Auferstehung

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Isenheimer Altar, rechter Flügel der aufgeklappten zweiten Schauseite: Christi Auferstehung von den Toten als Sonnengeburt, 1512 - 1516, Meister Mathis Nithart bzw. Gothart (Matthias Grünewald)

Die Auferstehung (griech. αναστασις, anastasis; lat. resurrectio) des Leibes bedeutet die Wiedervereinigung der zuvor durch den Tod vom Leib getrennten Seele mit ihrem nunmehr wiederhergestellten, aber nicht mehr verweslichen Leib. Sie setzt die Unsterblichkeit der entkörperten Seele voraus, ist aber mehr als diese, indem sie darüber hinaus auch die Unvergänglichkeit der Leibesgestalt garantiert.

In der antiken griechischen Kultur hatte man die Schrecknisse des Todes erstmals ganz tief innerlich erfahren. Im Griechentum hatte sich die Menschheit ganz intensiv in die Schönheiten der sinnlichen Welt eingelebt und der Tod erschien als schmerzlichster Verlust dieser wunderschönen äußeren Erdenwelt, als ein hinübergehen in das düstere Reich der Schatten. Der in der Unterwelt weilende Achilles spricht es in Homers Odyssee deutlich aus:

Lieber möcht' ich als Knecht einem anderen dienen im Taglohn,
Einem dürftigen Mann, der selber keinen Besitz hat,
Als hier Herrscher sein aller abgeschiedenen Seelen.

(Lit.: Odyssee, 11. Gesang, Vers 489 - 491)

Die ganze sinnliche griechische Kultur stellte zunächst überall das in voller Jugendkraft blühende Leben dar, den Jüngling, die Jungfrau, aber niemals den alternden Greis. Erst in späteren Zeiten trat dann das Bild des Todes auch immer mehr hervor, aber man hatte vor diesen Bildern auch immer große Furcht. In früheren Kulturen war zwar auch schon der Tod als entscheidender Einschnitt des Lebens erfahren worden, aber man hatte noch ein deutliches Erleben davon, dass man mit dem Tod in eine lichtvolle geistige Welt hinübertrat. So lichtvoll konnte der Grieche das nicht mehr sehen; er konnte die nachtodliche Welt zunächst nur mehr ganz schattenhaft und bald gar nicht mehr erleben. Der Tod wurde ihm dadurch zur furchtbarsten Lebenstragik, die ihm all das nahm, was ihm das Leben lebenswert machte. Das war etwas, was ihn zutiefst innerlich erschütterte. Darum fiel auch gerade das christliche Bild der Auferstehung des Leibes, der auch der Mensch teilhaftig werden sollte, gerade im griechischen Kulturraum auf so fruchtbaren Boden. Ein bloß seelisch-geistiges Fortbestehen nach dem Tod in einem schattenhaften Jenseits erschien den Menschen damals – und auch heute noch vielen – unerträglich.

Wie ist aber der unverwesliche physische Leib beschaffen, der durch die Auferstehung vollkommen wieder hergestellt wird? Dass es sich dabei nicht einfach um den verweslichen stofflichen Leib handelt, in dem der Mensch bis zu seinem irdischen Tod gelebt hat, liegt auf der Hand. Hier hat Rudolf Steiner entscheidende Hinweise zu einem tieferen Verständnis gegeben. Auferstehung bedeutet nach geisteswissenschaftlicher Auffassung die vollständige Wiederherstellung des menschlichen Phantoms, der individuellen geistigen Formgestalt des physischen Leibes. Diese Formgestalt des Menschen war zunächst nur übersinnlich sichtbar. Durch die luziferische Versuchung und den Sündenfall wurde das Phantom nach und nach zerstört. Dadurch lagerte sich irdische Materie, die in gewissem Sinn nichts anderes ist als zerbrochene, zerstörte Form, in die physische Formgestalt ein und machte so den physischen Leib sinnlich sichtbar. Zur Zeit des Mysteriums von Golgatha hatte diese Verstofflichung des physischen Leibes ihren Höhepunkt erreicht.

Dadurch, dass der Christus mit seiner ganzen weltenschöpferischen Kraft für drei Jahre in dem Leib des Jesus von Nazareth gelebt hatte und durch den Tod auf Golgatha gegangen war, konnte aus dem Grab erstmals ein vollständiges, unzerstörtes Phantom als reine, inmaterielle physische Formgestalt aus dem Grab auferstehen. Indem sich der Phantomleib des Jesus Christus in der Folge vervielfältigt, können seine Formkräfte von jedem Menschen aufgenommen werden, der sich mit dem Christus verbindet. Die zerstörten Phantomleiber der Menschen werden dadurch allmählich geheilt und nach und nach der Auferstehung teilhaftig.

"Am Ende der Erdenentwicklung wird die Kraft, die verloren gegangen ist durch den Sündenfall, die den Menschenleib auflöst, wiedergewonnen sein, wird durch die Kraft des Christus wieder zurückgegeben sein und die Menschenleiber werden dann wirklich in ihrer physischen Gestalt erscheinen." (Lit.: GA 175, S 228)

Die Alchemisten deuten auf die Wiederherstellung der physischen Formgestalt des Menschen hin mit der Bereitung des Steins der Weisen.

Weitreichende Angaben zum Verständnis der Auferstehung des Christus und den damit verbundenen objektiven Folgen für die Menschheit hat Rudolf Steiner vor allem in dem im Oktober 1911 in Karlsruhe gehaltenen Vortragszyklus "Von Jesus zu Christus" (Zyklus 19) gegeben. Tod und Auferstehung des Gottes, wie sie auch in vorchristlichen Zeiten in den imaginativen Schilderungen vieler Mythen und Kulte vorkommen, etwa im Adonis-Kult oder im Mithras-Kult, wurden in bildhaft kultischer Form auch im Einweihungsweg vieler Mysterienstätten durchlebt, wo der Einzuweihende durch einen drei Tage währenden todesähnlichen Zustand hindurchging, wie es etwa auch in den ägyptischen Mysterien der Fall war. Was in den Mysterienstätten bildhaft erfahren werden konnte, wurde durch den Tod und die Auferstehung des Christus zur einmaligen historischen Tatsache auf dem physischen Plan. Dass es sich hierbei um eine Tatsache und nicht nur um ein seelisch-bildhaftes Erleben handelt, legen auch schon die detailreichen Schilderungen der Evangelien nahe. Dabei wird zugleich deutlich, dass Auferstehung nicht einfach die Wiederauferweckung des sterblichen fleischlichen Leibes bedeutet. Denn merkwürdig muss es jedenfalls erscheinen, dass der Auferstandene seinen Getreuen, wie deutlich geschildert wird, in physischer Gestalt erscheint, dass sie ihn, mit dem sie ständig beisammen waren, aber dennoch zunächst nicht erkennen. Auch Maria Magdalena, die als erste dem Auferstandenen begegnet, hält ihn zunächst für den Gärtner und erkennt ihn erst, als der Christus sie anspricht. Nicht mit sinnlichen Augen sehen Maria und die Jünger den Auferstandenen, sondern sie erleben den auferstandenen physischen Leib des Christus Jesus als zunächst noch unverstandene Imagination, deren Bedeutung sich erst durch die Stimme der Inspiration, die von dem Christus selbst ausgeht, enthüllt.

"Was als die größten Tatsachen in den Evangelien geschildert ist, sind im Grunde genommen Einweihungstatsachen, Vorgänge, welche sich zunächst im Innern des Tempelgeheimnisses der Mysterien abgespielt haben, wenn dieser oder jener Mensch, der dafür würdig erachtet worden war, durch die Hierophanten eingeweiht wurde. Da hat ein solcher Mensch, nachdem er lange Zeit hindurch dazu vorbereitet worden war, eine Art Tod und eine Art Auferstehung durchgemacht; und auch gewisse Lebensverhältnisse mußte er durchmachen, welche uns in den Evangelien wiedererscheinen — zum Beispiel als die Versuchungsgeschichte, als die Geschichte auf dem Ölberg und dergleichen. Weil sich das so verhält, erscheinen auch die Beschreibungen der alten Eingeweihten, die nicht Biographien im gewöhnlichen Sinne des Wortes sein wollen, so ähnlich den Evangeliengeschichten von dem Christus Jesus...

Aber wenn wir auch zugeben müssen, daß wir auf diese Art für wichtige Vorgänge, die uns in den Evangelien dargestellt werden, die Vorbilder zu suchen haben in den Einweihungszeremonien der alten Mysterien, so sehen wir doch auf der anderen Seite handgreiflich, daß die großen Lehren des Christus-Jesus-Lebens überall durchtränkt sind in den Evangelien mit Einzelangaben, die nun nicht eine bloße Wiederholung der Einweihungszeremonien sein wollen, sondern die uns recht sehr darauf hinweisen, daß unmittelbar Tatsächliches geschildert wird. Oder müssen wir nicht sagen, daß es in einer merkwürdigen Weise einen tatsächlichen Eindruck macht, wenn uns im Johannes-Evangelium folgendes geschildert wird (Kapitel 20, 1-17):

«Am ersten "Wochentage aber kommt Maria, die von Magdala, morgens frühe, da es noch dunkel war, zu dem Grabe, und sieht den Stein vom Grabe weggenommen. Da läuft sie und geht zu Simon Petrus und zu dem anderen Jünger, welchen Jesus lieb hatte, und sagt zu ihnen: Sie haben den Herrn aus dem Grabe genommen, und wir wissen nicht, wo sie ihn hingelegt haben. Da ging Petrus hinaus und der andere Jünger, und gingen zum Grabe. Es liefen aber die beiden miteinander und der andere Jünger lief voraus, schneller als Petrus, und kam zuerst an das Grab, und beugte sich vor und sieht die Leintücher da liegen, hinein ging er jedoch nicht. Da kommt Simon Petrus hinter ihm drein, und er trat in das Grab hinein und sieht die Leintücher liegen, und das Schweißtuch, das auf seinem Kopf gelegen war, nicht bei den Leintüchern liegen, sondern für sich zusammengewickelt an einem besonderen Ort. Hierauf ging denn auch der andere Jünger hinein, der zuerst zum Grab gekommen war, und sah es und glaubte. Denn noch hatten sie die Schrift nicht verstanden, daß er von den Toten auferstehen müsse. Da gingen die Jünger wieder heim. Maria aber stand außen am Grabe weinend. Indem sie so weinte, beugte sie sich vor in das Grab, und schaut zwei Engel in weißen Gewändern da sitzend, einen zu Häupten und einen zu Füßen, wo der Leichnam Jesu gelegen war. Dieselben sagen zu ihr: Weib, was weinst du? Sagt sie zu ihnen: weil sie meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben. Als sie dies gesagt hatte, kehrte sie sich um und schaut Jesus dastehend, und erkannte ihn nicht. Sagt Jesus zu ihr: Weib, was weinst du? Wen suchst du? Sie, in der Meinung, es sei der Gartenhüter, sagt zu ihm: Herr, wenn du ihn fortgetragen, sage mir, wo du ihn hingelegt, so werde ich ihn holen. Sagt Jesus zu ihr: Maria! Da wendet sie sich und sagt zu ihm hebräisch: Rabbuni! das heißt: Meister. Sagt Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an; denn noch bin ich nicht aufgestiegen zu dem Vater!»

Da haben wir eine Situation so mit Einzelheiten geschildert, daß wir kaum etwas vermissen, wenn wir uns in unserer Imagination ein Bild machen wollen, so, wenn zum Beispiel gesagt wird, daß der eine Jünger schneller läuft als der andere, daß das Schweißtuch, das den Kopf bedeckt hatte, fortgelegt ist an eine andere Stelle und so weiter. In allen Einzelheiten sehen wir etwas geschildert, was keinen Sinn hätte, wenn es sich nicht auf Tatsachen beziehen würde. Auf eins wurde auch schon bei anderer Gelegenheit aufmerksam gemacht, daß uns erzählt wird: Maria erkannte den Christus Jesus nicht. Und es wurde darauf aufmerksam gemacht, wie es möglich wäre, daß man jemanden, den man vorher gekannt hat, nach drei Tagen nicht in derselben Gestalt wiedererkennen würde? Daß der Christus also in einer veränderten Gestalt der Maria erschienen ist, das muß auch berücksichtigt werden; denn sonst hätten diese Worte auch keinen Sinn. " (Lit.: GA 131, S 135ff)

Literatur

  1. Homer: Ilias und Odyssee, Deutsch von Johann Heinrich Voss, Rheingauer Verlagsgesellschaft, Eltville am Rhein, 1980, S 651
  2. Rudolf Steiner: Von Jesus zu Christus, GA 131 (1988)
  3. Rudolf Steiner: Bausteine zu einer Erkenntnis des Mysteriums von Golgatha, GA 175 (1996)
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.