Michael Tschechow und Ehebruch: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Bild:Michail_Tschechow.jpg|thumb|Michael Tschechow (1891-1955)]]
[[Datei:Man and woman undergoing public exposure for adultery in Japan-J. M. W. Silver.jpg|thumb|Anprangerung eines des Ehebruchs für schuldig befundenen Paares im alten Japan]]
'''Michael Aleksandrovich Tschechow''' (* [[Wikipedia:29. August|29. August]] [[Wikipedia:1891|1891]] in [[Wikipedia:Sankt Petersburg|Sankt Petersburg]]; † [[Wikipedia:30. September|30. September]] [[Wikipedia:1955|1955]] in [[Wikipedia:Beverly Hills|Beverly Hills]]) war ein russisch-US-amerikanischer [[Theaterwiki:Schauspieler|Schauspieler]], [[Theaterwiki:Regisseur|Regisseur]], [[Theaterwiki:Autor|Autor]], [[Anthroposoph]] und Neffe des Schriftstellers [[Theaterwiki:Anton Tschechow|Anton Tschechow]].  
'''Ehebruch''' wird in der [[wikipedia:Ethnologie|Ethnologie]] und der [[wikipedia:Anthropologie|Anthropologie]] als das Eingehen gesellschaftlich nicht geduldeter außerehelicher Beziehungen definiert.  


== Leben ==
Vor allem in Gesellschaften mit [[wikipedia:Patrilinearität|patrilinearen]] Gesellschaftsordnungen wird Ehebruch der Frau streng bestraft. In [[wikipedia:Matrilinearität|matrilinearen]] Gesellschaften hingegen, in denen der biologischen [[wikipedia:Vaterschaft|Vaterschaft]] keine große Bedeutung beigemessen wird, gilt der Ehebruch meist als minder schweres Delikt.


Michail Tschechow wurde am 29. August 1891 als Sohn des Journalisten Aleksandr Pawlowitsch Tschechow, dem älteren Bruder des Dichter [[Theaterwiki:Anton Tschechow|Anton Tschechow]], in St. Petersburg geboren. Der Vater machte ihn schon früh mit der russischen Literatur bekannt und lenkte seine Aufmerksamkeit auf die Werke [[Wikipedia:Arthur Schopenhauer|Schopenhauer]]s und [[Wikipedia:Friedrich Nietzsche|Nietzsche]]s.  
In derselben Gesellschaft können unterschiedliche, teilweise sogar sich gegenseitig ausschließende Konzepte des Ehebruchs vorkommen.<ref>{{cite web
| url = http://www.univie.ac.at/Voelkerkunde/cometh/glossar/heirat/f.htm
| title = Ehebruch
| author = Helmut Lukas, Vera Schindler, Johann Stockinger
| work = Interaktives Online-Glossar: Ehe, Heirat und Familie
| publisher = Universität Wien
| date = 1993-1997
| accessdate = 2013-03-29
}}</ref> Trotz mitunter sehr schwerer Strafen kommt Ehebruch in allen von Anthropologen untersuchten Gesellschaften vor.<ref>{{Literatur
| Autor = [[wikipedia:Helen Fisher|Helen Fisher]]
| Titel = Anatomy of Love – A natural History of Mating, Marriage, and why we stray
| Verlag = Random House
| Ort = New York
| Jahr = 1992
| ISBN = 0-449-90897-6
| Kommentar = S. 87: „There exists no culture in which adultery is unknown, no cultural device or code that extinguishes philandering.
}}</ref> Gegen Ehebruch zu sein, lässt nicht auf ein Bekenntnis zur [[wikipedia:Monogamie|Monogamie]] und gegen [[wikipedia:Polygamie|Polygamie]] schließen.<ref>{{cite web
| url = http://www.welt.de/politik/ausland/article13412169/Wie-tuerkische-Frauen-unter-der-Vielweiberei-leiden.html
| title = Wie türkische Frauen unter der Vielweiberei leiden
| author = Boris Kálnoky
| publisher = Die Welt
| date = 2011-06-04
| accessdate = 2013-03-29
}}</ref>


Von 1907 bis 1910 besuchte Michail Tschechow in St. Petersburg die Schauspielschule Suvorin. Im Oktober 1911 gab er sein Debüt als [[Theaterwiki:Schauspieler|Schauspieler]] mit der Rolle des "Zar Fedor" in [[Wikipedia:Alexei Nikolajewitsch Tolstoi|Alexei Nikolajewitsch Tolstoi]]s gleichnamigem Schauspiel am Petersburger „Kleinen Suvorin-Theater“ (Malyj Teatr).
== Aussagen in der Bibel zum Ehebruch ==


[[Bild:Michail_Karikatur.gif|thumb|left|300px|Selbstbildnis Michael Tschechows (Karikatur)]]
Matthäus 19,9: "Ich sage Euch: Wer sich von seinem Weibe scheidet, außer wegen Unzucht, bricht die Ehe, wenn er ein anderes Weib nimmt" (Übersetzung Emil Bock)<ref>Luther: "Ich aber sage euch, wer sich von seinem Weibe scheidet, (es sei denn um der Hurerei wegen), und freiet eine andere, der bricht die Ehe. Und wer die Abgeschiedene freiet, der bricht auch die Ehe".</ref><ref> Elberfelder 1905:"Ich sage euch aber, daß, wer irgend sein Weib entlassen wird, nicht wegen Hurerei, und eine andere heiraten wird, Ehebruch begeht; [und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch.]"</ref>"Außer wegen Unzucht" ist nach Aussagen der Bibelforschung<ref>Quelle</ref> keine authentische Aussage Jesu bzw. des Matthäus, sondern eine spätere Hinzufügung in den Text. Sofern der Zusatz "außer wegen Unzucht" Gültigkeit hätte, eräbe sich daraus die Frage, ob sich dann ein Mann, wie beim Witwertum, respektive die Frau, ein neues Weib oder einen Mann nehmen dürfe, und dies dann gemäß der Überlieferung kein Ehebruch sei, wie es nicht als Ehebruch gilt, eine Witwe oder einen Witwer zu heiraten (Röm. 7,3).
Mit 21 Jahren wurde Tschechow auf Vorschlag von [[Theaterwiki:Olga Leonardowna Knipper|Olga Leonardowna Knipper]], der Witwe A. Tschechows, [[Theaterwiki:Konstantin Stanislawski|Konstantin Stanislawski]] vorgestellt, der sofort das herausragende Talent Tschechows erkannte und ihn 1913 in das [[Theaterwiki:Moskauer Künstlertheater|Moskauer Künstlertheater]] (MChAT) aufnahm, wo er zuerst Schüler und dann Mitarbeiter von Konstantin Stanislawski war. Tschechows außergewöhnliche Begabung lässt sich an keinen Einzelheiten seiner Erscheinung und seines Tuns festmachen, sie liegt in seiner ganzen [[Persönlichkeit]] begründet. Äußerlich war er von kleinem Wuchs, sehr mager und stupsnasig, sprach leise und hatte die Gewohnheit, beim Sprechen ein wenig zu lispeln. Was ihn besonders auszeichnete, war die absolute Wahrhaftigkeit seiner Schauspielkunst. Trotzdem er damals noch ein ganz junger Mann war, hatte er viel Rollen "alter Männer" zu verkörpern, und er tat dies so glaubhaft und erschütternd, dass sich niemand dieser Wirkung entziehen konnte. Außergewöhnlich war auch sein Improvisationstalent, mit dem er seine Mitspieler immer wieder aufs Neue verblüffte und zu einem ebenso freien Spiel herausforderte. Dabei wich er weder vom Originaltext, noch von den Regieanweisungen ab, wusste aber die stets verbleibenden Freiräume genial zu nutzen. P. A. Markov bezeichnete ihn als einen «Experimentator der seelischen und der physischen Qualitäten des Menschen»<ref name="Markov">Pavel A. Markov, ''O teatre'' (Über das Theater), 4 Bände, Moskau 1974, Bd. 1, S 397; zit. nach ''Die Kunst des Schauspielers'' (1990), S 204</ref>. Michael Tschechow war vielseitig begabt, er zeichnete gerne und gut, legte großen Wert auf die Maske und schminkte sich immer selbst. Der Musik war er leidenschaftlich zugetan, verfügte über das absolute Gehör und improvisierte gerne auf dem Klavier. Seine schriflichen Werke, die sich nicht nur durch Sprachgewandtheit, sondern vor allem auch durch ihren herzenswarmen Ton auszeichnen, zeugen von seiner literarischen Begabung.


1914 heiratete Michail Tschechow seine Cousine [[Theaterwiki:Olga Konstantinowna Tschechowa|Olga Konstantinowna Tschechowa]]. Aus dieser Ehe stammt die Tochter Ada Tschechowa. Schon nach drei Jahren wurde die Ehe geschieden. Aufgrund einer Nervenkrise, die ihn mit schweren, grundlosen Ängsten plagte, musste sich Tschechow in den Jahren 1917-18 kurzzeitig von der Theaterarbeit zurückziehen.  
Zum gleichen Thema gibt es die Frage der Anwendung des sechsten Gebotes auf auf Verfehlungen wie Wollust, Unkeuschheit usw.
Matthäus 5, 27,28: "Ihr habt das Wort gehört, das zu den Menschen der Vergangenheit gesprochen worden ist: 'Du sollst nicht die Ehe brechen'. Aus dem Ich heraus jedoch sage ich euch: Schon wer ein Weib mit begierdevollem Blick betrachtet, hat sich in seinem Herzen mit ihr ehebrecherisch verbunden." (Übersetzung Emil Bock)<ref>Luther: "Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt ist: Du sollst nicht ehebrechen. Ich aber sage euch: Wer ein Weib ansiehet, ihrer zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen:"</ref>. (vgl. auch Markus 10,11; Lukas 16,18, Matthäus 5,32)<ref>vgl. auch [[Schiller]], Ästhetische Briefe für eine moderne Interpretation.</ref>.


Auf der Suche nach Inspirationsquellen und tieferen schauspielerischen Ausdrucksmöglichkeiten für sein «Theater der Zukunft», wie er es nannte, studierte Michail Tschechow vielfältige spirituelle Werke, was in schließlich auch zur Anthroposophie führte. Nachdem er schon grundlegende Werke [[Rudolf Steiner]]s studiert hatte, begegnete er ihm 1922 erstmals persönlich in Berlin und organsierte schon bald mit dem [[Wikipedia:Symbolismus|symbolistischen]] Dichter und [[Anthroposoph]]en [[Andrej Belyj]] Vorträge zu [[Anthroposophie|anthroposophischen]] Themen. Die Zusammenkünfte fanden in seinem privaten Moskauer Schauspielstudio statt, das er 1917/18 während der Zeit seiner Nervenkrise eingerichtet hatte.
Die Unterscheidung zwischen [[Begierde|natürlichem Verlangen]]<ref>Wunsch nach Beiwohung, Begattungsinteresse, Sehnsucht nach einem Kind usw., auch der begehrliche Blick aus dem Bewußtsein, einer Ergänzung durch die ergänzende, bessere Hälfte bedürftig zu sein, sind natürlich veranlagt und haben wohl nichts mit Ehebruch usw. zu tun.</ref>, [[Begierde]], [[Wollust]], [[Unzucht]] und Ehebruch ist auch insofern unklar, als es Wollust und Unzucht in den gegebenen Bestimmungen als Empfindung und Verhalten auch unabhängig von der Ehefrage und so definiertem Ehebruch gibt<ref>Auch wenn eine sinngemäße Übersetzung sprachlich möglich sein könnte, was Jesus damit meinte; so kann die Aussage doch nicht auch für uns heute ohne weiteres gelten, ohne etwa die Differenz, was denn eine gierische Regung im Altertum bedeutete, im Vergleich zu solchen Vorkommnissen bei uns heutigen, zu untersuchen. Zudem muß auch der patriachalistische Aspekt beachtet werden, der zwar nicht den Worten Jesu selbst zuzuschreiben ist, aber dem Gesamtkontext der Bibel, der so, wie er überliefert ist, bekanntlich patriarchalische Auffassungen transportiert.</ref>. Auch Johannes 4,16-18 bringt darüber keine Klarheit:


[[Bild:Michail cechov zavadskij 1920.jpg|thumb|Michail A. Cechov, 1920, Zeichnung von Jurij A. Zavadskij]]
In Johannes 4,16-18 sagt Jesus am Brunnen zu der Samariterin: "Geh, rufe deinen Mann, und komm dann wieder her. Da sprach die Frau: Ich habe keinen Mann. Jesus spricht: Du sagst mit Recht, du habest keinen Mann. Fünf Männer hattest du, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann." (Übersetzung Emil Bock).
Ebenfalls 1922, nachdem der bisherige Leiter, der noch junge Regisseur Jevgenij B. Vachtangov<ref name="Vachtangov">Jevgenij Bagrationovič Vachtangov (* 13. Februar 1883; † 29. Mai 1922), russischer Regisseur und Schauspieler. Arbeitete ab 1911 am [[Wikipedia:MChAT|MChAT]], dann am ersten Studio, dem späteren MChAT-2. 1921 gründete er mit seinen Schülern das "Dritte Studio", das sich unabhängig vom MChAT entwickelte und 1926 zum Vachtangov Theater wurde.</ref>, unerwartet verstorben war, wurde Michael Tschechow die Leitung des Ersten Studios am Moskauer Künstlertheater übertragen, das 1924 in das Moskauer Akademische Künstlertheater 2 umgewandelt wurde. Hier konnte er auch seine legendäre Hamlet-Interpretation entwickeln. Ebenfalls 1924 hatte Tschechow in [[Wikipedia:Arnheim|Arnheim]] ein ausführliches Gespräch mit Rudolf Steiner, von dem wesentliche Impulse zur Ausarbeitung seiner Lehrmethode ausgingen.  


Der offen bekundete geistige Hintergrund seiner Theaterarbeit brachte Michail Tschechow immer wieder in Konflikt mit der materialistischen Gesinnung des herrschenden Sowjetregimes, bis er schließlich 1928 emigrierte. In den folgenden Jahren führte er ein ruheloses Wanderleben, das ihn durch ganz [[Wikipedia:Europa|Europa]] trieb und mit nahezu allen bedeutenden Künstlern seiner Zeit zusammenführte. Die reichen Erfahrungen, die er dabei sammeln konnte, ließen die von ihm schon keimhaft entwickelte Schauspielmethode weiter reifen. 1928 veröffentlichte Tschechow auch mit «Der Weg des Schauspielers» die erste künstlerische Bestandsaufnahme seines Werdegangs.
Es ist zwar nach dem Sinn nicht ausgeschlossen, daß einer der vier vorherigen Männer der Samariterin ihr Ehemann gewesen sei. Wenn das aber so gewesen wäre, warum wird dann von Jesus der Samriterin ein Ehebruch nicht vorgehalten?<ref>Eine andere oder zusätzliche tiefere Bedeutung wird von Rudolf Steiner u.a. in [[GA 103]], S. 98 erläutert.</ref>


In [[Wikipedia:Wien|Wien]] und [[Wikipedia:Berlin|Berlin]] arbeitete Michail Tschechow mit [[Theaterwiki:Max Reinhardt|Max Reinhardt]] zusammen, der ihn einmal so charakterisierte: ''Ein Stern in unmittelbarer Nähe des Herzens''. Für kurze Zeit übernahm Tschechow die Leitung des jüdischen Theaters „Habima“ und in engem Kontakt zu [[Michael Bauer]] vertiefte er sich in diesen Jahren auch weiter in die Anthroposophie. Nachdem sein Angebot an [[Marie Steiner]], mit ihr an der [[Goetheanum]]-Bühne in [[Wikipedia:Dornach SO|Dornach]] zusammenzuarbeiten, abgelehnt wurde, ging Tschechow 1930 nach [[Wikipedia:Paris|Paris]], wo er ein eigenes russisches Theater begründete, dem aber kein nachhaltiger Erfolg beschieden war.
== Rudolf Steiner über den Ehebruch ==
 
In den Vorträgen über die [[10 Gebote]] äußert sich Rudolf Steiner dahin gehend, daß die Ehe nicht gebrochen werden solle, weil die Ehe ein Zentrum der [[Ich]]kraft sei:
Ab 1932 war Tschechow erfolgreich als Schauspieler und Regisseur in [[Wikipedia:Riga|Riga]] und [[Wikipedia:Kaunas|Kaunas]] tätig, wo er auch Schauspielkurse hielt und bereits an seinem grundlegenden Werk zur Schauspielkunst arbeitete. Schon im Herbst des selben Jahres wollte er seine eigene Schauspielschule eröffnen, doch die politische Lage spitzte sich zu. Der grassiernde Nationalismus hatte auch das Baltikum ergriffen und Tschechow sah sich genötigt, das Land zu verlassen.
 
1935 gab Tschechow eine Reihe von Gastspielen in [[Wikipedia:Brüssel|Brüssel]], [[Wikipedia:Paris|Paris]] und schließlich auch in den [[Wikipedia:USA|Vereinigten Staaten]], wo ihn die amerikanische Schauspielerin [[Wikipedia:Beatrice Straight|Beatrice Straight]] in einer [[Wikipedia:Broadway (Theater)|Brodway]]-Produktion erlebte und daraufhin nach [[Wikipedia:England|England]] einlud. Schon im Oktober 1935 konnte Tschechow in der [[Wikipedia:Dartington Hall|Dartington Hall]] nahe [[Wikipedia:Totnes|Totnes]] an der Südküste Englands das «Cechov Theatre» mit einer daran angeschlossenen Schauspielschule ins Leben rufen, womit er seinem Ziel, das «Theater der Zukunft» zu schaffen, einen Schritt näher kam. Das in wirtschaftlicher, sozialer und künstlerischer Beziehung kühne und neuartige Grundkonzept orientierte sich an den Ideen der [[Soziale Dreigliederung|sozialen Dreigliederung]]. Tschechow gründete seine ganze Theaterarbeit, namentlich die Ausbildung, auf die geistigen Grundlagen der [[Anthroposophie]], insbesondere auf [[Eurythmie]] und [[Sprachgestaltung]], die er aber in sehr eigenständiger Weise handhabte. In einem Brief an Margarete Morgenstern vom 05.08.1936 schrieb Tschechow:
 
<div style="margin-left:20px">
"Was den Unterricht der Eurythmie betrifft, habe ich mich schon längst entschlossen, keine Lehrerin einzuladen. Ich habe den Namen des Doktors im Prospekt aus dem einfachen Grunde nicht erwähnt, da man, wenn man das macht, eine Anthroposophische Schule haben und sicher sein muß, dass das, was man unterrichtet, tatsächlich den Wünschen und dem inneren Sinn des Doktors entspricht. Solche Verantwortung kann ich nicht auf mich nehmen. Ich weiß, und habe es selbst auch gesehen, wie oft die schlechten und unvollkommenen Sachen dem Publikum unter dem Namen des Doktors gezeigt worden sind, und wie dies in den bestgesinnten Menschen unkorrigierbare Eindrücke hinterlassen hat. Alle Fehler  derjenigen, die den Namen des Doktors benutzen, werden unmittelbar auf ihn zurückfallen. Ich nenne dies Unverantwortlichkeit und ziehe es vor, mich von der zweifelhaften Vertretung des Doktors abzuwenden, wegen ihm selbst und wegen meiner Verehrung. Wenn ich in der Schule etwas aus der Lehre des Doktors benutzen werde, dann nur auf der Grundlage veröffentlichter Bücher, und die Schüler werden immer wissen, aus welcher Quelle diese oder jene Mitteilung stammt..."
</div>
 
Im Dezember 1938 verlegte Tschechow das „Cechov Studio“ in die [[Wikipedia:USA|Vereinigten Staaten]], wo er es in [[Wikipedia:Ridgefield (New Jersey)|Ridgefield]] bei [[Wikipedia:New York City|New York]] als neues Schauspielstudio eröffnete. Von hier aus gingen seine Schüler als «Cechov Players» auf Tournee.
 
Die sehr erfolgreiche Ära der «Cechov Players» wurde jäh unterbrochen, als die [[Wikipedia:USA]] [[Wikipedia:1942|1942]] in den [[Wikipedia:Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] eintrat und die meisten seiner Schauspieler, nämlich 16 von insgesamt 23<ref name="Weltkrieg">''Die Kunst des Schauspielers'' (1990), S 263</ref>, an die Front gerufen wurden. Tschechow musste sein Studio schließen und unterzeichnete gegen seine tiefere künstlerische Überzeugung, aber aus wirtschaftlicher Notwendigkeit, einen Filmvertrag mit [[Wikipedia:Hollywood|Hollywood]], wo in zahlreichen Filmen unter namhaften Regisseuren mitwirkte. Für seine Darstellung des Dr. Alexander 'Alex' Brulov in [[Wikipedia:Alfred Hitchcock|Alfred Hitchcock]]s "[[Wikipedia:Ich kämpfe um dich|Spellbound]]" wurde er 1946 für den [[Wikipedia:Oscar|Oscar]] nominiert.
 
Neben seiner Filmarbeit war Tschechow auch immer wieder als Schauspiellehrer tätig. Von 1947 - 1950 leitete er das Akim Tamirov-
Studio in Hollywood. Einer der wichtigsten Schüler Michail Tschechows war der Schauspieler und Regisseur, sowie Mitgründer des [[Theaterwiki:Actors Studio|Actors Studio]] in [[Wikipedia:New York City|New York City]] [[Theaterwiki:Robert Lewis|Robert Lewis]]. Die von ihm entwickelte Schauspieltechnik wurde und wird  von Schauspielern wie [[Wikipedia:Clint Eastwood|Clint Eastwood]], [[Wikipedia:Marilyn Monroe|Marilyn Monroe]], [[Wikipedia:Yul Brynner|Yul Brynner]], [[Wikipedia:Martin Umbach|Martin Umbach]] u. a. verwendet.
 
1953 konnte Michail Tschechow sein Buch "To the Actor" in New York veröffentlichen, nachdem er zuvor auf Verlangen des Verlegers  Harper alle Hinweise auf die [[Anthroposophie]] [[Rudolf Steiner]]s aus dem Manuskript, das er zuvor schon 1946 in New York in russischer Sprache unter dem Titel ''O technike aktjora'' veröffentlicht hatte, weglies.
 
Michael Tschechow starb plötzlich und unerwartet am 30. September 1955 in [[Wikipedia:Beverly Hills|Beverly Hills]], [[Wikipedia:Kalifornien|Kalifornien]] - bis zuletzt in die [[Mysteriendramen]] [[Rudolf Steiner]]s vertieft, wie seine Freunde erzählten.
 
== Die Schauspielmethode ==
 
Im Unterschied zu [[Theaterwiki:Konstantin Stanislawski|Stanislawski]] sah Michael Tschechow die Aufgabe und Inspirationsquelle des Schauspielers nicht in der Nutzbarmachung persönlich-biografischer Erfahrung sondern im bewussten Erschließen des imaginativen Potenzials des Bühnenkünstlers.
 
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"Versuche von Schauspielern, unverarbeitete, noch »unvergessene« Gefühle szenisch zu nutzen, müssen zu traurigen Ergebnissen führen: Die Bühnengestalt wird unästhetisch, flach, klischeehaft und bringt an sich weder etwas Neues, Originelles, noch irgendeine Offenbarung von Individualität." {{Lit|Tschechow (1990), S 123 ff}}
</div>
 
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"Der Schauspieler irrt, wenn er glaubt, seine Rolle mittels persönlicher Gefühle darstellen zu können. Nicht immer macht er sich klar, daß seine Gefühle nur über ihn selbst etwas aussagen, niemals über seine Rolle. Nur durch Mitgefühl ist eine fremde Seele zu verstehen." {{Lit|Tschechow (1990), S 125}}
</div>
 
Durch Konzentrationsübungen wird dazu das Denken zum bildhaften Erleben gesteigert, bis der Bühnencharakter vor dem inneren Auge des Schauspielers erscheint. Dabei geht es nicht um eine intellektuelle Interpretation der Rolle, sondern eben um ein bidlhaftes Schauen. Allmählich gewinnt die durch Konzentration bildhaft aufgebaute Bühnenpersönlichkeit ein Eigenleben und tritt in einen inneren Dialog mit dem Schauspieler, aus dem sich die weitere Ausgestaltung der Rolle ergibt.


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"»Ich bin ständig von Gestalten umgeben«, sagt Max Reinhardt, und Charles Dickens schreibt: »Den ganzen Morgen sitze ich schon in meinem Zimmer und warte auf Oliver Twist, aber er will immer noch nicht kommen.« Goethe hat gesagt: »Die Gestalten die uns begeistern, erscheinen uns von selbst und sagen: Hier sind wir!« Raphael sah in seinem Zimmer eine Gestalt vorübergehen. Das war die Sixtinische Madonna. Michelangelo rief in seiner Verzweiflung: »Ich werde von Gestalten verfolgt, die mich nötigen, aus Felsen ihre Formen zu herauszumeißeln.«
"Und weiter liegt allen folgenden Gesetzen zugrunde, daß die Ich-
 
Kraft des Menschen erhöht wird durch die richtige Anwendung des
Wollte ein moderner Schauspieler den alten Meistern seine Zweifel an dem Eigenleben ihrer Schöpfungen mitteilen, so würden sie ihm antworten: »Du irrst dich in dem Glauben, du könntest ausschließlich aus dir selbst heraus etwas schaffen. Dein materialistisches Zeitalter hat dich gar zu dem Gedanken verführt, dein Werk sei ein Produkt deiner Gehirntätigkeit. Und das nennst du Inspiration? Wo führt dich das hin? Unsere Inspiration hat uns über die Grenzen der sinnlichen Wahrnehmung hinweg geleitet. Sie hat uns aus der Enge des Persönlichen herausgebracht. Du aber bist auf dich selbst konzentriert, du kopierst deine eigenen Emotionen und bildest mit photographischer Genauigkeit Tatsachen aus deinem Milieu ab. Wir sind bei der Verfolgung unserer Gestalten in neue, uns bisher unbekannte Sphären vorgedrungen. Für uns sind Schaffen und Erkennen eins!«" {{Lit|Tschechow (1990), S 13f}}
Ich-Impulses, daß sie aber durch seine falsche Anwendung zugrunde
gerichtet wird. Das fünfte Gebot sagt etwas, was eigentlich im richtigen
Sinne nur aus der Geheimwissenschaft heraus zu verstehen ist.
Alles, was mit Töten, mit der Vernichtung fremden Lebens zusammenhängt,
schwächt die selbstbewußte Ich-Kraft im Menschen. Man
kann dadurch im Menschen die schwarzmagischen Kräfte erhöhen;
da erhöht man aber nur unter Umgehung der Ich-Kraft die astralischen
Kräfte im Menschen. Was als Göttliches im Menschen ist,
das wird vernichtet durch jedes Töten. Daher spielt dieses Gesetz
nicht nur auf etwas Abstraktes an, sondern auch auf etwas, wodurch
dem Menschen in seinem Ich-Impuls okkulte Kraft zuströmt, wenn
er Leben erhöht, Leben gedeihen macht, Leben nicht vernichtet. Das
wird als ein Ideal für die Erhöhung der individuellen Ich-Kraft hingestellt,
und nur auf weniger stark betonten Gebieten wird dasselbe
gefordert im sechsten und siebenten Gebot.
Durch die Ehe wird ein Zentrum für die Ich-Kraft begründet.
Wer die Ehe zerstört, wird daher in demjenigen geschwächt, was der
Ich-Kraft zufließen soll. Ebenso schwächt derjenige seine Ich-Kraft,
der etwas von des anderen Ich-Kraft nehmen und durch Wegnehmen,
Stehlen und so weiter Besitztum erwerben will. Es liegt auch da
durchaus der führende Gedanke zugrunde, daß das Ich sich nicht
schwächen soll. Und jetzt wird in den letzten drei Geboten sogar
darauf hingewiesen, wie der Mensch durch eine falsche Richtung
seiner Begierden seine Ich-Kraft schwächt. Das Begierdenleben hat
eine große Bedeutung für die Ich-Kraft. Die Liebe erhöht die Kraft
des Ichs, die Mißgunst, der Haß läßt die Ich-Kraft verdorren. Wenn
also der Mensch seinen Mitmenschen haßt, wenn er seinen Wert
herabsetzt, indem er etwas Falsches von ihm sagt, so schwächt er
dadurch die Ich-Kraft, macht alles, was um ihn herum ist, an Gesundheit
und an Lebenskraft geringer. Ebenso ist es mit der Mißgunst
auf das Besitztum des anderen. Schon die Begierde nach dem Gute
des Nächsten macht seine Ich-Kraft schwach. Und ebenso ist es im
zehnten Gebote: wenn der Mensch neidisch hinschaut auf die Art
und Weise, wie der andere sein Fortkommen sucht, und nicht
nach der Liebe zum andern strebt und dadurch seine Seele erweitert
und die Kraft seines Ichs hervorsprießen läßt." {{Lit|{{G|107|128}}}}f.
</div>
</div>


Besonderen Wert legte Tschechow darauf, dass dabei der Schauspieler die "Schatzkammer seines Unterbewusstseins" anzapft. Da sich das Schauspiel nicht in einem leeren, neutralen Raum entfaltet, muss der Schauspieler auch die Atmosphäre berücksichtigen, in die die einzelne Szene bzw. das ganze Stück getaucht ist. Als gleichsam überpersönliche, objektive Gefühlssphäre verbindet die Atmosphäre das Spiel der einzelnen Akteure zu einem harmonischen Ganzen.  
== Ethische Aspekte ==
Aus der anthroposophischen Perspektive überzeugt nicht die spärliche Aussage von Rudolf Steiner zum sechsten Gebot, im Kontrast zu den Verlautbarungen in der Bibel, daß wer sich mit einer Hure zusammentut, mit ihr "ein Fleisch" werde. Diese Problematik ist, wenn sie mit den Aussagen zur "Ichkraft" mit bestimmt sein soll, doch sehr vage durch die Aussagen Rudolf Steiners bestimmt. Die teilweise scheinbar etwas überzogenen Worte von [[Paulus]]<ref> Paulus rät übrigens, von anderen problematischen Aussagen abgesehen, dazu, daß wer allein sei, nicht die eheliche Verbindung suchen solle. Als Grund gibt er an, daß der oder die Partnerin (sinngemäß) konkurrierend ist im Hinblick auf die völlige Hingabe zu Gott. So fraglich das ist, ist andererseits genug bekannt, daß es nicht gut ist, daß der Mensch allein sei. [[Thomas von Aquino]] empfhielt die Ehe auch um Unzucht zu vermeiden.</ref> zum Thema geben ebenfalls keine ethische bzw. moralische Stütze.-


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Das Verständnis der Bedeutung des sechsten Gebotes ist erschwert durch korrespondierende in der Traditon gewachsene soziale Gesetze oder überkommene Regeln bezüglich Erbfolge, Sorge für den Aufwuchs usw. Diese eher dem Überleben einer sozialen Gruppe dienenden Regeln, es kann sich dabei auch um das Überleben einer Affenhorde handeln, können nicht direkt, als ein Grund für die allgemeine Geltung des sechsten Gebotes angenommen werden. Es ist allerdings im Interesse der Kinder, die aus einer fleischlichen Verbindung entstehen, ethisch etwa die Scheidung zu bedenken. Aber die Rücksichtnahme auf den Nachwuchs hat nichts zu tun mit einem sog. Ehebruch, wie er in der Bibel, und sonst wo definiert ist.
"Wie bekannt, gehört die Kunst eigentlich in die Gefühlssphäre, und der Vergleich trifft sicher zu, wenn wir die Atmosphäre als das Herr jeglichen Kunstwerks, also auch des Schauspiels, bezeichnen. Die Mission der Atmosphäre läßt sich am besten in einem Vergleich charakterisieren.


Der Mensch ist ein dreigliedriges Wesen: Gedanken (Imaginationen), Gefühle und Willensimpulse verbinden sich in ihm harmonisch durch ihre Wechselwirkung. Stellen Sie sich einen Augenblick lang ein Menschenwesen vor, in dem die Gefühlsfunktion ganz fehlt und nur Wille und Gedanken lebendig sind. Welchen Eindruck werden Sie von einem solchen Wesen bekommen? Es wird Ihnen als eine verstandbegabte, höchst raffinierte und komplizierte ''Maschine'' erscheinen. Das ist aber schon kein Mensch mehr. Denken und Wollen sinken auf eine untermenschliche Stufe herab, wenn sie ''unmittelbar'', d. h. ohne gefühlsmäßige Durchdringung zusammenwirken. Es entsteht eine Tendenz zur Destruktivität. An Beispielen herrscht kein Mangel, es gibt sie im persönlichen wie auch im gesellschaftlichen und politischen Leben und in der Geschichte. Genauso ist es in der Kunst im allgemeinen und im Theater im besonderen. Ein Schauspiel, das der Atmosphäre entbehrt, hat unweigerlich etwas ''Mechanisches'' an sich. Der Zuschauer kann über ein solches Schauspiel zwar diskutieren, es verstehen oder seine technischen Qualitäten beurteilen, es wird ihn aber kalt lassen - das Stück bleibt »herzlos« und kann ihn nicht vollends ergreifen.
Es gibt andere Aspekte zum Thema, die hier nicht weiter zu erörtern sind. Fakt ist, daß es in einer gesellschaftlichen Wirklichkeit explizit oder indirekt Gebote gibt, die das Geschlechterverhältnis, Familie, usw. regeln. Dies war auch zur Zeit Jesu so, aber es scheint kaum möglich, ein "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist", auf heute eins zu eins zu übertragen.


Oft wird die Klarheit dieses Zusammenhangs dadurch getrübt, daß die hie und da aufflackernden individuellen Gefühle der Schauspieler quasi an die Stelle der Atmosphäre treten. Wohl können zuweilen die Emotionen eines Schauspielers stark und mitreißend genug sein, um selbst Atmosphäre hervorzurufen, doch sind das stets glückliche Zufälle, aus denen sich keinesfalls Prinzipien für die Bühne ableiten lassen. Die einzelnen Schauspieler und ihre Gefühle sind nicht mehr als ein Teil des Ganzen. Sie müssen eine harmonische Einheit bilden, und das Einheitsprinzip ist in diesem Falle die Atmosphäre des Schauspiels.
=== Die zukünftige Einfleischwerdung der Geschlechter ===
Abgesehen von den schon genannten Aspekten, was ein Ehebruch sei, ist auch zu erwähnen, daß prakizierte Ehe auch die zukünftige Werdung der Einfleischlichkeit bewirkt. Wie Paulus sagt, wer sich mit einer Hure verbinde, werde "ein Fleisch" mit ihr.  


In einer materialistisch - verstandesbetonten Epoche wie der unseren schämen sich die Menschen ihrer Gefühle, sie fürchten sich vor ihnen und sind nicht bereit, Atmosphäre als eigenständigen Gefühlsbereich anzuerkennen. Während aber der Mensch als einzelner noch die Illusion eines Lebens ohne Gefühle hegen darf, stirbt die Kunst, sobald sich durch sie Gefühle nicht mehr äußern können. Ein Kunstwerk muß ''Seele'' haben, und diese Seele ist die Atmosphäre. Darin besteht die großartige Mission des Schauspielers: die Seele des Theaters und damit das Theater der Zukunft vor der Mechanisierung zu retten." {{Lit|Tschechow (1990), S 33f}}
Diese Problematik der Einfleischwerdung ist nicht unmittelbar mit der Erläuterung Rudolf Steiners, man solle die Ehe nicht brechen, weil sie ein Zentrum der Ichkraft sei, in Zusammenhang zu bringen.
</div>


[[Bild:PG_Bedruecktheit.gif|thumb|left|Bedrücktheit, [[Psychologische Gebärde]] nach Michael Tschechow.]]
== Ehebruch, Begattungstrieb und Fortflanzung im Kontrast zur Ernährung, und Essen zum Selbsterhalt ==
Um die in der Imagination innerlich geschaute Bühnenpersönlichkeit glaubhaft ''verkörpern'' zu können, hat Tschechow sogenannte "Psychologische Gebärden" entwickelt, die dem Schauspieler helfen sollen, die Hindernisse der eigenen Bewegungsgewohnheiten zu überwinden und eine dem Bühnencharakter entsprechende Körperhaltung und -bewegung hervorzubringen. Er nahm dazu wesentliche Impulse aus der [[Eurythmie]] auf, die er eigenständig verarbeitete. Kurz und bündig faßte Tschechow seine Methode oft so zusammen: Konzentration - Imagination - Verkörperung. Dabei darf es keine rein physischen Übungen geben, alle Bewegungsübungen müssen beseelt sein:
Die natürliche Gemeinsamkeit zwischen Ernährung und Begattung ist unmittelbar klar, ebenso der Unterschied im Hinblick auf das Soziale.


<div style="margin-left:20px">
Soweit der soziale Aspekt außer Acht bleiben kann, ist der Vergleich von Sexualität und Ernährung sehr weit führend. Beides sind Grundbedürfnisse, die, wenn sie in frühen Jahren nicht gerecht befriedigt werden, oder auf falsche Bahnen gelenkt sind, ähnliche, um nicht zu sagen Fehlentwicklungen, so doch von der Normalität abweichende, oft aber nur eingebildete, Versorgungsschwierigkeiten des Individuums, bewirken, wenn nicht eine Psychotherapie oder entsprechende Selbstheilungsprozesse dem entgegen wirken.
"Jeder Schauspieler leidet mehr oder weniger unter dem Widerstand, den ihm sein eigener Körper leistet. Leibesübungen sind notwendig, müssen aber auf anderen Grundsätzen beruhen als die an Schauspielschulen übliche Praxis. Der Entwicklung des Körpers als Ausdrucksmittel seelischen Erlebens auf der Bühne helfen Turnen, Gymnastik, Fechten, Tanz und Akrobatik wenig. Bei übermäßiger Anwendung schaden sie dem Körper sogar, indem sie ihn grob und unsensibel für die Subtilitäten des inneren Erlebens machen. Der Leib des Schauspielers muß sich unter der Einwirkung seelischer Impulse entwickeln. Die Schwingungen des Denkens (der Imagination), des Fühlens und Wollens durchdringen den Leib des Schauspielers und machen ihn beweglich, feinnervig und geschmeidig." {{Lit|Tschechow (1990), S 83}}
</div>


Besonderen Wert legte Tschechow auf das Erlebnis der schöpferischen [[Individualität]]:
Wer als Kind Hunger litt, wird vielleicht nicht so leicht eine gewisse Gier, und entsprechendes Verhalten, wieder los. Auch wenn Nahrung überreichlich vorhanden ist, so kann doch in vielen Situationen ein nicht verarbeitetes Entbehrungstrauma hoch kommen und  eine "gierige" Reaktion bewirken, z.B. wenn an einem gemeinsamen Mittagstisch auf der Tafel zugelangt werden darf.


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== Ehe und romantische Liebe ==
"Im alltäglichen Leben sprechen wir von uns als »Ich«: »Ich will, ich fühle, ich denke.« Dieses eigene »Ich« identifizieren wir mit unserem Leib, mit unseren Gewohnheiten, unserem Lebensstil, unserer familiären und gesellschaftlichen Position usw. Ist das dasselbe wie das »ICH« eines schöpferisch inspirierten Künstlers? Denken Sie daran, wie Sie die glücklichen Minuten in Ihren Auftritten erlebt haben. Was geschieht mit Ihrem gewöhnlichen »Ich«? Es verblaßt, weicht in den Hintergrund, und an seine Stelle tritt ein anderes, höheres »ICH«. Sie spüren es vor allem als seelische Kraft, eine Kraft ganz anderer Ordnung als jene, die Ihnen aus dem Alltag bekannt ist. Sie durchdringt Ihr ganzes Wesen, strahlt von Ihrem Innern aus in Ihre Umgebung und erfüllt die Bühne und den Zuschauerraum. Sie stellt die Verbindung mit dem Publikum her und vermittelt ihm Ihre künstlerischen Ideen und Erlebnisse. Sie spüren, daß diese Kraft mit Ihrem Leib zu tun hat, anders allerdings als die Kraft des gewöhnlichen »Ich«. Durch ihre freie Ausstrahlung nach außen spannt sie die Muskeln und Nerven Ihrer physischen Struktur kaum an und macht dabei Ihren Körper geschmeidig, anmutig und empfänglich für jede seelische Regung. Der Leib wird zum gehorsamen Übermittler und Verkünder Ihrer künstlerischen Impulse." {{Lit|Tschechow (1990), S 121}}
Während früher die Ehe (mit) wirtschaflich bestimmt war, so ist sie heute kulturell bestimmt, d.h. sie will "romantische" Liebe sein. Die Einheit von Ehe und romantischer Liebe ist aber ein ganz moderner Versuch. Sowohl die Sehnsucht danach, und die Schönheit des Gelingens, und die Trauer über das Scheitern haben im sechsten Gebot keine Abbildung, noch scheint aus der Überlieferung der scheinbar groben Worte aus jener Zeit ein Stichwort gegeben zu sein.
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Im Grunde hat es der Schauspieler mit drei wohl zu unterscheidenden Persönlichkeiten zu tun. Je länger und intensiver man an einer Rolle arbeitet, desto eigenständiger und lebendiger wird sich der Rollencharakter in der Seele vergegenwärtigen und als selbstständige Persönlichkeit neben den Alltagsmenschen hintreten. Zwei Personen leben dann zunächst im [[Bewusstsein]] des Schauspielers, die man ganz klar auseinanderhalten muss. Wenn immer sich diese zwei Personen vermischen, wird das schlimme Folgen haben. Entweder verfällt der Schauspieler in die reine Selbstdarstellung, oder, schlimmer noch, der Rollencharakter beginnt sich in sein normales alltägliches Dasein einzumischen. Man darf sich niemals mit seiner Rolle »identifizieren« wollen, auch wenn man das oft naiverweise als geradezu charakteristisch für gutes Rollenspiel annimmt.  
== Zum Begriff und Wort Ehe"bruch" ==
Es gibt wohl viele Untersuchungen, was eigentlich eine Ehe sei. Über die Frage, was mit "Brechen" oder "Bruch" gemeint ist, im Unterschied etwa zu einer allmählichen Entfremdung, oder Aufhebung von Illusionen bei näherer Bekanntschaft, wo dann oft gleichwohl die Ehe fortgesetzt wird, trotzdem die Voraussetzungen des Zusammenkommens, wie subjektiv wahrgenommen, inszwischen obsolet sind - Wie sieht es da aus? Zudem scheint Ehebruch nicht identisch mit [[Treue]]bruch zu sein. Weder im 6. Gebot, noch in den anderen 10 Geboten ist der Treuebruch ein Thema.


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Mit dem Aufkommen des romantischen Ideals der Liebe kommt auch eine Ambivalenz, sogar eine Verwirrung, was der Unterschied sei, zwischen einem Ehebruch und einem Treuebruch, zum Vorschein. Die vorstehend angeführte Ansicht, implizit interpretiert, daß auch ein begehrender Blick schon ein Bruch sei (der Tendenz nach), verweist anscheinend weniger auf die Ehe, als auf ein Treueversprechen.
"Wer auf der Bühne nur sich selbst darstellt, kennt nicht die Begeisterung, die der Schauspieler bei der Verwandlung erfährt, d.h. wenn er typische Merkmale einer anderen Person annimmt." {{Lit|Tschechow (1990), S 99}}
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Der eigene Alltagsmensch muß stets neben und völlig getrennt vom Rollencharakter bestehen bleiben. Das gelingt nur, wenn sich der Schauspieler seines höheren Ich, wie es Cechov nennt, bewusst wird. Das höhere Ich, die dritte und höchste Instanz, muss sich sowohl über die Alltagspersönlichkeit als auch über den Rollencharakter stellen, beide streng auseinanderhalten, und jeweils frei entscheiden, wer von beiden sich gerade ausleben darf, wer sozusagen gerade den gemeinsamen Körper benutzen darf.
 
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"In Ihrem Bewußtsein gehen bedeutende Veränderungen vor sich. Es erweitert und bereichert sich. Sie fangen an, in sich drei, in gewissem Maß voneinander unabhängige Wesenheiten, sozusagen drei Bewußtseinsstufen zu unterscheiden. Jeder davon kommen bestimmte Wesensmerkmale und besondere Aufgaben im schöpferischen Prozeß zu.


Mit Ihren seelischen Regungen, mit Körper, Stimme und der Fähigkeit zur Bewegung sind Sie ja selbst das »Material«, das Sie für die Realisierung Ihrer künstlerischen Gestalten brauchen. »Material« können Sie indessen nur werden, wenn der schöpferische Impuls die Herrschaft über Sie ergreift, d. h. wenn Ihr höheres »ICH« aktiviert wird. Es nimmt das »Material« in Besitz und verwendet es für die Verwirklichung seiner künstlerischen Intention. Dabei ist Ihr Verhältnis zum »Material« dasselbe, wie bei jedem anderen Künstler. So, wie ein Maler beispielsweise ''außerhalb'' des Materials steht, das er für die Realisierung seiner Bilder benützt, stehen auch Sie, der Schauspieler, bei inspiriertem Spiel ''außerhalb'' des Leibes und ''außerhalb'' der schöpferischen Emotionen. Sie stehen ''über sich''. Ihr höheres »ICH« geht mit lebendigem »Material« um. Es dämpft oder weckt schöpferisches Fühlen und Verlangen, bewegt Ihren Körper, spricht in Ihrer Stimme usw. In inspirierten Momenten wird es, neben dem normalen Alltagsbewußtsein zu Ihrem ''zweiten'' Bewußtsein.
Im Kontrast zu einer [[Lüsternheit|lüsternen]] Regung, oder einem gelegentlichen [[Flirt]], die angeblich, will man den Aussagen der Bibel und auch denen Rudolf Steiners folgen, eine Verletzung des sechsten Gebotes, also Ehebruch seien, ist die moderne Problematik die des Treuebruches, und die ist sehr stark belastet durch die überkommenen Aussagen bezüglich der [[Unauflöslichkeit der Ehe]].


Worauf läuft nun in solchen Augenblicken die Rolle des Alltagsbewußtseins hinaus? Es hat nur zu gewährleisten, daß Sie auf der Bühne auch das Richtige tun: Die Regieanweisungen, die während der Proben entwickelten psychologischen Rollenskizzen, die Komposition einzelner Szenen oder des gesamten Stücks usw. dürfen nirgendwo angetastet werden. In einem Wort, neben der vom höheren »ICH« ausgehenden Inspiration muß auch der ''gesunde Menschenverstand'' des niederen »Ich« bewahrt bleiben.
Es gibt z.B. keine plausible (exoterische) Erklärung, weshalb nach überlieferter Auffassung, ein Witwer und eine Witwerin ein weitere Ehe eingehen dürfen, jedoch Geschiedene dies nicht dürften, um nicht das sechste Gebot zu verletzen. Sofern tatsächlich da ein Unterschied gemacht werden muß, ist dieser weder im sechsten Gebot, noch in den Verlautbarungen Rudolf Steiners in den zitierten Stellen zum sechsten Gebot begreifbar.


Schützte der gesunde Menschenverstand einmal gefundene und festgelegte Formen nicht mehr - die Inspiration würde sie vollends zerschlagen und Ihr Spiel in ein Chaos verwandeln. Sie würden die Selbstbeherrschung auf der Bühne verlieren und das Risiko eingehen, nicht nur Ihre Rolle, sondern gleich das ganze Stück zu sprengen...
== Siehe auch ==
[[Ehe]]


Wenn Sie sich andererseits an die vorgefundene Form halten und, ohne sich durch die zweite Bewußtseinsebene inspirieren zu lassen, vor das Publikum treten -, wenn Sie sich also nur dem gesunden Menschenverstand anvertrauen, dann wird Ihr Spiel kalt und leblos. Im Unterschied zu den alten, »begeisterten« Schauspielern haben die »modernen« für ihr lebloses Spiel eine Rechtfertigung gefunden: Sie nennen es »Spiel mit der Technik«. Man braucht diesem Spiel wohl kaum nachzutrauern, wenn es einmal von der Bühne verschwunden ist.
[[Partnerschaft]]


Das sind nun zwei verschiedene Bewußtseinsebenen, die Sie in inspirierten Spielphasen auf der Bühne erleben. Wo aber bleibt die dritte Ebene? Wem gehört sie an? ''Der Träger dieses dritten Bewußtseins ist die von Ihnen geschaffene Bühnengestalt.''" {{Lit|Tschechow (1990), S 121 ff}}
[[wikipedia:Paulinisches Privileg|Paulinisches Privileg]]
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== Anmerkungen ==
[[wikipedia:Petrinisches Privileg|Petrinisches Privileg]]


== Einzelnachweise ==
<references/>
<references/>


== Werke ==
== Literatur ==
* ''Put‘ aktjora'', Leningrad 1928 ("Der Weg des Schauspielers")
* Herbert Kretschmer: ''Ehe und Familie. Die Entwicklung von Ehe und Familie im Laufe der Geschichte. Angaben Rudolf Steiners zu Ehe und Familie'', Verlag am Goetheanum (1988) ''(Ein Aufsatz (überarbeiteter Vortrag) Kretschmers, mit einem Literaturverzeichnis und einer stichwortartigen Sammlung von Angaben Rudolf Steiners zu Ehe und Familie)''
* ''O technike aktjora'', New York 1946
* Rudolf Steiner: ''Geisteswissenschaftliche Menschenkunde'', [[GA 107]] (1988), ISBN 3-7274-1070-1 {{Vorträge|107}}
* ''To the Actor'', New York 1953
* Ulrike Bauer, Bodo Kirchhoff (HG.): ''Unaufhaltsame Entzweiung. Ein Lesebuch.'', Suhrkamp-TB, 1996, ISBN 351838452X
* ''Werkgeheimnisse der Schaupspielkunst.'' Zürich und Stuttgart: Werner Classen Verlag 1979
* [[Niklas Luhmann]]: ''Liebe als Passion: Zur Codierung von Intimität'', Suhrkamp, 1982 ''(Luhmanns schönstes Buch, heißt es. Untersucht die Genese (bzw. die Genese des Ideals) der romantischen Liebe)''
* ''Die Kunst des Schauspielers'', Moskauer Ausgabe, Urachhaus Verlag, Stuttgart 1990
* ''On the Technique of Acting'', Complete Edition, New York 1991
* ''Leben und Begegnungen : autobiographische Schriften / Michail A. Čechov.'', Aus dem Russ. von Thomas Kleinbub., Urachhaus Verlag, Stuttgart 1992
 
== Weblinks ==
{{PND|118624288}}
*[http://biographien.kulturimpuls.org/detail.php?&id=720 Biographischer Eintrag] in der Online-Dokumentation der anthroposophischen ''Forschungsstelle Kulturimpuls''
* [http://www.mtsb.de Michael Tschechow Studio Berlin]
* http://www.michaelchekhovactingstudio.com
* http://www.actorsensemble.org
* [http://www.chekhoffplayers.de Chekh-Off Players] - Schauspiel mit der Tschechow-Methode
{{IMDb Name|ID=0155011|NAME=Michael Tschechow}}
 
[[Kategorie:Mann|Tschechow, Michael]]
[[Kategorie:Russe|Tschechow, Michael]]
[[Kategorie:Anthroposoph]]
[[Kategorie:US-Amerikaner|Tschechow, Michael]]
[[Kategorie:Schauspieler|Tschechow, Michael]]
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Version vom 7. Juni 2013, 19:42 Uhr

Anprangerung eines des Ehebruchs für schuldig befundenen Paares im alten Japan

Ehebruch wird in der Ethnologie und der Anthropologie als das Eingehen gesellschaftlich nicht geduldeter außerehelicher Beziehungen definiert.

Vor allem in Gesellschaften mit patrilinearen Gesellschaftsordnungen wird Ehebruch der Frau streng bestraft. In matrilinearen Gesellschaften hingegen, in denen der biologischen Vaterschaft keine große Bedeutung beigemessen wird, gilt der Ehebruch meist als minder schweres Delikt.

In derselben Gesellschaft können unterschiedliche, teilweise sogar sich gegenseitig ausschließende Konzepte des Ehebruchs vorkommen.[1] Trotz mitunter sehr schwerer Strafen kommt Ehebruch in allen von Anthropologen untersuchten Gesellschaften vor.[2] Gegen Ehebruch zu sein, lässt nicht auf ein Bekenntnis zur Monogamie und gegen Polygamie schließen.[3]

Aussagen in der Bibel zum Ehebruch

Matthäus 19,9: "Ich sage Euch: Wer sich von seinem Weibe scheidet, außer wegen Unzucht, bricht die Ehe, wenn er ein anderes Weib nimmt" (Übersetzung Emil Bock)[4][5]"Außer wegen Unzucht" ist nach Aussagen der Bibelforschung[6] keine authentische Aussage Jesu bzw. des Matthäus, sondern eine spätere Hinzufügung in den Text. Sofern der Zusatz "außer wegen Unzucht" Gültigkeit hätte, eräbe sich daraus die Frage, ob sich dann ein Mann, wie beim Witwertum, respektive die Frau, ein neues Weib oder einen Mann nehmen dürfe, und dies dann gemäß der Überlieferung kein Ehebruch sei, wie es nicht als Ehebruch gilt, eine Witwe oder einen Witwer zu heiraten (Röm. 7,3).

Zum gleichen Thema gibt es die Frage der Anwendung des sechsten Gebotes auf auf Verfehlungen wie Wollust, Unkeuschheit usw. Matthäus 5, 27,28: "Ihr habt das Wort gehört, das zu den Menschen der Vergangenheit gesprochen worden ist: 'Du sollst nicht die Ehe brechen'. Aus dem Ich heraus jedoch sage ich euch: Schon wer ein Weib mit begierdevollem Blick betrachtet, hat sich in seinem Herzen mit ihr ehebrecherisch verbunden." (Übersetzung Emil Bock)[7]. (vgl. auch Markus 10,11; Lukas 16,18, Matthäus 5,32)[8].

Die Unterscheidung zwischen natürlichem Verlangen[9], Begierde, Wollust, Unzucht und Ehebruch ist auch insofern unklar, als es Wollust und Unzucht in den gegebenen Bestimmungen als Empfindung und Verhalten auch unabhängig von der Ehefrage und so definiertem Ehebruch gibt[10]. Auch Johannes 4,16-18 bringt darüber keine Klarheit:

In Johannes 4,16-18 sagt Jesus am Brunnen zu der Samariterin: "Geh, rufe deinen Mann, und komm dann wieder her. Da sprach die Frau: Ich habe keinen Mann. Jesus spricht: Du sagst mit Recht, du habest keinen Mann. Fünf Männer hattest du, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann." (Übersetzung Emil Bock).

Es ist zwar nach dem Sinn nicht ausgeschlossen, daß einer der vier vorherigen Männer der Samariterin ihr Ehemann gewesen sei. Wenn das aber so gewesen wäre, warum wird dann von Jesus der Samriterin ein Ehebruch nicht vorgehalten?[11]

Rudolf Steiner über den Ehebruch

In den Vorträgen über die 10 Gebote äußert sich Rudolf Steiner dahin gehend, daß die Ehe nicht gebrochen werden solle, weil die Ehe ein Zentrum der Ichkraft sei:

"Und weiter liegt allen folgenden Gesetzen zugrunde, daß die Ich- Kraft des Menschen erhöht wird durch die richtige Anwendung des Ich-Impulses, daß sie aber durch seine falsche Anwendung zugrunde gerichtet wird. Das fünfte Gebot sagt etwas, was eigentlich im richtigen Sinne nur aus der Geheimwissenschaft heraus zu verstehen ist. Alles, was mit Töten, mit der Vernichtung fremden Lebens zusammenhängt, schwächt die selbstbewußte Ich-Kraft im Menschen. Man kann dadurch im Menschen die schwarzmagischen Kräfte erhöhen; da erhöht man aber nur unter Umgehung der Ich-Kraft die astralischen Kräfte im Menschen. Was als Göttliches im Menschen ist, das wird vernichtet durch jedes Töten. Daher spielt dieses Gesetz nicht nur auf etwas Abstraktes an, sondern auch auf etwas, wodurch dem Menschen in seinem Ich-Impuls okkulte Kraft zuströmt, wenn er Leben erhöht, Leben gedeihen macht, Leben nicht vernichtet. Das wird als ein Ideal für die Erhöhung der individuellen Ich-Kraft hingestellt, und nur auf weniger stark betonten Gebieten wird dasselbe gefordert im sechsten und siebenten Gebot. Durch die Ehe wird ein Zentrum für die Ich-Kraft begründet. Wer die Ehe zerstört, wird daher in demjenigen geschwächt, was der Ich-Kraft zufließen soll. Ebenso schwächt derjenige seine Ich-Kraft, der etwas von des anderen Ich-Kraft nehmen und durch Wegnehmen, Stehlen und so weiter Besitztum erwerben will. Es liegt auch da durchaus der führende Gedanke zugrunde, daß das Ich sich nicht schwächen soll. Und jetzt wird in den letzten drei Geboten sogar darauf hingewiesen, wie der Mensch durch eine falsche Richtung seiner Begierden seine Ich-Kraft schwächt. Das Begierdenleben hat eine große Bedeutung für die Ich-Kraft. Die Liebe erhöht die Kraft des Ichs, die Mißgunst, der Haß läßt die Ich-Kraft verdorren. Wenn also der Mensch seinen Mitmenschen haßt, wenn er seinen Wert herabsetzt, indem er etwas Falsches von ihm sagt, so schwächt er dadurch die Ich-Kraft, macht alles, was um ihn herum ist, an Gesundheit und an Lebenskraft geringer. Ebenso ist es mit der Mißgunst auf das Besitztum des anderen. Schon die Begierde nach dem Gute des Nächsten macht seine Ich-Kraft schwach. Und ebenso ist es im zehnten Gebote: wenn der Mensch neidisch hinschaut auf die Art und Weise, wie der andere sein Fortkommen sucht, und nicht nach der Liebe zum andern strebt und dadurch seine Seele erweitert und die Kraft seines Ichs hervorsprießen läßt." (Lit.: GA 107, S. 128)f.

Ethische Aspekte

Aus der anthroposophischen Perspektive überzeugt nicht die spärliche Aussage von Rudolf Steiner zum sechsten Gebot, im Kontrast zu den Verlautbarungen in der Bibel, daß wer sich mit einer Hure zusammentut, mit ihr "ein Fleisch" werde. Diese Problematik ist, wenn sie mit den Aussagen zur "Ichkraft" mit bestimmt sein soll, doch sehr vage durch die Aussagen Rudolf Steiners bestimmt. Die teilweise scheinbar etwas überzogenen Worte von Paulus[12] zum Thema geben ebenfalls keine ethische bzw. moralische Stütze.-

Das Verständnis der Bedeutung des sechsten Gebotes ist erschwert durch korrespondierende in der Traditon gewachsene soziale Gesetze oder überkommene Regeln bezüglich Erbfolge, Sorge für den Aufwuchs usw. Diese eher dem Überleben einer sozialen Gruppe dienenden Regeln, es kann sich dabei auch um das Überleben einer Affenhorde handeln, können nicht direkt, als ein Grund für die allgemeine Geltung des sechsten Gebotes angenommen werden. Es ist allerdings im Interesse der Kinder, die aus einer fleischlichen Verbindung entstehen, ethisch etwa die Scheidung zu bedenken. Aber die Rücksichtnahme auf den Nachwuchs hat nichts zu tun mit einem sog. Ehebruch, wie er in der Bibel, und sonst wo definiert ist.

Es gibt andere Aspekte zum Thema, die hier nicht weiter zu erörtern sind. Fakt ist, daß es in einer gesellschaftlichen Wirklichkeit explizit oder indirekt Gebote gibt, die das Geschlechterverhältnis, Familie, usw. regeln. Dies war auch zur Zeit Jesu so, aber es scheint kaum möglich, ein "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist", auf heute eins zu eins zu übertragen.

Die zukünftige Einfleischwerdung der Geschlechter

Abgesehen von den schon genannten Aspekten, was ein Ehebruch sei, ist auch zu erwähnen, daß prakizierte Ehe auch die zukünftige Werdung der Einfleischlichkeit bewirkt. Wie Paulus sagt, wer sich mit einer Hure verbinde, werde "ein Fleisch" mit ihr.

Diese Problematik der Einfleischwerdung ist nicht unmittelbar mit der Erläuterung Rudolf Steiners, man solle die Ehe nicht brechen, weil sie ein Zentrum der Ichkraft sei, in Zusammenhang zu bringen.

Ehebruch, Begattungstrieb und Fortflanzung im Kontrast zur Ernährung, und Essen zum Selbsterhalt

Die natürliche Gemeinsamkeit zwischen Ernährung und Begattung ist unmittelbar klar, ebenso der Unterschied im Hinblick auf das Soziale.

Soweit der soziale Aspekt außer Acht bleiben kann, ist der Vergleich von Sexualität und Ernährung sehr weit führend. Beides sind Grundbedürfnisse, die, wenn sie in frühen Jahren nicht gerecht befriedigt werden, oder auf falsche Bahnen gelenkt sind, ähnliche, um nicht zu sagen Fehlentwicklungen, so doch von der Normalität abweichende, oft aber nur eingebildete, Versorgungsschwierigkeiten des Individuums, bewirken, wenn nicht eine Psychotherapie oder entsprechende Selbstheilungsprozesse dem entgegen wirken.

Wer als Kind Hunger litt, wird vielleicht nicht so leicht eine gewisse Gier, und entsprechendes Verhalten, wieder los. Auch wenn Nahrung überreichlich vorhanden ist, so kann doch in vielen Situationen ein nicht verarbeitetes Entbehrungstrauma hoch kommen und eine "gierige" Reaktion bewirken, z.B. wenn an einem gemeinsamen Mittagstisch auf der Tafel zugelangt werden darf.

Ehe und romantische Liebe

Während früher die Ehe (mit) wirtschaflich bestimmt war, so ist sie heute kulturell bestimmt, d.h. sie will "romantische" Liebe sein. Die Einheit von Ehe und romantischer Liebe ist aber ein ganz moderner Versuch. Sowohl die Sehnsucht danach, und die Schönheit des Gelingens, und die Trauer über das Scheitern haben im sechsten Gebot keine Abbildung, noch scheint aus der Überlieferung der scheinbar groben Worte aus jener Zeit ein Stichwort gegeben zu sein.

Zum Begriff und Wort Ehe"bruch"

Es gibt wohl viele Untersuchungen, was eigentlich eine Ehe sei. Über die Frage, was mit "Brechen" oder "Bruch" gemeint ist, im Unterschied etwa zu einer allmählichen Entfremdung, oder Aufhebung von Illusionen bei näherer Bekanntschaft, wo dann oft gleichwohl die Ehe fortgesetzt wird, trotzdem die Voraussetzungen des Zusammenkommens, wie subjektiv wahrgenommen, inszwischen obsolet sind - Wie sieht es da aus? Zudem scheint Ehebruch nicht identisch mit Treuebruch zu sein. Weder im 6. Gebot, noch in den anderen 10 Geboten ist der Treuebruch ein Thema.

Mit dem Aufkommen des romantischen Ideals der Liebe kommt auch eine Ambivalenz, sogar eine Verwirrung, was der Unterschied sei, zwischen einem Ehebruch und einem Treuebruch, zum Vorschein. Die vorstehend angeführte Ansicht, implizit interpretiert, daß auch ein begehrender Blick schon ein Bruch sei (der Tendenz nach), verweist anscheinend weniger auf die Ehe, als auf ein Treueversprechen.

Im Kontrast zu einer lüsternen Regung, oder einem gelegentlichen Flirt, die angeblich, will man den Aussagen der Bibel und auch denen Rudolf Steiners folgen, eine Verletzung des sechsten Gebotes, also Ehebruch seien, ist die moderne Problematik die des Treuebruches, und die ist sehr stark belastet durch die überkommenen Aussagen bezüglich der Unauflöslichkeit der Ehe.

Es gibt z.B. keine plausible (exoterische) Erklärung, weshalb nach überlieferter Auffassung, ein Witwer und eine Witwerin ein weitere Ehe eingehen dürfen, jedoch Geschiedene dies nicht dürften, um nicht das sechste Gebot zu verletzen. Sofern tatsächlich da ein Unterschied gemacht werden muß, ist dieser weder im sechsten Gebot, noch in den Verlautbarungen Rudolf Steiners in den zitierten Stellen zum sechsten Gebot begreifbar.

Siehe auch

Ehe

Partnerschaft

Paulinisches Privileg

Petrinisches Privileg

Einzelnachweise

  1. Helmut Lukas, Vera Schindler, Johann Stockinger (1993). Ehebruch. Interaktives Online-Glossar: Ehe, Heirat und Familie. Universität Wien. Abgerufen am 29. März 2013.
  2.  Helen Fisher: Anatomy of Love – A natural History of Mating, Marriage, and why we stray. Random House, New York 1992, ISBN 0-449-90897-6 (S. 87: „There exists no culture in which adultery is unknown, no cultural device or code that extinguishes philandering.“).
  3. Boris Kálnoky (4. Juni 2011). Wie türkische Frauen unter der Vielweiberei leiden. Die Welt. Abgerufen am 29. März 2013.
  4. Luther: "Ich aber sage euch, wer sich von seinem Weibe scheidet, (es sei denn um der Hurerei wegen), und freiet eine andere, der bricht die Ehe. Und wer die Abgeschiedene freiet, der bricht auch die Ehe".
  5. Elberfelder 1905:"Ich sage euch aber, daß, wer irgend sein Weib entlassen wird, nicht wegen Hurerei, und eine andere heiraten wird, Ehebruch begeht; [und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch.]"
  6. Quelle
  7. Luther: "Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt ist: Du sollst nicht ehebrechen. Ich aber sage euch: Wer ein Weib ansiehet, ihrer zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen:"
  8. vgl. auch Schiller, Ästhetische Briefe für eine moderne Interpretation.
  9. Wunsch nach Beiwohung, Begattungsinteresse, Sehnsucht nach einem Kind usw., auch der begehrliche Blick aus dem Bewußtsein, einer Ergänzung durch die ergänzende, bessere Hälfte bedürftig zu sein, sind natürlich veranlagt und haben wohl nichts mit Ehebruch usw. zu tun.
  10. Auch wenn eine sinngemäße Übersetzung sprachlich möglich sein könnte, was Jesus damit meinte; so kann die Aussage doch nicht auch für uns heute ohne weiteres gelten, ohne etwa die Differenz, was denn eine gierische Regung im Altertum bedeutete, im Vergleich zu solchen Vorkommnissen bei uns heutigen, zu untersuchen. Zudem muß auch der patriachalistische Aspekt beachtet werden, der zwar nicht den Worten Jesu selbst zuzuschreiben ist, aber dem Gesamtkontext der Bibel, der so, wie er überliefert ist, bekanntlich patriarchalische Auffassungen transportiert.
  11. Eine andere oder zusätzliche tiefere Bedeutung wird von Rudolf Steiner u.a. in GA 103, S. 98 erläutert.
  12. Paulus rät übrigens, von anderen problematischen Aussagen abgesehen, dazu, daß wer allein sei, nicht die eheliche Verbindung suchen solle. Als Grund gibt er an, daß der oder die Partnerin (sinngemäß) konkurrierend ist im Hinblick auf die völlige Hingabe zu Gott. So fraglich das ist, ist andererseits genug bekannt, daß es nicht gut ist, daß der Mensch allein sei. Thomas von Aquino empfhielt die Ehe auch um Unzucht zu vermeiden.

Literatur

  • Herbert Kretschmer: Ehe und Familie. Die Entwicklung von Ehe und Familie im Laufe der Geschichte. Angaben Rudolf Steiners zu Ehe und Familie, Verlag am Goetheanum (1988) (Ein Aufsatz (überarbeiteter Vortrag) Kretschmers, mit einem Literaturverzeichnis und einer stichwortartigen Sammlung von Angaben Rudolf Steiners zu Ehe und Familie)
  • Rudolf Steiner: Geisteswissenschaftliche Menschenkunde, GA 107 (1988), ISBN 3-7274-1070-1 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  • Ulrike Bauer, Bodo Kirchhoff (HG.): Unaufhaltsame Entzweiung. Ein Lesebuch., Suhrkamp-TB, 1996, ISBN 351838452X
  • Niklas Luhmann: Liebe als Passion: Zur Codierung von Intimität, Suhrkamp, 1982 (Luhmanns schönstes Buch, heißt es. Untersucht die Genese (bzw. die Genese des Ideals) der romantischen Liebe)
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.


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