, welches dann im Bewusstsein erscheint).  <ref>[[Wikipedia:Aniela Jaffé|Aniela Jaffé]]: ''Der Mythus von Sinn: im Werk von C.G. Jung'', 3. Aufl., Daimon-Verlag 1983, Seite 21-22 [http://books.google.com/books?id=IHWJ5gZ0ytoC&pg=PA21&dq=%22Um+den+Unterschied+zwischen+dem+Archetypus%22&hl=de&sa=X&ei=jdgkUZyIAa3h0wGT74HIAQ&ved=0CCYQ6AEwAA#v=onepage&q=%22Um%20den%20Unterschied%20zwischen%20dem%20Archetypus%22&f=false Buch bei Google Books] </ref>
Ich bitte, den Unterschied zwischen Keim und Bild recht ins Auge zu
fassen. Denn ein Keim ist etwas Überreales, ein Bild ist etwas Unterreales;
ein Keim wird später erst zu einem Realen, trägt also der Anlage
nach das spätere Reale in sich, so daß der Wille in der Tat sehr
geistiger Natur ist. Das hat Schopenhauer geahnt; aber er konnte natürlich
nicht bis zu der Erkenntnis vordringen, daß der Wille der Keim
des Geistig-Seelischen ist, wie dieses Geistig-Seelische sich nach dem
Tode in der geistigen Welt entfaltet." {{Lit|{{G|293|33f|31}}}}
</div>


== Sympathie und Antipathie ==
Jung erkannte in Träumen vier Hauptkategorien von archetypischen Symbolen:
Im Erdenleben entfaltet sich nun das Seelenleben im Wechselspiel von [[Sympathie und Antipathie]]:
* den ''[[Schatten_(Archetypus)|Schatten]]'', welcher der Ich-Sphäre zuzurechnen ist und unterdrückte oder verdrängte Persönlichkeitsanteile enthält, bzw. den „dunklen [[Doppelgänger]]“, der die verdrängte Seite der Persönlichkeit symbolisiert und in den Träumen den Helden oder die Heldin verfolgt als Zeichen, dass die unterdrückten Teile der Persönlichkeit bewußt werden "möchten" und integriert werden sollten
* die Sirene, Liebesgöttin oder Sophia ''[[Animus und Anima|Anima]]'' und der Liebhaber bzw. der Märchenprinz ''Animus'', die eigenen gegengeschlechtlichen psychischen Anteile der Persönlichkeit, fordern beim Auftreten im Traum jeweils zur Integration der jeweils andersgeschlechtlichen Eigenschaften im Leben auf
* den ''alten Weisen'' oder ''die alte Weise'', die Weisheitsschicht der Psyche,
* und den Archetyp des ''[[Selbst_(Archetypus)|Selbst]]'', welcher sowohl Ich als auch Unbewusstes umfasst, Zentrum und Umfang der Gesamtpsyche darstellt und die zentrale Selbststeuerungs- und Entwicklungsinstanz der Psyche ist.


<div style="margin-left:20px">
{{"|Der <<Archetypus an sich>> ist unerkennbar; er stellt eine <<hypothetische unanschauliche Vorlage>> dar.}}
"Wir tragen die
<ref>C. G. Jung: ''Archetypen des koll. Unbewußten'', GW IX 1, Seite  15. Zitiert nach: Aniela Jaffé: ''Der Mythus von Sinn: im Werk von C.G. Jung'', 3. Aufl., Daimon-Verlag 1983, Seite 22  (Das erweiterte Originalzitat aus Jung, Gesammelte Werke: Fußnote 8 Seite 15, lautet: "Man muß, um genau zu sein, zwischen 'Archetypus' und 'archetypischen Vorstellungen' unterscheiden. Der Archetypus stellt an sich eine hypothetische, unanschauliche Vorlage dar, wie das in der Biologie bekannte 'pattern of behavior'. Siehe dazu [Jung,] Theoretische Überlegungen zum Psychischen.[GW VIII]" Fußnote 8 ist am Ende des folgenden Satzes eingefügt: "Der Archtypus stellt wesentlich einen unbewußten Inhalt dar, welcher durch seine Bewußtwerdung und das Wahrgenommenwerden verändert wird, und zwar im Sinne des jeweiligen individuellen Bewußtseins, in welchem er auftaucht.")</ref> 
Kraft der Antipathie in uns und verwandeln durch sie das vorgeburtliche
{{"|Ob die seelische Struktur und ihre Elemente, eben die Archetypen, überhaupt je entstanden sind, das ist eine Frage der Metaphysik und daher nicht zu beantworten.}}
Element in ein bloßes Vorstellungsbild. Und mit demjenigen, was
<ref>C. G. Jung: '' Mutterarchetypus '', GW IX 1, Seite  114 f. Zitiert nach: Aniela Jaffé: ''Der Mythus von Sinn: im Werk von C.G. Jung'', 3. Aufl., Daimon-Verlag 1983, Seite 21 </ref> 
als Willensrealität nach dem Tode hinausstrahlt zu unserem Dasein,
verbinden wir uns in Sympathie. Dieser zwei, der Sympathie und der
Antipathie, werden wir uns nicht unmittelbar bewußt, aber sie leben
in uns unbewußt und sie bedeuten unser Fühlen, das fortwährend aus
einem Rhythmus, aus einem Wechselspiel zwischen Sympathie und
Antipathie sich zusammensetzt.


[[Bild:GA293 035.gif|center|400px|Zeichnung aus GA 293, S 35]]
Diese eher ernüchternden Aussagen Jungs lassen vermuten, dass er die höheren Bewusstseinsstufen ([[Überpsychisches Bewusstsein]] und [[Spirituelles Bewusstsein]]) nicht kannte.
<ref>Wenn es um den Vergleich von Rudolf Steiner und C.G. Jung geht, macht [[Gerhard Wehr]] hingegen folgende Aussage: {{"|Fatal wird sich auswirken, wenn man einer Gestalt wie Steiner im Gegenüber zu Jung eine „höhere“ Erkenntnisqualität beimisst.}} (info3 Januar 2011 [http://www.info3.de/c5-style/magazin/info3/archiv/2011/januar/dialoge-koennen-nur-auf-augenhoehe-gelingen/ Text])</ref> 
Er erkannte nur {{"|wie sich die betreffenden Tatsachen, auf die Ebene der [[Psychisches Bewusstsein|Imagination]] projiziert, abbilden.}}
<ref>[[Hans Erhard Lauer]]: ''Die Rätsel der Seele'', 2. Aufl. 1964, S. 109f. (Siehe dazu auch [[Carl Gustav Jung#Analytische Psychologie und Anthroposophie im Vergleich|Analytische Psychologie und Anthroposophie im Vergleich]]) </ref>
Ähnlich wie Kant,
<ref>{{"|C.G. Jung war stark von Kant beeinflusst, den er schon in seiner Sudienzeit studiert hatte...Jung hat sich Zeit seines Lebens streng an die Grenzen der Erkenntnis gehalten, obwohl man ihm gerade Grenzüberschreitungen in Richtung der Metaphysik zum Vorwurf machte.}} (Alfred Ribi (Studienleiter am Jung-Institut): ''Neurose - an der Grenze zwischen krank und gesund: Eine Ideengeschichte zu den Grundfragen des Menschseins'', Springer  2011, [http://books.google.com/books?id=gxnUPyyc5uEC&pg=PA47&lpg=PA47&dq=%22C.+G.+Jung+war+stark+von+Kant+beeinflusst%22&source=bl&ots=mMiMjcIXbF&sig=RQ1SiKMlG88kA_ZrAQHX60vlS4Q&hl=de&sa=X&ei=HJE7Uf-IOIb9ygGhhIB4&ved=0CBoQ6AEwAA#v=onepage&q=%22C.%20G.%20Jung%20war%20stark%20von%20Kant%20beeinflusst%22&f=false Text]) </ref>
der es das [[Ding an sich]] nennt, sprach er von etwas für den Menschen unerreichbaren.


Wir entwickeln in uns die Gefühlswelt, die ein fortwährendes Wechselspiel
=== Persona und Schatten ===
- Systole, Diastole - zwischen Sympathie und Antipathie ist.
[[Datei:Jung_1910-rotated.jpg|thumb|Carl Gustav Jung (1910)]]
Dieses Wechselspiel ist fortwährend in uns. Die Antipathie, die nach
Die [[Persona]] (griech. = Maske) ist diejenige Seite der Persönlichkeit, die der sozialen Umwelt zugewandt ist. Sie manifestiert sich akut in allen Situationen, in denen "man sich zeigt", auf die Straße tritt z.B., ist aber auch sonst allgegenwärtig, als eine Fassung des Selbstverständnisses, die der Mensch oft nicht mal in der privaten Kammer für sich allein ablegen kann. Sie enthält all die vermeinten guten oder vorteilhaften, meist bewußten und differenzierten Eigenschaften, die sich ein Mensch zuschreibt, mit denen er sich identifiziert, und hält andere Züge der Persönlichkeit, die "dunklen", meist unbewußt, im ''Schatten''. Diese Polarität korrespondiert mit der entwickelten Anpassungsfunktion und der polaren minderwertigen, unentwickelten Funktion. Ein Professor z.B. hat typischerweise eine Persona, die seine intellektuelle Kompetenz herausstreicht, die Anpassungsfunktion des Denkens ist gut entwickelt und ist Hauptbestandteil der Persona. Die Gefühlsfunktion ist bei solchem Typus dann entsprechend minderwertig (gemäß den Ansprüchen der Persona), undifferenziert und unentwickelt, meist unbewußt verdrängt, versteckt, und dem Schatten zugehörig.
der einen Seite geht, verwandelt fortwährend unser Seelenleben in ein
vorstellendes; die Sympathie, die nach der anderen Seite geht, verwandelt
uns das Seelenleben in das, was wir als unseren Tatwillen kennen,
in das Keimhafthalten dessen, was nach dem Tode geistige Realität
ist. Hier kommen Sie zum realen Verstehen des geistig-seelischen
Lebens: wir schaffen den Keim des seelischen Lebens als einen Rhythmus
von Sympathie und Antipathie." {{Lit|{{G|293|35|33}}}}
</div>


Wird die [[Antipathie]], die das Vorstellungsleben bewirkt, noch gesteigert, entstehen das [[Gedächtnis]]:
Man kann zwar den Schatten nicht mit dem kleinen [[Hüter der Schwelle]], wie ihn Rudolf Steiner beschreibt, gleichsetzen, aber auf dem Weg zur [[Individuation]], wie ihn Jung mit seiner Psychologie beschreibt, hat die Konfrontation mit dem Schatten eine vergleichbare Bedeutung, wie sie auf dem [[Schulungsweg]] für den Jünger mit dem kleinen Hüter der Schwelle gegeben ist.


<div style="margin-left:20px">
=== Anima und Animus ===
"Wenn Sie nun jetzt vorstellen,
Nach der Integration des Schattens ist der Weg zur Selbstfindung frei für die Begegnung des männlichen Menschen mit der Anima, des weiblichen Menschen mit dem Animus. Anima und Animus liegen wie der Schatten polar zur Persona. Für den entwickelten Menschen, der individuiert ist, stellt die integrierte Anima bzw. der Animus ein imaginatives Wahrnehmungsorgan dar, Anima bzw. Animus sind insofern das Tor zur geistigen Welt. Diese Auffassung Jungs korrespondiert mit derjenigen von Rudolf Steiner, daß auf dem Schulungsweg Lust und Schmerz zu Wahrnehmungsorganen werden.
so begegnet jedes solche Vorstellen der Antipathie, und wird die
Ein besonderes Kennzeichen der Individuation nach der Lehre Jungs ist, daß es da vorzugsweise um Vollständigkeit der Seelenentwicklung geht, nicht um Vollkommenheit. Vollständigkeit meint die allseitige Ausbildung der Fähigkeiten, d.h. Entwicklung aller vier Anpassungsfunktionen, zu einer Art Vollmenschlichkeit, statt einseitig an der Vervollkommnung etwa des Denkens oder des Fühlens zu arbeiten, und dabei die anderen Seelenfunktionen zu vernachlässigen. (Dies entspricht der Regel 20 von "[[Licht_auf_dem_Weg|Licht auf den Pfad]]").
Antipathie genügend stark, so entsteht das Erinnerungsbild, das Gedächtnis,
so daß das Gedächtnis nichts anderes ist als ein Ergebnis der
in uns waltenden Antipathie. Hier haben Sie den Zusammenhang zwischen
dem rein Gefühlsmäßigen noch der Antipathie, die unbestimmt
noch zurückstrahlt, und dem bestimmten Zurückstrahlen, dem Zurückstrahlen
der jetzt noch bildhaft ausgeübten Wahrnehmungstätigkeit im
Gedächtnis. Das Gedächtnis ist nur gesteigerte Antipathie." {{Lit|{{G|293|36|34}}}}
</div>


Das Wollen hingegen beruht auf den Kräften der [[Sympathie]], aus der durch Steigerung die [[Phantasie]] hervorgeht. Durchdringt diese den ganzen Menschen bis in die [[Sinne]], so geht daraus die [[sinnlich]]e [[Anschauung]] hervor.
== Das «Rote Buch» ==


<div style="margin-left:20px">
Jung begann in der Zeit nach der Trennung von Sigmund Freud ein Experiment mit sich selbst, das später als «Auseinandersetzung mit dem Unbewussten» bekannt wurde. Über viele Jahre hielt er seine Phantasien, die er später «aktive Imaginationen» nannte (das ist eine von Jung entwickelte «Technik, um den inneren Vorgängen auf den Grund zu kommen», «Emotionen in Bilder zu übersetzen», «Phantasien, die [ihn] unterirdisch bewegten, zu fassen»<ref>C. G. Jung: ''Erinnerungen, Träume, Gedanken.'' Aufgezeichnet und herausgegeben von [[Aniela Jaffé]]. Sonderausgabe, 15. Auflage. Düsseldorf 2007, S.&nbsp;175, S.&nbsp;181 f. und 387.</ref>), als Notizen und Skizzen in «Schwarzen Büchern» (Notizbüchern) fest. Diese überarbeitete er später, ergänzte sie mit Reflexionen und übertrug sie zusammen mit Illustrationen in kalligraphischer Schrift in ein rot gebundenes Buch, das er als «LIBER NOVUS» betitelte. Auf Basis dieser inneren Erlebnisse bei seiner Konfrontation mit dem Unbewussten entwickelte Jung später seine bekannten Theorien.<ref>C. G. Jung: ''Das Rote Buch. LIBER NOVUS.'' Herausgegeben und eingeleitet von Sonu Shamdasani. Vorwort von Ulrich Hoerni. Patmos, Düsseldorf 2009, ISBN 978-3-491-42132-5, Vorwort, S.&nbsp;9.</ref>
"Das Wollen lebt in uns, weil wir mit ihm
Sympathie haben, weil wir mit diesem Keim, der nach dem Tode sich
erst entwickelt, Sympathie haben. Ebenso wie das Vorstellen auf Antipathie
beruht, so beruht das Wollen auf Sympathie. Wird nun die
Sympathie genügend stark - wie es bei der Vorstellung war, die durch
Antipathie zum Gedächtnis wird -, dann entsteht aus Sympathie die
Phantasie. Genau ebenso wie aus der Antipathie das Gedächtnis entsteht,
so entsteht aus Sympathie die Phantasie. Und bekommen Sie die
Phantasie genügend stark, was beim gewöhnlichen Leben nur unbewußt
geschieht, wird sie so stark, daß sie wieder Ihren ganzen Menschen
durchdringt bis in die Sinne, dann bekommen Sie die gewöhnlichen
Imaginationen, durch die Sie die äußeren Dinge vorstellen. Wie
der Begriff aus dem Gedächtnis, so geht aus der Phantasie die Imagination
hervor, welche die sinnlichen Anschauungen liefert. Die gehen
aus dem Willen hervor." {{Lit|{{G|293|37|35}}}}
</div>


== Im Wollen schläft der Mensch ==
Der ''Geist der Tiefe'', wie ihn Jung nennt, eröffnet ihm durch die Verschmelzung von Sinn und Widersinn den Blick auf den ''Übersinn'', der alles zeitliche Verstandeswissen übersteigt und die Brücke zu dem Kommenden bildet, den ''kommenden Gott'', als dessen Bild sich der Übersinn offenbart.
Das [[Bewusstsein]] [[Schlaf|schläft]] bezüglich der eigentlichen Willenstätigkeit. Vollbewusst sind nur die [[Vorstellung]]en, die das Wollen begleiten und [[traum]]bewusst die [[Gefühl]]e, die dabei mitschwingen. Die realen Hintergründe des Wollens sind nur dem [[Hellsehen|schauenden Bewusstsein]] zugänglich. Dabei zeigt sich, wie im Wollen einseits frühere [[Inkarnation]]en nachwirken und anderseits keimhaft künftige Inkarnationen vorbereitet werden.


<div style="margin-left:20px">
{{Zitat|Wenn ich im Geiste dieser Zeit rede<ref>In Goethes Faust sagt Faust: »Was ihr den Geist der Zeiten heißt, / Das ist im Grund der Herreneigner Geist, / In dem die Zeiten sich bespiegeln.« (Faust 1, Zeilen 577 ff.)</ref>, so muss ich
"Und wenn wir dann eintreten in jenes Gebiet, das man als den
sagen: Niemand und nichts kann rechtfertigen, was ich euch verkünden
Willen bezeichnet, so entzieht sich das ja sehr dem, was der Mensch
muss. Rechtfertigung ist mir überflüssig, denn ich habe keine
in seinem gewöhnlichen Bewußtsein hat. Was weiß der Mensch selbst
Wahl, sondern ich muss. Ich habe gelernt, dass außer dem Geiste
über das, was in ihm vorgeht, wenn der Gedanke: Ich will etwas
dieser Zeit noch ein anderer Geist am Werke ist, nämlich jener, der
haben - sich zu einer Handbewegung gestaltet? Der eigentliche
die Tiefe alles Gegenwärtigen beherrscht.<ref>Im ''Entwurf'' heißt es weiter: »Da sagte Einer zu mir, der mich nicht kannte, dem es aber offenbar zukam, es zu wissen: >Was für eine merkwürdige Aufgabe hast du! Du musst den Menschen all dein Innerstes und Unterstes enthüllen<. / Eben dagegen sträubte ich mich, denn ich hasste nichts so sehr als dieses, das mir als Unkeuschheit und Frechheit erschien.« (S. 1)</ref> Der Geist dieser Zeit möchte von Nutzen und Wert hören. Auch ich dachte so, und mein
Willensvorgang schläft im Menschen. Mit Bezug auf die Gefühle und
Menschliches denkt immer noch so. Aber jener andere Geist zwingt
Affekte konnte man wenigstens sagen, der Mensch träumt im Menschen.
mich dennoch zu reden, jenseits von Rechtfertigung, Nutzen und
Deshalb ist die Frage über die Freiheit eine so schwierige, weil
Sinn. Erfüllt von menschlichem Stolze und verblendet vom vermessenen
der Wille schlafend ist dem gewöhnlichen Bewußtsein gegenüber.
Geiste dieser Zeit suchte ich lange, jenen andern Geist von
Über das, was in dem Willen vorgeht, kommt man nur zu einer Erkenntnis,
mir zu halten. Aber ich bedachte nicht, dass der Geist der Tiefe seit
indem man im schauenden Bewußtsein bis zum wirklichen
alters und in alle Zukunft hinaus die höhere Macht besitzt, als der
intuitiven Bewußtsein gelangt, nicht dem verschwommenen alltäglichen,
Geist dieser Zeit, der mit den Generationen wechselt. Der Geist der
intuitiv genannten Bewußtsein, zu dem, was ich in meinen
Tiefe hat allen Stolz und allen Hochmut der Urteilskraft unterworfen.
Schriften die drei Stufen: imaginatives, inspiriertes und intuitives Erkennen
Er nahm den Glauben an die Wissenschaft von mir, er raubte
genannt habe. Da kommt man hinein in das Willensgebiet, in
mir die Freude des Erklärens und Einordnens, und er ließ die Hingabe
dasjenige, was in uns wirken, leben soll. Das muß erst aus den unterseelischen
an die Ideale dieser Zeit in mir erlöschen. Er zwang mich hinunter
Tiefen heraufgeholt werden. Dann aber findet man, daß
zu den letzten und einfachsten Dingen.
allerdings dieses Willenselement daneben noch - der gewöhnliche Gedanke
steht für sich - von Gedanken, von Geistigem durchsetzt ist.
Aber so wie wir den Willen in uns tragen, wirkt in diesen Willen
hinein jetzt nicht nur das, was wir in der geistigen Welt erlebt haben,
was in unsere Gefühle, in unsere Affekte hinein wirkt zwischen dem
Tod und einer neuen Geburt, sondern es wirkt dasjenige, was wir
in vorigen Erdenleben erlebt haben. In die Willensnatur des Menschen
wirken hinein die Impulse früherer Erdenleben. Und in dem, was
wir im gegenwärtigen Wollen entwickeln, heranzüchten, möchte ich
sagen, leben die Impulse für folgende Erdenleben." {{Lit|{{G|178|30f}}}}
</div>


<div style="margin-left:20px">
Der Geist der Tiefe nahm meinen Verstand und alle meine
"''[[Franz Brentano]]'' schaltet
Kenntnisse und stellte sie in den Dienst des Unerklärbaren und des
sogar das Wollen ganz aus von den Seelenkräften, unterscheidet nur
Widersinnigen. Er raubte mir Sprache und Schrift für alles, das
Vorstellen, Urteilen und die Gefühlsphänomene des Liebens und des
nicht im Dienste dieses einen stand, nämlich der Ineinanderschmelzung von Sinn und Widersinn, welche den Übersinn ergibt.
Hassens, so daß er das Wollen gar nicht in der Seele eigentlich anschaut.
Er schaltet es auch als Psychologe aus. Und daran ist das richtig,
daß, wenn man wiederum den Menschen, wie er in der gegenwärtigen
Inkarnation ist, auf sein Wollen hin prüft, man das Wollen gar nicht
findet. Man findet von dem Wollen im gegenwärtigen Menschen bloß,
daß es einen befriedigt oder unbefriedigt laßt, daß es einem Freude
macht, Trauer macht und dergleichen. Man findet sozusagen wirklich
von dem Wollen nur den Gefühls-, den Gemütseindruck, aber das
Wollen selber, es bleibt im Geheimnisvollen. Sie wissen nicht einmal,
warum Sie eine Hand erheben; Sie wissen, warum, welches Gefühl Sie
dazu verleitet hat, welche Vorstellung, aber wie Sie es machen, was
eigentlich als Wille wirkt: Sie können es nicht im gegenwärtigen Menschen
finden. Warum? Weil es nicht im gegenwärtigen Menschen drinnen
ist. Das wollende Ich ist gar nicht im gegenwärtigen Menschen
drinnen, sondern es ist das Ergebnis der vorigen Inkarnation. Was
in der vorigen Inkarnation war, das lebt sich jetzt aus als Wille, der
aus dem Ich herausfließt. Sage ich «Ich bin», so lebe ich in diesem
Gedanken «Ich bin» in dem Keim der nächsten Inkarnation. Sage ich:
«Ich will», dann lebe ich in dem, was herauswirkt aus der vorhergehenden
Inkarnation in die gegenwärtige hinein." {{Lit|{{G|176|144}}}}
</div>


== Wille und Karma ==
''Der Übersinn aber ist die Bahn, der Weg und die Brücke zum Kommenden.''


Im [[Gefühl]] und im Willen lebt werdendes [[Karma]]. Wären wir im Fühlen und Wollen vollbewusst, würden wir sehr leicht der Versuchung erliegen, uns dem karmischen Ausgleich zu entziehen, der uns aus der irdischen Perspektive oft als sehr schmerzvoll erscheint.
''Das ist der kommende Gott. Nicht ist es der kommende Gott selber, sondern sein Bild, das im Übersinn erscheint. Gott ist ein Bild, und die ihn anbeten müssen ihn im Bilde des Übersinnes anbeten.''<ref>In ''Wandlungen und Symbole der Libido'' (1912) deutet Jung Gott als Symbol der Libido (vgl. S. 70). In seinem späteren Werk betonte Jung besonders die Unterscheidung zwischen der Gott-Imago und der metaphysischen Existenz Gottes (vgl. die in der 1952 erschienenen und überarbeiteten Ausgabe der ''Wandlungen'' hinzugefügten Passagen, in: GW 5, § 95 . Die Schrift erhielt nun den neuen Titel ''Symbole der Wandlung'').</ref>


<div style="margin-left:20px">
''Der Übersinn ist nicht ein Sinn und nicht ein Widersinn, er ist Bild und Kraft in einem, Herrlichkeit und Kraft zusammen.''
"Es kommt wirklich nur die alleräußerste Oberfläche des Willens,
es kommen nur die alleroberflächlichsten Schaumgebilde des Willens
zum Ausdruck. Das andere bleibt uns verborgen. Und warum bleibt
uns im Gefühl und im Willen im Grunde genommen eine ganze Welt
verborgen? Weil das, was uns verborgen bleibt, wenn es angeschaut
würde vom physischen Plane aus, von uns nicht ertragen werden
könnte. Vom physischen Plane aus nähme es sich so aus, daß wir es
abwehren wollten, daß wir uns abwenden wollten davon.


Das, was da im Gefühl und im Willen lebt und ungeboren ist, das
''Der Übersinn ist Anfang und Ziel. Er ist Brücke von Hinübergehen und Erfüllung.''<ref>Die Wörter »hinübergehen«, »Übergang«, »Untergang« und »Brücke« kommen in Nietzsches ''Zarathustra'' vor, und zwar dort, wo vom Übergang des Menschen zum Übermenschen die Rede ist, z.B.; »Was groß ist am Mensch, das ist, daß er eine Brücke und kein Zweck ist: was geliebt werden kann am Menschen, das ist, daß er ein Übergang und ein Untergang ist. Ich liebe die, welche nicht zu leben wissen, es sei denn als Untergehende, denn es sind die Hinübergehenden.« (''Also sprach Zarathustra'',
ist werdendes Karma. Sagen wir, wir fühlen eine feindliche Empfindung
»Vorrede« 4. Die hervorgehobenen Wörter sind in Jungs Exemplar unterstrichen.)</ref>|C. G. Jung|''Das Rote Buch'', S. 229}}
gegen irgend jemand, um ein konkretes Beispiel zu wählen. Ja,
was da in dieser feindlichen Empfindung zu unserem Bewußtsein
kommt, das ist eben nur das äußerliche Wellenspiel. Da drinnen liegen
Kräfte, die über das ganze Planetensystem ausgebreitet sind. Aber das,
was uns verborgen bleibt, das ist gerade das, was uns sagt: Durch
deine feindliche Empfindung pflanzest du in dich etwas Unvollkommenes,
das mußt du ausgleichen. - In dem Augenblicke, wo herauftauchen
würde, was da unten mitlebt, würde vor uns die Imagination
desjenigen auftauchen, was im Karma die feindliche Empfindung ausgleichen
muß. Und wir würden uns mit Luzifer und Ahriman verbinden,
um abzuwehren diesen Ausgleich, weil wir von dem Standpunkt
des physischen Planes aus urteilen würden. Aber es wird uns
auf diesem physischen Plane das verborgen; der [[Hüter der Schwelle]]
verbirgt es uns aus dem einfachen Grunde, weil wir diese Dinge, die
nicht geboren werden an unserem Gefühl, an unserem Willen, nur
beurteilen können, wenn wir in der geistigen Welt zwischen dem Tod
und einer neuen Geburt leben. Da wollen wir das, was wir sonst nie
wollen würden, da wollen wir, daß das, was einer feindseligen
Stimmung entspricht, wirklich ausgeglichen werde, weil wir da das
rechte Interesse haben an dem Inhalt der Götterreligion, an dem
vollkommenen Menschheitsideal, das aus uns den vollkommenen
Menschen machen will. Von dem wissen wir, daß durch einen entgegengesetzten
Ausgleich das wettgemacht werden muß, was durch
eine feindselige Empfindung verursacht worden ist. Es muß für die
Zukunft nach dem Tode aufbewahrt bleiben, und dann erst darf
herauskommen, was ungeboren ist an unserem Gefühle und unserem
Willen." {{Lit|{{G|153|113f}}}}
</div>


== Wille und Schwerkraft ==
Das «Rote Buch», entstanden von 1914 bis 1930, wurde 2009 im Rubin Museum of Art in New York erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zu Lebzeiten hatte Jung es zurückgehalten, weil er - wohl nicht ganz unberechtigt - um sein wissenschaftliche Reputation fürchten musste. Im selben Jahr 2009 wurde das Buch erstmals im Druck herausgegeben. Das grossformatige, annähernd sieben Kilogramm schwere, in rotes Leder gebundene Werk ist in eigenartig feierlicher deutscher Sprache verfasst, in kunstvoller Kalligraphie mittelalterlicher Handschriften gehalten und mit farbenprächtigen Illustrationen versehen. In Europa wurde das Rote Buch 2010/2011 erstmals im [[Wikipedia:Museum Rietberg|Museum Rietberg]] in Zürich gezeigt.<ref name="test">[http://www.rietberg.ch/de-ch/ausstellungen/archiv.aspx Museum Rietberg – Ausstellungen – Archiv ''(Rückblick)'' – 2010 ''C. G. Jung – Das Rote Buch, 18. Dezember 2010 bis 20. März 2011'']</ref>
[[Physiologie|Physiologisch]] gesehen wird das Bewusstsein für das eigentliche Wollen ausgelöscht, weil es sich mit der abwärts gerichteten [[Schwerkraft]] verbindet, die Vorstellungen hingegen mit den aufwärts gerichteten Auftriebskräften.


<div style="margin-left:20px">
Ausgangspunkt war eine große [[Apokalypse|apokalyptische]] [[Vision]], die er das „Gesicht der Sintflut“ nannte, das ihn etwa in der Mitte seines Lebens erstmals im Oktober [[Wikipedia:1913|1913]] überfiel, und das er zunächst nicht zu deuten wusste und ihn an seinem Geisteszustand ernsthaft zweifeln ließ.  
"Sehen Sie, unser Gehirn wiegt durchschnittlich 1250 Gramm. Wenn
dieses Gehirn, indem wir es in uns tragen, wirklich 1250 Gramm wiegen
würde, dann würde es so stark drücken auf die unter ihm befindlichen
Blutadern, daß das Gehirn nicht in richtiger Weise mit Blut
versorgt werden könnte. Es würde ein starker Druck ausgeübt werden,
der das Bewußtsein sogleich umnebeln würde. In Wahrheit drückt
das Gehirn gar nicht mit den vollen 1250 Gramm auf die Unterfläche
der Schädelhöhle, sondern nur mit etwa 20 Gramm. Das kommt davon
her, daß das Gehirn in der Gehirnflüssigkeit schwimmt. So wie der
Körper hier im Wasser schwimmt, so schwimmt das Gehirn in der
Gehirnflüssigkeit. Und das Gewicht der Gehirnflüssigkeit, die verdrängt
wird durch das Gehirn, beträgt eben ungefähr 1230 Gramm.
Um diese wird das Gehirn leichter und hat nur noch 20 Gramm. Das
heißt, wenn man nun auch - und das tut man ja mit einem gewissen
Recht - das Gehirn als das Werkzeug unserer Intelligenz und unseres
Seelenlebens, wenigstens eines Teiles unseres Seelenlebens, betrachtet,
so muß man nicht bloß rechnen mit dem wägbaren Gehirn - denn dieses
ist nicht allein da -, sondern dadurch, daß ein Auftrieb da ist, strebt
das Gehirn eigentlich nach aufwärts, strebt seiner eigenen Schwere
entgegen. Das heißt, wir leben mit unserer Intelligenz nicht in abwärtsziehenden,
sondern in aufwärtsziehenden Kräften. Wir leben mit
unserer Intelligenz in einem Auftrieb drinnen.


Nun ist das, was ich Ihnen auseinandergesetzt habe, allerdings nur
{{Zitat|Es geschah im Oktober des Jahres 1913, als ich allein auf einer Reise begriffen war,
für unser Gehirn so. Die anderen Teile unseres Organismus, also von
dass ich untertags plötzlich von einem Gesicht befallen wurde: ich sah eine
dem Boden der Schädeldecke nach unten, die sind nur zum kleinsten
ungeheure Sintflut, die alle nördlichen und tiefgelegenen Länder zwischen der
Teil - nur das Rückenmark - in derselben Lage. Aber im ganzen streben
Nordsee und den Alpen bedeckte. Sie reichte von England bis nach Russland und
die anderen Teile des Organismus nach unten. Da leben wir also
von den Küsten der Nordsee bis fast zu den Alpen. Ich sah die gelben Wogen, die
in dem Zug nach unten. Wir leben im Gehirn im Auftriebe, nach aufwärts,
schwimmenden Trümmer und den Tod von ungezählten Tausenden.
und sonst im Zuge nach unten. Unser Wille lebt durchaus im
Zug nach unten. Er muß sich vereinigen mit dem Druck nach unten.
Dadurch aber wird ihm das Bewußtsein genommen. Dadurch schläft
er fortwährend. Gerade das ist das Wesentliche der Willenserscheinung,
daß sie als bewußte ausgelöscht wird, deshalb, weil sich der Wille mit
der nach unten gerichteten Schwerkraft vereinigt. Und unsere Intelligenz
wird lichtvoll dadurch, daß wir uns vereinigen können mit dem
Auftrieb, daß unser Gehirn entgegenarbeitet der Schwerkraft.


Sie sehen, durch die verschiedenartige Vereinigung des menschlichen
Dieses Gesicht währte an die zwei Stunden, es verwirrte mich und machte mir übel.
Lebens mit dem zugrunde liegenden Materiellen wird auf der
Ich vermochte nicht, es zu deuten. Es vergingen darauf zwei Wochen, dann kehrte
einen Seite das Untergehen des Willens in der Materie bewirkt und auf
das Gesicht wieder, noch heftiger als zuvor. Und eine innere Stimme sprach: „Sieh
der anderen Seite wird die Aufhellung des Willens zur Intelligenz bewirkt.
an, es ist ganz wirklich, und es wird so sein. Du kannst nicht daran zweifeln. Ich
Niemals könnte die Intelligenz entstehen, wenn unser Seelenwesen
rang wiederum an die zwei Stunden mit diesem Gesicht, aber es hielt mich fest. Es
gebunden wäre an eine bloß nach abwärts strebende Materie.
ließ mich erschöpft und verwirrt. Und ich dachte, dass mein Geist krank geworden
sei.<ref>Über diese Vision sprach Jung bei mehreren Gelegenheiten, wobei er unterschiedliche Einzelheiten hervorhobt: In seinem Seminar ''Analytische Psychologie'' von 1925 (S. 69), in dem Gespräch mit Mircea Eliade (siehe oben, S. 203) und in den Erinnerungen (S. 179). Jung war auf dem Weg nach Schaffhausen, dem Wohnort seiner Schwiegermutter, die am 17. Oktober ihren 75. Geburtstag feierte. Die Zugreise dorthin dauert etwa eine Stunde.</ref>


Nun bedenken Sie, daß wir also eigentlich erleben, richtig erleben,
Von da an kehrte die Angst vor dem ungeheuren Ereignis, das unmittelbar vor uns
wenn wir nicht in der heutigen Abstraktion den Menschen betrachten,
stehen sollte, wieder. Einmal auch sah ich eine Meer von Blut über den nördlichen
sondern so betrachten, wie er wirklich ist, so daß das Geistige mit dem
Ländern.
Physischen zusammenkommt - da muß nur das Geistige so stark gedacht
werden, daß es auch die physische Kenntnis umfassen kann -,
daß bei ihm auf der einen Seite durch eine besondere Vereinigung mit
dem materiellen Leben, nämlich mit dem Auftrieb im materiellen Leben,
die Aufhellung in die Intelligenz ist und auf der anderen Seite die
Einschläferung, wenn wir den Willen gewissermaßen aufsaugen lassen
müssen von dem nach unten gerichteten Druck, so daß der Wille im
Sinne dieses nach unten gerichteten Druckes wirkt. Er wirkt so. Nur
ein kleiner Teil von ihm filtriert sich durch bis zu dem 20-Gramm-
Druck, geht in die Intelligenz hinein. Daher ist die Intelligenz etwas
vom Willen durchdrungen. Aber im wesentlichen haben wir es in der
Intelligenz zu tun mit dem, was entgegengesetzt ist der ponderablen
Materie. Wir wollen immer über den Kopf hinaus, indem wir denken." {{Lit|{{G|320|49f}}}}
</div>


== Wille und Stoffwechselsystem ==
Im Jahre 1914 im Monat Juni, zu Anfang des Monats und im
Ende, und im Anfang des Monats Juli hatte ich zu dreien Malen
denselben Traum: Ich war in einem fremden lande, und plötzlich,
über Nacht und zwar in der Mitte des Sommers, war eine unbegreifliche
und ungeheure Kälte aus dem Weltraum hereingebrochen,
alle Seen und Flüsse waren zu Eis erstarrt, alles lebendig
Grüne war erfroren.


Das [[Stoffwechselsystem]] ist der physische Träger der Willenstätigkeit.
Der zweite Traum war diesem ganz ähnlich. Der dritte Traum
im Anfang des Monats Juli aber war so:


<div style="margin-left:20px">
Ich war in einem fernen englischen Lande.<ref>Im ''Entwurf'' heißt es weiter: »mit einem Freunde, (dessen Mangel an Weitblick und dessen Unbedachtheit mir in Wirklichkeit öfter aufgefallen waren).« (S. 8)</ref> Es war notwendig,
"Jede Willensentfaltung im Menschen ist begleitet von einer besonderen
dass ich mit einem schnellen Schiffe so rasch wie möglich nach der
Form der Stoffwechselvorgänge. Es ist viel unmittelbarer an den
Heimat zurückkehrte.<ref>Im ''Entwurf'' heißt es weiter: »Mein Freund aber wollte mit einem kleinen langsamen Segelschiff zurückfahren, was ich dumm und unvorsichtig fand.« (S. 8)</ref> Ich gelangte rasch nach Hause.<ref>Im ''Entwurf'' heißt es weiter: »und fand dort auch merkwürdigerweise, zugleich mit mir, meinen Freund vor, der offenbar doch dasselbe schnelle Schiff benutzt hatte, ohne
Stoffwechsel der Wille gebunden als etwa das Denken. Natürlich muß
dass ich es merkte« (S. 8 f.)</ref> In der
der Mensch einen gesunden Stoffwechsel haben, wenn er gesund denken
Heimat fand ich, dass mitten im Sommer eine ungeheure Kälte aus
soll. Aber unmittelbar ist das Denken an eine ganz andere Tätigkeit im
dem Weltraum hereingebrochen war, die alles Lebendige zu Eis
Nervensystem gebunden, als die Stoffwechseltätigkeit ist, während der
hatte erstarren lassen. Da stand ein blättertragender, aber früchteloser
Wille des Menschen unmittelbar an den Stoffwechsel gebunden ist. Und
Baum, dessen Blätter sich durch die Einwirkung des Frostes in
dieses Gebundensein an den Stoffwechsel, das ist wiederum dasjenige,
süße Weinbeeren voll heilenden Saftes verwandelt hatten.<ref>Eiswein wird aus Trauben bereitet, die bis zum ersten Frost am Rebstock bleiben. Danach werden sie gepresst, das Eis entfernt, und so ein starker, köstlicher Dessertwein gewonnen.</ref> Ich
was man kennen muß. Wenn wir nun Vorstellungen von unserem
pflückte die Trauben und schenkte sie einer großen, harrenden
eigenen Willen aufnehmen, wenn wir denken über den Willen, dann
Menge.<ref>Im ''Entwurf'' heißt es weiter: »Dies war mein Traum. Vergebens war alle Anstrengung, ihn zu verstehen. Ich mühte mich tagelang. Sein Eindruck aber war mächtig.« (S. 9) Jung berichtet von diesem Traum auch in den Erinnerungen (vgl. S. 179).</ref>
projiziert sich die Stoffwechseltätigkeit ins Nervensystem hinein. Erst
mittelbar, indirekt, wirkt Wille im Nervensystem. Zur Wahrnehmung
unserer eigenen Willenstätigkeit ist dasjenige, was sich im Nervensystem
in bezug auf den Willen entwickelt." {{Lit|{{G|305|53}}}}
</div>


<div style="margin-left:20px">
In Wirklichkeit nun war es so: In der Zeit, in der der große
"... von
Krieg zwischen den Völkern Europas ausbrach, befand ich mich in
Willen reden die heutigen Psychologen gar nicht mehr. Warum? Sehr
Schottland,<ref>Vgl. Einleitung, S. 203</ref> gezwungen durch den Krieg, entschloss ich mich, mit
natürlich reden sie nichts! Nun, wenn ich den Arm heben will, also
dem schnellsten Schiff auf dem kürzesten Wege heimzukehren. Ich
einen Willensakt vollziehen will, so habe ich zunächst die Vorstellung;
fand die ungeheure Kälte, die alles erstarren ließ, ich fand die Sintflut,
dann taucht etwas in das Gebiet hinunter, das vollständig,
das Blutmeer, und fand meinen früchtelosen Baum, dessen
wie man heute sagt, «unbewußt» ist. In dieses Reservoir tut man
Blätter der Frost in das Heilmittel verwandelt hatte. Und ich pflücke
alles dasjenige hinein, was man in der Seele nicht beobachten kann
die reifen Früchte und gebe sie euch und weiß nicht, was ich
und von dem man glaubt, daß es doch da ist. Dann taucht das Ganze
euch schenke, welch bittersüßen Rauschtrank, der einen Blutgeschmack
in das Unbewußte hinunter. Dann schaue ich mir an, wie ich meine
auf eurer Zunge hinterlässt.
Hand bewege. Aber zwischen der Intention und der geschehenen
Tatsache geht der Wille, der sich abspielt, ganz in das Materielle des
physischen Organismus hinunter. Das kann man genau durch die
Intuition verfolgen; der geht hinunter in das innerste Wesen des
Organismus. Der Willensakt geht bis zum Stoffwechsel. Und es gibt
keinen Willensakt beim physischen Erdenmenschen, der sich nicht
für die intuitive Erkenntnis in einem entsprechenden Stoffwechselvorgange
verfolgen ließe. Aber es gibt auch keinen Willensvorgang,
der nicht in einer, nenne man es Zersetzung oder Auflösung, wie man
will, innerhalb der Stoffwechselvorgänge seinen Ausdruck fände.
Der Wille schafft erst weg dasjenige, was irgendwo im Organismus
ist, damit er sich entfalten kann. Es ist geradeso, wie wenn ich in
meinem Arm, wenn ich ihn zum Ausdruck meines Willens brauche,
da erst etwas verbrennen müßte. Da muß erst etwas weg — es wird
sich schon in den nächsten Tagen zeigen, ich weiß, daß es heute eine
furchtbare naturwissenschaftliche Ketzerei ist, aber es wird sich uns
als eine Wahrheit enthüllen —, es muß erst etwas Stoffliches vernichtet
werden, damit der Wille sich hinsetzen kann. Da, wo Stoff ist, da
muß das Geistig-Seelische sich festsetzen. Das ist das Wesen der
intuitiven Erkenntnis. Sie kommen nicht zu der Erklärung der
Stoffwechselvorgänge im Menschen, wenn Sie sie nicht suchen mit
intuitiver Erkenntnis." {{Lit|{{G|314|93f}}}}
</div>


<div style="margin-left:20px">
Glaubt mir:<ref>Im ''Entwurf'' richtet sich dies an »meine Freunde« (S. 9).</ref> ''Es ist keine Lehre und keine Belehrung, die ich euch gebe. Woher sollte ich nehmen, euch zu belehren? Ich gebe euch Kunde vom Wege dieses Menschen, von seinem Wege, aber nicht von eurem Wege. Mein Weg ist nicht euer Weg, also kann ich / euch nicht lehren. Der Weg ist in uns, aber nicht in Göttern, noch in Lehren, noch in Gesetzen. In uns ist der Weg, die Wahrheit und das Leben''.<ref>Vgl. im Gegensatz dazu Johannes 14,6 : »Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.«</ref>|C. G. Jung|''Das Rote Buch'', S. 230f}}
"Da haben wir auch während des Wachzustandes die dreigliedrige
menschliche Seele: die wache Seele, die vorstellt, die träumende Seele,
die fühlt, und die wollende Seele, die schläft, so daß der Mensch im
gewöhnlichen Bewußtsein niemals sagen kann, was eigentlich da unten
in den Zuständen vor sich geht, in denen der Wille webt und lebt.
Wenn man dann aber mit den Methoden der anthroposophischen
Forschung in diejenige Region hinunterleuchtet, wo der Wille pulsiert,
da findet man zunächst das Folgende. Wenn wir die Absicht
haben, irgendeinen Willensentschluß auszuführen, dann ist das zunächst
ein Gedanke, eine Vorstellung. In dem Momente, wo diese
Absicht in den Organismus hineinströmt, entsteht im Organismus
dasjenige, was man einen inneren Verbrennungsprozeß nennen kann.
Jedesmal wird im Organismus ein Verbrennungsprozeß entstehen
längs des ganzen Weges, den der Willensentschluß macht. Durch das
Verbrennen von Stoffwechselprodukten, die Sie in sich haben, wird
alles das bewirkt, was den Arm bewegt, um einen Willensentschluß
auszuführen, so daß eigentlich ein wollender Mensch im physischen
Sinne in einem verbrennungsartigen Verzehren seiner Stoffwechselprodukte
sich befindet. Eigentlich müssen wir immer deshalb die
Stoffwechselprodukte erneuern, weil durch den Willen diese Stoffwechselprodukte
fortwährend verzehrt, verbrannt werden.


Das ist anders beim Vorstellen. Beim Vorstellen findet ein fortwährendes
Erst mit dem Ausbruch des [[Wikipedia:Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] wurde Jung - mit verständlicher Erleichterung - schlagartig klar, dass er dessen [[Prophetie|prophetische Vorschau]] erlebt hatte. Jungs Schilderung lässt deutlich erkennen, dass es sich dabei um eine reale [[Imagination]] und [[Inspiration]] gehandelt hatte. Deutlich tritt darin auch der [[christlich]]e Impuls zutage.
Ablagern von salzartigen Bestandteilen statt. Erdige, salzartige,
aschenartige Bestandteile sondern sich aus dem Organismus
ab, so daß, physisch gesprochen, das Denken, das Vorstellen ein
Salzablagern ist. Das Wollen ist ein Verbrennen. Und dem Anschauen,
dem geistigen Anschauen stellt sich das menschliche Leben als ein
fortwährendes Salzablagern von oben und als ein Verbrennen von
unten herauf dar. Dieses Verbrennen, das macht, daß wir, wenn ich
mich so ausdrücken darf, im Feuer des eigenen Leibes mit dem gewöhnlichen
Bewußtsein nicht wahrnehmen können, was der Wille
eigentlich ist. Dieses Verbrennen bewirkt, daß wir den Willen, alles
Wollen fortwährend verschlafen.


Aber was wird uns denn da unsichtbar für das gewöhnliche Bewußtsein,
== Werkausgaben ==
wenn wir den Willen verschlafen? Wenn man nun in dieses
Umfassende Ausgabe:
organische Feuer, das fortwährend durch den Willen entsteht, mit den
* ''Gesammelte Werke.'' 18 Bände. Rascher, Zürich / Walter, Olten 1958–1981.
Mitteln der Geistesanschauung hineinleuchtet, dann nimmt man wahr,
daß in diesem Feuer die Wirkungen unseres moralischen Verhaltens
in dem vorhergehenden Erdenleben leben. Da drinnen lebt dasjenige,
was man menschliches Schicksal, menschliches Karma nennen kann.
Es ist wirklich so, daß, wenn man richtig anschaut, wenn ein Mensch
zum Beispiel in einem bestimmten Jahre seines Lebens die Bekanntschaft
eines andern Menschen macht, daß sich dann ganz anders diese
Tatsache ausnimmt, wenn man sie geistig richtig anschaut, als wenn
man sie nur äußerlich mit dem sinnlich-intellektualistischen Bewußtsein
anschaut." {{Lit|{{G|226|61f}}}}
</div>


== Die schöpferische Kraft des Willens ==
Ergänzend dazu:
Der Wille ist nur die Vorstufe eines [[schöpferisch]]en Vorgangs, der von [[Rudolf Steiner]] auch als das "große Opfer" bezeichnet wird. Bei diesem Vorgang gibt sich ein Wesen einem anderen Wesen so sehr hin, dass die Wirkungen dieser [[Hingabe]] und der damit hingegebenen Kräfte sogar bis ins Physische hineinwirken. Durch einen solchen Schöpfungsvorgang wird, laut Rudolf Steiner, ein Universum geboren. Rudolf Steiner beschreibt als Beispiel, dass man sich vorstellen kann, um diesen Vorgang zu begreifen, man würde sein Spiegelbild, das eine Illusion ist, dadurch beleben, dass man sich diesem so sehr hingibt, dass man stirbt.  
* Band 19: ''Bibliographie.'' Olten 1983, ISBN 3-530-40719-4.
* Band 20: ''Gesamtregister.'' Olten 1994, ISBN 3-530-40720-8.
* ''Briefe 1906–1961.'' 3 Bände. Olten 1972/73. (Patmos, Düsseldorf 2009, ISBN 978-3-530-40698-6)
* ''Kinderträume. Zur Methodik der Trauminterpretation. Psychologische Interpretation von Kinderträumen.'' Olten 1987, ISBN 3-530-40680-5.
* ''Traumanalyse. Nach Aufzeichnungen der Seminare 1928–1930.'' Olten 1991, ISBN 3-530-40681-3.
* ''Das Rote Buch.'' Patmos, Düsseldorf 2009, ISBN 978-3-491-42132-5.


<div style="margin-left:20px">
Teilausgaben:
"Jenes höchste Prinzip, das im Menschen das Atma ist, das er am Ende seiner irdischen oder sagen wir seiner jetzigen planetarischen Laufbahn ausbilden wird, können wir im Sinne der Geistes- oder Geheimwissenschaft dadurch charakterisieren, daß wir seine Urwesenheit mit etwas vergleichen, das dem heutigen Menschen nur andeutungsweise bekannt ist: nämlich mit dem, was der Mensch als Wille in sich hat. Willensartiger Natur, eine Art Wollen ist der Grundcharakter dieses höchsten göttlichen Prinzipes im Menschen. Was beim Menschen heute am schwächsten ausgebildet ist in seiner inneren Wesenheit, der Wille, das wird in der Zukunft, wenn der Mensch immer höher und höher steigen wird, sein vorzüglichstes Prinzip sein.
* [[Wikipedia:Verena Kast|Verena Kast]], [[Wikipedia:Ingrid Riedel|Ingrid Riedel]] (Hrsg.): ''Ausgewählte Schriften.'' Patmos, Ostfildern 2011, ISBN 978-3-8436-0029-3.
* Helmut Barz (Hrsg.): ''Grundwerk in neun Bänden.'' Walter, Olten 1984.
* Lorenz Jung (Hrsg.): ''Taschenbuchausgabe in 11 Bänden.'' Dtv, München 1991, ISBN 3-423-59049-1.
* ''100 Briefe. Eine Auswahl.'' Walter, Olten 1975.
* Sigmund Freud, C. G. Jung: ''Briefwechsel.'' S. Fischer, Frankfurt am Main 1974.
** Gekürzte Ausgabe. Ebd. 1984, ISBN 3-596-26775-7.


Heute ist der Mensch im wesentlichen ein erkennendes Wesen, und sein Wille ist eigentlich noch nach den mannigfaltigsten Seiten hin eingeschränkt. Der Mensch kann die Welt um sich herum, bis zu einem gewissen Grade, in ihrer Universalität begreifen. Denken Sie aber, wie wenig er von dem, was er begreifen kann, auch zu wollen vermag, wie wenig er Macht über das hat, was er erkennen kann. Was er aber heute noch nicht hat, das wird ihm die Zukunft bringen: Sein Wille wird immer mächtiger werden, bis er sein großes Ziel erreicht haben wird, welches man in der Geisteswissenschaft das große Opfer nennt. Dieses besteht in jener Macht des Willens, wo das Wesen, das da will, imstande ist, sich ganz hinzugeben, nicht nur das Wenige hinzugeben, was der Mensch mit seinen schwachen Gefühls- und Willensmächten hinzugeben vermag, sondern das ganze Sein hinzugeben, als eine bis ins Stoffliche hineingehende Wesenheit sich ausfließen zu lassen.
== Analytische Psychologie und Anthroposophie im Vergleich ==
Rudolf Steiner sieht in der analytischen Psychologie problematische Halbwahrheiten. In einem Vortrag ([[GA 66]]) äußert er sich im Jahre 1917 wie folgt:


Sie werden eine Vorstellung bekommen von dem, was damit gemeint ist, von dem großen Opfer, der höchsten Ausprägung des Willens in der Gottnatur, wenn Sie sich folgendes vorstellen: Denken Sie sich, Sie stünden vor einem Spiegel, und Ihr Bild schaut Sie aus diesem Spiegel an. Dieses Bild ist eine Illusion, die Ihnen vollständig gleicht. Denken Sie ferner, Sie wären dadurch gestorben, daß Sie Ihr eigenes Sein, Ihr Fühlen, Denken, Ihr Wesen hinopfern, um dieses Bild zu beleben, dieses Bild zu dem zu machen, was Sie selbst sind. Sich selbst aufzuopfern und sein Leben an das Bild abzugeben, das ist es, was die Geisteswissenschaft zu allen Zeiten die Emanation, das Ausfließen, genannt hat. Wenn Sie das tun könnten, dann würden Sie sehen, daß Sie nicht mehr da sind, weil Sie alles abgegeben haben zur Auferweckung des Lebens und des Bewußtseins im Bilde.
<div style="margin-left:20px">
"Nun trat ja in der neueren Zeit das hervor, was man die
analytische Psychologie nennt. Diese analytische Psychologie
ist, ich möchte sagen, von guten Ahnungen beseelt.
Denn was will sie? Diese analytische Psychologie, oder wie
man sie gewöhnlich heute nennt, Psychoanalyse, sie will
von dem gewöhnlichen Seelenleben zu dem heruntersteigen,
was in dem gewöhnlichen gegenwärtigen Seelenleben nichtyp
mehr enthalten ist, aber Rest ist aus früherem seelischen
Erleben. Der Psychoanalytiker nimmt an, das seelische
Leben erschöpfe sich nicht in dem gegenwärtigen seelischen
Erleben, in dem bewußten seelischen Erleben, sondern das
Bewußtsein tauche hinunter ins Unterbewußte. Und in vielem,
was im seelischen Leben als Störung, als Verwirrung,
als dieses oder jenes Mangelhafte auftritt, sieht der  
Psychoanalytiker eine Wirkung des unten im Unterbewußten
Wogenden. Aber interessant ist es, was in diesem Unterbewußten
der Psychoanalytiker nun sieht. Wenn man hört,
was er aufzählt in diesem Unterbewußten, so ist es zunächst
getäuschte Lebenshoffnung. Der Psychoanalytiker
findet irgendeinen Menschen, der unter dieser oder jener
Depression leidet. Diese Depression braucht ihren Ursprung
nicht im gegenwärtigen bewußten Seelenleben zu haben,
sondern in der Vergangenheit. In diesem Leben trat einmal
irgend etwas im seelischen Erleben auf. Der Mensch ist darüber hinausgekommen, aber nicht vollständig; im Unterbewußten ist ein Rest geblieben. Er hat zum Beispiel Enttäuschungen erlebt. Er ist durch Erziehung, durch andere
Vorgänge, mit dem bewußten Seelenleben über diese Enttäuschungen hinweggekommen, aber im Unterbewußten,
da leben sie. Da wogt sie, diese Enttäuschung, gewissermaßen bis an die Grenze der Bewußtheit heran. Da erzeugt
sie dann die unklare seelische Depression. Der Psychoanalytiker sucht also in allerlei Enttäuschungen, in getäuschten Lebenshoffnungen, die ins Unterbewußte heruntergezogen sind, dasjenige, was das bewußte Leben in
einer dunklen Weise bestimmt. Das sucht er auch in dem,
was das Seelenleben als Temperament färbt. In dem, was
das Seelenleben aus gewissen rationalen Impulsen heraus
färbt, sucht der Psychoanalytiker ein Unterbewußtes, das
gewissermaßen nur anschlägt an das Bewußtsein. Dann
aber kommt er zu einem weiten Gebiete - ich referiere hier
nur —, welches der Psychoanalytiker dadurch faßt, daß er
sagt: Da spielt herauf in das bewußte Leben der animalische
Grundschlamm der Seele. Nun soll gar nicht geleugnet werden, daß dieser Grundschlamm vorhanden ist.
(...)
In dem, was der Psychoanalytiker in den enttäuschten Lebenshoffnungen in den Untergründen der Seele sucht, liegt, wenn er nur tief genug
darauf eingeht, dasjenige, was sich vorbereitet in einem
gegenwärtigen Leben, um schicksalsmäßig in ein nächstes
Leben einzugreifen.


Wenn der Wille auf solcher Stufe angelangt ist, daß er zu vollbringen imstande ist, was man das große Opfer nennt, dann schafft, schöpft er ein Universum, groß oder klein, und dieses Universum ist ein Spiegelbild, das seine Aufgabe durch das Wesen des Schöpfers selbst bekommt. Dadurch haben wir charakterisiert, was der schöpferische Wille in der göttlichen Wesenheit ist." {{Lit|{{G|096|208f}}}}
So findet man überall, wenn man den animalischen
Grundschlamm — ohne sich die Hände dabei zu beschmutzen,
wie es bei den Psychoanalytikern leider so häufig geschieht
- umgräbt, durchforscht, das geistig-seelische Weben des
Schicksals, das über Geburt und Tod mit dem geistig-seelischen Leben der Seele hinausgeht. Gerade an der
analytischen Psychologie haben wir ein Gebiet, an dem so recht
gelernt werden kann, wie alles richtig und alles falsch ist,
wenn es sich um Weltanschauungsfragen handelt, nämlich
von der einen oder anderen Seite aus."{{Lit|{{G|066|179ff}}}}  
</div>
</div>


== Denken, Fühlen und Wollen und Luzifer und Ahriman ==
In [[GA 181]] (1918) heißt es über einen Züricher Professor Jung und seine analytische Psychologie:
 
[[Denken]], [[Fühlen]] und Wollen liegt eine einheitliche Seelentätigkeit zugrunde, nur macht die [[luzifer]]ische Tätigkeit das Wollen jung und die [[ahrimanisch]]e Tätigkeit das Denken alt. Im Fühlen stehen Luzifer und Ahriman im Kampf miteinender.


<div style="margin-left:20px">
<div style="margin-left:20px">
"Die luziferische Tätigkeit macht das Wollen jung. Unsere Seelentätigkeit,
In Zürich macht man ja insbesondere Bekanntschaft mit der dort bereits akademiefähig gewordenen analytischen Psychologie, der sogenannten Psychoanalyse, und gerade an meine Vorträge haben sich die merkwürdigsten Auseinandersetzungen über die Beziehungen der anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft zur Psychoanalyse angeschlossen. Aber die Psychoanalytiker kommen sozusagen mit geistig verbundenen Augen an diese Welt der Geisteswissenschaft heran, können sich nicht in sie hineinfinden. Aber diese Welt pocht an die Türe desjenigen, was heute den Menschen erschlossen werden soll. Da ist zum Beispiel in Zürich ein Professor Jung, der erst jüngst wieder eine Broschüre über Psychoanalyse geschrieben hat - er hat viele Schriften darüber verfasst - und der manches Problem darin berührt; aber er zeigt damit gerade, dass er alles nur mit unzulänglichen Mitteln anpacken kann. Ich will eine Tatsache anführen, aus deren Erwähnung Sie gleich sehen werden, was ich meine. Jung führt ein Beispiel an, das überhaupt viel von den Psychoanalytikern angeführt wird. Einer Frau passiert das Folgende. Sie ist eines Abends in einer Gesellschaft eingeladen, sie soll in einem Hause zum Abend bleiben. Die Dame des Hauses, wo sie eingeladen ist, soll gleich, nachdem das Abendessen verlaufen ist, in einen Badeort reisen, weil sie nicht ganz gesund ist. Das Abendbrot nimmt seinen Verlauf, die Dame des Hauses fährt ab, die Gäste gehen auch fort. Mit einem Trupp Gäste geht auch die eingeladene Dame, die ich meine. Die Leute gingen, wie man das ja zuweilen zu tun pflegt, wenn man abends aus einer Gesellschaft kommt, nicht auf dem sogenannten Bürgersteig, sondern sie gingen auf der Mitte der Straße. Da kommt auf einmal eine Droschke um eine Ecke gefahren. Die Leute wichen dem Wagen nach den Bürgersteigen hin aus, aber jene erwähnte Dame nicht. Sie lief mitten auf dem Fahrdamm weiter, gerade vor den Pferden vorweg. Der Kutscher schimpfte, aber sie lief immer in derselben Weise weiter, bis sie an eine Brücke kam, die über einen Fluss führte. Da beschloss sie, um dieser unangenehmen Situation zu entgehen, sich über die Brücke in den Fluss zu stürzen. Das tat sie, und sie konnte von den Leuten der Gesellschaft, die ihr nachgelaufen waren, gerade noch gerettet werden. Und weil es nun für die Gesellschaft das Nächstliegende war, wurde sie gerade wieder in das Haus der abgereisten Frau, wo sie herkamen, zurückgebracht. Sie fand dort den Gatten jener abgereisten Dame und konnte in seinem Hause mit ihm einige Stunden zubringen. Nun denken Sie sich, was ein Mensch mit unzulänglichen Mitteln alles aus einer solchen Begebenheit machen kann. Man findet dann, wenn man nach Art der Psychoanalytiker an die Sache herangeht, jene geheimnisvollen Provinzen in der Seele, die uns davon unterrichten, dass die Seele schon in ihrem siebenten Lebensjahre irgendein Erlebnis gehabt hat, das mit Pferden zusammenhängt, so dass die Frau auf jenem Fortgange aus der Gesellschaft, indem der Anblick der Droschkenpferde jenes frühere Erlebnis aus dem Unterbewusstsein heraufrief, dadurch so perplex gemacht worden ist, dass sie nicht zur Seite sprang, sondern vor der Droschke davonlief. So wird für den Psychoanalytiker der ganze Vorgang ein Ergebnis des Zusammenhanges gegenwärtiger Erlebnisse mit «ungelösten Seelenrätseln» aus dem Gebiete der Erziehung und so weiter. Alles dies aber ist ein Verfolgen der Dinge mit unzulänglichen Mitteln, weil der betreffende Psychoanalytiker nicht weiß, dass dieses im Menschen waltende Unterbewusste wesenhafter ist, als er annimmt, dass es sogar auch viel raffinierter und viel gescheiter ist als das, was der Mensch aus seinem bewussten Verstande hat. Auch viel mutiger und viel kühner ist oft dieses Unterbewusstsein. Denn der Psychoanalytiker weiß nur nicht, dass ein Dämon in der Seele jener Frau saß, die weggegangen, ich könnte ebensogut sagen, schon hingegangen ist mit dem unterbewussten Gedanken, allein zu sein mit dem Manne, wenn die Frau abgereist sein wird. Das alles ist veranstaltet mit den raffiniertesten Mitteln des Unterbewusstseins, denn man tut alles viel sicherer, wenn man mit dem Bewusstsein nicht dabei ist. Die Dame lief einfach vor den Rossen einher, um abgefangen zu werden, wenn es so weit ist, und verhielt sich danach. Aber solche Dinge durchschaut der Psychoanalytiker nicht, weil er nicht voraussetzt, dass es überall eine geistig-seelische Welt gibt, zu der die Menschenseele in Beziehung steht. Aber Jung ahnt so etwas. Aus den zahlreichen Dingen, die ihm auftreten, ahnt er, dass die Menschenseele zu zahlreichen andern Seelen in einer Beziehung steht. Aber er muss doch Materialist sein, denn sonst wäre er doch kein gescheiter Mensch der Gegenwart. Was macht er also? Er sagt: Überall steht die Menschenseele - man sieht das an den Dingen, die mit der Menschenseele vorgehen - in Beziehung zu außerseelischen geistigen Tatsachen. - Diese gibt es aber doch nicht! Also wie hilft man sich da? Nun, die Seele hat eben einen Körper, der von andern Körpern abstammt, und diese wieder von andern; dann gibt es eine Vererbung, und Jung konstruiert sich zusammen, dass die Seele vererbungsgemäß alles das nachlebt, was man an Verhältnissen zum Beispiel zu den heidnischen Göttern erlebt hat. Das steckt noch in einem, durch Vererbung steckt es in einem, und das werden «isolierte Seelenprovinzen», die erst heraufkatechisiert werden müssen, wenn man die Menschenseele davon befreien will. Er sieht es sogar ein, dass es der Menschenseele ein Bedürfnis ist, dazu eine Beziehung zu haben, und dass sie das Nervensystem ruinieren, wenn es nicht heraufgeholt wird ins Bewusstsein. Daher spricht er den Satz aus, der ganz berechtigt ist aus der modernen Weltanschauung heraus: Die Menschenseele kann nicht, ohne dass sie innerlich zugrunde geht, ohne Beziehung zu einem göttlichen Wesen sein. Dies ist ebenso sicher, wie es auf der andern Seite sicher ist, dass es ja ein göttliches Wesen gar nicht gibt. Die Frage nach der Beziehung des menschlichen Seelenwesens zum Gotte hat mit der Frage der Existenz Gottes nicht das geringste zu tun. So steht es in seinem Buche. Also bedenken wir, was da eigentlich vorliegt: Es wird wissenschaftlich konstatiert, dass die Menschenseele sich ein Verhältnis zu Gott konstruieren muss, dass es aber ebenso sicher ist, dass es töricht wäre, einen Gott anzunehmen; also ist die Seele zu ihrer eigenen Gesundheit verurteilt, sich einen Gott vorzulügen. Lüge dir vor, dass es einen Gott gibt, sonst wirst du krank! - das steht eigentlich in dem Buch. Man sieht aber daraus, dass die großen Rätselprobleme an die Pforten pochen, und dass sich die Gegenwart nur gegen diese Dinge stemmt. Würde man mutig genug sein, so würde auf Schritt und Tritt heute etwas ähnliches zutage treten. Man ist nur nicht mutig genug. Denn ich sage dies alles nicht, um dem Professor Jung etwas am Zeuge zu flicken, sondern weil ich glaube, dass er in seinem Denken schon mutiger ist als alle andern. Er sagt das, was er sagen muss nach den Voraussetzungen der Gegenwart. Die andern sagen es nicht, sie sind noch weniger mutig.
durchzogen von Luziferischem, ist Wollen. Wenn das Luziferische
{{G|181|022}} ''Fußnoten zur Passage in GA 181:''<ref>Zur Psychoanalyse vgl. u. a. auch die Vorträge vom 10. und 11. November 1917, in:
in unserer Seelentätigkeit überwiegt, wenn in unserer Seele nur
«Individuelle Geistwesen und ihr Wirken in der Seele des Menschen» (9 Vorträge, St.
Luzifer seine Kräfte geltend macht, so ist das Wollen. Luzifer wirkt verjüngend
Gallen, Zürich und Dornach 1917), GA 178.
auf den Gesamtstrom unserer Seelentätigkeit. Wenn Ahriman
Jung ... eine Broschüre über Psychoanalyse: Carl Gustav Jung, 1875-1961, Arzt. Siehe
dagegen hauptsächlich seine Wirkungen äußert in unserer Seelentätigkeit,
«Die Psychologie der unbewußten Prozesse. Ein Überblick über die moderne Theorie
dann verhärtet er unsere Seelentätigkeit, sie wird alt, und das ist
und Methode der analytischen Psychologie», Zürich 1917, (späterer Titel: «Das Unbewußte
das Denken. Dieses Denken, dieses Gedankenhaben ist gar nicht möglich
im normalen und kranken Seelenleben»),
im gewöhnlichen Leben, ohne daß in dem ätherischen Leibe Ahriman
*22/23 Jung führt ein Beispiel an: Ebenda, S. 18 ff. - Vgl. auch S. 91 ff. in diesem Band.
seine Kräfte entfaltet. Man kann im Seelenleben, insofern es sich
*24 Aber Jung ahnt so etwas .... Er sagt: Ebenda, S. 85 ff.
im Ätherleibe äußert, nicht ohne Ahriman und Luzifer auskommen.
*25 Daher spricht er den Satz aus: Ebenda, wörtlich: «Erst in der Aufklärungsepoche fand
man, daß die Götter doch nicht wirklich existierten, sondern nur Projektionen waren.
Damit waren sie auch erledigt. Aber die ihnen entsprechende psychologische Funktion
war keineswegs erledigt, sondern verfiel dem Unbewußten, wodurch die Menschen
selber vergiftet wurden, durch einen Überschuß an Libido, der vorher im Kult des
Götterbildes investiert war. Die Entwertung und Verdrängung einer so starken Funktion,
wie es die religiöse ist, hat natürlich beträchtliche Folgen für die Psychologie des Einzelnen
» (S. 115 f.) und «Der Gottesbegriff ist nämlich eine schlechthin notwendige psychologische
Funktion irrationaler Natur, die mit der Frage nach der Existenz Gottes überhaupt
nichts zu tun hat. Denn diese letztere Frage gehört zu den dümmsten Fragen,
die man stellen kann. Man weiß doch hinlänglich, daß man sich einen Gott nicht einmal
denken kann, geschweige denn sich vorstellen, daß er wirklich existiere, so wenig wie
man sich einen Vorgang denken kann, der nicht notwendig kausal bedingt wäre» (S. 91).</ref>
</div>
[[Hans Erhard Lauer]] arbeitet in "Die Rätsel der Seele" verschiedene Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus. Im Anhang, der der 2. Auflage (1964) zugefügt wurde, äußert er sich dahingehend, daß Jung zwar nur über die [[Psychisches Bewusstsein|imaginative Erkenntnisstufe]] verfügte, aber bezüglich des Christentums im wesentlichen mit der Anthroposophie übereinstimme:
<div style="margin-left:20px">
"So war es also, wenn auch Vergangenes, so doch immerhin Europäisch-Christlich-Abendländisches, das in Jungs seelischen Erlebnissen sich erneuerte. Daraus erklärt sich auch seine intensive Beziehung zu dem Mysterium, das in der Gestalt Jesu Christi seinen Ausdruck gefunden hat. Auch darf behauptet werden, daß seine Auffassungen gerade auch in diesem Punkte in vollem Einklang stehen mit denjenigen, die Rudolf Steiner hierüber vertreten hat. Nur unterscheiden sie sich von diesen zugleich wieder charakteristischerweise darin, daß Steiner zur Darstellung brachte, was einer über die Imaginationsstufe hinausgehenden geistigen Erfahrung sich erschließt, während Jung nur zur Erscheinung kommt, wie sich die betreffenden Tatsachen, auf die Ebene der Imagination projiziert, abbilden. Übereinstimmt er mit Steiner aber darin, daß er - wie es in der Einleitung zu seiner Selbstbiographie (von A. Jaffé) heißt - 'der christlichen Forderung des Glaubens die Notwendigkeit des Verstehens und Nachdenkens gegenüberstellte'. Oder, wie er es selbst an einer Stelle ausspricht: 'Ich lasse der christlichen Botschaft nicht nur eine Tür offen, sondern sie gehört ins Zentrum des westlichen Menschen. Allerdings bedarf sie einer neuen Sicht, um den säkularen Wandlungen des Zeitgeistes zu entsprechen; sonst steht sie neben der Zeit und die Ganzheit des Menschen neben ihr.' Außerdem aber handelt es sich im besonderen bei jenem [[Alchimie|alchimistisch-rosenkreuzerischen]] Seelenwandlungsprozeß, dem der von ihm durchgemachte in gewisser Weise entsprach, um jene Bestrebungen, durch welche der spezifische Geistesweg gerade der neueren Zeit inauguriert worden ist. Es kommt dies bei Jung darin zum Ausdruck, daß er auf diesem Seelenweg zu dem '''Individuationsprozeß''' 'als dem zentralen Begriff seiner Psychlogie' gelangte." (Lauer in "Die Rätsel der Seele", 2. Aufl. 1964, S. 109f.)
</div>


[[Bild:GA158_134.gif|center|500px|Zeichnung aus GA 158, S 134]]
== Siehe auch ==


Würde Luzifer sich ganz zurückziehen von unserem ätherischen Leibe,
[[Psychoanalyse]]
dann würden wir kein luziferisches Feuer haben zum Wollen. Würde
Ahriman sich ganz zurückziehen von unserem Seelenleben, dann würden
wir niemals die Kühle des Denkens entwickeln können. In der
Mitte von beiden ist eine Region, wo sie miteinander kämpfen. Hier
durchdringen sie sich, Luzifer und Ahriman, hier spielen ihre Tätigkeiten
ineinander. Das ist die Region des Fühlens. In der Tat, so erscheint
der menschliche Ätherleib, daß man darinnen wahrnehmen
kann das luziferische Licht und die ahrimanische Härte. Wenn man
den menschlichen Ätherleib überblickt, so ist das natürlich nicht so angeordnet,
wie hier (auf der Zeichnung) symbolisch, sondern da ist ein
Durcheinander. Da sind Einschiebsel, in denen der Ätherleib undurchsichtig
erscheint, so, wie wenn er, ich möchte sagen, Eiseinschläge hätte.
Figuren treten im Ätherleibe auf, die man vergleichen kann mit Eisfiguren,
wie sie auf Fensterscheiben erscheinen. Das sind die Verhärtungen
in dem Ätherleibe. An solchen Stellen wird er undurchsichtig.
Das sind aber die Auslebungen des Gedankenlebens im Ätherleibe. Dieses
Gefrieren des Ätherleibes an gewissen Stellen rührt von Ahriman
her, der seine Kräfte da hineinschickt durch das Denken.


[[Bild:GA158_135.gif|center|200px|Zeichnung aus GA 158, S 135]]
[[Archetypen#Psychologie:_Das_kollektive_Unbewusste_mit_den_Archetypen_von_C.G._Jung|Archetypen nach C.G. Jung]]


An andern Stellen des Ätherleibes ist es so, als wenn er Vakuolen,
== Einzelnachweise ==
ganz lichte Stellen in sich hätte, die durchsichtig sind, die glänzend,
<references />
lichtglitzernd sind. Da sendet Luzifer seine Strahlen, seine Kräfte hinein,
das sind die Willenszentren im Ätherleibe. Und in dem, was dazwischen
liegt, wo gleichsam fortwährende Tätigkeit ist im Ätherleibe,
ist es so, daß man sieht, hier ist eine harte Stelle, aber nun wird sie sogleich
von einer solchen Lichtstelle gefaßt und aufgelöst. Ein fortwährendes
Festwerden und Wiederauflösen. Das ist der Ausdruck der
Gefühlstätigkeit im Ätherleibe." {{Lit|{{G|158|133ff}}}}
</div>


== Literatur ==
== Literatur ==
* [[wikipedia:Jolande Jacobi|Jolande Jacobi]]: ''Die Psychologie von C. G. Jung.'' Rascher, Zürich 1940; 22. Auflage: Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-596-26365-3. ''(Dieses schmale Taschenbuch enthält ein Geleitwort von Jung, in dem er diese Arbeit als adäquate Einführung und Überblick seiner Lehre autorisiert
* [[Gerhard Wehr]]: ''C. G. Jung'' (= ''Rowohlts Monographien.'' Bd. 152). Rowohlt, Reinbek 1969; 21. Auflage 2006, ISBN 3-499-50152-X.
* [[Gerhard Wehr]]: ''Carl Gustav Jung. Leben – Werk – Wirkung.'' Kösel, München 1985; 3., erweiterte Auflage: Telesma, Schwielowsee 2009, ISBN 978-3-941094-01-7.
* [[Hans Erhard Lauer]]: ''Die Rätsel der Seele. Tiefenpsychologie und Anthroposophie''. Verlag die Kommenden, Freiburg 1982, 5. Aufl. ISBN 3782302095 ''(Lauer analysiert detailliert, inwiefern sich die Auffassung des Seelischen und Geistigen der analytischen Psychologie Jungs von der Anthroposophie unterscheidet)''
* C.G. Jung: ''Erinnerungen, Träume, Gedanken''. Patmos; Auflage: 17. Auflage 2011. ISBN 3843601917 ''(Aufgezeichnet und herausgegeben von Aniela Jaffé. Dieses Buch hat auch autobiographischen Charakter und es ist besonders im Hinblick auf die geschilderten übersinnlichen Erfahrungen, die Jung machte, lesenswert.)''
* C.G. Jung, J.J. Clarke (Hrsg.): ''C.G. Jung und der östliche Weg'', Patmos 2005, ISBN 3491698146 ''(Dieses Buch enthält eine Zusammenstellung von Texten Jungs über die Spiritualität des Ostens, mit einer lesenswerten gelehrten Einleitung des Herausgebers.)''
* Rudolf Steiner: ''Geist und Stoff, Leben und Tod'', [[GA 66]] (1988), ISBN 3-7274-0660-7 {{Vorträge|066}}
* Jos. Hupfer: ''Der Begriff des Geistes bei C.G. Jung und bei R. Steiner'', in: Abhandlungen zur Philosophie und Psychologie, Heft 1, 1951, Dornach (Hrsg: Freie Hochschule für Geisteswissenschaft)
*[[Karl Ballmer]]: ''Synchronizität. Gleichzeitigkeit, Akausalität und „Schöpfung aus dem Nichts“ bei C. G. Jung und Rudolf Steiner'', Siegen 1995, ISBN 3-930964-25-2
* [[Gerhard Wehr]]: ''C. G. Jung und Rudolf Steiner: Konfrontation und Synopse''.  Klett-Cotta /J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger; Auflage: 2., veränd. A. (1998), ISBN 3608919341''(Gerhard Wehr versteht es in diesem Werk, die analytische Psychologie im Vergleich zur Anthroposophie gerecht zu würdigen. Er sieht in Jung eine wenn nicht Steiner ebenbürtige, so doch große Gestalt, die einen eigenen Zugang zum Geistigen fand, und durch sein Werk diesen Weg für andere vermitteln kann.)''
* Thomas B. Kirsch: ''C. G. Jung und seine Nachfolger. Die internationale Entwicklung der Analytischen Psychologie.'' Psychosozial-Verlag, Gießen 2007, ISBN 978-3-89806-447-7
{{GA}}


#Rudolf Steiner: ''Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften'', [[GA 1]] (1987), ISBN 3-7274-0011-0 {{Schriften|001}}
== Weblinks ==
#Rudolf Steiner: ''Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft'', [[GA 96]] (1974), Berlin, 28. Januar 1907
{{Commonscat|3=S}}
#Rudolf Steiner: ''Inneres Wesen des Menschen und Leben zwischen Tod und neuer Geburt'', [[GA 153]] (1997), ISBN 3-7274-1530-4 {{Vorträge|153}}
{{Wikiquote}}
#Rudolf Steiner: ''Der Zusammenhang des Menschen mit der elementarischen Welt'', [[GA 158]] (1993), ISBN 3-7274-1580-0 {{Vorträge|158}}
#Rudolf Steiner: ''Individuelle Geistwesen und ihr Wirken in der Seele des Menschen'', [[GA 178]] (1992), ISBN 3-7274-1780-3 {{Vorträge|178}}
#Rudolf Steiner: ''Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik'', [[GA 293]] (1992), ISBN 3-7274-2930-5 {{Vorträge|293}}
#Rudolf Steiner: ''Physiologisch-Therapeutisches auf Grundlage der Geisteswissenschaft. Zur Therapie und Hygiene'', [[GA 314]] (1989), ISBN 3-7274-3141-5 {{Vorträge|314}}
#Rudolf Steiner: ''Menschenwesen, Menschenschicksal und Welt-Entwickelung'', [[GA 226]] (1988), ISBN 3-7274-2260-2 {{Vorträge|226}}
#Rudolf Steiner: ''Die geistig-seelischen Grundkräfte der Erziehungskunst. Spirituelle Werte in Erziehung und sozialem Leben.'', [[GA 305]] (1991), ISBN 3-7274-3050-8 {{Vorträge|305}}
#Rudolf Steiner: ''Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik, I'', [[GA 320]] (2000), ISBN 3-7274-3200-4 {{Vorträge|320}}


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Version vom 19. September 2017, 09:04 Uhr

Carl Gustav Jung Unterschrift von Carl Gustav Jung

Carl Gustav Jung (* 26. Juli 1875 in Kesswil, Schweiz; † 6. Juni 1961 in Küsnacht, Schweiz), meist kurz C. G. Jung, war ein Schweizer Psychiater und der Begründer der analytischen Psychologie.

C.G. Jungs Typologie

Die psychischen Basisfunktionen nach Jung
Typisch männliche Einstellung der Persona, bei der das äußere Ich dem objektiven Denken, das innere jedoch der subjektiven Gefühlswelt zugewandt ist. Die Hauptfunktion, das Denken, beherrscht hier die Ich-Hülle, die Persona. Die minderwertige Funktion, das Fühlen, kommt hier der Anima zu.

Die von Jung entwickelte Typologie psychologischer Typen und/oder psychischen Einstellungen zum Leben hat auch außerhalb der an Jung orientierten Forschung und Rezeption Aufmerksamkeit und Anerkennung bis in den Alltag hinein gefunden. Die Unterscheidung zwischen Menschen mit extravertierter und introvertierter Einstellung geht auf Jung zurück. Jung kombiniert diese Grundunterscheidung mit den Anpassungs- oder Orientierungsfunktionen Intuition, Empfindung,Fühlen und Denken, wodurch sich acht bzw. 16 verschiedene Einstellungen des Individuums zu sich selbst und zur Welt ergeben, die bei jedem Menschen in individueller Mischung vorkommen. [1]

"Diese vier Funktionstypen, die beim Individuum durch die jeweilige Vorherrschaft der einen oder der anderen Funktion feststellbar sind, haben in dieser Form natürlich nur in der Theorie Gültigkeit. Im Leben kommen sie fast niemals rein vor, sondern mehr-minder als Mischtypen (...) Ein reiner Denktypus war z.B. Kant, wogegen Schopenhauer schon als intuitiver Denktypus bezeichnet werden muß. Die Funktionen, aber nur die 'benachbarten', können also vielfach als Mischtypen auftreten, und wenn sie so in Mischtypen mit geringerem oder größerem Überwiegen der einen Funktion erscheinen, machen sie die Zuordnung des Individuums zu einem Funktionstypus außerordentlich schwierig." (Jacobi, S. 26)

Nach Jung sind Empfindung und Intuition irrationale Funktionen, Denken und Fühlen rationale Funktionen. Das Fühlen in diesem rationalen Sinne ist mit einem Werturteil verbunden, z.B. einem Geschmacksurteil, was in einer Situation passendes Verhalten sei, oder mit Bezug auf das eigene Wohlergehen, das Gefühl, ob einem der Besuch einer bestimmten Party am Wochenende gut tun würde. Denken ist eine Orientierungsfunktion, die über eine geschlossene begriffliche Ordnung der Welt verfügt, die auch einer Leitidee untergeordnet sein kann. Ein jedes Ding oder Ereignis hat in solchem System seinen Platz und erfährt einen entsprechenden Umgang. Der Empfindungstyp orientiert sich mehr an dem, was sich ihm empirisch zu zeigen scheint. Er beobachtet genau, und beachtet subtile Differenzen, die ihm Information oder auch ästhetischen Genuß liefern. Der intuitive Typus orientiert sich mittels der Erfassung von Ganzheiten, spontanen Eingebungen, was es mit einem Vorfall oder Menschen auf sich habe. So kann z.B. ein machtbewußter Mensch im Umgang mit anderen möglicherweise intuitiv spontan erkennen, welche Menschen seinen Machtanspruch gefährden, und welche für seine Vorhaben ungefährlich sind.

Die Anordnung der vier Grundtypen im Kreis ist also nicht beliebig. Die vier Mischtypen sind "Empirisches Denken", "Intuitives spekulatives Denken", "Empfindendes Fühlen" und "Intuitives Fühlen". Dabei kann so eine Mischung ausgeglichen sein, oder aber eine Funktion überwiegen, was meist der Fall ist. Die gegenüber liegenden Kombinationen Denken und Fühlen, oder Empfinden und Intuieren kommen gemäß dieser Lehre nicht vor. Meist ist eine Funktion sehr gut entwickelt, und eine weitere Hilfsfunktion zusätzlich in geringerem Maße, während die gegenüberliegende Funktion die minderwertige (i.S.v. unentwickelt, eher unbewußt, unterdrückt, unspezialisiert etc.) Funktion ist. Die Extraversion oder Intraversion liegt jeweils auf einer Hälfte des Kreises. Die gegenüberliegende Funktion Fühlen ist bei einem extravertierten Denktypus z.B. introvertiert. Wenn die entwickelte Denkfunktion introvertiert ist, ist entsprechend dann die Funktion des Fühlens extravertiert.

Diese grundsätzlichen Funktionstypen und Einstellungen bilden die Basisbausteine für C.G. Jungs psychologische Struktur- und Entwicklungslehre. Weitere Konzepte bzw. in empirischer Hinsicht vorkommende Persönlichkeitsaspekte sind Persona, Anima - bzw. Animus, der Schatten sowie das Selbst. Die Integration zunächst der minderwertigen Funktion und des Schattens, und dann der Anima bzw. dem Animus kann zur Selbstfindung und Individuation führen.

Das kollektive Unbewusste und seine Archetypen

Carl Gustav Jung (Zeichnung von unbekannter Hand)

Nach der Jung sind die Archetypen Manifestationen des kollektiven Unbewußten.

Um zu verdeutlichen was er unter dem Archetypus verstand, brachte Jung gern das Beispiel mit dem in der Mutterlauge vorhandenen, aber nicht sichtbaren Kristallgitter, das erst durch das Anschießen der Ionen und Moleküle als Kristall in Erscheinung tritt. Die so entstandenen Kristalle basieren zwar alle auf der präformierten Strukturmatrize (dem Kristallgitter), aber treten als sichtbare Erscheinung in den unterschiedlichsten Formen auf (vergleichbar mit dem Bild des Archetypus, welches dann im Bewusstsein erscheint). [2]

Jung erkannte in Träumen vier Hauptkategorien von archetypischen Symbolen:

  • den Schatten, welcher der Ich-Sphäre zuzurechnen ist und unterdrückte oder verdrängte Persönlichkeitsanteile enthält, bzw. den „dunklen Doppelgänger“, der die verdrängte Seite der Persönlichkeit symbolisiert und in den Träumen den Helden oder die Heldin verfolgt als Zeichen, dass die unterdrückten Teile der Persönlichkeit bewußt werden "möchten" und integriert werden sollten
  • die Sirene, Liebesgöttin oder Sophia Anima und der Liebhaber bzw. der Märchenprinz Animus, die eigenen gegengeschlechtlichen psychischen Anteile der Persönlichkeit, fordern beim Auftreten im Traum jeweils zur Integration der jeweils andersgeschlechtlichen Eigenschaften im Leben auf
  • den alten Weisen oder die alte Weise, die Weisheitsschicht der Psyche,
  • und den Archetyp des Selbst, welcher sowohl Ich als auch Unbewusstes umfasst, Zentrum und Umfang der Gesamtpsyche darstellt und die zentrale Selbststeuerungs- und Entwicklungsinstanz der Psyche ist.

„Der <<Archetypus an sich>> ist unerkennbar; er stellt eine <<hypothetische unanschauliche Vorlage>> dar.“ [3] „Ob die seelische Struktur und ihre Elemente, eben die Archetypen, überhaupt je entstanden sind, das ist eine Frage der Metaphysik und daher nicht zu beantworten.“ [4]

Diese eher ernüchternden Aussagen Jungs lassen vermuten, dass er die höheren Bewusstseinsstufen (Überpsychisches Bewusstsein und Spirituelles Bewusstsein) nicht kannte. [5] Er erkannte nur „wie sich die betreffenden Tatsachen, auf die Ebene der Imagination projiziert, abbilden.“ [6] Ähnlich wie Kant, [7] der es das Ding an sich nennt, sprach er von etwas für den Menschen unerreichbaren.

Persona und Schatten

Carl Gustav Jung (1910)

Die Persona (griech. = Maske) ist diejenige Seite der Persönlichkeit, die der sozialen Umwelt zugewandt ist. Sie manifestiert sich akut in allen Situationen, in denen "man sich zeigt", auf die Straße tritt z.B., ist aber auch sonst allgegenwärtig, als eine Fassung des Selbstverständnisses, die der Mensch oft nicht mal in der privaten Kammer für sich allein ablegen kann. Sie enthält all die vermeinten guten oder vorteilhaften, meist bewußten und differenzierten Eigenschaften, die sich ein Mensch zuschreibt, mit denen er sich identifiziert, und hält andere Züge der Persönlichkeit, die "dunklen", meist unbewußt, im Schatten. Diese Polarität korrespondiert mit der entwickelten Anpassungsfunktion und der polaren minderwertigen, unentwickelten Funktion. Ein Professor z.B. hat typischerweise eine Persona, die seine intellektuelle Kompetenz herausstreicht, die Anpassungsfunktion des Denkens ist gut entwickelt und ist Hauptbestandteil der Persona. Die Gefühlsfunktion ist bei solchem Typus dann entsprechend minderwertig (gemäß den Ansprüchen der Persona), undifferenziert und unentwickelt, meist unbewußt verdrängt, versteckt, und dem Schatten zugehörig.

Man kann zwar den Schatten nicht mit dem kleinen Hüter der Schwelle, wie ihn Rudolf Steiner beschreibt, gleichsetzen, aber auf dem Weg zur Individuation, wie ihn Jung mit seiner Psychologie beschreibt, hat die Konfrontation mit dem Schatten eine vergleichbare Bedeutung, wie sie auf dem Schulungsweg für den Jünger mit dem kleinen Hüter der Schwelle gegeben ist.

Anima und Animus

Nach der Integration des Schattens ist der Weg zur Selbstfindung frei für die Begegnung des männlichen Menschen mit der Anima, des weiblichen Menschen mit dem Animus. Anima und Animus liegen wie der Schatten polar zur Persona. Für den entwickelten Menschen, der individuiert ist, stellt die integrierte Anima bzw. der Animus ein imaginatives Wahrnehmungsorgan dar, Anima bzw. Animus sind insofern das Tor zur geistigen Welt. Diese Auffassung Jungs korrespondiert mit derjenigen von Rudolf Steiner, daß auf dem Schulungsweg Lust und Schmerz zu Wahrnehmungsorganen werden. Ein besonderes Kennzeichen der Individuation nach der Lehre Jungs ist, daß es da vorzugsweise um Vollständigkeit der Seelenentwicklung geht, nicht um Vollkommenheit. Vollständigkeit meint die allseitige Ausbildung der Fähigkeiten, d.h. Entwicklung aller vier Anpassungsfunktionen, zu einer Art Vollmenschlichkeit, statt einseitig an der Vervollkommnung etwa des Denkens oder des Fühlens zu arbeiten, und dabei die anderen Seelenfunktionen zu vernachlässigen. (Dies entspricht der Regel 20 von "Licht auf den Pfad").

Das «Rote Buch»

Jung begann in der Zeit nach der Trennung von Sigmund Freud ein Experiment mit sich selbst, das später als «Auseinandersetzung mit dem Unbewussten» bekannt wurde. Über viele Jahre hielt er seine Phantasien, die er später «aktive Imaginationen» nannte (das ist eine von Jung entwickelte «Technik, um den inneren Vorgängen auf den Grund zu kommen», «Emotionen in Bilder zu übersetzen», «Phantasien, die [ihn] unterirdisch bewegten, zu fassen»[8]), als Notizen und Skizzen in «Schwarzen Büchern» (Notizbüchern) fest. Diese überarbeitete er später, ergänzte sie mit Reflexionen und übertrug sie zusammen mit Illustrationen in kalligraphischer Schrift in ein rot gebundenes Buch, das er als «LIBER NOVUS» betitelte. Auf Basis dieser inneren Erlebnisse bei seiner Konfrontation mit dem Unbewussten entwickelte Jung später seine bekannten Theorien.[9]

Der Geist der Tiefe, wie ihn Jung nennt, eröffnet ihm durch die Verschmelzung von Sinn und Widersinn den Blick auf den Übersinn, der alles zeitliche Verstandeswissen übersteigt und die Brücke zu dem Kommenden bildet, den kommenden Gott, als dessen Bild sich der Übersinn offenbart.

„Wenn ich im Geiste dieser Zeit rede[10], so muss ich sagen: Niemand und nichts kann rechtfertigen, was ich euch verkünden muss. Rechtfertigung ist mir überflüssig, denn ich habe keine Wahl, sondern ich muss. Ich habe gelernt, dass außer dem Geiste dieser Zeit noch ein anderer Geist am Werke ist, nämlich jener, der die Tiefe alles Gegenwärtigen beherrscht.[11] Der Geist dieser Zeit möchte von Nutzen und Wert hören. Auch ich dachte so, und mein Menschliches denkt immer noch so. Aber jener andere Geist zwingt mich dennoch zu reden, jenseits von Rechtfertigung, Nutzen und Sinn. Erfüllt von menschlichem Stolze und verblendet vom vermessenen Geiste dieser Zeit suchte ich lange, jenen andern Geist von mir zu halten. Aber ich bedachte nicht, dass der Geist der Tiefe seit alters und in alle Zukunft hinaus die höhere Macht besitzt, als der Geist dieser Zeit, der mit den Generationen wechselt. Der Geist der Tiefe hat allen Stolz und allen Hochmut der Urteilskraft unterworfen. Er nahm den Glauben an die Wissenschaft von mir, er raubte mir die Freude des Erklärens und Einordnens, und er ließ die Hingabe an die Ideale dieser Zeit in mir erlöschen. Er zwang mich hinunter zu den letzten und einfachsten Dingen.

Der Geist der Tiefe nahm meinen Verstand und alle meine Kenntnisse und stellte sie in den Dienst des Unerklärbaren und des Widersinnigen. Er raubte mir Sprache und Schrift für alles, das nicht im Dienste dieses einen stand, nämlich der Ineinanderschmelzung von Sinn und Widersinn, welche den Übersinn ergibt.

Der Übersinn aber ist die Bahn, der Weg und die Brücke zum Kommenden.

Das ist der kommende Gott. Nicht ist es der kommende Gott selber, sondern sein Bild, das im Übersinn erscheint. Gott ist ein Bild, und die ihn anbeten müssen ihn im Bilde des Übersinnes anbeten.[12]

Der Übersinn ist nicht ein Sinn und nicht ein Widersinn, er ist Bild und Kraft in einem, Herrlichkeit und Kraft zusammen.

Der Übersinn ist Anfang und Ziel. Er ist Brücke von Hinübergehen und Erfüllung.[13]

C. G. Jung: Das Rote Buch, S. 229

Das «Rote Buch», entstanden von 1914 bis 1930, wurde 2009 im Rubin Museum of Art in New York erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zu Lebzeiten hatte Jung es zurückgehalten, weil er - wohl nicht ganz unberechtigt - um sein wissenschaftliche Reputation fürchten musste. Im selben Jahr 2009 wurde das Buch erstmals im Druck herausgegeben. Das grossformatige, annähernd sieben Kilogramm schwere, in rotes Leder gebundene Werk ist in eigenartig feierlicher deutscher Sprache verfasst, in kunstvoller Kalligraphie mittelalterlicher Handschriften gehalten und mit farbenprächtigen Illustrationen versehen. In Europa wurde das Rote Buch 2010/2011 erstmals im Museum Rietberg in Zürich gezeigt.[14]

Ausgangspunkt war eine große apokalyptische Vision, die er das „Gesicht der Sintflut“ nannte, das ihn etwa in der Mitte seines Lebens erstmals im Oktober 1913 überfiel, und das er zunächst nicht zu deuten wusste und ihn an seinem Geisteszustand ernsthaft zweifeln ließ.

„Es geschah im Oktober des Jahres 1913, als ich allein auf einer Reise begriffen war, dass ich untertags plötzlich von einem Gesicht befallen wurde: ich sah eine ungeheure Sintflut, die alle nördlichen und tiefgelegenen Länder zwischen der Nordsee und den Alpen bedeckte. Sie reichte von England bis nach Russland und von den Küsten der Nordsee bis fast zu den Alpen. Ich sah die gelben Wogen, die schwimmenden Trümmer und den Tod von ungezählten Tausenden.

Dieses Gesicht währte an die zwei Stunden, es verwirrte mich und machte mir übel. Ich vermochte nicht, es zu deuten. Es vergingen darauf zwei Wochen, dann kehrte das Gesicht wieder, noch heftiger als zuvor. Und eine innere Stimme sprach: „Sieh an, es ist ganz wirklich, und es wird so sein. Du kannst nicht daran zweifeln. Ich rang wiederum an die zwei Stunden mit diesem Gesicht, aber es hielt mich fest. Es ließ mich erschöpft und verwirrt. Und ich dachte, dass mein Geist krank geworden sei.[15]

Von da an kehrte die Angst vor dem ungeheuren Ereignis, das unmittelbar vor uns stehen sollte, wieder. Einmal auch sah ich eine Meer von Blut über den nördlichen Ländern.

Im Jahre 1914 im Monat Juni, zu Anfang des Monats und im Ende, und im Anfang des Monats Juli hatte ich zu dreien Malen denselben Traum: Ich war in einem fremden lande, und plötzlich, über Nacht und zwar in der Mitte des Sommers, war eine unbegreifliche und ungeheure Kälte aus dem Weltraum hereingebrochen, alle Seen und Flüsse waren zu Eis erstarrt, alles lebendig Grüne war erfroren.

Der zweite Traum war diesem ganz ähnlich. Der dritte Traum im Anfang des Monats Juli aber war so:

Ich war in einem fernen englischen Lande.[16] Es war notwendig, dass ich mit einem schnellen Schiffe so rasch wie möglich nach der Heimat zurückkehrte.[17] Ich gelangte rasch nach Hause.[18] In der Heimat fand ich, dass mitten im Sommer eine ungeheure Kälte aus dem Weltraum hereingebrochen war, die alles Lebendige zu Eis hatte erstarren lassen. Da stand ein blättertragender, aber früchteloser Baum, dessen Blätter sich durch die Einwirkung des Frostes in süße Weinbeeren voll heilenden Saftes verwandelt hatten.[19] Ich pflückte die Trauben und schenkte sie einer großen, harrenden Menge.[20]

In Wirklichkeit nun war es so: In der Zeit, in der der große Krieg zwischen den Völkern Europas ausbrach, befand ich mich in Schottland,[21] gezwungen durch den Krieg, entschloss ich mich, mit dem schnellsten Schiff auf dem kürzesten Wege heimzukehren. Ich fand die ungeheure Kälte, die alles erstarren ließ, ich fand die Sintflut, das Blutmeer, und fand meinen früchtelosen Baum, dessen Blätter der Frost in das Heilmittel verwandelt hatte. Und ich pflücke die reifen Früchte und gebe sie euch und weiß nicht, was ich euch schenke, welch bittersüßen Rauschtrank, der einen Blutgeschmack auf eurer Zunge hinterlässt.

Glaubt mir:[22] Es ist keine Lehre und keine Belehrung, die ich euch gebe. Woher sollte ich nehmen, euch zu belehren? Ich gebe euch Kunde vom Wege dieses Menschen, von seinem Wege, aber nicht von eurem Wege. Mein Weg ist nicht euer Weg, also kann ich / euch nicht lehren. Der Weg ist in uns, aber nicht in Göttern, noch in Lehren, noch in Gesetzen. In uns ist der Weg, die Wahrheit und das Leben.[23]

C. G. Jung: Das Rote Buch, S. 230f

Erst mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde Jung - mit verständlicher Erleichterung - schlagartig klar, dass er dessen prophetische Vorschau erlebt hatte. Jungs Schilderung lässt deutlich erkennen, dass es sich dabei um eine reale Imagination und Inspiration gehandelt hatte. Deutlich tritt darin auch der christliche Impuls zutage.

Werkausgaben

Umfassende Ausgabe:

  • Gesammelte Werke. 18 Bände. Rascher, Zürich / Walter, Olten 1958–1981.

Ergänzend dazu:

Teilausgaben:

  • Verena Kast, Ingrid Riedel (Hrsg.): Ausgewählte Schriften. Patmos, Ostfildern 2011, ISBN 978-3-8436-0029-3.
  • Helmut Barz (Hrsg.): Grundwerk in neun Bänden. Walter, Olten 1984.
  • Lorenz Jung (Hrsg.): Taschenbuchausgabe in 11 Bänden. Dtv, München 1991, ISBN 3-423-59049-1.
  • 100 Briefe. Eine Auswahl. Walter, Olten 1975.
  • Sigmund Freud, C. G. Jung: Briefwechsel. S. Fischer, Frankfurt am Main 1974.

Analytische Psychologie und Anthroposophie im Vergleich

Rudolf Steiner sieht in der analytischen Psychologie problematische Halbwahrheiten. In einem Vortrag (GA 66) äußert er sich im Jahre 1917 wie folgt:

"Nun trat ja in der neueren Zeit das hervor, was man die analytische Psychologie nennt. Diese analytische Psychologie ist, ich möchte sagen, von guten Ahnungen beseelt. Denn was will sie? Diese analytische Psychologie, oder wie man sie gewöhnlich heute nennt, Psychoanalyse, sie will von dem gewöhnlichen Seelenleben zu dem heruntersteigen, was in dem gewöhnlichen gegenwärtigen Seelenleben nichtyp mehr enthalten ist, aber Rest ist aus früherem seelischen Erleben. Der Psychoanalytiker nimmt an, das seelische Leben erschöpfe sich nicht in dem gegenwärtigen seelischen Erleben, in dem bewußten seelischen Erleben, sondern das Bewußtsein tauche hinunter ins Unterbewußte. Und in vielem, was im seelischen Leben als Störung, als Verwirrung, als dieses oder jenes Mangelhafte auftritt, sieht der Psychoanalytiker eine Wirkung des unten im Unterbewußten Wogenden. Aber interessant ist es, was in diesem Unterbewußten der Psychoanalytiker nun sieht. Wenn man hört, was er aufzählt in diesem Unterbewußten, so ist es zunächst getäuschte Lebenshoffnung. Der Psychoanalytiker findet irgendeinen Menschen, der unter dieser oder jener Depression leidet. Diese Depression braucht ihren Ursprung nicht im gegenwärtigen bewußten Seelenleben zu haben, sondern in der Vergangenheit. In diesem Leben trat einmal irgend etwas im seelischen Erleben auf. Der Mensch ist darüber hinausgekommen, aber nicht vollständig; im Unterbewußten ist ein Rest geblieben. Er hat zum Beispiel Enttäuschungen erlebt. Er ist durch Erziehung, durch andere Vorgänge, mit dem bewußten Seelenleben über diese Enttäuschungen hinweggekommen, aber im Unterbewußten, da leben sie. Da wogt sie, diese Enttäuschung, gewissermaßen bis an die Grenze der Bewußtheit heran. Da erzeugt sie dann die unklare seelische Depression. Der Psychoanalytiker sucht also in allerlei Enttäuschungen, in getäuschten Lebenshoffnungen, die ins Unterbewußte heruntergezogen sind, dasjenige, was das bewußte Leben in einer dunklen Weise bestimmt. Das sucht er auch in dem, was das Seelenleben als Temperament färbt. In dem, was das Seelenleben aus gewissen rationalen Impulsen heraus färbt, sucht der Psychoanalytiker ein Unterbewußtes, das gewissermaßen nur anschlägt an das Bewußtsein. Dann aber kommt er zu einem weiten Gebiete - ich referiere hier nur —, welches der Psychoanalytiker dadurch faßt, daß er sagt: Da spielt herauf in das bewußte Leben der animalische Grundschlamm der Seele. Nun soll gar nicht geleugnet werden, daß dieser Grundschlamm vorhanden ist. (...) In dem, was der Psychoanalytiker in den enttäuschten Lebenshoffnungen in den Untergründen der Seele sucht, liegt, wenn er nur tief genug darauf eingeht, dasjenige, was sich vorbereitet in einem gegenwärtigen Leben, um schicksalsmäßig in ein nächstes Leben einzugreifen.

So findet man überall, wenn man den animalischen Grundschlamm — ohne sich die Hände dabei zu beschmutzen, wie es bei den Psychoanalytikern leider so häufig geschieht - umgräbt, durchforscht, das geistig-seelische Weben des Schicksals, das über Geburt und Tod mit dem geistig-seelischen Leben der Seele hinausgeht. Gerade an der analytischen Psychologie haben wir ein Gebiet, an dem so recht gelernt werden kann, wie alles richtig und alles falsch ist, wenn es sich um Weltanschauungsfragen handelt, nämlich von der einen oder anderen Seite aus."(Lit.: GA 066, S. 179ff)

In GA 181 (1918) heißt es über einen Züricher Professor Jung und seine analytische Psychologie:

In Zürich macht man ja insbesondere Bekanntschaft mit der dort bereits akademiefähig gewordenen analytischen Psychologie, der sogenannten Psychoanalyse, und gerade an meine Vorträge haben sich die merkwürdigsten Auseinandersetzungen über die Beziehungen der anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft zur Psychoanalyse angeschlossen. Aber die Psychoanalytiker kommen sozusagen mit geistig verbundenen Augen an diese Welt der Geisteswissenschaft heran, können sich nicht in sie hineinfinden. Aber diese Welt pocht an die Türe desjenigen, was heute den Menschen erschlossen werden soll. Da ist zum Beispiel in Zürich ein Professor Jung, der erst jüngst wieder eine Broschüre über Psychoanalyse geschrieben hat - er hat viele Schriften darüber verfasst - und der manches Problem darin berührt; aber er zeigt damit gerade, dass er alles nur mit unzulänglichen Mitteln anpacken kann. Ich will eine Tatsache anführen, aus deren Erwähnung Sie gleich sehen werden, was ich meine. Jung führt ein Beispiel an, das überhaupt viel von den Psychoanalytikern angeführt wird. Einer Frau passiert das Folgende. Sie ist eines Abends in einer Gesellschaft eingeladen, sie soll in einem Hause zum Abend bleiben. Die Dame des Hauses, wo sie eingeladen ist, soll gleich, nachdem das Abendessen verlaufen ist, in einen Badeort reisen, weil sie nicht ganz gesund ist. Das Abendbrot nimmt seinen Verlauf, die Dame des Hauses fährt ab, die Gäste gehen auch fort. Mit einem Trupp Gäste geht auch die eingeladene Dame, die ich meine. Die Leute gingen, wie man das ja zuweilen zu tun pflegt, wenn man abends aus einer Gesellschaft kommt, nicht auf dem sogenannten Bürgersteig, sondern sie gingen auf der Mitte der Straße. Da kommt auf einmal eine Droschke um eine Ecke gefahren. Die Leute wichen dem Wagen nach den Bürgersteigen hin aus, aber jene erwähnte Dame nicht. Sie lief mitten auf dem Fahrdamm weiter, gerade vor den Pferden vorweg. Der Kutscher schimpfte, aber sie lief immer in derselben Weise weiter, bis sie an eine Brücke kam, die über einen Fluss führte. Da beschloss sie, um dieser unangenehmen Situation zu entgehen, sich über die Brücke in den Fluss zu stürzen. Das tat sie, und sie konnte von den Leuten der Gesellschaft, die ihr nachgelaufen waren, gerade noch gerettet werden. Und weil es nun für die Gesellschaft das Nächstliegende war, wurde sie gerade wieder in das Haus der abgereisten Frau, wo sie herkamen, zurückgebracht. Sie fand dort den Gatten jener abgereisten Dame und konnte in seinem Hause mit ihm einige Stunden zubringen. Nun denken Sie sich, was ein Mensch mit unzulänglichen Mitteln alles aus einer solchen Begebenheit machen kann. Man findet dann, wenn man nach Art der Psychoanalytiker an die Sache herangeht, jene geheimnisvollen Provinzen in der Seele, die uns davon unterrichten, dass die Seele schon in ihrem siebenten Lebensjahre irgendein Erlebnis gehabt hat, das mit Pferden zusammenhängt, so dass die Frau auf jenem Fortgange aus der Gesellschaft, indem der Anblick der Droschkenpferde jenes frühere Erlebnis aus dem Unterbewusstsein heraufrief, dadurch so perplex gemacht worden ist, dass sie nicht zur Seite sprang, sondern vor der Droschke davonlief. So wird für den Psychoanalytiker der ganze Vorgang ein Ergebnis des Zusammenhanges gegenwärtiger Erlebnisse mit «ungelösten Seelenrätseln» aus dem Gebiete der Erziehung und so weiter. Alles dies aber ist ein Verfolgen der Dinge mit unzulänglichen Mitteln, weil der betreffende Psychoanalytiker nicht weiß, dass dieses im Menschen waltende Unterbewusste wesenhafter ist, als er annimmt, dass es sogar auch viel raffinierter und viel gescheiter ist als das, was der Mensch aus seinem bewussten Verstande hat. Auch viel mutiger und viel kühner ist oft dieses Unterbewusstsein. Denn der Psychoanalytiker weiß nur nicht, dass ein Dämon in der Seele jener Frau saß, die weggegangen, ich könnte ebensogut sagen, schon hingegangen ist mit dem unterbewussten Gedanken, allein zu sein mit dem Manne, wenn die Frau abgereist sein wird. Das alles ist veranstaltet mit den raffiniertesten Mitteln des Unterbewusstseins, denn man tut alles viel sicherer, wenn man mit dem Bewusstsein nicht dabei ist. Die Dame lief einfach vor den Rossen einher, um abgefangen zu werden, wenn es so weit ist, und verhielt sich danach. Aber solche Dinge durchschaut der Psychoanalytiker nicht, weil er nicht voraussetzt, dass es überall eine geistig-seelische Welt gibt, zu der die Menschenseele in Beziehung steht. Aber Jung ahnt so etwas. Aus den zahlreichen Dingen, die ihm auftreten, ahnt er, dass die Menschenseele zu zahlreichen andern Seelen in einer Beziehung steht. Aber er muss doch Materialist sein, denn sonst wäre er doch kein gescheiter Mensch der Gegenwart. Was macht er also? Er sagt: Überall steht die Menschenseele - man sieht das an den Dingen, die mit der Menschenseele vorgehen - in Beziehung zu außerseelischen geistigen Tatsachen. - Diese gibt es aber doch nicht! Also wie hilft man sich da? Nun, die Seele hat eben einen Körper, der von andern Körpern abstammt, und diese wieder von andern; dann gibt es eine Vererbung, und Jung konstruiert sich zusammen, dass die Seele vererbungsgemäß alles das nachlebt, was man an Verhältnissen zum Beispiel zu den heidnischen Göttern erlebt hat. Das steckt noch in einem, durch Vererbung steckt es in einem, und das werden «isolierte Seelenprovinzen», die erst heraufkatechisiert werden müssen, wenn man die Menschenseele davon befreien will. Er sieht es sogar ein, dass es der Menschenseele ein Bedürfnis ist, dazu eine Beziehung zu haben, und dass sie das Nervensystem ruinieren, wenn es nicht heraufgeholt wird ins Bewusstsein. Daher spricht er den Satz aus, der ganz berechtigt ist aus der modernen Weltanschauung heraus: Die Menschenseele kann nicht, ohne dass sie innerlich zugrunde geht, ohne Beziehung zu einem göttlichen Wesen sein. Dies ist ebenso sicher, wie es auf der andern Seite sicher ist, dass es ja ein göttliches Wesen gar nicht gibt. Die Frage nach der Beziehung des menschlichen Seelenwesens zum Gotte hat mit der Frage der Existenz Gottes nicht das geringste zu tun. So steht es in seinem Buche. Also bedenken wir, was da eigentlich vorliegt: Es wird wissenschaftlich konstatiert, dass die Menschenseele sich ein Verhältnis zu Gott konstruieren muss, dass es aber ebenso sicher ist, dass es töricht wäre, einen Gott anzunehmen; also ist die Seele zu ihrer eigenen Gesundheit verurteilt, sich einen Gott vorzulügen. Lüge dir vor, dass es einen Gott gibt, sonst wirst du krank! - das steht eigentlich in dem Buch. Man sieht aber daraus, dass die großen Rätselprobleme an die Pforten pochen, und dass sich die Gegenwart nur gegen diese Dinge stemmt. Würde man mutig genug sein, so würde auf Schritt und Tritt heute etwas ähnliches zutage treten. Man ist nur nicht mutig genug. Denn ich sage dies alles nicht, um dem Professor Jung etwas am Zeuge zu flicken, sondern weil ich glaube, dass er in seinem Denken schon mutiger ist als alle andern. Er sagt das, was er sagen muss nach den Voraussetzungen der Gegenwart. Die andern sagen es nicht, sie sind noch weniger mutig. GA 181, S. 022 Fußnoten zur Passage in GA 181:[24]

Hans Erhard Lauer arbeitet in "Die Rätsel der Seele" verschiedene Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus. Im Anhang, der der 2. Auflage (1964) zugefügt wurde, äußert er sich dahingehend, daß Jung zwar nur über die imaginative Erkenntnisstufe verfügte, aber bezüglich des Christentums im wesentlichen mit der Anthroposophie übereinstimme:

"So war es also, wenn auch Vergangenes, so doch immerhin Europäisch-Christlich-Abendländisches, das in Jungs seelischen Erlebnissen sich erneuerte. Daraus erklärt sich auch seine intensive Beziehung zu dem Mysterium, das in der Gestalt Jesu Christi seinen Ausdruck gefunden hat. Auch darf behauptet werden, daß seine Auffassungen gerade auch in diesem Punkte in vollem Einklang stehen mit denjenigen, die Rudolf Steiner hierüber vertreten hat. Nur unterscheiden sie sich von diesen zugleich wieder charakteristischerweise darin, daß Steiner zur Darstellung brachte, was einer über die Imaginationsstufe hinausgehenden geistigen Erfahrung sich erschließt, während Jung nur zur Erscheinung kommt, wie sich die betreffenden Tatsachen, auf die Ebene der Imagination projiziert, abbilden. Übereinstimmt er mit Steiner aber darin, daß er - wie es in der Einleitung zu seiner Selbstbiographie (von A. Jaffé) heißt - 'der christlichen Forderung des Glaubens die Notwendigkeit des Verstehens und Nachdenkens gegenüberstellte'. Oder, wie er es selbst an einer Stelle ausspricht: 'Ich lasse der christlichen Botschaft nicht nur eine Tür offen, sondern sie gehört ins Zentrum des westlichen Menschen. Allerdings bedarf sie einer neuen Sicht, um den säkularen Wandlungen des Zeitgeistes zu entsprechen; sonst steht sie neben der Zeit und die Ganzheit des Menschen neben ihr.' Außerdem aber handelt es sich im besonderen bei jenem alchimistisch-rosenkreuzerischen Seelenwandlungsprozeß, dem der von ihm durchgemachte in gewisser Weise entsprach, um jene Bestrebungen, durch welche der spezifische Geistesweg gerade der neueren Zeit inauguriert worden ist. Es kommt dies bei Jung darin zum Ausdruck, daß er auf diesem Seelenweg zu dem Individuationsprozeß 'als dem zentralen Begriff seiner Psychlogie' gelangte." (Lauer in "Die Rätsel der Seele", 2. Aufl. 1964, S. 109f.)

Siehe auch

Psychoanalyse

Archetypen nach C.G. Jung

Einzelnachweise

  1. C.G. Jung: Gesammelte Werke, Bd. 6. Psychologische Typen. / Jolande Jacobi: Die Psychologie von C.G. Jung, Seite 20ff.
  2. Aniela Jaffé: Der Mythus von Sinn: im Werk von C.G. Jung, 3. Aufl., Daimon-Verlag 1983, Seite 21-22 Buch bei Google Books
  3. C. G. Jung: Archetypen des koll. Unbewußten, GW IX 1, Seite 15. Zitiert nach: Aniela Jaffé: Der Mythus von Sinn: im Werk von C.G. Jung, 3. Aufl., Daimon-Verlag 1983, Seite 22 (Das erweiterte Originalzitat aus Jung, Gesammelte Werke: Fußnote 8 Seite 15, lautet: "Man muß, um genau zu sein, zwischen 'Archetypus' und 'archetypischen Vorstellungen' unterscheiden. Der Archetypus stellt an sich eine hypothetische, unanschauliche Vorlage dar, wie das in der Biologie bekannte 'pattern of behavior'. Siehe dazu [Jung,] Theoretische Überlegungen zum Psychischen.[GW VIII]" Fußnote 8 ist am Ende des folgenden Satzes eingefügt: "Der Archtypus stellt wesentlich einen unbewußten Inhalt dar, welcher durch seine Bewußtwerdung und das Wahrgenommenwerden verändert wird, und zwar im Sinne des jeweiligen individuellen Bewußtseins, in welchem er auftaucht.")
  4. C. G. Jung: Mutterarchetypus , GW IX 1, Seite 114 f. Zitiert nach: Aniela Jaffé: Der Mythus von Sinn: im Werk von C.G. Jung, 3. Aufl., Daimon-Verlag 1983, Seite 21
  5. Wenn es um den Vergleich von Rudolf Steiner und C.G. Jung geht, macht Gerhard Wehr hingegen folgende Aussage: „Fatal wird sich auswirken, wenn man einer Gestalt wie Steiner im Gegenüber zu Jung eine „höhere“ Erkenntnisqualität beimisst.“ (info3 Januar 2011 Text)
  6. Hans Erhard Lauer: Die Rätsel der Seele, 2. Aufl. 1964, S. 109f. (Siehe dazu auch Analytische Psychologie und Anthroposophie im Vergleich)
  7. „C.G. Jung war stark von Kant beeinflusst, den er schon in seiner Sudienzeit studiert hatte...Jung hat sich Zeit seines Lebens streng an die Grenzen der Erkenntnis gehalten, obwohl man ihm gerade Grenzüberschreitungen in Richtung der Metaphysik zum Vorwurf machte.“ (Alfred Ribi (Studienleiter am Jung-Institut): Neurose - an der Grenze zwischen krank und gesund: Eine Ideengeschichte zu den Grundfragen des Menschseins, Springer 2011, Text)
  8. C. G. Jung: Erinnerungen, Träume, Gedanken. Aufgezeichnet und herausgegeben von Aniela Jaffé. Sonderausgabe, 15. Auflage. Düsseldorf 2007, S. 175, S. 181 f. und 387.
  9. C. G. Jung: Das Rote Buch. LIBER NOVUS. Herausgegeben und eingeleitet von Sonu Shamdasani. Vorwort von Ulrich Hoerni. Patmos, Düsseldorf 2009, ISBN 978-3-491-42132-5, Vorwort, S. 9.
  10. In Goethes Faust sagt Faust: »Was ihr den Geist der Zeiten heißt, / Das ist im Grund der Herreneigner Geist, / In dem die Zeiten sich bespiegeln.« (Faust 1, Zeilen 577 ff.)
  11. Im Entwurf heißt es weiter: »Da sagte Einer zu mir, der mich nicht kannte, dem es aber offenbar zukam, es zu wissen: >Was für eine merkwürdige Aufgabe hast du! Du musst den Menschen all dein Innerstes und Unterstes enthüllen<. / Eben dagegen sträubte ich mich, denn ich hasste nichts so sehr als dieses, das mir als Unkeuschheit und Frechheit erschien.« (S. 1)
  12. In Wandlungen und Symbole der Libido (1912) deutet Jung Gott als Symbol der Libido (vgl. S. 70). In seinem späteren Werk betonte Jung besonders die Unterscheidung zwischen der Gott-Imago und der metaphysischen Existenz Gottes (vgl. die in der 1952 erschienenen und überarbeiteten Ausgabe der Wandlungen hinzugefügten Passagen, in: GW 5, § 95 . Die Schrift erhielt nun den neuen Titel Symbole der Wandlung).
  13. Die Wörter »hinübergehen«, »Übergang«, »Untergang« und »Brücke« kommen in Nietzsches Zarathustra vor, und zwar dort, wo vom Übergang des Menschen zum Übermenschen die Rede ist, z.B.; »Was groß ist am Mensch, das ist, daß er eine Brücke und kein Zweck ist: was geliebt werden kann am Menschen, das ist, daß er ein Übergang und ein Untergang ist. Ich liebe die, welche nicht zu leben wissen, es sei denn als Untergehende, denn es sind die Hinübergehenden.« (Also sprach Zarathustra, »Vorrede« 4. Die hervorgehobenen Wörter sind in Jungs Exemplar unterstrichen.)
  14. Museum Rietberg – Ausstellungen – Archiv (Rückblick) – 2010 C. G. Jung – Das Rote Buch, 18. Dezember 2010 bis 20. März 2011
  15. Über diese Vision sprach Jung bei mehreren Gelegenheiten, wobei er unterschiedliche Einzelheiten hervorhobt: In seinem Seminar Analytische Psychologie von 1925 (S. 69), in dem Gespräch mit Mircea Eliade (siehe oben, S. 203) und in den Erinnerungen (S. 179). Jung war auf dem Weg nach Schaffhausen, dem Wohnort seiner Schwiegermutter, die am 17. Oktober ihren 75. Geburtstag feierte. Die Zugreise dorthin dauert etwa eine Stunde.
  16. Im Entwurf heißt es weiter: »mit einem Freunde, (dessen Mangel an Weitblick und dessen Unbedachtheit mir in Wirklichkeit öfter aufgefallen waren).« (S. 8)
  17. Im Entwurf heißt es weiter: »Mein Freund aber wollte mit einem kleinen langsamen Segelschiff zurückfahren, was ich dumm und unvorsichtig fand.« (S. 8)
  18. Im Entwurf heißt es weiter: »und fand dort auch merkwürdigerweise, zugleich mit mir, meinen Freund vor, der offenbar doch dasselbe schnelle Schiff benutzt hatte, ohne dass ich es merkte« (S. 8 f.)
  19. Eiswein wird aus Trauben bereitet, die bis zum ersten Frost am Rebstock bleiben. Danach werden sie gepresst, das Eis entfernt, und so ein starker, köstlicher Dessertwein gewonnen.
  20. Im Entwurf heißt es weiter: »Dies war mein Traum. Vergebens war alle Anstrengung, ihn zu verstehen. Ich mühte mich tagelang. Sein Eindruck aber war mächtig.« (S. 9) Jung berichtet von diesem Traum auch in den Erinnerungen (vgl. S. 179).
  21. Vgl. Einleitung, S. 203
  22. Im Entwurf richtet sich dies an »meine Freunde« (S. 9).
  23. Vgl. im Gegensatz dazu Johannes 14,6 : »Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.«
  24. Zur Psychoanalyse vgl. u. a. auch die Vorträge vom 10. und 11. November 1917, in: «Individuelle Geistwesen und ihr Wirken in der Seele des Menschen» (9 Vorträge, St. Gallen, Zürich und Dornach 1917), GA 178. Jung ... eine Broschüre über Psychoanalyse: Carl Gustav Jung, 1875-1961, Arzt. Siehe «Die Psychologie der unbewußten Prozesse. Ein Überblick über die moderne Theorie und Methode der analytischen Psychologie», Zürich 1917, (späterer Titel: «Das Unbewußte im normalen und kranken Seelenleben»),
    • 22/23 Jung führt ein Beispiel an: Ebenda, S. 18 ff. - Vgl. auch S. 91 ff. in diesem Band.
    • 24 Aber Jung ahnt so etwas .... Er sagt: Ebenda, S. 85 ff.
    • 25 Daher spricht er den Satz aus: Ebenda, wörtlich: «Erst in der Aufklärungsepoche fand
    man, daß die Götter doch nicht wirklich existierten, sondern nur Projektionen waren. Damit waren sie auch erledigt. Aber die ihnen entsprechende psychologische Funktion war keineswegs erledigt, sondern verfiel dem Unbewußten, wodurch die Menschen selber vergiftet wurden, durch einen Überschuß an Libido, der vorher im Kult des Götterbildes investiert war. Die Entwertung und Verdrängung einer so starken Funktion, wie es die religiöse ist, hat natürlich beträchtliche Folgen für die Psychologie des Einzelnen » (S. 115 f.) und «Der Gottesbegriff ist nämlich eine schlechthin notwendige psychologische Funktion irrationaler Natur, die mit der Frage nach der Existenz Gottes überhaupt nichts zu tun hat. Denn diese letztere Frage gehört zu den dümmsten Fragen, die man stellen kann. Man weiß doch hinlänglich, daß man sich einen Gott nicht einmal denken kann, geschweige denn sich vorstellen, daß er wirklich existiere, so wenig wie man sich einen Vorgang denken kann, der nicht notwendig kausal bedingt wäre» (S. 91).

Literatur

  • Jolande Jacobi: Die Psychologie von C. G. Jung. Rascher, Zürich 1940; 22. Auflage: Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-596-26365-3. (Dieses schmale Taschenbuch enthält ein Geleitwort von Jung, in dem er diese Arbeit als adäquate Einführung und Überblick seiner Lehre autorisiert
  • Gerhard Wehr: C. G. Jung (= Rowohlts Monographien. Bd. 152). Rowohlt, Reinbek 1969; 21. Auflage 2006, ISBN 3-499-50152-X.
  • Gerhard Wehr: Carl Gustav Jung. Leben – Werk – Wirkung. Kösel, München 1985; 3., erweiterte Auflage: Telesma, Schwielowsee 2009, ISBN 978-3-941094-01-7.
  • Hans Erhard Lauer: Die Rätsel der Seele. Tiefenpsychologie und Anthroposophie. Verlag die Kommenden, Freiburg 1982, 5. Aufl. ISBN 3782302095 (Lauer analysiert detailliert, inwiefern sich die Auffassung des Seelischen und Geistigen der analytischen Psychologie Jungs von der Anthroposophie unterscheidet)
  • C.G. Jung: Erinnerungen, Träume, Gedanken. Patmos; Auflage: 17. Auflage 2011. ISBN 3843601917 (Aufgezeichnet und herausgegeben von Aniela Jaffé. Dieses Buch hat auch autobiographischen Charakter und es ist besonders im Hinblick auf die geschilderten übersinnlichen Erfahrungen, die Jung machte, lesenswert.)
  • C.G. Jung, J.J. Clarke (Hrsg.): C.G. Jung und der östliche Weg, Patmos 2005, ISBN 3491698146 (Dieses Buch enthält eine Zusammenstellung von Texten Jungs über die Spiritualität des Ostens, mit einer lesenswerten gelehrten Einleitung des Herausgebers.)
  • Rudolf Steiner: Geist und Stoff, Leben und Tod, GA 66 (1988), ISBN 3-7274-0660-7 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  • Jos. Hupfer: Der Begriff des Geistes bei C.G. Jung und bei R. Steiner, in: Abhandlungen zur Philosophie und Psychologie, Heft 1, 1951, Dornach (Hrsg: Freie Hochschule für Geisteswissenschaft)
  • Karl Ballmer: Synchronizität. Gleichzeitigkeit, Akausalität und „Schöpfung aus dem Nichts“ bei C. G. Jung und Rudolf Steiner, Siegen 1995, ISBN 3-930964-25-2
  • Gerhard Wehr: C. G. Jung und Rudolf Steiner: Konfrontation und Synopse. Klett-Cotta /J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger; Auflage: 2., veränd. A. (1998), ISBN 3608919341(Gerhard Wehr versteht es in diesem Werk, die analytische Psychologie im Vergleich zur Anthroposophie gerecht zu würdigen. Er sieht in Jung eine wenn nicht Steiner ebenbürtige, so doch große Gestalt, die einen eigenen Zugang zum Geistigen fand, und durch sein Werk diesen Weg für andere vermitteln kann.)
  • Thomas B. Kirsch: C. G. Jung und seine Nachfolger. Die internationale Entwicklung der Analytischen Psychologie. Psychosozial-Verlag, Gießen 2007, ISBN 978-3-89806-447-7
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

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