Mysterien von Ephesos

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Artemis-Statue im Museum von Ephesos (Foto: Lutz Langer)

Die Mysterien von Ephesos, die in der Stadt Ephesos (griech. Ἔφεσος, hethitisch vermutlich Apaša, lat. Ephesus) in der Landschaft Ionien in Kleinasien beheimatet waren, zählten zu den bedeutensten Mysterien der Antike. Der Tempel der Artemis (Artemision) galt schon zu dieser Zeit als eines der Sieben Weltwunder. Der Geistesschüler wurde hier zum Erleben des schöpferischen Weltenwortes geführt.

"Diese Mysterienstätte von Ephesus, sie war ja so, daß sie in ihrem Mittelpunkte das Bildnis der Göttin Artemis hatte. Wenn heute einer die Nachbildungen der Göttin Artemis von Ephesus anschaut, so hat er nur die groteske Empfindung einer Frauengestalt mit lauter Brüsten, weil er keine Ahnung hat, wie solche Sachen in alten Zeiten erlebt worden sind. Auf das Erleben dieser Dinge kam es ja in alten Zeiten an. Die Schüler der Mysterien hatten Vorbereitungen durchzumachen, durch die sie dann zum eigentlichen Zentrum der Mysterien geführt wurden. Das Zentrum dieser ephesischen Mysterien war dieses Artemisbildnis. Wenn sie zu diesem Zentrum geführt wurden, so wurden sie eins mit einem solchen Bildnis. Der Mensch hörte auf, indem er vor diesem Bildnis stand, das Bewußtsein zu haben, er sei irgend etwas da in seiner Haut drinnen. Er bekam das Bewußtsein, daß er das ist, was das Bild ist. Er identifizierte sich mit dem Bude. Und dieses Sich-Identifizieren im Bewußtsein mit dem Götterbilde zu Ephesus, das hatte die Wirkung, daß man nun nicht mehr hinschaute auf die Reiche der Erde, die einen umgaben, auf Steine, Bäume, Flüsse, Wolken und so weiter, sondern indem man sich hineinfühlte in das Bildnis der Artemis, bekam man innerlich die Anschauung seines Zusammenhanges mit den Ätherwelten. Man fühlte sich eins mit der Sternenwelt, mit den Vorgängen in der Sternenwelt. Man fühlte nicht die irdische Substantialität innerhalb der menschlichen Haut, man fühlte sein kosmisches Dasein. Man fühlte sich im Ätherischen." (Lit.: GA 233, S. 56)

"In den Mysterien von Ephesus war es so, daß der ganze Dienst, welcher der exoterisch Artemis genannten Göttin von Ephesus dargebracht wurde, eigentlich darauf gerichtet war, das geistige Weben und Leben innerhalb des Äthers der Welt, innerhalb des Äthers des Kosmos, mitzuerleben. Man kann schon sagen, wenn die Angehörigen des Mysteriums von Ephesus sich dem Götterbilde nahten, dann war es eine Empfindung, die sich aber steigerte bis zum Anhören und die etwa so auszudrücken ist, wie wenn es die Sprache der Göttin wäre: Ich freue mich über alles Fruchttragende im weiten Weltenäther. Es war ein tiefer Eindruck, der ausgeübt wurde durch dieses Aussprechen inniger Freude der Tempelgöttin über alles Wachsende, Sprießende, Sprossende im weiten Weltenäther. Und innig verwandtes Fühlen mit dem Sprießen und Sprossen war ja insbesondere etwas, was wie ein Zauberhauch die Atmosphäre, die geistige Atmosphäre von dem ephesischen Heiligtum durchströmte. Es war dieses Mysterium schon so angeordnet, so eingerichtet, daß man sagen kann, nirgends ist eigentlich so mitgelebt worden mit dem Wachsen des Pflanzenwesens, mit dem Sprießen und Sprossen der Erde in das Pflanzenwesen hinein, als in Ephesus." (Lit.: GA 233a, S. 157)

"In Ephesus wurde der Schüler nicht vor zwei Statuen geführt, sondern vor eine, vor die eine Statue, die ja bekannt ist als die Artemis von Ephesus. Und indem der Schüler sich identifizierte mit dieser Statue, die voller Leben war, die überall von Leben strotzte, lebte sich der Schüler in den Weltenäther ein. Er hob sich hinaus mit seinem ganzen inneren Erleben und Empfinden vom bloßen Erdenleben, er hob sich in das Erleben des Weltenäthers hinein. Und ihm wurde das Folgende klar. Ihm wurde zunächst vermittelt, was eigentlich die menschliche Sprache ist. Und an der menschlichen Sprache, also dem menschlichen Abbild, dem menschlichen abbildlichen Logos gegenüber dem Welten-, dem kosmischen Logos, an dem wurde ihm klargemacht, wie das Weltenwort schöpferisch durch den Kosmos webt und wallt." (Lit.: GA 233, S. 68)

"So wurde das, was große Welt war, das makrokosmische Mysterium, zum mikrokosmischen Mysterium der Menschensprache. Und auf dieses makrokosmische Mysterium, die Übersetzung in die Maja, in die große Welt, deutet der Beginn des Johannes-Evangeliums hin: «Im Urbeginne war der Logos. Und der Logos war bei Gott. Und ein Gott war der Logos». Denn das war dasjenige, was lebte und webte noch in der Tradition zu Ephesus, auch als der Evangelist, der Schreiber des Johannes-Evangeliums, in der Akasha-Chronik zu Ephesus lesen konnte dasjenige, wonach sein Herz dürstete: die richtige Einkleidung für das, was er als das Geheimnis des Weltenwerdens der Menschheit sagen wollte." (Lit.: GA 232, S. 98)

"Heraklit, viele der größten Philosophen, auch Platon, Pythagoras, sie alle haben noch von Ephesus gelernt. Ephesus war wirklich dasjenige, was bis zu einem gewissen Punkte bewahrt hatte die alten orientalischen Weistümer. Und auch diejenigen Individualitäten, die in Aristoteles und Alexander dem Großen waren, in Ephesus konnten sie erfahren, etwas später als Heraklit, was dann noch an altem Wissen in den orientalischen Mysterien war, das als Erbstück geblieben ist dem Mysterium von Ephesus. Innig verbunden insbesondere mit der Alexanderseele war dasjenige, was in Ephesus an Mysterienwesen lebte. Und nun geschah eines jener historischen Ereignisse, von denen die Triviallinge annehmen, daß sie ein äußerer Zufall sind, die aber gerade tief, tief begründet sind in den inneren Zusammenhängen der Menschheitsentwickelung.

Um die Bedeutung dieses historischen Ereignisses einsehen zu können, rufen wir uns das Folgende einmal vor die Seele, Denken Sie daran, daß ja in den beiden Seelen, in der Seele desjenigen, der dann Aristoteles wurde, und desjenigen, der Alexander der Große wurde, zunächst das lebte, was innerlich verarbeitet war aus uralter Zeit heraus, dann das lebte, was in Ephesus ihnen ungeheuer wertvoll geworden war. Ich möchte sagen, ganz Asien, aber in der Form, in der es griechisch geworden war in Ephesus, lebte in den beiden, insbesondere in der Seele desjenigen, der später Alexander der Große geworden ist. Nun stelle man sich auch den Charakter vor - ich habe ihn geschildert aus der Gilgamesch-Zeit - , und man denke sich, daß sich ja nun im lebendigen Verkehr zwischen Alexander und Aristoteles das Wissen, das an den alten Orient und an Ephesus gebunden war, wiederholte, aber in der neuen Form des Wissens wiederholte. Man stelle sich das nur vor. Man stelle sich vor, was hätte werden müssen, wenn das gigantische Dokument, das eigentlich in diesen Seelen mit einer ungeheuren Intensität gelebt hat, wenn dieses gigantische Dokument, das Mysterium von Ephesus, dagewesen wäre, wenn also auch in der Alexander-Inkarnation Alexander das Mysterium von Ephesus noch angetroffen hätte! Man stelle sich das vor, und man würdige dann die Tatsache, daß an dem Tage, an dem Alexander geboren wurde, Herostrat die Brandfackel in das Heiligtum von Ephesus geworfen hat, so daß der Dianentempel von Ephesus an dem Tage, an dem Alexander geboren wurde, durch Frevlerhand abgebrannt ist. Es ward nicht mehr gefunden dasjenige, was gerade geknüpft war an seine Denkmal-Dokumente. Das war nun nicht da; das war im Grunde genommen allein jetzt als historische Mission in der Seele des Alexander und in seinem Lehrer Aristoteles." (Lit.: GA 233, S. 91ff)

"Im Grunde genommen war der Brand von Ephesus der Beginn derjenigen Epoche, in der das Mysterienwesen allmählich in seiner alten Form verschwand. Ich habe erzählt, wie es fortbestanden hat da und dort, grandios zum Beispiel in den Mysterien von Hybernia, wo im Kultus das Mysterium von Golgatha gleichzeitig gefeiert worden ist, während es physisch drüben in Palästina vor sich ging. Man hatte Kenntnis davon nur aus der geistigen Vermittlung zwischen Palästina und Hybernia; nicht durch physische Vermittlung. Aber dennoch, das Mysterienwesen in der physischen Welt ging immer mehr und mehr zurück. Die äußeren Heimstätten, die Begegnungsstätten waren zwischen Göttern und Menschen, verloren immer mehr und mehr ihre Bedeutung. Sie hatten sie fast vollständig verloren im 13., 14. nachchristlichen Jahrhundert. Denn wer den Weg finden wollte, zum Beispiel zum Heiligen Gral, der mußte geistige Wege zu gehen verstehen. Physische Wege war man gegangen in der alten Zeit, vor dem Brande von Ephesus. Geistige Wege mußte man gehen im Mittelalter." (Lit.: GA 260, S. 242f)

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Mysteriengestaltungen, GA 232 (1998), ISBN 3-7274-2321-8 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  2. Rudolf Steiner: Die Weltgeschichte in anthroposophischer Beleuchtung und als Grundlage der Erkenntnis des Menschengeistes, GA 233 (1991), ISBN 3-7274-2331-5 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  3. Rudolf Steiner: Mysterienstätten des Mittelalters, GA 233a (1991), ISBN 3-7274-2335-8 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  4. Rudolf Steiner: Die Weihnachtstagung zur Begründung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft 1923/24, GA 260 (1994), ISBN 3-7274-2602-0 html
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