Molekül

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Moleküle sind aus naturwissenschaftlicher Sicht spezifisch strukturierte chemische Verbindungen, die aus zwei oder mehr Atomen gebildet werden. Polymere (von griech. πολύ polý „viel“ und μέρος méros „Teil“), die namentlich für alles Lebendige sehr bedeutsam sind, sind Makromoleküle (Riesenmoleküle), die aus sich wiederholenden, gleichen oder auch unterschiedlichen Struktureinheiten aufgebaut sind und aus niedermolekularen Monomeren (altgriech. μόνος monos „ein“, „einzel“) synthetisiert werden.

Die Moleküle darf man sich allerdings nicht im naiven Sinn als aus Atomen zusammengesetzt vorstellen, so nützlich dieses Konzept auch als Näherungslösung für viele praktische Proble der Chemie sein mag, solange man sich ihrer Grenzen bewusst bleibt. Die moderne Quantentheorie spricht hier eine eindeutige Sprache, weshalb der Chemiker Hans Primas auch nachdrücklich betont:

„Moleküle, Atome, Elektronen, Quarks oder Strings sind aber keine Bausteine der Materie, sie sind nicht Ge-fundenes, sondern Er-fundenes, das heisst Konstruktionen derer, welche die materielle Realität erforschen. Von dem ursprünglichen Begriff der Materie ist in der heutigen Physik nichts übriggeblieben.“ (Lit.: Primas 1992, S. 50)

Primas resümiert in einem anderen Artikel:

„Die molekulare Sicht ist ein effizientes Werkzeug zur Beschreibung der materiellen Natur, aber sie ist notwendigerweise einseitig. Sie prägt unserer Naturbeschreibung eine hierarchische Struktur auf, die in der materiellen Welt an sich nicht vorhanden ist. Die molekulare Welt existiert nur in den Gedanken jener, die sich eine solche Welt denken. Die molekulare Sicht ist in sich konsistent und für die moderne Naturforschung unentbehrlich, aber sie umfaßt nicht die ganze materielle Wirklichkeit. Chemie ist mehr als die Lehre von den Molekulen, Biologie ist mehr als Molekularbiologie.

Das ist nicht etwa so zu verstehen, daß es etwa Bereiche gabe, in welchen die molekulare Sicht falsch ware. Aber es gibt naturwissenschaftlich sinnvolle Fragen über die materielle Welt, die aus molekularer Sicht nicht gestellt werden können. Solche Probleme werden kaum bearbeitet, einfach weil uns dafür in der Sprache der Moleküle die Worte fehlen. „Erst die Theorie entscheidet darüber, was man beobachten kann“. Mit diesen Worten kritisierte einst Einstein den jungen Heisenberg[1], doch ist die Warnung heute aktueller denn je.

Es geht also nicht darum, die molekulare Beschreibung durch eine Alternativbeschreibung zu ersetzen. Das ware töricht. Es geht nicht um ein Entweder-Oder sondern um ein Sowohl-als- Auch. Die molekulare Sicht darf nicht einseitig herrschend keinen Platz mehr für anderes lassen, sondern muß sich harmonisch in eine ganzheitliche Naturbeschreibung einordnen. Die reduktionistische Vorstellung, die materielle Welt sei nur ein raffiniertes Zusammenspiel von Molekülen und sonst nichts, können wir nur überwinden, wenn wir lernen, gleichzeitig mit zueinander komplementären Naturbeschreibungen zu arbeiten.“ (Lit.: Primas, Oktober 1985, S. 165)

Tatsächlich ist die Emergenz neuer Phänomene in einem übergeordneten ganzheitlichen System stets mit einer Submergenz der Eigenschaften seiner Teile verbunden, die aber in dem höheren Ganzen gleichsam im Sinne Hegelsaufgehoben“ sind und bei der Zerteilung des Systems wieder in Erscheinung treten können. Eben deshalb kann man auch nicht einfach behaupten, dass Moleküle aus Atomen zusammengesetzt seien. Darauf hatte schon Rudolf Steiner in seinen Ausführungen über die Ureiweißatmosphäre der Erde hingewiesen. Das Eiweiß sei nicht einfach aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff aufgebaut, sondern eine höher geartete Substanz:

„Heute denkt man sich überhaupt bei allem: es sei zusammengesetzt; aber das ist ein Unsinn. Dasjenige, was man als gewisse höher geartete Substanzen kennt, das ist nicht immer aus dem zusammengesetzt, was dann erscheint, wenn man es analysiert; sondern die Dinge hören auf, in der höheren Substanz darinnen zu sein. Der Kohlenstoff ist da drinnen nicht Kohlenstoff, der Sauerstoff nicht Sauerstoff und so weiter, sondern das ist eine höher geartete Substanz.“ (Lit.:GA 232, S. 74)

Steiner erläutert das auch am Beispiel des kubisch kristallisierenden Kochsalzes, das aus Natrium und Chlor gebildet werden kann.

„Wenn wir die äußere Welt betrachten, so finden wir, daß bis zum Kristall hinunter überall das Formprinzip tätig ist. Die Substanzen, welche in den Kristall eintreten, müssen, um das zu werden, als was der Kristall sich darstellt, gleichsam eingefangen werden von dem Formprinzip, und dieses macht mit Hilfe der Substanzen den Kristall erst zu dem, was er ist. Nehmen Sie zum Beispiel das Kochsalz, Chlornatrium, so haben Sie als physische Substanzen miteinander verbunden Chlor und Natrium, ein Gas und ein Metall. Sie werden leicht einsehen, daß diese beiden Stoffe, so wie sie sind, bevor sie eingefangen werden durch eine formende Wesenheit und dadurch erst zu einer chemischen Verbindung in Würfeln kristallisiert erscheinen, jede für sich völlig andere Formen zeigt. Bevor sie eintreten in dieses Formprinzip, haben sie nichts Gemeinsames; aber sie werden eingespannt, aufgenommen von diesem Formprinzip, und dieses bildet den physischen Körper Kochsalz.“ (Lit.:GA 128, S. 153)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. Zitiert nach W. heisenberg: Der Teil und das Ganze. Piper, Miinchen 1969; S. 92