Schlangen und Wilhelm Meisters Wanderjahre: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Koenigshutschlange_Brehm.jpg|thumb|250px|[[Wikipedia:Königskobra|Königskobra]] (Königshutschlange; [[Wikipedia:Alfred Brehm|Alfred Brehm]]: ''Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs'')]]
[[Datei:Wilhelm Meisters Wanderjahre Erstausgabe 1821 Titelbild.jpg|miniatur|<center>Titelblatt der Erstausgabe von 1821</center>]]
[[Bild:Esclapius stick.svg|thumb|100px|[[Wikipedia:Äskulapstab|Äskulapstab]]]]
[[Datei:Goethe (Stieler 1828).jpg|miniatur|<center>Goethe im Jahre 1828</center>]]
'''Schlangen''' ({{ELSalt|ὄφις}}, ''Ophis'' oder [[Latein|lat.]] ''Serpentes''; {{HeS|נָחָשׁ|nachasch}}) sind eine Unterordnung der [[Reptilien]]. Sie stammen von [[Wikipedia:echsen|echsen]]artigen Vorfahren ab. Gegenüber diesen ist der Körper stark verlängert und die [[Extremität|Extremität]]en wurden fast völlig zurückgebildet. Heute sind etwa 3000 Arten beschrieben. Mit Ausnahme der [[Wikipedia:Arktis|Arktis]], [[Wikipedia:Antarktis|Antarktis]], [[Wikipedia:Permafrost|Permafrost]]gebieten und einigen Inseln sind sie weltweit in allen Lebensräumen anzutreffen.


== Die Schlange als Symbol für die Widersachermächte ==
'''Wilhelm Meisters Wanderjahre oder die Entsagenden''' ist ein Roman von [[Johann Wolfgang von Goethe]]. Er gilt als die persönlichste aller Goethe’schen Dichtungen. 1821 erschien die erste Fassung, 1829 die vollständige. Ihr fehlen die vorangestellten Gedichte des Fragments von 1821.


In [[okkult]]en Zusammenhängen erscheint die Schlange oft als [[Imagination|imaginatives]] [[Symbol]] für die niederen, [[Erde|erdgebundenen]], aber sehr mächtigen [[Astralkräfte]] und wird dann oft mit den [[luziferisch]]en, aber auch mit den [[ahrimanisch|ahrimanisch]]en [[Widersacher]]n in Verbindung gesehen. So verführte in der alttestamentarischen Schöpfungsgeschichte der [[Bibel]] [[Luzifer]] in [[Gestalt]] der '''alten Schlange''' [[Adam und Eva]] dazu, die Frucht vom [[Baum der Erkenntnis]] zu kosten. In der [[Persische Mythologie|Persischen Mythologie]], insbesondere im [[Zurvanismus]], hat [[Ahriman]] als die [[Große Schlange]] für 9000 Jahre die Herrschaft über die [[Unterwelt]].
__TOC__
<small>Auf Kapitel im Buch wird mit einem Zahlenpaar in der Form (Buch, Kapitel) verwiesen.</small>
== Roman und Zeit ==
Goethe selbst bezeichnet dieses Spätwerk als einen Roman.<ref>Zitat: „Der Redakteur dieser Bogen hier“ (2,8) versichert, wir „haben einen Roman in die Hand genommen.“ (1,10)</ref> Er besteht aus drei Büchern sowie ''Betrachtungen im Sinne der Wanderer'' und Materialien aus einem Archiv.


Es wäre dennoch falsch, in der Schlange darum nur eine negative Symbolik zu sehen.
An zwei Stellen im Text erfährt der Leser, dass die Wanderung ins 18. Jahrhundert zurückführt. Der Wanderer '''Wilhelm''' Meister wird einmal unterwegs auf einem Schlosse ''in eine Galerie ''geführt'', worin nur Porträts aufgehängt bzw. aufgestellt waren, alles Personen, die im achtzehnten Jahrhundert gewirkt hatten'' (1,6). Und als ein andermal die Vorgeschichte des Romans erzählt wird, heißt es: ''Der lebhafte Trieb nach Amerika im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts war groß'' (1,7).


{{GZ|Wer tiefer hineinsieht in das Dasein, wird sich das Urteil abgewöhnen,
== Kategorisierung ==
daß etwas unter allen Umständen gut oder böse ist. Im
Die Einordnung der ''Wanderjahre'' seitens der Fachwelt ändert sich mit den Jahren.
Christentum wird die Schlange als Verführerin der Menschheit bezeichnet
* [[Wikipedia:Erich Trunz|Erich Trunz]]<ref>Bahr, S. 379 unten</ref> bestimmte 1950 die ''Wanderjahre'' schlicht als Rahmenerzählung mit eingelegten Novellen.
und Luzifer mit Abscheu genannt. Die Anschauung über
* Volker Neuhaus<ref>Bahr, S. 380.</ref> bezeichnete 1968 die Wanderjahre als ''Archivroman'', wobei er unter anderem von ''Makariens Archiv'' und seinem Inhalt ausging. In der Tat wird manches im Roman brieflich verhandelt. Es geht zentral um Papiere.
das luziferische Prinzip hat sich allerdings geändert [...]
* [[Wikipedia:Gero von Wilpert|Gero von Wilpert]]<ref>Wilpert, 1998, S. 1189 unten</ref> nannte die ''Wanderjahre'' einen ''Zeitroman''. Nach Wilpert<ref>Wilpert, 2001, S. 917.</ref> hat [[Wikipedia:Clemens Brentano|Brentano]] den Zeitroman als erweiterten [[Wikipedia:Gesellschaftsroman|Gesellschaftsroman]] definiert. Im Zeitroman wird definitionsgemäß gleichsam ein Bild der Gesellschaft, des Geistes, der Kultur, der Politik und der Ökonomie einer Zeit auf einen Rundhorizont gemalt. Im Falle der ''Wanderjahre'' handelt es sich um das Bild der Zeit, in der Goethe lebte und die Goethe ins 19. Jahrhundert hinein schreibend [[Wikipedia:Extrapolation#Gebrauch_in_der_Literatur|extrapolierte]].
Dies ist keine Anschauung des ursprünglichen Christentums,
sondern später erst in das Christentum hineingekommen. Auch bei
den christlichen Mystikern der ersten Jahrhunderte, bei den Gnostikern
ist die Schlange nicht ein Symbol für das Böse, sondern sogar
ein Symbol für die geistige Führung der Menschheit Der Weise, der
Führer heißt «die Schlange». So wurde derjenige bezeichnet, welcher
die Menschheit zur Erkenntnis führt. Die Schlange ist das Symbol
des Luzifer.|97|157f}}


== Schlangensymbol und alter Mond ==
== Darstellungsweise ==
Zur Darstellungsweise der ''Wanderjahre'' hat Gidion<ref>Gidion, 1969.</ref> ein Buch geschrieben.


Der [[Alter Mond|alte Mond]] war die vorige Verkörperung unserer [[Erde (Planet)|Erde]]. Dieser alte Mond trennte sich damals zeitweilig von seiner Sonne<ref>Diese Sonne ist weder identisch mit der sog. [[Alte Sonne|alten Sonne]], also jener Verkörperung unserer Erde, die der alten Mondenzeit voranging, noch mit unserer gegenwärtigen [[Sonne]].</ref>, um seinen Bewohnern geeignete Entwicklungsbedingungen zu schaffen. Dem Menschenwesen wurde damals der [[Astralleib]] eingefügt. Am Ende der alten Mondenzeit vereinigten sich der alte Mond wieder mit seiner Sonne und nahm dadurch höhere geistige Kräfte auf. Wäre das nicht geschehen, hätten sich als Folge der alten Mondenentwicklung nur schlangenähnliche Wesen entwickeln können. Die Sonnenwesen hingegen hätten als höchstes die Gestalt des [[Fisch]]es erreichen können.
Goethe belastet den Wanderer Wilhelm mit zwei Restriktionen, indem er ihn konstatieren lässt:
: 1. ''Nicht über drei Tage soll ich unter einem Dache bleiben.'' (1, 1)
: 2. ''Nun soll auf meiner Wanderschaft kein Dritter uns ein beständiger Geselle werden.'' (1,3)
Auch der daraus resultierende beständige Orts- und Personenwechsel erzeugt jene [[Wikipedia:Disparität|disparate]] Romanstruktur, auf die Goethe am [[#Selbstzeugnisse|28. Juli 1829]] hingewiesen und die dann etliche [[#Rezeption|Rezipienten]] zu unbedachten Äußerungen verleitet hat.


{{GZ|Die hohen Wesenheiten, die auf der
Mehr noch als in den [[Wilhelm Meisters Lehrjahre|''Lehrjahren'']] fordert Goethe in den ''Wanderjahren'' einen geduldigen Leser. ''Jarno'' aus den ''Lehrjahren'' heißt in den ''Wanderjahren'' Montan. Hinter der ''Schönen-Guten'' und dem ''nußbraunen Mädchen'' verbirgt sich ''Nachodine''
abgetrennten Sonne lebten, hatten sich vom Monde trennen müssen,
um in ihrer eigenen Entwickelung weiterkommen zu können.
Nun aber mußten diese auf dem Monde zurückgebliebenen Wesen,
die sich dort weiter verfestigt hatten, gerettet werden; deshalb
mußte sich die Sonne mit dem Monde wieder vereinigen.
Fragen wir uns nun, was geschehen wäre, wenn Sonne und Mond
sich nicht wieder vereinigt hätten, wenn sie sich separat weiterentwickelt
hätten. Dann hätte der Mensch niemals seine heutige Gestalt
erhalten können. Wäre der alte Mond seinen Weg allein gegangen,
hätte er nicht durch seine Wiedervereinigung mit der Sonne neue
Kräfte schöpfen können, dann wäre das höchste Wesen, das er je
hätte hervorbringen können, etwa wie die heutigen Schlangen gewesen.
Die Sonnenwesen dagegen, sie hätten - wenn sie allein geblieben
wären - als höchstes die Gestalt des Fisches erreichen können.
Die Fischgestalt ist der äußere Ausdruck für Wesen, die viel höher
stehen als der Mensch. Die Fischgruppenseele steht tatsächlich auch
heute sehr hoch; die äußere Gestalt ist aber etwas ganz anderes als
die Seele. Woher ist also jenen Wesen des alten Mondes die Kraft gekommen,
sich über die Schlange zu erheben? Von den Wesenheiten
der Sonne ist ihnen diese Kraft gekommen. Und die Reinheit des
Sonnenzustandes jener hohen Wesen drückt sich materiell in der
Fischgestalt aus, denn das ist die höchste materielle Gestalt, die von
den Wesenheiten der alten Sonne erlangt werden kann.


Christus, der Sonnenheld, der die ganze Kraft der Sonne auf die
== Entsagung ==
Erde verpflanzt hat, wird ja durch das Zeichen des Fisches symbolisiert.
Diesen zentralen Begriff seiner Ethik, den Verzicht auf Niederes zugunsten Höherem, hat Goethe in ''Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit'' in (4,16) definiert: ''Unser physisches sowohl als geselliges Leben, Sitten, Gewohnheiten, Weltklugheit, Philosophie, Religion, ja so manches zufällige Ereignis, alles ruft uns zu, daß wir entsagen sollen… Diese schwere Aufgabe jedoch zu lösen, hat die Natur den Menschen mit reichlicher Kraft, Tätigkeit und Zähigkeit ausgestattet.''
Jetzt werden Sie verstehen, mit welch tiefer Intuition das esoterische
Christentum die Bedeutung der Fischgestalt erfaßt hat; sie
ist ihm das äußere Sinnbild der Sonnenkraft, der Kraft des Christus.
Wohl ist der Fisch äußerlich ein unvollkommenes Wesen, aber er ist
nicht so tief hinuntergestiegen in die Materie; wenig nur ist er von
Ichsucht durchzogen.


Für den Okkultisten ist die Schlange das Symbolum der Erde, wie
Weil Goethe den Terminus in den ''Wanderjahren'' sogar in den Titel hinein genommen hat, wird er in der Sekundärliteratur ausführlich besprochen. Wilpert (anno 1998, S. 1189 unten) zählt z.B. die in den Roman eingelegten Novellen als Beispiele für Geschichten um Personen auf, denen die Entsagung noch nicht geglückt ist.
sie sich aus dem alten Monde entwickelt hat, und der Fisch ist das
Symbolum des Geistwesens der alten Sonne. Unsere Erde mit ihren
festen Substanzen hat in der Schlange ihr tiefstes Wesen symbolisiert,
das Erdenwesen. Das, was sich als wäßrige Substanz abgesondert
hat, zeigt sich symbolisiert im Fisch.|101|164f}}


== Die Kundalini-Schlange ==
Für Goethes Romankonzept ist die ''Entsagung'' Programm. Das ist aus Einzelheiten ablesbar:
: (1,4) ''Zu den sonderbaren Verpflichtungen der Entsagenden ''gehört'' auch die: daß sie, zusammentreffend, weder vom Vergangenen noch Künftigen sprechen ''dürfen'', nur das Gegenwärtige ''soll'' sie beschäftigen.''
Entsagt wird meist den Freuden der körperlichen Liebe zwischen Mann und Frau zugunsten höchster Werte. Vollkommenheit wird angestrebt.


Die [[Kundalini-Kraft]], auch ''Kundalini-Schlange'' genannt, ruht am unteren Ende der [[Wirbelsäule]], symbolisiert durch die in dreieinhalb Windungen zusammengerollte Schlange, die im [[Wurzelchakra]], der [[Vierblättrige Lotosblume|vierblättrigen Lotosblume]], bewusstlos schläft, und ist nach der [[Tantra|tantrischen]] Lehre die  göttliche Kraft in ihrer [[individuell]]en [[Inkarnation]] im [[Mensch]]en. Einmal erweckt, kann sie zur höchsten Kraft der [[Liebe]] ''oder'' zur im höchsten Maß gesteigerten reinen [[Begierde]] werden. Als [[Kundalinifeuer]] ist sie das Band, das den [[Physischer Leib|physischen Leib]] während des ganzen irdischen Lebens mit dem [[Astralleib]] verbindet, die sogenannte [[Silberschnur]]. Sie ist einerseits die Kraft im Menschen, die der ''mater'', der [[Materie]], am nächsten steht und anderseits bildet sie die Brücke zwischen der [[physisch]]en und [[astral]]en [[Substanz]]. Sie ist zugleich das innerlich erregte [[Astrallicht]], das die äußere [[Seelenwelt]] erleuchtet und dem [[Hellsehen|hellsichtigen Blick]] sichtbar macht.
== Allegorie und Symbol ==
Hinter der vordergründigen Handlung stecken in den ''Wanderjahren'' [[Allegorie|allegorische]] Figuren und [[Symbol]]e.


== [[Apophis]] ==
Zum Beispiel symbolisieren Kästchen und Schlüssel das Geheimnis des Lebens. Zudem ist das Symbol bei Goethe selten eindeutig. Etliche Goethe-Interpreten verstehen Kästchen und Schlüssel - um bei dem Beispiel zu bleiben - in Verbindung mit der Liebesgeschichte zwischen Hersilie und Felix (3,17) auch als sexuelle Attribute.
[[Datei:Egypt.Ra-Apep.01.jpg|mini|300px|Die Katze des Re schneidet dem Schlangengott [[Apophis]] den Kopf ab.]]
In der [[Ägyptische Mythologie|ägyptischen Mythologie]] ist der Schlangengott [[Apophis]] (<hiero>O29:Q3*Q3-I14</hiero>; {{ELSalt|Ἄπωφις}}) der Widersacher des Sonnengottes [[Re (Ägyptische Mythologie)|Re]] und steht für [[Finsternis]], Zerstörung und [[Chaos]] und versucht die Sonnenbarke des Re mit den Windungen seines riesigen Schlangenkörpers zurückzuhalten. Apohis muss allmorgendlich von Re besiegt werden, damit die [[Sonne]] (des [[Tagesbewusstsein]]s) wieder aufgehen kann. Auf der Metternichstele<ref>Constantin-Emil Sander-Hansen: ''Die Texte der Metternichstele.'' Munksgaard, Kopenhagen 1966, S. 16-17.</ref> wird Apophis auch als die ''Nabelschnur des Re'' bezeichnet.


== [[Goethes Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie]] ==
Mit der unten stehenden, kurz gefassten Beschreibung der Roman-Handlung ist die enzyklopädische Deskription dieses viel sagenden Werkes also keinesfalls abgetan. Notgedrungen wird auf die sehr umfangreiche [[#Literatur|Sekundärliteratur]] verwiesen.


In [[Goethes Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie]] wird diese tief unbewusste Kraft, die die Inder als [[Kundalini]] kennen, durch die [[grüne Schlange]] repräsentiert, die durch ihr Opfer künftig die dauerhafte Brücke zwischen der [[Sinnliche Welt|sinnlich]]en und der [[Geistige Welt|geistigen Welt]] bildet, die im hellen [[Tagesbewusstsein]] beschritten werden kann.  
== Handlung ==
<small>Eine einzelne Zahl verweist auf das betreffende Kapitel. Die Titel der eingelegten Novellen sind unterstrichen. Mitunter gehen Novellen über Kapitelgrenzen hinweg. Das Ende der Beschreibung einer Novelle ist im Normalfall die Leerzeile. Ausnahme: Manche Novellen sind mit der nachfolgenden Rahmenerzählung verquickt.</small>


== Der Merkurstab (Caduceus) ==
=== Erstes Buch ===
[[Datei:Caduceus1.gif|thumb|left|100px|Caduceus - Merkurstab]]
<div class="center"><u>Die Flucht nach Ägypten</u></div>
Für den [[Geistesschüler]] ist der [[Merkurstab]] mit den beiden Schlangen ein gutes Hilfsmittel, um das Eindringen [[ahriman]]ischer Wesen in sein [[Bewusstsein]] zu verhindern. Die beiden Schlangen stehen dabei die u.a. auch für die unbewusste (schwarz) und für die bewusste (weiß) Seite der [[Kundalini]]kraft:
1 Wilhelm, mit seinem Sohn '''Felix''' im Gebirge unterwegs, begegnet einer fünfköpfigen Familie. Der junge, rüstige Mann trägt Handwerkszeug eines Zimmermanns. Die Familienmutter, ''ein sanftes, liebenswürdiges Weib'', hat Wilhelm schon viel früher gesehen - auf dem Gemälde ''Die Flucht nach Ägypten''. Der freundliche Zimmermann lädt die beiden Wanderer zur Übernachtung nach ''Sankt Joseph'' ein.
<div class="center"><u>Sankt Joseph der Zweite</u></div>
2 Sankt Joseph erweist sich als ''ein großes, halb in Trümmern liegendes, halb wohlerhaltenes [[Wikipedia:Kloster|Kloster]]gebäude.'' Wilhelm wird von den Kindern des Zimmermanns vor ein Gemälde geführt, die ''die Geschichte des heiligen Joseph'' vorstellen. Auf einem Gemälde ist [[Wikipedia:Josef (Ziehvater Jesu)|Joseph]] ''mit einer Zimmerarbeit beschäftigt'', auf dem nächsten begegnet ''er [[Maria (Mutter Jesu)|Marien]], und eine [[Wikipedia:Lilien|Lilie]] ''sprosst'' zwischen beiden aus dem Boden''. Der Zimmermann, den Wilhelm in den Bergen traf, heißt auch Joseph und seine Frau heißt Marie.
<div class="center"><u>Die Heimsuchung, Der Lilienstengel</u></div>
Joseph erzählt Wilhelm, wie er um Marie, die schwangere Witwe, die ''den schönsten Knaben'' gebar, freite.


{{GZ|Es gibt ein Mittel, um das Eindringen der ahrimanischen Wesen
3 Wilhelm, der Natalie entsagte, schreibt ihr über den Zimmermann Joseph: ''Jene Verehrung seines Weibes, gleicht sie nicht derjenigen, die ich für dich empfinde? und hat nicht selbst das Zusammentreffen dieser beiden Liebenden etwas Ähnliches mit dem unsrigen?'' Wilhelm beneidet Joseph, weil er mit Marie unter einem Dach wohnt und schreibt weiter an Natalie: ''Dagegen darf ich nicht einmal mein Schicksal beklagen, weil ich dir zugesagt habe, zu schweigen und zu dulden, wie du es auch übernommen hast.''
in unser Bewußtsein zu verhindern, ein Symbol, das man in sich
lebendig lassen werden muß. Dies ist der Merkurstab, der leuchtende
Stab mit einer schwarzen Schlange und der hell aufleuchtenden
glitzernden Schlange. Die Schlange ist das Symbol für den
Astralleib. Jeden Abend häutet sich der Astralleib, er wirft die
verbrauchte Haut ab. Davon ist die schwarze Schlange Symbol.
Über Nacht erhält er eine neue, schillernde Haut, und diese neubelebte,
schöne, glänzende Haut des Astralleibes wird durch die
glänzende Schlange symbolisiert.


Dies Symbol bannt alles, was in unser
Wilhelm und Felix wandern weiter und begegnen ''Jarno'', der Steine klopft und nun '''Montan''' genannt wird. Montan ist von den Menschen enttäuscht: ''Ihnen ist nicht zu helfen.'' Deshalb folgt er einer ''einsiedlerischen Neigung''. Montan weiß: ''Die Natur hat nur eine Schrift.'' Er will nicht länger reden, sondern jene Schrift der Natur entziffern.
Bewußtsein störend eindringen will, wenn
wir es vor jeder Meditation lebendig vor
uns erstehen lassen: der Merkurstab, den
der Götterbote in der Hand hält, der den
Weg weist. Wenn der Mensch höher steigt,
wenn er hellsehend wird, drängen sich ihm
die ahrimanischen Wesenheiten in Bildern
vor. Parasitische Tiere sieht er, Ratten und
Mäuse. Als Versuchung treten an ihn heran
Wesen mit schönen menschlichen Gesichtern,
aber verkrüppelten Füßen. Denen
darf man sich nicht hingeben. Gute Bilder sind, wenn der Meditant
sieht eine Sphinx (Seraphim) oder einen Cherubim. - Auch
hier ist der Merkurstab anzuwenden, um die niederziehenden
Wesen zu bannen.|266a|465}}


== Die Schlange als Ich-Symbol ==
4 Montan und Wilhelm reden aber doch weiter. Es geht um die naturkundliche Belehrung von Felix. Montan meint, Wilhelm sei als Lehrer ungeeignet: ''Wer andere lehren will, kann wohl oft das Beste verschweigen, was er weiß, aber er darf nicht halbwissend sein.'' Nach Montan ist ''die Zeit der Einseitigkeiten'' - sprich, der Entsagung - angebrochen und er weiß auch den Weg: ''von unten hinauf zu dienen, ist überall nötig. Sich auf ein Handwerk zu beschränken, ist das Beste. Um einen Gegenstand ganz zu besitzen, zu beherrschen, muß man ihn um sein selbst willen studieren. Was der Mensch leisten soll, muß sich als ein zweites Selbst von ihm ablösen.''


Die sich aufrichtende Schlange ist auch ein Symbol für die [[Ich]]kraft. Das Ich ist dann gleichsam der Schlangenbeschwörer, der die mächtigen Schlangenkräfte zum Heil der Welt unter seine Herrschaft gebracht hat. Der von einer Schlange umwundene Stab des [[Asklepios]] in der [[Griechische Mythologie|griechischen Mythologie]] ([[Äskulapstab]]) ist bis heute das Symbol der medizinischen und pharmazeutischen Berufe.
Wilhelm ist beeindruckt und will endlich einen ordentlichen Beruf erlernen. Montan soll ihm helfen, ''daß die lästigste aller Lebensbedingungen, nicht länger als drei Tage an einem Orte zu verweilen, baldigst aufgehoben und ihm vergönnt werde, sich zu Erreichung seines Zweckes da oder dort, wie es ihm belieben möge, aufzuhalten.'' Montan will sich für den Freund verwenden.


[[Bild:Serpiente alquimica.jpg|thumb|250px|Ouroboros aus einem [[alchemist]]ischen Manuskript]]
Wilhelm und Felix pilgern weiter, bis Felix ein ''Riesenschloß'' erblickt. ''Wände und Säulen ''ragen'' auf einem einsamen Gipfel hervor, geschlossene Säulenwände ''bilden'' Pforten an Pforten, Gänge nach Gängen.'' Während der nächsten Rast ist Felix verschwunden. In einer Felsspalte findet Felix ''ein Kästchen, nicht größer als ein kleiner Oktavband, von prächtigem altem Ansehn, es ''scheint'' von Gold zu sein, mit Schmelz geziert.'' Wilhelm und Felix schlagen ''den Weg ein nach jenen ausgedehnten Gütern eines großen Landbesitzers, von dessen Reichtum und Sonderbarkeiten man ihnen erzählt hatte.''
{{GZ|In der Entwickelung der Erde kam nun ein Zeitpunkt, wo in dem
gemeinsamen Leben und Weben des Erdengeistes eine Besonderung
eintrat. Es schloß sich ein Teil ab, wie in ein Rohr hinein. Erst als
dieser Zeitpunkt eintrat, war es überhaupt möglich, daß Wesen entstehen,
die auch Sonderwesen werden können. Die anderen sind Glieder
einer Erdenseele. Jetzt erst beginnt ein besonderer Grad von
Sonderung. Jetzt beginnt erst die Möglichkeit, daß einmal etwas zu
sich «Ich» sagen kann. Diese Tatsache, daß zwei Epochen auf der
Erde sind, erstens die Epoche, in der es auf der Erde noch keine
Tiere gab mit einem in ein Knochenrohr eingeschlossenen Nervensystem,
zweitens die Epoche, in welcher dann solche entstanden,
wird in allen Religionen besonders ausgedrückt. Die Schlange
schließt zuerst das selbstlose, ungesonderte Schauen des Erdengeistes
in ein Rohr ein, und bildet so den Grund zur Ichheit. Das prägten
die esoterischen Lehrer den Schülern ein, so daß sie es empfinden
konnten: Seht ihr die Schlange an, so seht ihr das Merkzeichen für
euer Ich. - Dabei mußten sie lebhaft empfinden, daß das zusammengehört,
das selbständige Ich und die Schlange. So wurde diese Empfindung
von der Bedeutung der Dinge um uns her ausgebildet. So
durchdrangen die Schüler ein jegliches Natur wesen mit dem richtigen
Empfindungsgehalt. Mit dieser Empfindung ausgerüstet war auch
Moses, als er herausging aus den ägyptischen Geheimschulen, und
so stellte er die Schlange als Symbol auf. Man lernte in jenen
Schulen nicht so abstrakt, wie man heute lernt, sondern indem man
aus dem eigenen inneren Erleben heraus die Welt erfassen lernte.


Es gibt eine Beschreibung des Menschen auf Grund der äußerlichen
5 ''Der Hausherr, ein kleiner, lebhafter Mann von Jahren'', bewillkommt Wilhelm auf dem Schlosse. Es folgt sogleich die Begrüßung durch ''zwei Frauenzimmer, wovon die eine mit großer Heiterkeit zu ihm ''spricht'': „Sie finden hier kleine Gesellschaft, aber gute; ich, die jüngere Nichte, heiße '''''Hersilie''''', diese, meine ältere Schwester, nennt man ''Juliette''.“'' Hersilie, auf der Wilhelms Blick ruht, hat sich auf französische Literatur spezialisiert und gibt dem Ankömmling gleich eine Kostprobe ihrer Übersetzungstätigkeit zum Lesen:
Untersuchung der einzelnen Teile seines Organismus. Aber in
<div class="center"><u>Die pilgernde Törin</u></div>
alten mystischen und okkulten Werken kann man den Menschen
Die pilgernde Törin ist eine schöne [[Wikipedia:Fahrendes Volk|Vagantin]], der Herr von Revanne, ein reicher Provinzler, abseits der Landstraße begegnet, als sie anmutig auf einem Rasenstück ruht. Er nimmt sie mit in sein Schloss, wo sie wohlgelitten für zwei Jahre als Gesellschafterin bleibt. Nach Ablauf dieser Frist haben sich Herr von Ravenne und sein Sohn in sie verliebt. Als ihr beide - jeder für sich - ihre Liebe gestanden haben, werden sie von ihr gefoppt und die schöne Fremde verschwindet. Der Sohn behält sie als „Engel, oder vielmehr ein Dämon“ in Erinnerung, dem Vater erscheint sie „so flüchtig wie die Engel und so liebenswürdig“.
ebenfalls beschrieben finden. Diese Beschreibungen sind aber auf ganz
andere Weise zustande gekommen als durch anatomische Untersuchungen.
Sie sind sogar weit genauer und viel richtiger, als was
der Anatom von heute beschreibt, denn dieser beschreibt nur den
Leichnam. Die alten Beschreibungen sind so gewonnen, daß die
Schüler durch Meditation, durch innere Erleuchtung sich selbst
sichtbar wurden. Durch das sogenannte Kundalinifeuer kann der
Mensch sich von innen heraus betrachten. Es gibt verschiedene
Stufen dieser Betrachtung. Die genaue, richtige Betrachtung tritt
zuerst symbolisch auf. Wenn der Mensch sich zum Beispiel auf sein
Rückenmark konzentriert, sieht er in der Tat immer die Schlange.
Er träumt vielleicht auch von der Schlange, weil diese das Wesen
ist, das äußerlich in die Welt hinausversetzt wurde, als das Rückenmark
sich bildete und auf dieser Stufe stehengeblieben ist. Die
Schlange ist das äußerliche, in die Welt hinausversetzte Rückenmark.
Diese bildhafte Art, die Dinge zu sehen, ist das astrale Schauen
(Imagination). Aber erst durch das mentale Schauen (Inspiration)
ergibt sich die völlige Bedeutung.|93a|18f}}


Die [[Ouroboros-Schlange]] (von {{ELSalt|οὐροβóρος}} „Schwanzfresser“) ist ein [[Symbol]] für die [[Unendlichkeit]], der ewigen Wiederkehr und der Vereinigung von Gegensätzen (wie hell/dunkel oder aktiv/passiv) und auch ein Symbol für das menschliche [[Ich]]. Die sich in den Schwanz beißende Schlange deutet an, dass dem Ende ein neuer Anfang in ständiger Wiederholung entspricht, dass der Abschluss eines Weges oder Prozesses einen Neubeginn bedeutet. Zusammen mit der Symbolik, die dem Bild der sich ständig verjüngenden Schlange ohnehin zukommt, stellt der Zirkelschluss des Tieres eine aussagekräftige [[Metapher]] einer zyklischen Wiederholung dar – etwa des Kreislaufes der Zeiten, der Weltuntergänge und Neuschöpfungen, des Sterbens und der Neugeburt, im abgeleiteten Sinn auch der [[Ewigkeit]] (wie der einfache Kreis).
6 Hersilie unterrichtet Wilhelm über '''Lenardo''', einen ''Vetter, der drei Jahre abwesend, demnächst erwartet'' wird. Des Weiteren ist die Rede von '''Makarie''', '' einer würdigen Tante, die, unfern in ihrem Schlosse wohnend, als ein Schutzgeist der Familie zu betrachten sei. In krankem Verfall des Körpers, in blühender Gesundheit des Geistes ''wird'' sie geschildert.'' Hersilie will Wilhelm Briefe geben, ''woraus das Weitere zu ersehen ist'' und sagt: ''Gestern machte ich Sie mit einer törigen Landläuferin bekannt, heute sollen Sie von einem verrückten Reisenden vernehmen.''


== Symbolik und Mythologie ==
Felix macht Hersilie den Hof und stürzt während eines Ausritts in einen Graben. Ein Wundarzt ist zur Stelle.
<!-- Kapitel ist Linkziel, daher Titel bitte nicht ändern -->
Der Buchstabe [[S]] steht sowohl wegen seiner Form, als auch wegen des Zischlautes als Symbol für die Schlange.


[[Bild:NAMA-Asklepios Epidaure.jpg|thumb|left|150px|[[Asklepios]], der griechische Gott der Heilkunst mit seinem Stab, der von einer [[Wikipedia:Äskulapnatter|Äskulapnatter]] umschlungen wird]]
Lenardo kündigt sich mit einem Brief an die Tante an. Hersilie kommentiert diesen Brief in einem weiteren Brief an die Tante. Darin kommt Lenardo nicht gut weg. In letzterem Brief werden Valerine und Nachodine genannt. Lenardo, der Abwesende, verwechselte sie und Hersilie korrigiert. Wilhelm schreibt an Natalie lakonisch: ''Man vertraut mir, man gibt mir einen Pack Briefe,… ich kenne die Personen, deren Bekanntschaft ich machen werde.''
'''Antike'''<br />
Im [[Antikes Griechenland|antiken Griechenland]] galt die Schlange als heilig. Da sie sich durch die Häutung in den Augen der Menschen unendlich oft erneuern konnte, hielt man sie für unsterblich. Dieser, aus der damals menschlichen Sicht, ständige Akt der Verjüngung und die Tatsache, dass Schlangen Heilkräfte zugesagt wurden (aus ihrem Fleisch stellte man Medizin her), machten sie schließlich zum Symbol für den Stand der Mediziner. Bis heute hat sie sich im Zeichen des [[Wikipedia:Äskulapstab|Äskulapstab]]es gehalten, den man auch, stark vereinfacht, heute in einigen [[Wikipedia:Apotheke|Apotheke]]nzeichen wiederfindet. Ebenso wurde der Schlange Hellsichtigkeit nachgesagt, weshalb sie eines der Tiere der Göttin [[Gaia (Mythologie)|Gaia]] war. Laut [[Wikipedia:Hesiod|Hesiod]] war ''Gaia Pelope'' einer der vielen Namen der Erdgöttin Gaia. Im [[Orakel von Delphi]] taten Schlangenpriesterinnen ([[Pythia]]) ihren Dienst. Nicht nur in der jüdisch-christlichen Tradition gab es einen von einer Schlange bewachten Baum: In der altgriechischen Vorstellung stand im Garten der [[Wikipedia:Hesperiden|Hesperiden]] der lebensspendende [[Wikipedia:Goldene Äpfel der Hesperiden|Apfelbaum]], der der Göttin [[Hera]] von Gaia geschenkt worden war und von der Schlange [[Wikipedia:Ladon (Mythologie)|Ladon]] bewacht wurde.


'''Indien'''<br />
7 Über den Hausherrn auf dem Schlosse wird mitgeteilt: Sein Vater wurde in Philadelphia geboren. Der Hausherr gelangte als Jüngling nach Europa. ''Er übernahm die Familiengüter, wußte sie freisinnig zu behandeln, sie wirtschaftlich einzurichten.''
Im [[Indische Mythologie|indischen]] Volksglauben wird die Schlangengöttin Manasa verehrt, die die Menschen vor Giftschlangen schützt. In den indischen [[Kosmogonie|Schöpfungsmythen]] gibt es den Schlangenkönig [[Vasuki|Ananta-Shesha]], der zwischen zwei Weltzeitaltern auf dem Grund des Urozeans ruht. Unter dem Namen Vasuki hilft der selbe Schlangenkönig, den [[Milchozean]] zu quirlen, um den Unsterblichkeitstrank zu erhalten.  
<div class="center"><u>Wer ist der Verräter?</u></div>
8 ''Lucidor'' studiert, gefördert vom Oberamtmann, die Rechtswissenschaft, um einmal Oberamtmann zu werden. Die Töchter des Oberamtmanns, ''Julie'' und ''Lucinde'', wachsen heran. Nach dem Willen des verehrten, gelehrten Vaters, soll Lucidor einmal Julie heiraten. Beim ersten Treffen fühlt Lucidor eine ''Entfremdung gegen Julien, Lucinde dagegen ''zieht'' ihn an, dass er ''zittert'', wenn sie ihn mit ihren vollen, reinen, ruhigen Augen'' ansieht. Lucidor, der sich im Hause des Oberamtmanns zu Besuch aufhält, offenbart, sobald er im Bett allein ist, dem Leser in Selbstgesprächen sein Innerstes: Nur Lucinde kann die Glückliche sein. Doch es scheint ihm, als ob Lucinde bereits an Antoni vergeben ist. Lucidor muss erkennen, der Schein trügt nicht. Also reist er ab. Jedoch der Unglückliche kommt nicht weit: ''da erblickt er Lucinden. Sie faßt ihn sanft in ihren Arm'' und ruft: ''Sie sind mein, ich die Ihre!'' Schließlich, später, auf einer Kutschfahrt, eröffnet Julie unter vier Augen Lucidor, ihre Familie habe seine heftigen Monologe vom Nebenzimmer aus von Anfang an belauscht und also gewusst, dass er Lucinde begehrte. Mit seinem lauten Gerede im Bett habe er sich selbst verraten. Das Happy End ist perfekt. Antoni bekommt Julie und Lucidor bekommt Lucinde.


'''China'''<br />
9 Wilhelm und Felix wandern ''auf ein altes Gebäude'' zu. Darin sitzen ''Makarie'' auf einem Lehnsessel (der von zwei hübschen jungen Mädchen geschoben wird), Makaries '''Astronom''' und ihre Archivarin '''Angela'''. ''Makarie ''spricht'' zu Wilhelm als einen Vertrauten: da wir unter uns sind, nichts festsetzen, nichts nach außen wirken, sondern nur uns aufklären wollen, so kann das Gespräch immer vorwärtsgehen.'' Der Astronom kündigt an, ''von der Mathematik ist die Rede''. Es wird aber nicht von der Mathematik gesprochen. Felix kämpft gegen die Langeweile. Wilhelm betrachtet mit dem Astronomen die ''Gestirne'', diese ''himmlischen Heerscharen. Durch ein vollkommenes Fernrohr'' wird ''Jupiter, begleitet von seinen Monden'', angeschaut. Wilhelm schläft in der Sternwarte ein Weilchen und träumt von Makarie - ''priesterlich, ihr Anblick''. Wilhelm erzählt: ''An der Stelle ihres herrlichen Angesichtes sah ich zuletzt, zwischen sich teilendem Gewölk, einen Stern blinken, der immer aufwärts getragen wurde und durch das eröffnete Deckengewölb sich mit dem ganzen Sternhimmel vereinigte, der sich immer zu verbreiten und alles zu umschließen schien. In dem Augenblick wecken Sie mich auf; schlaftrunken taumle ich nach dem Fenster, den Stern noch lebhaft in meinem Auge, und wie ich nun hinblicke - der Morgenstern, von gleicher Schönheit, obschon vielleicht nicht von gleicher strahlender Herrlichkeit, wirklich vor mir!'' Am ''andern Morgen'' sucht Wilhelm seinen Felix und findet Angela im Garten, die junge arbeitende Mädchen, ''alle, wo nicht schön, doch keine häßlich,'' beaufsichtigt. Angela erklärt, ''sämtliche Bewohnerinnen unserer Stiftung'' werden ''ins tätige Leben treten''. Darauf erläutert Angela ihre Tätigkeit als Archivarin: ''Deshalb machte sie ''[Makarie]'' mirs zur Pflicht, einzelne gute Gedanken aufzubewahren, die aus einem geistreichen Gespräch hervorspringen.'' Das Archiv wird als Lose-Blatt-Sammlung beschrieben. Wilhelm entdeckt einen emsig schreibenden Felix. Bevor sich Wilhelm auf Wanderschaft begibt, wird er von Angela ermutigt: „Wir haben ''Ihr unvermutetes Erfassen der tiefsten Geheimnisse betrachtet und überlegt, und wir dürfen uns ermutigen, Sie weiter zu führen.''“
In [[Wikipedia:China|China]] galt die Schlange indes als [[Wikipedia:Chinesische Symbole|Symbol]] für Schlauheit, Bosheit und Hinterlist. Sie zählt zu den ''fünf Gifttieren''. Gleichwohl stellt sie aber das 6. Tier im chinesischen Tierkreis dar.


[[Bild:Egypt.Ra-Apep.01.jpg|thumb|180px|Die Katze des [[Wikipedia:Re (Ägyptische Mythologie)|Re]] schneidet [[Wikipedia:Apophis|Apophis]] den Kopf ab]]
<div class="center"><u>Das nußbraune Mädchen</u></div>
'''Ägypten'''<br />
10 Wilhelm wandert dem anreisenden Lenardo entgegen. Letzterer erzählt dem Wanderer folgende Geschichte. Die Bildungsreise Lenardos ''durch das gesittete Europa'' wurde finanziert, indem der Oheim Pacht eintreiben ließ. Die Pächterstochter Nachodine, wegen ihrer ''bräunlichen Gesichtsfarbe'' das nußbraune Mädchen genannt, bat Lenardo, sich für ihren zahlungsunfähigen Vater beim Oheim zu verwenden. Lenardo, leichtsinnig, hielt sein Versprechen nicht und macht sich nun Gewissensbisse. Wilhelm und Lenardo suchen das nußbraune Mädchen auf, finden aber die Blondine Valerine vor. Wilhelm bekommt von Lenardo den Auftrag, das nußbraune Mädchen zu suchen. Lenardo sagt zu seinem neuen Freund zum Abschied ''Leisten Sie mir diesen Dienst, und ich werde dankbar sein.''
Im [[Wikipedia:Prädynastik (Ägypten)|vordynastischen Ägypten]] wurde die „Schlangenmutter“ [[Wikipedia:Wadjet|Wadjet]] (auch ''Wa Zit'') angebetet. Ihr Symbol war der [[Uräus]]. Des Weiteren kannten die Alten Ägypter die [[Wikipedia:Mehem|Mehem]], eine Schlangengöttin, die des Nachts den Sonnengott Re in seinem Schlaf umfasste. Seit dem [[Wikipedia:Mittleres Reich (Ägypten)|Mittleren Reich]] ist auch der Glaube an den Gott [[Apophis]] belegt. Der als riesige Schlange dargestellte Gott war die Verkörperung von Auflösung, Finsternis und Chaos und zugleich der große Widersacher des Sonnengottes [[Re (Ägyptische Mythologie)|Re]].


'''Bibel'''<br />
11 Wilhelm, unmittelbar vor einer Reise ins Ungewisse, deponiert das kostbare Kästchen bei einem ''kuriosen Antiquitätenkrämer''. Letzterer meint, ''wenn dieses Kästchen etwas bedeutet, so muß sich gelegentlich der Schlüssel dazu finden, und gerade da, wo Sie ihn am wenigsten erwarten.'' Außerdem wird Wilhelm eingeschärft: ''Allem Leben, allem Tun, aller Kunst muß das Handwerk vorausgehen, welches nur in der Beschränkung erworben wird. Eines recht wissen und ausüben gibt höhere Bildung als Halbheit im Hundertfältigen.''
Nach allgemeiner Ansicht ist die Schlange in der Bibel weitestgehend ein Sinnbild des Teufels. In der Geschichte vom Paradies (1. Mose 3) ist die Schlange Sinnbild der Versuchung und Verführung zum Bösen; sie weckt Zweifel an Gottes Güte und verführt Eva, vom „Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen“ zu essen. Martin Luther übersetzt das hebräische Wort „da’at“ mit „Erkenntnis“ im Sinne von „Allwissenheit“: der Mensch will sein wie Gott und macht sich zum Herrn über „Gutes und Böses“, das heißt über alles.


Als das Volk Israel durch die Wüste wandert, wird es von Schlangen geplagt (4. Mose 21); Mose soll eine [[Eherne Schlange]] aufrichten, und jeder, der zu ihr aufschaut, soll bewahrt bleiben. Hier erscheint die Schlange (wie für die Christen das Kreuz) als Heilszeichen.
=== Zweites Buch ===
In 2. Kön. 18,4 wird berichtet, dass diese eherne Schlange, als „Nehuschtan“ bezeichnet, bis in die Zeit des Königs Hiskia aufbewahrt wurde; weil sie aber kultisch verehrt wurde, wurde sie durch Hiskia zerschlagen.
1,2 Wilhelm, auf der Suche nach Nachodine, bringt unterwegs seinen Felix in einer pädagogischen Provinz unter, in der Jugendliche erzogen werden. Er dringt zu den Oberen vor und wird - bis an eine gewisse Grenze - in die Geheimnisse der Erziehenden eingeweiht. Hervorragende Erziehungselemente sind die Musik und der Chorgesang. Die Oberen setzen Wilhelm auseinander, welche Religionen zu unterscheiden sind und welche zu favorisieren sei. Insbesondere bekommen die Jugendlichen in der Provinz ''Ehrfurcht'' vor dem Himmel und der Erde beigebracht. Es gibt ''drei Ehrfurchten''. Die oberste ist ''die Ehrfurcht vor sich selbst''.
<div class="center"><u>Der Mann von funfzig Jahren</u></div>
3 Der Major ist fünfzig Jahre alt. Seine geliebte Schwester, die verwitwete Baronin, eröffnet ihm, ihre Tochter Hilarie liebe ''ihn wirklich und von ganzer Seele''. Der Major nimmt einen ''Verjüngungsdiener''; erprobt an sich ''Toilettenkästchen''. Die ''Verjüngung ''gibt'' dem Major einen besonders heiteren Sinn.'' Der Major sagt zu Hilarie ''Du machst mich zum glücklichsten Menschen unter der Sonne! Willst du mein sein?'' Darauf Hilarie: ''Um Gottes willen stehen Sie auf! Ich bin dein auf ewig.'' Die Baronin ertappt das Paar und hat keine Einwände. ''Alle drei ''vereinigen'' sich nunmehr in einer Liebe, einem Behagen, und so ''fließen'' für sie die glücklichsten Stunden dahin.'' Der Major sucht den Lieutenant Flavio, seinen Sohn, auf. Eigentlich sollen Flavio und Hilarie ein Paar werden. Flavio kommt dem betretenen Major unverhofft zu Hilfe. Flavio gesteht, er liebe eine schöne Witwe. Die Heirat von Hilarie und Flavio muss sein. Der Besitz muss zusammengehalten werden. Der Major weiß einen Ausweg. Er wird sich für Flavio opfern und Hilarie heiraten. Flavio ist zufrieden und stellt der Witwe seinen Vater vor.


Auch wenn Jesus seinen Jüngern empfielt: „Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben!“ (Matth. 10,16), bleibt im Buch der Offenbarung des Johannes die Schlange dennoch eindeutig ein Bild des Bösen: „Und er ergriff den Drachen, die alte Schlange, die der Teufel und der Satan ist.“ (Offenbarung 20,2).  
4 Der Major reist ab und wendet sich seinen Geschäften zu. Er schickt der Witwe ein paar selbst verfasste Verse, trennt sich von seinem ''Schönheits-Erhaltungslehrer'' und möchte wieder Hilaries Bräutigam sein.


'''Naher Osten'''<br />
5 Die schöne Witwe will ''Flavio einer andern Liebenswürdigen nicht überlassen ''und'' wendet an ihn mehr scheinbare Gunst, als billig ist. ''Flavio'', aufgeregt und ermutigt, ''wird'' heftig bis ins Ungehörige. Ein entschiedener Bruch macht dem ganzen Verhältnis unwiederbringlich ein Ende.'' Flavio geht zu Hilarie. Deren ''Neigung ''ist'' im Umwenden begriffen''. Der Baronin missfällt, dass Flavio sich Hilarie zuwendet, und sie mag die schöne Witwe nicht leiden. Da die Baronin ''ein schönes Verhältnis zu Makarien'' hat, beklagt sie sich bei dieser brieflich. Makarie leitet diese Papiere, mit eigenen Kommentaren im Anschreiben, an die schöne Witwe weiter. Die Witwe ist darauf über die Familienverhältnisse der Baronin und des Majors haarklein unterrichtet. Der abwesende Major bekommt von diesen Vorgängen keine Kenntnis. Als dem Major ''ein Vorderzahn'' ausfällt, geht ihm endlich auf, dass er doch nicht der Richtige für die junge Hilarie ist. Auf einer seiner zahlreichen Reisen trifft der Major die Witwe. Die zeigt ihm die Briefe von seiner Schwester und Makarie. Die Witwe bedauert ausnahmslos jeden in der Familie des Majors.
Im [[Wikipedia:Naher Osten|Vorderen Orient]] stand die Schlange allgemein für [[Weisheit]] und [[Erleuchtung]], welche die tiefen Geheimnisse des Lebens verstand. Diese Vorstellung hat in der biblischen Geschichte der Vertreibung aus dem Paradies überlebt, wo die Schlange Eva die „Frucht der Erkenntnis“ überreichte. In einigen [[Gnosis|gnostizistischen]] Sekten wurden Eva und die Schlange für das den Menschen zur Verfügung gestellte Wissen verehrt (wobei sie dort manchmal auch als männlicher Begleiter Evas, Ophion, dargestellt wurde).


'''Germanen'''<br />
6 Wilhelm wiederholt in einem Schreiben an den Abbé, sein Gesuch - ''durch Montan vorlängst angebracht''.
In der [[Wikipedia:Germanische Mythologie|germanischen Mythologie]] spielt die [[Midgardschlange]], die die Welt umspannt, zugleich aber das Göttergeschlecht der [[Ase]]n bedroht, eine wichtige Rolle.


'''Balten'''<br />
7 Vom Hochgebirge steigt Wilhelm zum [[Wikipedia:Lago Maggiore|Lago Maggiore]] herab und wandelt auf [[Wilhelm Meisters Lehrjahre#Handlung|Mignons]] Spuren. Am See begegnet Wilhelm Hilarie und der schönen Witwe. Alle drei gehören jenem ''Orden'' der ''Entsagenden'' an. Alle drei entsagen dem anderen Geschlecht.
In der heidnischen Religion der [[Wikipedia:Balten|Balten]] spielten Schlangen ebenso wie [[Wikipedia:Kröten|Kröten]] eine erhebliche Rolle, denn sie gelten, weil sie auf der Erde (lit. ''žemė'') leben, als Symbol der Erdgöttin [[Wikipedia:Žemyna|Žemyna]]. Jede Familie schätzte sich glücklich, wenn sich eine [[Wikipedia:Ringelnatter|Ringelnatter]] an der Feuerstelle, im [[Wikipedia:Badehaus|Badehaus]] oder unter der Hand[[Wikipedia:mühle|mühle]] niederließ. Man fütterte sie wie ein Haustier mit Eiern und Milch und beobachtete gewissenhaft, ob sie das Futter auch annahm.


'''Aborigines'''<br />
Der Abbé erwähnt in einem Schreiben an Wilhelm [[Wilhelm Meisters Lehrjahre#Handlung|Lotharios]] Tätigkeit für den Orden und spricht Wilhelm frei: ''Sie sind von aller Beschränktheit entbunden. Reisen Sie, halten Sie sich auf, bewegen Sie sich, verharren Sie! was Ihnen gelingt, wird recht sein; möchten Sie sich zum notwendigsten Glied unsrer Kette bilden.''
Die [[Wikipedia:Regenbogenschlange|Regenbogenschlange]] verkörpert in den Mythen der [[Wikipedia:Aborigines|Aborigines]] den Ur-Zustand der Natur im Zustand der [[Wikipedia:Traumzeit|Traumzeit]] und herrscht über ihre gleichermaßen lebensspendenden und verschlingenden Aspekte, insbesondere behütet sie das [[Wikipedia:Wasser#Kulturelle Bedeutung des Wassers|Wasser]].
<div class="center">Zwischenrede - ''dem Leser'' wird ''eine Pause und zwar von einigen Jahren'' angekündigt.</div>
8 Wilhelm sucht seinen Sohn Felix in der pädagogischen Provinz auf dem flachen Lande auf. ''Felix hat sich zum Italienischen bestimmt.''


'''Mittelamerika'''<br />
9 Auf einem Fest begegnet Wilhelm Montan. Letzterer spricht: ''Tun und Denken, das ist die Summe aller Weisheit.''
Das [[Wikipedia:Archetypus|archetypische]] Motiv [[Ouroboros]] wird häufig mit ein oder zwei sich in den Schwanz beißenden Schlangen dargestellt und symbolisiert die [[Wikipedia:Unendlichkeit|Unendlichkeit]]. In einigen Kulturen Mittelamerikas ist der Ouroboros heute eine lebendige [[Gottheit]].


== Die Schlange bei den Gnostikern ==
10 Hersilie schreibt an Wilhelm, Felix, der zum Jüngling heranreifende Knabe, liebe sie, die ältere Frau.
=== Ophiten und Naassener ===
[[Datei:Anbetung der Schlange.jpg|mini|300px|Die Anbetung der Schlange, Hellenistische Alabasterschale, 22 cm Durchmesser]]


{{Hauptartikel|Ophiten}}
11 Wilhelm erinnert Natalie brieflich an jenes Wundarztbesteck: ''es war Zeuge des Augenblicks, wo mein Glück begann''. Wilhelm spielt auf die Szene in den ''Lehrjahren'' an, als er, von Räubern im Walde überfallen, von Natalies Gefolge gerettet wurde. Wilhelm will Wundarzt werden.


Die [[Ophiten]] oder [[Ophianer]] (von {{ELSalt|ὄφις}}, ''Ophis'', „Schlange“) und [[Naassener]] (von {{HeS|נָחָשׁ|nachasch}}, „Schlange“, hier transkripiert als ''nahas'' bzw. ''naas'') waren [[Gnosis|gnostische]] Sekten der [[Wikipedia:Alte Kirche|frühchristlichen Zeit]] im [[Wikipedia:2. Jahrhundert|2. Jahrhundert]], die in ihren [[Kult]]en die [[Paradiesesschlange]] als göttliches Wesen verehrten. Sie brachte die göttlichen [[Erkenntnis]] (nach {{B|1 Mos|3|5}}), aber auch die Verderbnis. Den Naassener galt die Schlange als die alles belebende [[Weltseele]]. Die [[Kainiten]] verehrten sie, weil sie die Menschheit von der Knechtschaft des Schöpfergottes [[Jahve]] bzw. [[Jaldabaoth]] befreit habe. Ebenfalls zum gnostischen System der Ophiten zählen die nach dem [[hebräisch]]en Namen des [[Wikipedia:Euphrat|Euphrat]] ({{HeS|פְּרָת|Pherat}}) benannten [[Peraten]].
=== Betrachtungen im Sinne der Wanderer ===
Siehe [[#Zitate|Zitate]].
=== Drittes Buch ===
1 ''Friedrich'' aus den ''Lehrjahren'' wird von Lenardo begrüßt. In den ''Wanderjahren'' liefert Friedrich Beiträge zu diesem Archivroman. Hinter dem ''Band'', einem Auswandererbund der ''Wanderjahre'', steht die Turmgesellschaft der ''Lehrjahre''. ''Wandern'' erhält u.a. die Bedeutung ''auswandern''.


Einen Grundriss der Anschauungen der Naassener zeichnete [[Wikipedia:Hippolyt von Rom|Hippolyt von Rom]] in seiner ''Widerlegung aller Häresien'':.
2 ''Parierend, ablehnend sind Ihre Briefe!'' beschwert sich Hersilie schriftlich bei Wilhelm. Das ''Schlüsselchen'' zum ''Prachtkästchen'' ist in ihre Hände gefallen. Hersilie möchte Felix wiedersehen. Wilhelm soll Hersilie besuchen und den Sohn sowie auch das Kästchen mitbringen. Wilhelm, der Entsagende, lässt sich nicht zu einem Besuch der Dame verlocken.


{{Zitat| Es drängt die Zeit, an die Behandlung des Themas zu gehen und mit denen zu beginnen, die sich unterfingen, die Schlange, die Urheberin des Irrtums, mit Worten, die sie selbst erfand, zu feiern. Die ersten Priester und die Hauptvertreter dieser Lehre waren die sogenannten Naassener; sie heißen so nach dem hebräischen „Naas“, Schlange. Später nannten sie sich Gnostiker, da sie behaupteten, allein die Tiefen (der Weisheit) zu kennen. Von ihnen zweigten viele ab, und die einheitliche Irrlehre wurde vielspältig, indem mit verschiedenen Worten dasselbe dargelegt wurde, wie sich im Verlauf der Erörterung zeigen wird. Als (Prinzip) des Alls verehren sie den „Menschen“ und den „Menschensohn“. Dieser Mensch ist mannweiblich; sie nennen ihn Adam; es gibt viele mannigfaltige Loblieder auf ihn; diese Loblieder lauten kurz gefaßt ungefähr so: „Von dir Vater und durch dich Mutter, die zwei unsterblichen Namen, der Welten Eltern, du Himmelsbürger, hochgepriesener Mensch.“ Sie nehmen in bezug auf ihn, wie in bezug auf [[Geryon]]es, eine Dreiteilung an. Denn an ihm, sagen sie, ist ein rationeller, ein psychischer und ein stofflicher Teil. Sie glauben, ihn zu erkennen sei der Anfang der Gotteserkenntnis und sagen: „Anfang der Vollkommenheit — Kenntnis des Menschen, Gotteserkenntnis — vollkommene Vollendung.“ All dies aber, das Rationelle, das Psychische und das Stoffliche ist vereint auf einen Menschen, Jesus, den Sohn Mariens, herabgekommen. Und diese drei Menschen sprachen zugleich, jeder aus seinem eigenen Wesen heraus, zu den Seinigen. Denn es gibt dreierlei Wesen im Weltall: engelhafte, psychische, stoffliche, und drei Kirchen: die engelhafte, die psychische und die stoffliche; ihre Namen sind: die Auserwählte, die Berufene und die Gefangene.|Hippolyt von Rom|''Widerlegung aller Häresien'' V,6 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1767-23.htm]}}
3 Wilhelm nimmt seine ''Studien als Wundarzt'' auf. Im Fach ''Anatomie als Grundstudium'' soll er den ''schönsten weiblichen Arm'' einer Wasserleiche sezieren. Ein ''plastischer Anatom'' lenkt Wilhelm von jener analytischen Aufgabe ab. Unter der Anleitung des Anatomen synthetisiert Wilhelm einen Arm aus Knochen und Sehnen.


Diese Lehre, so behaupten die Naassener laut Hippolyt, habe [[Jakobus der Gerechte|Jakobus]], der Bruder des Herrn, der Mariamne überliefert<ref>''Ref.'' V,7 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1766-2.htm]</ref>. Mit Mariamne ist vermutlich [[Maria Magdalena]] gemeint<ref>vgl. Leisegang, S 114 oben</ref>.
4 Dabei folgt Wilhelm einer Maxime der Turmgesellschaft, an die ihn Friedrich erinnert: ''Das Grundgesetz unserer Verbindung: in irgendeinem Fache muß einer vollkommen sein, wenn er Anspruch auf Mitgenossenschaft machen will.''
<div class="center"><u>Lenardos Tagebuch</u></div>
5 Wilhelm erhält und studiert Lenardos Aufzeichnungen über die bienenfleißigen Garnspinner und Baumwollweber im Gebirge.
<div class="center"><u>Die neue Melusine</u></div>
6 Ins Reich ''der Nixen und Gnomen'' führt diese erzählerisch sorgfältig ausgearbeitete Version des Schlüssel-Kästchen-Motivs. Eine schöne Zwergenprinzessin entschlüpft gelegentlich dem Kästchen und lockt den verliebten, liederlichen, von Geldsorgen geplagten Ich-Erzähler in ihr arg begrenztes Reich. Mit einer Feile kann sich der künftige Schwiegersohn des Zwergenkönigs Eckwald befreien, entflieht dem Eheglück und erreicht - wieder in normaler Größe - unsere Alltags-Welt.


== Siehe auch ==
7 Der ''kuriose Antiquitätenkrämer'' ist gestorben. Hersilie besitzt nun Schlüssel und Kästchen. Die Frau sehnt Wilhelm und Felix herbei; schreibt von ''Trennen und Vereinigen''.


* {{WikipediaDE|Schlangen|}}
<div class="center"><u>Die gefährliche Wette</u></div>
8 Weil die ''Angelegenheiten immer ernsthafter werden'', schaltet die ''Redaktion'' rasch noch einen ''Schwank'' ein: Ein mutwilliger Student wettet mit seinen Kommilitonen, dass er einem gesetzten Herrn, der in ''schöner Equipage'' vorfährt, ''bei der Nase'' zupft und dafür noch belohnt wird. Der Student gewinnt die Wette. Der Verhöhnte stirbt ohne Rache, aber dessen Sohn rächt sich an einem der Studenten.
 
9 ''Odoard'' will eine von den ''grenzenlosen Weiten'' Europas besiedeln.
<div class="center"><u>Nicht zu weit</u></div>
10 Die Geschichte Odoards und seiner Liebe zur Prinzessin ''Sophronie'' wird erzählt.
 
11 Friedrich und Wilhelm tauschen sich in ''stiller Unterhaltung'' u.a. über ''die Zeit, die höchste Gabe der Natur'', aus
 
12 Odoard trägt sein Besiedlungsprojekt vor.
<div class="center"><u>Lenardos Tagebuch - Fortsetzung</u></div>
13 Wilhelm liest den Rest von Lenardos Aufzeichnungen übers ''Muggengarn''.
 
14 Nachodine, die glücklich unter Webern aufgefunden wurde, gibt ihr Weberhandwerk angesichts des Konkurrenzdrucks der Maschinen auf und erhält bei Makarie Angelas Stelle. Lenardo und Nachodine finden einander. Lothario, Therese, Natalie und der Abbé wandern per Segelschiff aus. Philine, Lydie und auch Lenardo, Friedrich sowie Montan werden schließlich denselben Weg einschlagen. Da alle auswandern, muss sich Wilhelms Jugendfreund Werner nach neuen Geschäftspartnern umsehen.
 
15 Die Beziehung zwischen Makarie und dem Astronomen, ''diese ätherische Dichtung,'' wird ''Verzeihung hoffend'', beschlossen und das ''terrestrische Märchen'' zu Ende erzählt.
 
16 ''Odoardo geht mit den Seinigen'' ab.
 
17 Hersilie erzählt Wilhelm ihre zärtliche Begegnung mit Felix. Wilhelms Sohn drückte Hersilie beherzt an seine Brust. Hersilie konnte nicht anders, sie erwiderte die stürmischen Küsse. Dann wies die Entsagende den feurigen Liebhaber kühl ab. ''Gut! ''sagt der Verschmähte'' so reit ich in die Welt, bis ich umkomme.'' Felix sprengt auf dem Pferde davon.
 
18 Ross und Reiter stürzen in den Abgrund. Wundarzt Wilhelm, mit dem unvermeidlichen Wundarztbesteck zur Stelle, rettet dem Sohn fachmännisch das Leben.
 
=== Aus Makariens Archiv ===
Siehe [[#Zitate|Zitate]].
== Figuren ==
=== Figuren aus [[Wilhelm Meisters Lehrjahre]]n ===
<small>Figuren sind jeweils alphabetisch geordnet. Eine Zahl meint die Seite, auf der der Name zuerst genannt wird.</small>
* 528 Der '''Abbé '.'' lenkt im Hintergrund die Geschicke Wilhelms.
* 388 '''Felix'.'' ist der Sohn Wilhelms.
* 587 '''Friedrich'.'' ist Mitglied der Turmgesellschaft sowie der Bruder Natalies und Lotharios.
* 539 Baron '''Lothario'.'' ist Mitglied der Turmgesellschaft und Natalies Bruder.
* 664 '''Lydie'.'' ist Montans Gattin.
* 402 '''Montan'.'' der ''Jarno.'' aus den [[Wilhelm Meisters Lehrjahre|''Lehrjahren'']], betätigt sich in den ''Wanderjahren'' als Geologe.
* 390 Baronesse '''Natalie'.'' ist Wilhelms Gattin und Lotharios Schwester.
* 664 '''Philine'.'' ist eine Schauspielerin, die seinerzeit von Friedrich schwanger wurde.
* 662 '''Therese'.'' ist die Gemahlin Lotharios.
* 668 Der Kaufmann '''Werner'.'' ist Wilhelms Jugendfreund.
* 388 '''Wilhelm'.'' siehe [[#Handlung|Handlung]], ist ein Entsagender.
 
=== Neue Figuren ===
* 415 '''Hersilie'.'' eine Entsagende, ist die jüngere Nichte des Hausherrn auf dem Schlosse.
* 430 Baron '''Lenardo'.'' ist der Vetter von Hersilie.
* 435 '''Makarie'.'' die Tante von Lenardo und Hersilie, ist ''eine ältliche, wunderwürdige Dame''. Hinter ihr verbirgt sich die Herzogin [[Wikipedia:Charlotte von Sachsen-Meiningen|Charlotte von Sachsen-Meiningen]], Gattin von [[Wikipedia:Ernst II. (Sachsen-Gotha-Altenburg)|Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg]].
* 635 '''Odoard'.'' ist ''ein Mann von einnehmenden Wesen.'' der ein Besiedlungsprojekt in Europa forciert.
 
=== Nebenfiguren ===
: 458 '''Angela''' ist die Archivarin Makaries.
: 458 Der '''Arzt, Mathematiker und Astronom''' ist Mitarbeiter Makaries. Hinter ihm verbirgt sich der [[Wikipedia:Gotha|Gotha]]er [[Wikipedia:Hofastronom|Hofastronom]] [[Wikipedia:Franz Xaver von Zach|Franz Xaver von Zach]], dem Goethe in dem Roman ein subtiles Denkmal setzt.
: 415 '''Juliette''' ist die ältere Schwester von Hersilie.
: 433 '''Nachodine''' ist die Tochter eines liederlichen Pächters auf dem Schlosse.
: 415 Der '''Oheim''' (Onkel) von Lenardo und Hersilie ist der Hausherr auf dem Schlosse.
: 433: '''Valerine''' ist die Tochter des Gerichtshalters auf dem Schlosse.
 
<div class="center"><u>Die pilgernde Törin</u></div>
: 416 Herr von '''Revanne''' ist ein reicher Provinzler, der die pilgernde Törin für zwei Jahre aufnimmt, sich in sie verliebt und von ihr gefoppt wird.
: 416 Die pilgernde '''Törin''' ist eine Allegorie der Poesie, die für zwei Jahre im Schloss des Herrn von Revanne hospitiert.
<div class="center"><u>Wer ist der Verräter?</u></div>
: 441 '''Antoni''' ist ''nicht mehr jung, von bedeutendem Ansehn, würdig, lebensgewandt und durch Kenntnis der weitesten Weltgegenden höchst unterhaltend.''
: 439 '''Julie''' ist vom Professor N. als Braut für Lucidor auserkoren.
: 439 '''Lucidor''' ist der Sohn des Professors N. zu N. Sein Gönner ist der Oberamtmann zu R.
: 439 '''Lucinde''' ist die Schwester von Julie.
 
<div class="center"><u>Der Mann von funfzig Jahren</u></div>
: 491 Die '''Baronin''' ist die Schwester des Majors und die Mutter von Hilarie.
: 514 Lieutenant '''Flavio''' ist der Sohn des Majors.
: 491 '''Hilarie''', eine Entsagende, ist die Tochter der Baronin.
: 491 Der '''Major''' ist die Titelfigur der Novelle.
: 501 Die schöne '''Witwe''' verdreht Flavio und seinem Vater den Kopf und entsagt schließlich den Männern.
 
== Zitate ==
: (1,3) Joseph: ''Wer lebt, muß auf Wechsel gefaßt sein.''
: (1,3) Montan: ''Gut Ding will Weile haben.''
: (1,10) Wilhelm: ''Wer durch Brillen sieht, hält sich für klüger, als er ist.''
: (1,11) Lenardo: ''Der Helden Söhne werden Taugenichtse.''
: (1,12) Der Alte zu Wilhelm: ''Wer lange lebt, sieht manches versammelt und manches auseinander fallen.''
: (2,3) Der Freund zum Major: ''Man will sein und nicht scheinen. Das ist recht gut, so lange man etwas ist.''
<div class="center"><u>Betrachtungen im Sinne der Wanderer</u></div>
* ''Alles Gescheite ist schon gedacht worden, man muß nur versuchen, es noch einmal zu denken.''
* ''Wie kann man sich selbst kennen lernen? Durch Betrachten niemals, wohl aber durch Handeln. Versuche deine Pflicht zu tun, und du weißt gleich, was an dir ist.''
* ''Was aber ist deine Pflicht? Die Forderung des Tages.''
* ''Aus Farbenreibern sind treffliche Maler hervorgegangen.''
* ''Sage mir, mit wem du umgehst, so sage ich dir, wer du bist; weiß ich, womit du dich beschäftigst, so weiß ich, was aus dir werden kann.''
* ''Ein großer Fehler: daß man sich mehr dünkt, als man ist, und sich weniger schätzt, als man wert ist.''
* ''Tief und ernstlich denkende Menschen haben gegen das Publikum einen bösen Stand.''
* ''Wenn ich die Meinung eines andern anhören soll, so muß sie positiv ausgesprochen werden; Problematisches hab' ich in mir selbst genug.''
* ''Ich schweige zu vielem still, denn ich mag die Menschen nicht irremachen und bin wohl zufrieden, wenn sie sich freuen da wo ich mich ärgere.''
* ''Wenn man alt ist, muß man mehr tun, als da man jung war.''
* ''Wer zuviel verlangt, wer sich am Verwickelten erfreut, der ist den Verwirrungen ausgesetzt.''
* ''Der Mensch muß bei dem Glauben verharren, daß das Unbegreifliche begreiflich sei; er würde sonst nicht forschen.''
* ''Um zu begreifen, daß der Himmel überall blau ist, braucht man nicht um die Welt zu reisen.''
* ''Das Falsche hat den Vorteil, daß man immer darüber schwätzen kann, das Wahre muß gleich genutzt werden, sonst ist es nicht da.''
<div class="center"><u>Aus Makariens Archiv</u></div>
* ''Was einem angehört, wird man nicht los, und wenn man es wegwürfe.''
* ''Mit den Jahren steigern sich die Prüfungen.''
* ''Man wird nie betrogen, man betrügt sich selbst.''
* ''Wen jemand lobt, dem stellt er sich gleich.''
* ''Es ist nicht genug, zu wissen, man muß auch anwenden; es ist nicht genug, zu wollen, man muß auch tun.''
* ''Einer neuen Wahrheit ist nichts schädlicher als ein alter Irrtum.''
* ''Die größten Schwierigkeiten liegen da, wo wir sie nicht suchen.''
* ''Sei nicht ungeduldig, wenn man deine Argumente nicht gelten läßt.''
 
== Rezeption ==
<small>Geordnet nach dem Rezeptionsjahr</small>
* 1830: Der junge [[Wikipedia:Theodor Mundt|Theodor Mundt]] (*1808; †1861) : ''Wir müssen ehrlich sein, und, um dem Dichter nicht unrecht zu tun, die ''Wanderjahre'' sogleich, auch in ihrer jetzigen Gestalt noch für ein unausgearbeitetes Fragment, das nur in einzelnen Partien mehr oder weniger ausgebildet und vollendet erscheint, erklären.'' <small>(Blessin, S. 374)</small>
* 1895: [[Wikipedia:Friedrich Spielhagen|Friedrich Spielhagen]] will den ''dichterischen'' Roman und fragt, ''ob wir es hier überall noch mit einer Dichtung zu tun haben.'' <small>(Gidion, S. 11)</small>
* 1918: [[Wikipedia:Friedrich Gundolf|Friedrich Gundolf]] : ''So sind die ''Wanderjahre'' von einem Weisen geschrieben, der dichten kann, nicht von einem Dichter, der weise ist.'' <small>(Gidion, S. 15)</small>
* 1921 und 1932: [[Wikipedia:Thomas Mann|Thomas Mann]] setzt sich mit den ''Wanderjahren'' auseinander.
* 1936: [[Wikipedia:Hermann Broch|Hermann Broch]] bekräftigt, Goethe habe ''in den ''Wanderjahren'' den Grundstein der neuen Dichtung, des neuen Romans'', gelegt. <small>(Bahr, S. 363)</small>
* 1963: [[Wikipedia:Richard Friedenthal|Richard Friedenthal]] (S. 469/470): ''Die ''Wanderjahre'' sind schließlich kein Roman mehr, sondern ein Repositorium ''[Büchergestell, Aktenschrank]'' für Goethes Altersweisheit … Er ''[der'' Meister-Komplex'']'' spottet allen Regeln. Goethe selber hat oft darüber gespottet …''
* 1989: [[Wikipedia:Hannelore Schlaffer|Hannelore Schlaffer]] zitiert in ihrer Habilitationsschrift Arbeiten von
** [[Wikipedia:Ferdinand Gregorovius|Ferdinand Gregorovius]]: ''Göthe´s Wilhelm Meister in seinen socialistischen Elementen entwickelt.'' [[Wikipedia:Königsberg (Preußen)|Königsberg|]] 1849,
** [[Wikipedia:Wilhelm Emrich|Wilhelm Emrich]]: ''Das Problem der Symbolinterpretation im Hinblick auf Goethes ›Wanderjahre‹.'' 1952,
** [[Wikipedia:Karl Schlechta (Philosoph)|Karl Schlechta]]: ''Goethes Wilhelm Meister.'' Frankfurt am Main 1953,
** [[Wikipedia:Arthur Henkel|Arthur Henkel]]: ''Entsagung. Eine Studie zu Goethes Altersroman''. Tübingen 1954,
** [[Wikipedia:Friedrich Ohly|Friedrich Ohly]]: ''Zum Kästchen in Goethes »Wanderjahren«.'' 1961,
** Hans-Jürgen Bastian: ''Zum Menschenbild des späten Goethe. Eine Interpretation seiner Erzählung »Sankt Joseph der Zweite«.'' Weimar 1966,
** Manfred Karnick: ''»Wilhelm Meisters Wanderjahre« oder die Kunst des Mittelbaren''. München 1968,
** [[Wikipedia:Benno von Wiese|Benno von Wiese]]: ''Der Mann von funfzig Jahren''. Düsseldorf 1968,
** Marianne Jabs-Kriegsmann: ''Felix und Hersilie'' (in: [[Wikipedia:Erich Trunz|Erich Trunz]] (Hrsg.): ''Studien zu Goethes Alterswerken''). Frankfurt am Main 1971,
** Peter Horwath: ''Zur Namensgebung des »nußbraunen Mädchens«''. 1972,
** Anneliese Klingenberg: ''Goethes Roman »Wilhelm Meisters Wanderjahre«.'' Berlin 1972,
** [[Wikipedia:Wilhelm Voßkamp|Wilhelm Voßkamp]]: ''Romantheorie in Deutschland.'' Stuttgart 1973.
 
== Selbstzeugnisse ==
{{Zitat|…sie [die kleineren Geschichten] sollten alle, durch einen romantischen Faden unter dem Titel ''Wilhelm Meisters Wanderjahre'' zusammengeschlungen, ein wunderlich anziehendes Ganzes bilden. Zu diesem Zweck finden sich bemerkt: Schluß der Neuen Melusine, Der Mann von fünfzig Jahren, Die pilgernde Törin.|Quelle=Goethe in den Tag- und Jahresheften 1807}}
 
{{Zitat|Es gehört dieses Werk [Wilhelm Meister] übrigens zu den incalculabelsten Productionen, wozu mir fast selbst der Schlüssel fehlt.|Quelle=Goethe im Gespräch mit [[Wikipedia:Friedrich Wilhelm Riemer|Riemer]], [[Wikipedia:Johann Peter Eckermann|Eckermann]] und Wilhelm Rehbein (Hofmedicus, Hofrat in Weimar (1776 - 1825)) am 18. Januar 1825}}
 
{{Zitat|Ich hoffe, meine ''Wanderjahre'' sind nun in Ihren Händen und haben Ihnen mancherlei zu denken gegeben; verschmähen Sie nicht einiges mitzutheilen. Unser Leben gleicht denn doch zuletzt den [[Wikipedia:Sibyllinische Bücher|sibyllinischen Büchern]]; es wird immer kostbarer, je weniger davon übrig bleibt.|Quelle=Brief Goethes vom 19. Juni 1829 an Christoph Ludwig Friedrich Schultz (Jurist, preußischer Staatsrat (1781 - 1834))}}
 
{{Zitat|Eine Arbeit wie diese [die Wanderjahre], die sich selbst als collectiv ankündiget, indem sie gewissermaßen nur zum Verband der [[Wikipedia:Disparität|disparatesten]] Einzelheiten unternommen zu seyn scheint, erlaubt, ja fordert mehr als eine andere daß jeder sich zueigne was ihm gemäß ist, was in seiner Lage zur Beherzigung aufrief und sich harmonisch wohltätig erweisen mochte.|Quelle=Brief Goethes vom 28. Juli 1829 an [[Wikipedia:Johann Friedrich Rochlitz|Johann Friedrich Rochlitz]]}}
 
{{Zitat|Mit solchem Büchlein [den Wanderjahren] aber ist es wie mit dem Leben selbst: es findet sich in dem Complex des Ganzen Nothwendiges und Zufälliges, Vorgesetztes und Angeschlossenes, bald gelungen, bald vereitelt, wodurch es eine Art von Unendlichkeit erhält, die sich in verständige und vernünftige Worte nicht durchaus fassen noch einschließen läßt. Wohin ich aber die Aufmerksamkeit meiner Freunde gerne lenke und auch die Ihrige gern gerichtet sähe, sind die verschieden, sich voneinander absondernden Einzelnheiten, die doch, besonders im gegenwärtigen Falle, den Werth des Buches entscheiden.|Quelle=Brief Goethes vom 23. November 1829 an Johann Friedrich Rochlitz}}


== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Wikipedia:Hans Jonas|Hans Jonas]]: ''Gnosis uns spätantiker Geist I'', Vandenhoeck u. Ruprecht, Göttingen 1934, 1964, 1988 ISBN 978-3525531235
=== Quellen ===
* [[Wikipedia:Hans Leisegang|Hans Leisegang]]: ''Die Gnosis''. A. Kröner, Leipzig 1924. 2. Auflage 1936. 5. Auflage, Kröner, Stuttgart 1985. ISBN 3-520-03205-8
* Johann Wolfgang von Goethe: ''Poetische Werke.'' Band 7, Phaidon Verlag, Essen 1999, ISBN 3-89350-448-6, S. 387–717.
* [[Wikipedia:Kurt Rudolph|Kurt Rudolph]]: ''Die Gnosis. Wesen und Geschichte einer spätantiken Religion'', Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005 ISBN 3-525-52110-3
* [[Rudolf Steiner]]: ''Grundelemente der Esoterik'', [[GA 93a]] (1987), ISBN 3-7274-0935-5 {{Vorträge|093a}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Das christliche Mysterium'', [[GA 97]] (1998), ISBN 3-7274-0970-3 {{Vorträge|097}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Aus den Inhalten der esoterischen Stunden, Band I: 1904 – 1909'', [[GA 266a]] (1995), ISBN 3-7274-2661-6 {{Schule|266}}


{{GA}}
=== Sekundärliteratur ===
Geordnet nach dem Erscheinungsjahr
* [[Wikipedia:Richard Friedenthal|Richard Friedenthal]]: ''Goethe – sein Leben und seine Zeit.'' R. Piper Verlag, München 1963, S. 673–676.
* Heidi Gidion: ''Zur Darstellungsweise von Goethes ' Wilhelm Meisters Wanderjahre'''. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen 1969.
* [[Wikipedia:Adolf Muschg|Adolf Muschg]]: ''„Bis zum Durchsichtigen gebildet“. Nachwort zu „Goethe Wilhelm Meisters Wanderjahre“.'' Insel Taschenbuch, Frankfurt 1982, ISBN 3-458-32275-2, S. 495–523.
* Ehrhard Bahr in: Paul Michael Lützeler (Hrsg.), James E. McLeod (Hrsg.): ''Goethes Erzählwerk. Interpretationen.'' Stuttgart 1985, ISBN 3-15-008081-9, S. 363–395.
*{{Literatur
| Autor=[[Wikipedia:Hannelore Schlaffer|Hannelore Schlaffer]]
| Titel=Wilhelm Meister. Das Ende der Kunst und die Wiederkehr des Mythos
| Verlag=Metzler
| Ort=Stuttgart
| Jahr=1989
| ISBN=3-476-0655-7
}}
* [[Wikipedia:Gerhard Schulz (Literaturwissenschaftler)|Gerhard Schulz]]: ''Die deutsche Literatur zwischen Französischer Revolution und Restauration.'' Teil 2: ''Das Zeitalter der Napoleonischen Kriege und der Restauration: 1806 - 1830.'' München 1989, ISBN 3-406-09399-X, S. 341–353.
* Stefan Blessin: ''Goethes Romane. Aufbruch in die Moderne''. Paderborn 1996, ISBN 3-506-71902-5, S. 239–382, S. 405–406.
* [[Wikipedia:Gero von Wilpert|Gero von Wilpert]]: ''Goethe-Lexikon.'' Stuttgart 1998, ISBN 3-520-40701-9, S. 1187–1191.
* [[Wikipedia:Karl Otto Conrady|Karl Otto Conrady]]: ''Goethe - Leben und Werk.'' Düsseldorf/ Zürich 1999, ISBN 3-538-06638-8, S. 983–1001.
* [[Wikipedia:Manfred Engel|Manfred Engel]]: ''Modernisierungskrise und neue Ethik in Goethes Roman „Wilhelm Meisters Wanderjahre oder Die Entsagenden“''. In: Henning Kössler (Hrsg.): ''Wertwandel und neue Subjektivität. Fünf Vorträge.'' Erlangen 2000, S. 87–111. (Erlanger Forschungen, Reihe A, Bd. 91)
* Gero von Wilpert: ''Sachwörterbuch der Literatur.'' Stuttgart 2001, ISBN 3-520-23108-5.
 
== Weblinks ==
{{Wikiversity|Die pilgernde Törin - eine Allegorie der Poesie|Die pilgernde Törin - eine Allegorie der Poesie.}}
* [http://gutenberg.spiegel.de/buch/3679/1 Der Text] bei Gutenberg-de
* [http://www.zeno.org/Literatur/M/Goethe,+Johann+Wolfgang/Romane/Wilhelm+Meisters+Wanderjahre Der Text] bei [[Wikipedia:Zeno.org|Zeno.org]]
* ''Wilhelm Meisters Wanderjahre.'' bei [[Wikipedia:Project Gutenberg|Project Gutenberg]]: [http://www.gutenberg.org/ebooks/2409 Band 1], [http://www.gutenberg.org/ebooks/2410 Band 2], [http://www.gutenberg.org/ebooks/2411 Band 3]
* [http://librivox.org/wilhelm-meisters-wanderjahre-by-johann-wolfgang-von-goethe/ gemeinfreies Hörbuch Wilhelm Meisters Wanderjahre von Goethe bei LibriVox]
* [http://myrrhwolf.piranho.com/goethe_wanderjahre.htm Literaturbrevier: Wilhelm Meisters Wanderjahre von Goethe] - Ausgewählte Passagen aus dem Roman „Wilhelm Meisters Wandjahre“
* [http://www.ludorff.com/ap/liebermann/liebermann7.html Originalzeichnung Max Liebermanns als Entwurf zum Holschnitt von Otto Bangemann, welcher der Vorzugsausgabe des Buches beigegeben wurde.]
* [http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=2983 Hans-Jürgen Schatz: Lesung von Johann Wolfgang von Goethe „Der Mann von funfzig Jahren“]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references/>
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Aktuelle Version vom 21. August 2020, 03:04 Uhr

Titelblatt der Erstausgabe von 1821
Goethe im Jahre 1828

Wilhelm Meisters Wanderjahre oder die Entsagenden ist ein Roman von Johann Wolfgang von Goethe. Er gilt als die persönlichste aller Goethe’schen Dichtungen. 1821 erschien die erste Fassung, 1829 die vollständige. Ihr fehlen die vorangestellten Gedichte des Fragments von 1821.

Auf Kapitel im Buch wird mit einem Zahlenpaar in der Form (Buch, Kapitel) verwiesen.

Roman und Zeit

Goethe selbst bezeichnet dieses Spätwerk als einen Roman.[1] Er besteht aus drei Büchern sowie Betrachtungen im Sinne der Wanderer und Materialien aus einem Archiv.

An zwei Stellen im Text erfährt der Leser, dass die Wanderung ins 18. Jahrhundert zurückführt. Der Wanderer Wilhelm Meister wird einmal unterwegs auf einem Schlosse in eine Galerie geführt, worin nur Porträts aufgehängt bzw. aufgestellt waren, alles Personen, die im achtzehnten Jahrhundert gewirkt hatten (1,6). Und als ein andermal die Vorgeschichte des Romans erzählt wird, heißt es: Der lebhafte Trieb nach Amerika im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts war groß (1,7).

Kategorisierung

Die Einordnung der Wanderjahre seitens der Fachwelt ändert sich mit den Jahren.

  • Erich Trunz[2] bestimmte 1950 die Wanderjahre schlicht als Rahmenerzählung mit eingelegten Novellen.
  • Volker Neuhaus[3] bezeichnete 1968 die Wanderjahre als Archivroman, wobei er unter anderem von Makariens Archiv und seinem Inhalt ausging. In der Tat wird manches im Roman brieflich verhandelt. Es geht zentral um Papiere.
  • Gero von Wilpert[4] nannte die Wanderjahre einen Zeitroman. Nach Wilpert[5] hat Brentano den Zeitroman als erweiterten Gesellschaftsroman definiert. Im Zeitroman wird definitionsgemäß gleichsam ein Bild der Gesellschaft, des Geistes, der Kultur, der Politik und der Ökonomie einer Zeit auf einen Rundhorizont gemalt. Im Falle der Wanderjahre handelt es sich um das Bild der Zeit, in der Goethe lebte und die Goethe ins 19. Jahrhundert hinein schreibend extrapolierte.

Darstellungsweise

Zur Darstellungsweise der Wanderjahre hat Gidion[6] ein Buch geschrieben.

Goethe belastet den Wanderer Wilhelm mit zwei Restriktionen, indem er ihn konstatieren lässt:

1. Nicht über drei Tage soll ich unter einem Dache bleiben. (1, 1)
2. Nun soll auf meiner Wanderschaft kein Dritter uns ein beständiger Geselle werden. (1,3)

Auch der daraus resultierende beständige Orts- und Personenwechsel erzeugt jene disparate Romanstruktur, auf die Goethe am 28. Juli 1829 hingewiesen und die dann etliche Rezipienten zu unbedachten Äußerungen verleitet hat.

Mehr noch als in den Lehrjahren fordert Goethe in den Wanderjahren einen geduldigen Leser. Jarno aus den Lehrjahren heißt in den Wanderjahren Montan. Hinter der Schönen-Guten und dem nußbraunen Mädchen verbirgt sich Nachodine

Entsagung

Diesen zentralen Begriff seiner Ethik, den Verzicht auf Niederes zugunsten Höherem, hat Goethe in Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit in (4,16) definiert: Unser physisches sowohl als geselliges Leben, Sitten, Gewohnheiten, Weltklugheit, Philosophie, Religion, ja so manches zufällige Ereignis, alles ruft uns zu, daß wir entsagen sollen… Diese schwere Aufgabe jedoch zu lösen, hat die Natur den Menschen mit reichlicher Kraft, Tätigkeit und Zähigkeit ausgestattet.

Weil Goethe den Terminus in den Wanderjahren sogar in den Titel hinein genommen hat, wird er in der Sekundärliteratur ausführlich besprochen. Wilpert (anno 1998, S. 1189 unten) zählt z.B. die in den Roman eingelegten Novellen als Beispiele für Geschichten um Personen auf, denen die Entsagung noch nicht geglückt ist.

Für Goethes Romankonzept ist die Entsagung Programm. Das ist aus Einzelheiten ablesbar:

(1,4) Zu den sonderbaren Verpflichtungen der Entsagenden gehört auch die: daß sie, zusammentreffend, weder vom Vergangenen noch Künftigen sprechen dürfen, nur das Gegenwärtige soll sie beschäftigen.

Entsagt wird meist den Freuden der körperlichen Liebe zwischen Mann und Frau zugunsten höchster Werte. Vollkommenheit wird angestrebt.

Allegorie und Symbol

Hinter der vordergründigen Handlung stecken in den Wanderjahren allegorische Figuren und Symbole.

Zum Beispiel symbolisieren Kästchen und Schlüssel das Geheimnis des Lebens. Zudem ist das Symbol bei Goethe selten eindeutig. Etliche Goethe-Interpreten verstehen Kästchen und Schlüssel - um bei dem Beispiel zu bleiben - in Verbindung mit der Liebesgeschichte zwischen Hersilie und Felix (3,17) auch als sexuelle Attribute.

Mit der unten stehenden, kurz gefassten Beschreibung der Roman-Handlung ist die enzyklopädische Deskription dieses viel sagenden Werkes also keinesfalls abgetan. Notgedrungen wird auf die sehr umfangreiche Sekundärliteratur verwiesen.

Handlung

Eine einzelne Zahl verweist auf das betreffende Kapitel. Die Titel der eingelegten Novellen sind unterstrichen. Mitunter gehen Novellen über Kapitelgrenzen hinweg. Das Ende der Beschreibung einer Novelle ist im Normalfall die Leerzeile. Ausnahme: Manche Novellen sind mit der nachfolgenden Rahmenerzählung verquickt.

Erstes Buch

Die Flucht nach Ägypten

1 Wilhelm, mit seinem Sohn Felix im Gebirge unterwegs, begegnet einer fünfköpfigen Familie. Der junge, rüstige Mann trägt Handwerkszeug eines Zimmermanns. Die Familienmutter, ein sanftes, liebenswürdiges Weib, hat Wilhelm schon viel früher gesehen - auf dem Gemälde Die Flucht nach Ägypten. Der freundliche Zimmermann lädt die beiden Wanderer zur Übernachtung nach Sankt Joseph ein.

Sankt Joseph der Zweite

2 Sankt Joseph erweist sich als ein großes, halb in Trümmern liegendes, halb wohlerhaltenes Klostergebäude. Wilhelm wird von den Kindern des Zimmermanns vor ein Gemälde geführt, die die Geschichte des heiligen Joseph vorstellen. Auf einem Gemälde ist Joseph mit einer Zimmerarbeit beschäftigt, auf dem nächsten begegnet er Marien, und eine Lilie sprosst zwischen beiden aus dem Boden. Der Zimmermann, den Wilhelm in den Bergen traf, heißt auch Joseph und seine Frau heißt Marie.

Die Heimsuchung, Der Lilienstengel

Joseph erzählt Wilhelm, wie er um Marie, die schwangere Witwe, die den schönsten Knaben gebar, freite.

3 Wilhelm, der Natalie entsagte, schreibt ihr über den Zimmermann Joseph: Jene Verehrung seines Weibes, gleicht sie nicht derjenigen, die ich für dich empfinde? und hat nicht selbst das Zusammentreffen dieser beiden Liebenden etwas Ähnliches mit dem unsrigen? Wilhelm beneidet Joseph, weil er mit Marie unter einem Dach wohnt und schreibt weiter an Natalie: Dagegen darf ich nicht einmal mein Schicksal beklagen, weil ich dir zugesagt habe, zu schweigen und zu dulden, wie du es auch übernommen hast.

Wilhelm und Felix wandern weiter und begegnen Jarno, der Steine klopft und nun Montan genannt wird. Montan ist von den Menschen enttäuscht: Ihnen ist nicht zu helfen. Deshalb folgt er einer einsiedlerischen Neigung. Montan weiß: Die Natur hat nur eine Schrift. Er will nicht länger reden, sondern jene Schrift der Natur entziffern.

4 Montan und Wilhelm reden aber doch weiter. Es geht um die naturkundliche Belehrung von Felix. Montan meint, Wilhelm sei als Lehrer ungeeignet: Wer andere lehren will, kann wohl oft das Beste verschweigen, was er weiß, aber er darf nicht halbwissend sein. Nach Montan ist die Zeit der Einseitigkeiten - sprich, der Entsagung - angebrochen und er weiß auch den Weg: von unten hinauf zu dienen, ist überall nötig. Sich auf ein Handwerk zu beschränken, ist das Beste. Um einen Gegenstand ganz zu besitzen, zu beherrschen, muß man ihn um sein selbst willen studieren. Was der Mensch leisten soll, muß sich als ein zweites Selbst von ihm ablösen.

Wilhelm ist beeindruckt und will endlich einen ordentlichen Beruf erlernen. Montan soll ihm helfen, daß die lästigste aller Lebensbedingungen, nicht länger als drei Tage an einem Orte zu verweilen, baldigst aufgehoben und ihm vergönnt werde, sich zu Erreichung seines Zweckes da oder dort, wie es ihm belieben möge, aufzuhalten. Montan will sich für den Freund verwenden.

Wilhelm und Felix pilgern weiter, bis Felix ein Riesenschloß erblickt. Wände und Säulen ragen auf einem einsamen Gipfel hervor, geschlossene Säulenwände bilden Pforten an Pforten, Gänge nach Gängen. Während der nächsten Rast ist Felix verschwunden. In einer Felsspalte findet Felix ein Kästchen, nicht größer als ein kleiner Oktavband, von prächtigem altem Ansehn, es scheint von Gold zu sein, mit Schmelz geziert. Wilhelm und Felix schlagen den Weg ein nach jenen ausgedehnten Gütern eines großen Landbesitzers, von dessen Reichtum und Sonderbarkeiten man ihnen erzählt hatte.

5 Der Hausherr, ein kleiner, lebhafter Mann von Jahren, bewillkommt Wilhelm auf dem Schlosse. Es folgt sogleich die Begrüßung durch zwei Frauenzimmer, wovon die eine mit großer Heiterkeit zu ihm spricht: „Sie finden hier kleine Gesellschaft, aber gute; ich, die jüngere Nichte, heiße Hersilie, diese, meine ältere Schwester, nennt man Juliette.“ Hersilie, auf der Wilhelms Blick ruht, hat sich auf französische Literatur spezialisiert und gibt dem Ankömmling gleich eine Kostprobe ihrer Übersetzungstätigkeit zum Lesen:

Die pilgernde Törin

Die pilgernde Törin ist eine schöne Vagantin, der Herr von Revanne, ein reicher Provinzler, abseits der Landstraße begegnet, als sie anmutig auf einem Rasenstück ruht. Er nimmt sie mit in sein Schloss, wo sie wohlgelitten für zwei Jahre als Gesellschafterin bleibt. Nach Ablauf dieser Frist haben sich Herr von Ravenne und sein Sohn in sie verliebt. Als ihr beide - jeder für sich - ihre Liebe gestanden haben, werden sie von ihr gefoppt und die schöne Fremde verschwindet. Der Sohn behält sie als „Engel, oder vielmehr ein Dämon“ in Erinnerung, dem Vater erscheint sie „so flüchtig wie die Engel und so liebenswürdig“.

6 Hersilie unterrichtet Wilhelm über Lenardo, einen Vetter, der drei Jahre abwesend, demnächst erwartet wird. Des Weiteren ist die Rede von Makarie, einer würdigen Tante, die, unfern in ihrem Schlosse wohnend, als ein Schutzgeist der Familie zu betrachten sei. In krankem Verfall des Körpers, in blühender Gesundheit des Geistes wird sie geschildert. Hersilie will Wilhelm Briefe geben, woraus das Weitere zu ersehen ist und sagt: Gestern machte ich Sie mit einer törigen Landläuferin bekannt, heute sollen Sie von einem verrückten Reisenden vernehmen.

Felix macht Hersilie den Hof und stürzt während eines Ausritts in einen Graben. Ein Wundarzt ist zur Stelle.

Lenardo kündigt sich mit einem Brief an die Tante an. Hersilie kommentiert diesen Brief in einem weiteren Brief an die Tante. Darin kommt Lenardo nicht gut weg. In letzterem Brief werden Valerine und Nachodine genannt. Lenardo, der Abwesende, verwechselte sie und Hersilie korrigiert. Wilhelm schreibt an Natalie lakonisch: Man vertraut mir, man gibt mir einen Pack Briefe,… ich kenne die Personen, deren Bekanntschaft ich machen werde.

7 Über den Hausherrn auf dem Schlosse wird mitgeteilt: Sein Vater wurde in Philadelphia geboren. Der Hausherr gelangte als Jüngling nach Europa. Er übernahm die Familiengüter, wußte sie freisinnig zu behandeln, sie wirtschaftlich einzurichten.

Wer ist der Verräter?

8 Lucidor studiert, gefördert vom Oberamtmann, die Rechtswissenschaft, um einmal Oberamtmann zu werden. Die Töchter des Oberamtmanns, Julie und Lucinde, wachsen heran. Nach dem Willen des verehrten, gelehrten Vaters, soll Lucidor einmal Julie heiraten. Beim ersten Treffen fühlt Lucidor eine Entfremdung gegen Julien, Lucinde dagegen zieht ihn an, dass er zittert, wenn sie ihn mit ihren vollen, reinen, ruhigen Augen ansieht. Lucidor, der sich im Hause des Oberamtmanns zu Besuch aufhält, offenbart, sobald er im Bett allein ist, dem Leser in Selbstgesprächen sein Innerstes: Nur Lucinde kann die Glückliche sein. Doch es scheint ihm, als ob Lucinde bereits an Antoni vergeben ist. Lucidor muss erkennen, der Schein trügt nicht. Also reist er ab. Jedoch der Unglückliche kommt nicht weit: da erblickt er Lucinden. Sie faßt ihn sanft in ihren Arm und ruft: Sie sind mein, ich die Ihre! Schließlich, später, auf einer Kutschfahrt, eröffnet Julie unter vier Augen Lucidor, ihre Familie habe seine heftigen Monologe vom Nebenzimmer aus von Anfang an belauscht und also gewusst, dass er Lucinde begehrte. Mit seinem lauten Gerede im Bett habe er sich selbst verraten. Das Happy End ist perfekt. Antoni bekommt Julie und Lucidor bekommt Lucinde.

9 Wilhelm und Felix wandern auf ein altes Gebäude zu. Darin sitzen Makarie auf einem Lehnsessel (der von zwei hübschen jungen Mädchen geschoben wird), Makaries Astronom und ihre Archivarin Angela. Makarie spricht zu Wilhelm als einen Vertrauten: da wir unter uns sind, nichts festsetzen, nichts nach außen wirken, sondern nur uns aufklären wollen, so kann das Gespräch immer vorwärtsgehen. Der Astronom kündigt an, von der Mathematik ist die Rede. Es wird aber nicht von der Mathematik gesprochen. Felix kämpft gegen die Langeweile. Wilhelm betrachtet mit dem Astronomen die Gestirne, diese himmlischen Heerscharen. Durch ein vollkommenes Fernrohr wird Jupiter, begleitet von seinen Monden, angeschaut. Wilhelm schläft in der Sternwarte ein Weilchen und träumt von Makarie - priesterlich, ihr Anblick. Wilhelm erzählt: An der Stelle ihres herrlichen Angesichtes sah ich zuletzt, zwischen sich teilendem Gewölk, einen Stern blinken, der immer aufwärts getragen wurde und durch das eröffnete Deckengewölb sich mit dem ganzen Sternhimmel vereinigte, der sich immer zu verbreiten und alles zu umschließen schien. In dem Augenblick wecken Sie mich auf; schlaftrunken taumle ich nach dem Fenster, den Stern noch lebhaft in meinem Auge, und wie ich nun hinblicke - der Morgenstern, von gleicher Schönheit, obschon vielleicht nicht von gleicher strahlender Herrlichkeit, wirklich vor mir! Am andern Morgen sucht Wilhelm seinen Felix und findet Angela im Garten, die junge arbeitende Mädchen, alle, wo nicht schön, doch keine häßlich, beaufsichtigt. Angela erklärt, sämtliche Bewohnerinnen unserer Stiftung werden ins tätige Leben treten. Darauf erläutert Angela ihre Tätigkeit als Archivarin: Deshalb machte sie [Makarie] mirs zur Pflicht, einzelne gute Gedanken aufzubewahren, die aus einem geistreichen Gespräch hervorspringen. Das Archiv wird als Lose-Blatt-Sammlung beschrieben. Wilhelm entdeckt einen emsig schreibenden Felix. Bevor sich Wilhelm auf Wanderschaft begibt, wird er von Angela ermutigt: „Wir haben Ihr unvermutetes Erfassen der tiefsten Geheimnisse betrachtet und überlegt, und wir dürfen uns ermutigen, Sie weiter zu führen.

Das nußbraune Mädchen

10 Wilhelm wandert dem anreisenden Lenardo entgegen. Letzterer erzählt dem Wanderer folgende Geschichte. Die Bildungsreise Lenardos durch das gesittete Europa wurde finanziert, indem der Oheim Pacht eintreiben ließ. Die Pächterstochter Nachodine, wegen ihrer bräunlichen Gesichtsfarbe das nußbraune Mädchen genannt, bat Lenardo, sich für ihren zahlungsunfähigen Vater beim Oheim zu verwenden. Lenardo, leichtsinnig, hielt sein Versprechen nicht und macht sich nun Gewissensbisse. Wilhelm und Lenardo suchen das nußbraune Mädchen auf, finden aber die Blondine Valerine vor. Wilhelm bekommt von Lenardo den Auftrag, das nußbraune Mädchen zu suchen. Lenardo sagt zu seinem neuen Freund zum Abschied Leisten Sie mir diesen Dienst, und ich werde dankbar sein.

11 Wilhelm, unmittelbar vor einer Reise ins Ungewisse, deponiert das kostbare Kästchen bei einem kuriosen Antiquitätenkrämer. Letzterer meint, wenn dieses Kästchen etwas bedeutet, so muß sich gelegentlich der Schlüssel dazu finden, und gerade da, wo Sie ihn am wenigsten erwarten. Außerdem wird Wilhelm eingeschärft: Allem Leben, allem Tun, aller Kunst muß das Handwerk vorausgehen, welches nur in der Beschränkung erworben wird. Eines recht wissen und ausüben gibt höhere Bildung als Halbheit im Hundertfältigen.

Zweites Buch

1,2 Wilhelm, auf der Suche nach Nachodine, bringt unterwegs seinen Felix in einer pädagogischen Provinz unter, in der Jugendliche erzogen werden. Er dringt zu den Oberen vor und wird - bis an eine gewisse Grenze - in die Geheimnisse der Erziehenden eingeweiht. Hervorragende Erziehungselemente sind die Musik und der Chorgesang. Die Oberen setzen Wilhelm auseinander, welche Religionen zu unterscheiden sind und welche zu favorisieren sei. Insbesondere bekommen die Jugendlichen in der Provinz Ehrfurcht vor dem Himmel und der Erde beigebracht. Es gibt drei Ehrfurchten. Die oberste ist die Ehrfurcht vor sich selbst.

Der Mann von funfzig Jahren

3 Der Major ist fünfzig Jahre alt. Seine geliebte Schwester, die verwitwete Baronin, eröffnet ihm, ihre Tochter Hilarie liebe ihn wirklich und von ganzer Seele. Der Major nimmt einen Verjüngungsdiener; erprobt an sich Toilettenkästchen. Die Verjüngung gibt dem Major einen besonders heiteren Sinn. Der Major sagt zu Hilarie Du machst mich zum glücklichsten Menschen unter der Sonne! Willst du mein sein? Darauf Hilarie: Um Gottes willen stehen Sie auf! Ich bin dein auf ewig. Die Baronin ertappt das Paar und hat keine Einwände. Alle drei vereinigen sich nunmehr in einer Liebe, einem Behagen, und so fließen für sie die glücklichsten Stunden dahin. Der Major sucht den Lieutenant Flavio, seinen Sohn, auf. Eigentlich sollen Flavio und Hilarie ein Paar werden. Flavio kommt dem betretenen Major unverhofft zu Hilfe. Flavio gesteht, er liebe eine schöne Witwe. Die Heirat von Hilarie und Flavio muss sein. Der Besitz muss zusammengehalten werden. Der Major weiß einen Ausweg. Er wird sich für Flavio opfern und Hilarie heiraten. Flavio ist zufrieden und stellt der Witwe seinen Vater vor.

4 Der Major reist ab und wendet sich seinen Geschäften zu. Er schickt der Witwe ein paar selbst verfasste Verse, trennt sich von seinem Schönheits-Erhaltungslehrer und möchte wieder Hilaries Bräutigam sein.

5 Die schöne Witwe will Flavio einer andern Liebenswürdigen nicht überlassen und wendet an ihn mehr scheinbare Gunst, als billig ist. Flavio, aufgeregt und ermutigt, wird heftig bis ins Ungehörige. Ein entschiedener Bruch macht dem ganzen Verhältnis unwiederbringlich ein Ende. Flavio geht zu Hilarie. Deren Neigung ist im Umwenden begriffen. Der Baronin missfällt, dass Flavio sich Hilarie zuwendet, und sie mag die schöne Witwe nicht leiden. Da die Baronin ein schönes Verhältnis zu Makarien hat, beklagt sie sich bei dieser brieflich. Makarie leitet diese Papiere, mit eigenen Kommentaren im Anschreiben, an die schöne Witwe weiter. Die Witwe ist darauf über die Familienverhältnisse der Baronin und des Majors haarklein unterrichtet. Der abwesende Major bekommt von diesen Vorgängen keine Kenntnis. Als dem Major ein Vorderzahn ausfällt, geht ihm endlich auf, dass er doch nicht der Richtige für die junge Hilarie ist. Auf einer seiner zahlreichen Reisen trifft der Major die Witwe. Die zeigt ihm die Briefe von seiner Schwester und Makarie. Die Witwe bedauert ausnahmslos jeden in der Familie des Majors.

6 Wilhelm wiederholt in einem Schreiben an den Abbé, sein Gesuch - durch Montan vorlängst angebracht.

7 Vom Hochgebirge steigt Wilhelm zum Lago Maggiore herab und wandelt auf Mignons Spuren. Am See begegnet Wilhelm Hilarie und der schönen Witwe. Alle drei gehören jenem Orden der Entsagenden an. Alle drei entsagen dem anderen Geschlecht.

Der Abbé erwähnt in einem Schreiben an Wilhelm Lotharios Tätigkeit für den Orden und spricht Wilhelm frei: Sie sind von aller Beschränktheit entbunden. Reisen Sie, halten Sie sich auf, bewegen Sie sich, verharren Sie! was Ihnen gelingt, wird recht sein; möchten Sie sich zum notwendigsten Glied unsrer Kette bilden.

Zwischenrede - dem Leser wird eine Pause und zwar von einigen Jahren angekündigt.

8 Wilhelm sucht seinen Sohn Felix in der pädagogischen Provinz auf dem flachen Lande auf. Felix hat sich zum Italienischen bestimmt.

9 Auf einem Fest begegnet Wilhelm Montan. Letzterer spricht: Tun und Denken, das ist die Summe aller Weisheit.

10 Hersilie schreibt an Wilhelm, Felix, der zum Jüngling heranreifende Knabe, liebe sie, die ältere Frau.

11 Wilhelm erinnert Natalie brieflich an jenes Wundarztbesteck: es war Zeuge des Augenblicks, wo mein Glück begann. Wilhelm spielt auf die Szene in den Lehrjahren an, als er, von Räubern im Walde überfallen, von Natalies Gefolge gerettet wurde. Wilhelm will Wundarzt werden.

Betrachtungen im Sinne der Wanderer

Siehe Zitate.

Drittes Buch

1 Friedrich aus den Lehrjahren wird von Lenardo begrüßt. In den Wanderjahren liefert Friedrich Beiträge zu diesem Archivroman. Hinter dem Band, einem Auswandererbund der Wanderjahre, steht die Turmgesellschaft der Lehrjahre. Wandern erhält u.a. die Bedeutung auswandern.

2 Parierend, ablehnend sind Ihre Briefe! beschwert sich Hersilie schriftlich bei Wilhelm. Das Schlüsselchen zum Prachtkästchen ist in ihre Hände gefallen. Hersilie möchte Felix wiedersehen. Wilhelm soll Hersilie besuchen und den Sohn sowie auch das Kästchen mitbringen. Wilhelm, der Entsagende, lässt sich nicht zu einem Besuch der Dame verlocken.

3 Wilhelm nimmt seine Studien als Wundarzt auf. Im Fach Anatomie als Grundstudium soll er den schönsten weiblichen Arm einer Wasserleiche sezieren. Ein plastischer Anatom lenkt Wilhelm von jener analytischen Aufgabe ab. Unter der Anleitung des Anatomen synthetisiert Wilhelm einen Arm aus Knochen und Sehnen.

4 Dabei folgt Wilhelm einer Maxime der Turmgesellschaft, an die ihn Friedrich erinnert: Das Grundgesetz unserer Verbindung: in irgendeinem Fache muß einer vollkommen sein, wenn er Anspruch auf Mitgenossenschaft machen will.

Lenardos Tagebuch

5 Wilhelm erhält und studiert Lenardos Aufzeichnungen über die bienenfleißigen Garnspinner und Baumwollweber im Gebirge.

Die neue Melusine

6 Ins Reich der Nixen und Gnomen führt diese erzählerisch sorgfältig ausgearbeitete Version des Schlüssel-Kästchen-Motivs. Eine schöne Zwergenprinzessin entschlüpft gelegentlich dem Kästchen und lockt den verliebten, liederlichen, von Geldsorgen geplagten Ich-Erzähler in ihr arg begrenztes Reich. Mit einer Feile kann sich der künftige Schwiegersohn des Zwergenkönigs Eckwald befreien, entflieht dem Eheglück und erreicht - wieder in normaler Größe - unsere Alltags-Welt.

7 Der kuriose Antiquitätenkrämer ist gestorben. Hersilie besitzt nun Schlüssel und Kästchen. Die Frau sehnt Wilhelm und Felix herbei; schreibt von Trennen und Vereinigen.

Die gefährliche Wette

8 Weil die Angelegenheiten immer ernsthafter werden, schaltet die Redaktion rasch noch einen Schwank ein: Ein mutwilliger Student wettet mit seinen Kommilitonen, dass er einem gesetzten Herrn, der in schöner Equipage vorfährt, bei der Nase zupft und dafür noch belohnt wird. Der Student gewinnt die Wette. Der Verhöhnte stirbt ohne Rache, aber dessen Sohn rächt sich an einem der Studenten.

9 Odoard will eine von den grenzenlosen Weiten Europas besiedeln.

Nicht zu weit

10 Die Geschichte Odoards und seiner Liebe zur Prinzessin Sophronie wird erzählt.

11 Friedrich und Wilhelm tauschen sich in stiller Unterhaltung u.a. über die Zeit, die höchste Gabe der Natur, aus

12 Odoard trägt sein Besiedlungsprojekt vor.

Lenardos Tagebuch - Fortsetzung

13 Wilhelm liest den Rest von Lenardos Aufzeichnungen übers Muggengarn.

14 Nachodine, die glücklich unter Webern aufgefunden wurde, gibt ihr Weberhandwerk angesichts des Konkurrenzdrucks der Maschinen auf und erhält bei Makarie Angelas Stelle. Lenardo und Nachodine finden einander. Lothario, Therese, Natalie und der Abbé wandern per Segelschiff aus. Philine, Lydie und auch Lenardo, Friedrich sowie Montan werden schließlich denselben Weg einschlagen. Da alle auswandern, muss sich Wilhelms Jugendfreund Werner nach neuen Geschäftspartnern umsehen.

15 Die Beziehung zwischen Makarie und dem Astronomen, diese ätherische Dichtung, wird Verzeihung hoffend, beschlossen und das terrestrische Märchen zu Ende erzählt.

16 Odoardo geht mit den Seinigen ab.

17 Hersilie erzählt Wilhelm ihre zärtliche Begegnung mit Felix. Wilhelms Sohn drückte Hersilie beherzt an seine Brust. Hersilie konnte nicht anders, sie erwiderte die stürmischen Küsse. Dann wies die Entsagende den feurigen Liebhaber kühl ab. Gut! sagt der Verschmähte so reit ich in die Welt, bis ich umkomme. Felix sprengt auf dem Pferde davon.

18 Ross und Reiter stürzen in den Abgrund. Wundarzt Wilhelm, mit dem unvermeidlichen Wundarztbesteck zur Stelle, rettet dem Sohn fachmännisch das Leben.

Aus Makariens Archiv

Siehe Zitate.

Figuren

Figuren aus Wilhelm Meisters Lehrjahren

Figuren sind jeweils alphabetisch geordnet. Eine Zahl meint die Seite, auf der der Name zuerst genannt wird.

  • 528 Der 'Abbé '. lenkt im Hintergrund die Geschicke Wilhelms.
  • 388 'Felix'. ist der Sohn Wilhelms.
  • 587 'Friedrich'. ist Mitglied der Turmgesellschaft sowie der Bruder Natalies und Lotharios.
  • 539 Baron 'Lothario'. ist Mitglied der Turmgesellschaft und Natalies Bruder.
  • 664 'Lydie'. ist Montans Gattin.
  • 402 'Montan'. der Jarno. aus den Lehrjahren, betätigt sich in den Wanderjahren als Geologe.
  • 390 Baronesse 'Natalie'. ist Wilhelms Gattin und Lotharios Schwester.
  • 664 'Philine'. ist eine Schauspielerin, die seinerzeit von Friedrich schwanger wurde.
  • 662 'Therese'. ist die Gemahlin Lotharios.
  • 668 Der Kaufmann 'Werner'. ist Wilhelms Jugendfreund.
  • 388 'Wilhelm'. siehe Handlung, ist ein Entsagender.

Neue Figuren

  • 415 'Hersilie'. eine Entsagende, ist die jüngere Nichte des Hausherrn auf dem Schlosse.
  • 430 Baron 'Lenardo'. ist der Vetter von Hersilie.
  • 435 'Makarie'. die Tante von Lenardo und Hersilie, ist eine ältliche, wunderwürdige Dame. Hinter ihr verbirgt sich die Herzogin Charlotte von Sachsen-Meiningen, Gattin von Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg.
  • 635 'Odoard'. ist ein Mann von einnehmenden Wesen. der ein Besiedlungsprojekt in Europa forciert.

Nebenfiguren

458 Angela ist die Archivarin Makaries.
458 Der Arzt, Mathematiker und Astronom ist Mitarbeiter Makaries. Hinter ihm verbirgt sich der Gothaer Hofastronom Franz Xaver von Zach, dem Goethe in dem Roman ein subtiles Denkmal setzt.
415 Juliette ist die ältere Schwester von Hersilie.
433 Nachodine ist die Tochter eines liederlichen Pächters auf dem Schlosse.
415 Der Oheim (Onkel) von Lenardo und Hersilie ist der Hausherr auf dem Schlosse.
433: Valerine ist die Tochter des Gerichtshalters auf dem Schlosse.
Die pilgernde Törin
416 Herr von Revanne ist ein reicher Provinzler, der die pilgernde Törin für zwei Jahre aufnimmt, sich in sie verliebt und von ihr gefoppt wird.
416 Die pilgernde Törin ist eine Allegorie der Poesie, die für zwei Jahre im Schloss des Herrn von Revanne hospitiert.
Wer ist der Verräter?
441 Antoni ist nicht mehr jung, von bedeutendem Ansehn, würdig, lebensgewandt und durch Kenntnis der weitesten Weltgegenden höchst unterhaltend.
439 Julie ist vom Professor N. als Braut für Lucidor auserkoren.
439 Lucidor ist der Sohn des Professors N. zu N. Sein Gönner ist der Oberamtmann zu R.
439 Lucinde ist die Schwester von Julie.
Der Mann von funfzig Jahren
491 Die Baronin ist die Schwester des Majors und die Mutter von Hilarie.
514 Lieutenant Flavio ist der Sohn des Majors.
491 Hilarie, eine Entsagende, ist die Tochter der Baronin.
491 Der Major ist die Titelfigur der Novelle.
501 Die schöne Witwe verdreht Flavio und seinem Vater den Kopf und entsagt schließlich den Männern.

Zitate

(1,3) Joseph: Wer lebt, muß auf Wechsel gefaßt sein.
(1,3) Montan: Gut Ding will Weile haben.
(1,10) Wilhelm: Wer durch Brillen sieht, hält sich für klüger, als er ist.
(1,11) Lenardo: Der Helden Söhne werden Taugenichtse.
(1,12) Der Alte zu Wilhelm: Wer lange lebt, sieht manches versammelt und manches auseinander fallen.
(2,3) Der Freund zum Major: Man will sein und nicht scheinen. Das ist recht gut, so lange man etwas ist.
Betrachtungen im Sinne der Wanderer
  • Alles Gescheite ist schon gedacht worden, man muß nur versuchen, es noch einmal zu denken.
  • Wie kann man sich selbst kennen lernen? Durch Betrachten niemals, wohl aber durch Handeln. Versuche deine Pflicht zu tun, und du weißt gleich, was an dir ist.
  • Was aber ist deine Pflicht? Die Forderung des Tages.
  • Aus Farbenreibern sind treffliche Maler hervorgegangen.
  • Sage mir, mit wem du umgehst, so sage ich dir, wer du bist; weiß ich, womit du dich beschäftigst, so weiß ich, was aus dir werden kann.
  • Ein großer Fehler: daß man sich mehr dünkt, als man ist, und sich weniger schätzt, als man wert ist.
  • Tief und ernstlich denkende Menschen haben gegen das Publikum einen bösen Stand.
  • Wenn ich die Meinung eines andern anhören soll, so muß sie positiv ausgesprochen werden; Problematisches hab' ich in mir selbst genug.
  • Ich schweige zu vielem still, denn ich mag die Menschen nicht irremachen und bin wohl zufrieden, wenn sie sich freuen da wo ich mich ärgere.
  • Wenn man alt ist, muß man mehr tun, als da man jung war.
  • Wer zuviel verlangt, wer sich am Verwickelten erfreut, der ist den Verwirrungen ausgesetzt.
  • Der Mensch muß bei dem Glauben verharren, daß das Unbegreifliche begreiflich sei; er würde sonst nicht forschen.
  • Um zu begreifen, daß der Himmel überall blau ist, braucht man nicht um die Welt zu reisen.
  • Das Falsche hat den Vorteil, daß man immer darüber schwätzen kann, das Wahre muß gleich genutzt werden, sonst ist es nicht da.
Aus Makariens Archiv
  • Was einem angehört, wird man nicht los, und wenn man es wegwürfe.
  • Mit den Jahren steigern sich die Prüfungen.
  • Man wird nie betrogen, man betrügt sich selbst.
  • Wen jemand lobt, dem stellt er sich gleich.
  • Es ist nicht genug, zu wissen, man muß auch anwenden; es ist nicht genug, zu wollen, man muß auch tun.
  • Einer neuen Wahrheit ist nichts schädlicher als ein alter Irrtum.
  • Die größten Schwierigkeiten liegen da, wo wir sie nicht suchen.
  • Sei nicht ungeduldig, wenn man deine Argumente nicht gelten läßt.

Rezeption

Geordnet nach dem Rezeptionsjahr

  • 1830: Der junge Theodor Mundt (*1808; †1861) : Wir müssen ehrlich sein, und, um dem Dichter nicht unrecht zu tun, die Wanderjahre sogleich, auch in ihrer jetzigen Gestalt noch für ein unausgearbeitetes Fragment, das nur in einzelnen Partien mehr oder weniger ausgebildet und vollendet erscheint, erklären. (Blessin, S. 374)
  • 1895: Friedrich Spielhagen will den dichterischen Roman und fragt, ob wir es hier überall noch mit einer Dichtung zu tun haben. (Gidion, S. 11)
  • 1918: Friedrich Gundolf : So sind die Wanderjahre von einem Weisen geschrieben, der dichten kann, nicht von einem Dichter, der weise ist. (Gidion, S. 15)
  • 1921 und 1932: Thomas Mann setzt sich mit den Wanderjahren auseinander.
  • 1936: Hermann Broch bekräftigt, Goethe habe in den Wanderjahren den Grundstein der neuen Dichtung, des neuen Romans, gelegt. (Bahr, S. 363)
  • 1963: Richard Friedenthal (S. 469/470): Die Wanderjahre sind schließlich kein Roman mehr, sondern ein Repositorium [Büchergestell, Aktenschrank] für Goethes Altersweisheit … Er [der Meister-Komplex] spottet allen Regeln. Goethe selber hat oft darüber gespottet …
  • 1989: Hannelore Schlaffer zitiert in ihrer Habilitationsschrift Arbeiten von
    • Ferdinand Gregorovius: Göthe´s Wilhelm Meister in seinen socialistischen Elementen entwickelt. Königsberg| 1849,
    • Wilhelm Emrich: Das Problem der Symbolinterpretation im Hinblick auf Goethes ›Wanderjahre‹. 1952,
    • Karl Schlechta: Goethes Wilhelm Meister. Frankfurt am Main 1953,
    • Arthur Henkel: Entsagung. Eine Studie zu Goethes Altersroman. Tübingen 1954,
    • Friedrich Ohly: Zum Kästchen in Goethes »Wanderjahren«. 1961,
    • Hans-Jürgen Bastian: Zum Menschenbild des späten Goethe. Eine Interpretation seiner Erzählung »Sankt Joseph der Zweite«. Weimar 1966,
    • Manfred Karnick: »Wilhelm Meisters Wanderjahre« oder die Kunst des Mittelbaren. München 1968,
    • Benno von Wiese: Der Mann von funfzig Jahren. Düsseldorf 1968,
    • Marianne Jabs-Kriegsmann: Felix und Hersilie (in: Erich Trunz (Hrsg.): Studien zu Goethes Alterswerken). Frankfurt am Main 1971,
    • Peter Horwath: Zur Namensgebung des »nußbraunen Mädchens«. 1972,
    • Anneliese Klingenberg: Goethes Roman »Wilhelm Meisters Wanderjahre«. Berlin 1972,
    • Wilhelm Voßkamp: Romantheorie in Deutschland. Stuttgart 1973.

Selbstzeugnisse

„…sie [die kleineren Geschichten] sollten alle, durch einen romantischen Faden unter dem Titel Wilhelm Meisters Wanderjahre zusammengeschlungen, ein wunderlich anziehendes Ganzes bilden. Zu diesem Zweck finden sich bemerkt: Schluß der Neuen Melusine, Der Mann von fünfzig Jahren, Die pilgernde Törin.“

– Goethe in den Tag- und Jahresheften 1807

„Es gehört dieses Werk [Wilhelm Meister] übrigens zu den incalculabelsten Productionen, wozu mir fast selbst der Schlüssel fehlt.“

– Goethe im Gespräch mit Riemer, Eckermann und Wilhelm Rehbein (Hofmedicus, Hofrat in Weimar (1776 - 1825)) am 18. Januar 1825

„Ich hoffe, meine Wanderjahre sind nun in Ihren Händen und haben Ihnen mancherlei zu denken gegeben; verschmähen Sie nicht einiges mitzutheilen. Unser Leben gleicht denn doch zuletzt den sibyllinischen Büchern; es wird immer kostbarer, je weniger davon übrig bleibt.“

– Brief Goethes vom 19. Juni 1829 an Christoph Ludwig Friedrich Schultz (Jurist, preußischer Staatsrat (1781 - 1834))

„Eine Arbeit wie diese [die Wanderjahre], die sich selbst als collectiv ankündiget, indem sie gewissermaßen nur zum Verband der disparatesten Einzelheiten unternommen zu seyn scheint, erlaubt, ja fordert mehr als eine andere daß jeder sich zueigne was ihm gemäß ist, was in seiner Lage zur Beherzigung aufrief und sich harmonisch wohltätig erweisen mochte.“

– Brief Goethes vom 28. Juli 1829 an Johann Friedrich Rochlitz

„Mit solchem Büchlein [den Wanderjahren] aber ist es wie mit dem Leben selbst: es findet sich in dem Complex des Ganzen Nothwendiges und Zufälliges, Vorgesetztes und Angeschlossenes, bald gelungen, bald vereitelt, wodurch es eine Art von Unendlichkeit erhält, die sich in verständige und vernünftige Worte nicht durchaus fassen noch einschließen läßt. Wohin ich aber die Aufmerksamkeit meiner Freunde gerne lenke und auch die Ihrige gern gerichtet sähe, sind die verschieden, sich voneinander absondernden Einzelnheiten, die doch, besonders im gegenwärtigen Falle, den Werth des Buches entscheiden.“

– Brief Goethes vom 23. November 1829 an Johann Friedrich Rochlitz

Literatur

Quellen

  • Johann Wolfgang von Goethe: Poetische Werke. Band 7, Phaidon Verlag, Essen 1999, ISBN 3-89350-448-6, S. 387–717.

Sekundärliteratur

Geordnet nach dem Erscheinungsjahr

  • Richard Friedenthal: Goethe – sein Leben und seine Zeit. R. Piper Verlag, München 1963, S. 673–676.
  • Heidi Gidion: Zur Darstellungsweise von Goethes ' Wilhelm Meisters Wanderjahre'. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen 1969.
  • Adolf Muschg: „Bis zum Durchsichtigen gebildet“. Nachwort zu „Goethe Wilhelm Meisters Wanderjahre“. Insel Taschenbuch, Frankfurt 1982, ISBN 3-458-32275-2, S. 495–523.
  • Ehrhard Bahr in: Paul Michael Lützeler (Hrsg.), James E. McLeod (Hrsg.): Goethes Erzählwerk. Interpretationen. Stuttgart 1985, ISBN 3-15-008081-9, S. 363–395.
  •  Hannelore Schlaffer: Wilhelm Meister. Das Ende der Kunst und die Wiederkehr des Mythos. Metzler, Stuttgart 1989, ISBN 3-476-0655-7.
  • Gerhard Schulz: Die deutsche Literatur zwischen Französischer Revolution und Restauration. Teil 2: Das Zeitalter der Napoleonischen Kriege und der Restauration: 1806 - 1830. München 1989, ISBN 3-406-09399-X, S. 341–353.
  • Stefan Blessin: Goethes Romane. Aufbruch in die Moderne. Paderborn 1996, ISBN 3-506-71902-5, S. 239–382, S. 405–406.
  • Gero von Wilpert: Goethe-Lexikon. Stuttgart 1998, ISBN 3-520-40701-9, S. 1187–1191.
  • Karl Otto Conrady: Goethe - Leben und Werk. Düsseldorf/ Zürich 1999, ISBN 3-538-06638-8, S. 983–1001.
  • Manfred Engel: Modernisierungskrise und neue Ethik in Goethes Roman „Wilhelm Meisters Wanderjahre oder Die Entsagenden“. In: Henning Kössler (Hrsg.): Wertwandel und neue Subjektivität. Fünf Vorträge. Erlangen 2000, S. 87–111. (Erlanger Forschungen, Reihe A, Bd. 91)
  • Gero von Wilpert: Sachwörterbuch der Literatur. Stuttgart 2001, ISBN 3-520-23108-5.

Weblinks

 Wikiversity: Die pilgernde Törin - eine Allegorie der Poesie. – Kursmaterialien, Forschungsprojekte und wissenschaftlicher Austausch

Einzelnachweise

  1. Zitat: „Der Redakteur dieser Bogen hier“ (2,8) versichert, wir „haben einen Roman in die Hand genommen.“ (1,10)
  2. Bahr, S. 379 unten
  3. Bahr, S. 380.
  4. Wilpert, 1998, S. 1189 unten
  5. Wilpert, 2001, S. 917.
  6. Gidion, 1969.


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