Alfred Schütz und Ewiges Leben: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Alfred Schütz''' (* 13. April 1899 in Wien; † 20. Mai 1959 in New York City) war ein aus Österreich stammender Jurist, [[Philosoph]] und [[Soziologe]], der als Begründer der
Ein '''ewiges Leben''', einen Fortbestand des [[Mensch]]en über den irdischen [[Tod]] hinaus, verheißen die meisten [[Religion]]en. Darüber, wie sich dieses [[Leben nach dem Tod]] gestaltet, gibt es allerdings sehr unterschiedliche, einander ''scheinbar'' widersprechende Anschauungen. Von der [[Unsterblichkeit]], d.h. dem Fortbestand der [[Seele]] bzw. des [[Geist]]es, zu unterscheiden ist die [[Auferstehung]] des [[Leib]]es, bei der auch die leibliche [[Gestalt]] in unverweslicher Form erhalten bleibt. Verbreitet ist auch ist auch die Anschauung von einem [[Totengericht]] und einer [[Läuterung]]szeit ([[Fegefeuer]], [[Kamaloka]]) nach dem Tod oder einer ewigen Verdammnis in der [[Unterwelt]]. Einige Religionen gehen von einem einmaligen Erdenleben des Menschen aus, an das sich das ewige Leben anschließt, wobei manche auch von einem rein geistigen Dasein vor der Geburt zu diesem Erdenleben, also von einem vorbereitenden Zustand der [[Ungeborenheit]] ausgehen, während andere, wie z.B. die meisten [[Christentum|christlichen]] Konfessionen, diese Vorstellung verwerfen und als [[Häresie|häretisch]] ansehen. Weit verbreitet ist die Annahme von wiederholten Erdenleben in Form von [[Reinkarnation]] oder [[Seelenwanderung]], vor allem in den östlich-orientalischen Regligionen, teilweise aber auch im [[Judentum]] als [[Gilgul Neschamot]] ({{HeS|גִלְגּוּל נְשָמוֹת}}, wörtl. das ''Rollen der Seelen''). Das Ideal der [[Buddhismus|Buddhisten]] ist, aus diesem [[Rad der Wiedergeburten]] ([[Samsara]]) auszubrechen und endgültig im [[Nirvana]] zu verlöschen; das ewige Leben erschein hier als leidvolles Verhängnis, das aber überwunden werden kann, wenn man den [[Vier Edle Wahrheiten|Vier Edlen Wahrheiten]] des [[Gautama Buddha]] folgt.  
[[wikipedia:Phänomenologische Soziologie|phänomenologischen Soziologie]] gilt und sich – ausgehend von [[Edmund Husserl]], [[wikipedia:Henri Bergson|Henri Bergson]] und [[Max Weber]] – der Frage der [[Intersubjektivität]] widmete.  


== Biographischer Hintergrund ==
Für die [[Materialismus|materialistische Weltanschauung]] endet das Leben unwiederbringlich mit dem Tod; der [[Tote]] „lebt“ höchstens für eine mehr oder weniger begrenzte Zeit im [[Gedächtnis]] der Zurückgebliebenen fort. Ein solche Anschauung vertraten nach [[Wikipedia:Flavius Josephus|Flavius Josephus]] schon die [[jüdisch]]en [[Wikipedia:Sadduzäer|Sadduzäer]] und standen damit im Gegensatz zu den [[Wikipedia:Pharisäer|Pharisäer]]n. Sich dem Gedächtnis nachfolgender Generationen durch bedeutsame Taten im Erdenleben möglichst nachhaltig einzuschreiben, galt und gilt vielfach als erstrebenswertes Ziel, frei nach dem Motto von [[Goethe]]s «[[Faust]]»: ''„Es kann die Spur von meinen Erdentagen nicht in Äonen untergehn.“'' Schon im [[Ägyptisch-Chaldäische Kultur|alten Ägypten]] trachtete man danach, den [[Name]]n für die Nachwelt zu erhalten. [[Wikipedia:Herostratos|Herostratos]] wollte seinen Namen unsterblich machen, indem er die Brandfackel in den [[Tempel der Artemis in Ephesos]] warf - nach [[Wikipedia:Plutarch|Plutarch]] just in jener Nacht, in der [[Alexander der Große]] geboren wurde (am [[Wikipedia:20. Juli|20. Juli]] [[Wikipedia:356 v. Chr.|356 v. Chr.]]). Ebenfalls seit der ägyptischen Zeit war die [[Damnatio memoriae]], die Löschung des Namens aus dem kulturellen Gedächtnis, ein beliebtes Mittel zur Verdammung unliebsamer Personen; oft wurde allerdings gerade durch diese Verfluchung die Erinnerung besonders stark wachgehalten, teilweise vielleicht auch ganz bewusst im Sinne eines verwerflichen, abschreckenden Beispiels.
Alfred Schütz war als Rechtsberater für Reitler & Co. in Wien, Paris und später New York tätig und widmete sich der phänomenologischen [[wikipedia:Soziologie|Soziologie]] anfangs nur in seiner Freizeit. Schütz hatte Rechtswissenschaften, Ökonomie und [[Philosophie]] studiert und sein Denken war u. a. von der „[[wikipedia:Österreichische Schule|Österreichischen Schule]] der Nationalökonomie“ geprägt, die Ende des 19. Jahrhunderts von [[wikipedia:CarlMenger|Carl Menger]] gegründet worden war. Die Menger-Schüler [[wikipedia:Friedrich von Wieser|Friedrich von Wieser]] und [[wikipedia:Ludwig von Mises|Ludwig von Mises]] waren Lehrer Schütz’ in Wien, ebenso wie der Rechtsphilosoph [[wikipedia:Hans Kelsen|Hans Kelsen]] und der dem [[wikipedia:Wiener Kreis|Wiener Kreis]] nahestehende [[wikipedia:Felix Kaufmann|Felix Kaufmann]]. Auch seine Freunde [[wikipedia:Fritz Machlup|Fritz Machlup]] und Erich Vögelin (in den USA: [[wikipedia:Eric Voegelin|Eric Voegelin]]) übten intellektuellen Einfluss auf Schütz aus, letzterer regte ihn zu der Lektüre von [[wikipedia:Henri Bergson|Henri Bergson]], einem bedeutenden Vertreter der [[wikipedia:Lebensphilosophie|Lebensphilosophie]] des 19. Jahrhunderts, und von [[Edmund Husserl]], dem Begründer der [[Phänomenologie]], an. 1932 erschien Schütz’ erste und zu Lebzeiten einzige Monographie ''Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Eine Einleitung in die verstehende Soziologie'' (1932), die die Sozialwissenschaften nachhaltig beeinflusst hat. In den Jahren 1938–1939 emigrierte Schütz über Frankreich in die USA. Durch die Freundschaft mit [[wikipedia:Aron Gurwitsch|Aron Gurwitsch]], einem aus Litauen stammenden Philosophen, den Schütz in Paris kennenlernte, intensivierte sich seine Beschäftigung mit Husserls Phänomenologie.


Schütz knüpfte an die Phänomenologie Husserls und dessen Vorstellung der Lebenswelt als intersubjektiv sinnvoller Welt an. Vor diesem Hintergrund fragte er nach den Prozessen der sozialen Konstitution von Sinn. In ''Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt'' versuchte Schütz die „Verstehende Soziologie“ [[Max Weber]]s phänomenologisch zu fundieren. Ausgehend von Husserls Philosophie der [[Lebenswelt]] konzipierte Schütz eine Soziologie des Alltags.
== Neues Testament ==


Im amerikanischen Exil fand Schütz nur schwer Anschluss an die wissenschaftliche Gemeinschaft, die zu dieser Zeit von [[Talcott Parsons]] und dessen [[wikipedia:Strukturfunktionalismus|Strukturfunktionalismus]] dominiert war. Der Austausch zwischen Schütz und Parsons, den ihr Briefwechsel dokumentiert, scheiterte schließlich. Schütz fand auf andere Weise Zugang zur amerikanischen Sozialwissenschaft; einerseits wurde er Vorstandsmitglied der ''International Society of Phenomenology'' und 1941 Mitherausgeber der von [[wikipedia:Marvin Farber|Marvin Farber]] gegründeten Zeitschrift ''Philosophy and Phenomenological Research'', andererseits begann er 1943 an der ''[[wikipedia:New School for Social Research|New School for Social Research]]'' in New York zu lehren. Diese außergewöhnliche Hochschule hatte sich zum Ziel gesetzt, europäisch-stämmige, in die USA emigrierte Sozialwissenschaftler zu unterstützen. 1952 wurde Schütz zum ''Full Professor'' an der ''New School'' berufen. Er starb sieben Jahre später, 1959. Sein geplantes und bereits begonnenes Hauptwerk ''Strukturen der Lebenswelt'' wurde posthum von seinem Schüler [[wikipedia:Thomas Luckmann|Thomas Luckmann]] vollendet. Ebenso erschien ein Großteil seiner Artikel erst posthum, gesammelt in ''Collected Papers I-III'' (1962, 1964, 1966), (deutsch: ''Gesammelte Schriften I-III'', 1971).
Im griechischen Text des [[Wikipedia:Neues Testament|Neuen Testaments]] wird das von [[Gott]] in seiner [[Gnade]] durch die Verbindung mit dem [[Christus]] geschenkte, unzerstörbare Ewige Leben [[Zoe]] ({{ELSalt|ζωή}} „[[Leben]]“) genannt, das sich dadurch vom vergänglichen [[irdisch]]en [[Leben]], dem ''bios'' ({{grS|βίος}}), unterscheidet. So heißt es etwa im [[Wikipedia:1. Brief des Johannes|1. Brief des Johannes]]:


Im Folgenden soll die theoretische Position dargestellt werden, die Schütz in ''Der sinnhaften Aufbau der sozialen Welt'' (1932), in ''Reflections on the Problem of Relevance'' (1970) (deutsch: ''Das Problem der Relevanz'' 1971) und in den Aufsätzen entwickelt hat, die sich in den ''Collected Papers I-III'' (1962, 1964, 1966) bzw. ''Gesammelten Aufsätzen I-III'' (1971) finden.
{{Zitat|11 Und das ist das Zeugnis, dass uns Gott das ewige Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohn.
12 Wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht. 13 Das habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr das ewige Leben habt, die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes.|Erster Brief des Johannes|{{B|1 Joh|5|11-13|LUT}}}}


== Die phänomenologische Begründung der Soziologie ==
Und ähnlich im [[Johannesevangelium]]:
In seiner Bemühung, eine philosophische Grundlegung der [[wikipedia:Sozialwissenschaften|Sozialwissenschaften]] und dabei insbesondere der [[wikipedia:Soziologie|Soziologie]] zu erarbeiten, folgt Alfred Schütz dem Vorhaben [[Max Weber]]s, Soziologie als strenge Wissenschaft auf handlungstheoretischer Basis zu begründen. Schütz kritisiert dabei an Weber, dass dieser zwar die Werkzeuge zum Verstehen des sozialen Sinns von Handlungen geschaffen hat, eine philosophische Begründung des Sinnverstehens aber unterlässt. Für Weber besteht [[wikipedia:Soziales Handeln|soziales Handeln]] [orig. Weber-Definition einfügen]. In seiner „Verstehenden Soziologie“ geht es vor allem auch darum, zu klären, wie ein wissenschaftlicher Beobachter den subjektiven Sinn, den ein [[wikipedia:Akteur|Akteur]] mit seinem Handeln verbindet, objektiv erfassen kann. Schütz setzt hingegen beim Handelnden selbst an und fragt nach der Konstitution subjektiven Sinns, d. h. wie der Akteur selbst Sinn erzeugt und erfährt. Dem wissenschaftlichen Beobachter ist der subjektive Sinn einer Handlung, wie ihn der Handelnde selbst erfährt, nicht zugänglich und sein Verständnis kann nie identisch mit dem des Akteurs sein.


Dieses Problem des Fremdverstehens betrifft nicht nur das Verhältnis zwischen Wissenschaftler und handelndem Subjekt. Wenn der Sinn einer Handlung nämlich nur demjenigen verständlich ist, der sie ausführt, nicht aber dem jeweils „Anderen“, stellt sich die Frage, wie unsere alltägliche [[wikipedia:Kommunikation|Kommunikation]] als funktionierend empfunden werden kann. Wie ist gesellschaftliches Zusammenleben möglich, ohne den subjektiven Sinn zu kennen, den Andere mit ihren Handlungen verbinden? Schütz zufolge greifen Akteure im Alltag auf bestimmte Methoden zurück, die es ihnen ermöglichen, von einem intersubjektiv geteilten Sinn auszugehen. Er untersucht die Bedingungen und Prinzipien, die diese Erzeugung von intersubjektivem Sinn leiten.
{{Zitat|24 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen.|Johannesevangelium|{{B|Joh|5|24|LUT}}}}


=== Soziale Handlung, Sinn und Subjektivität ===
== Das ewige Leben in der Barbelo-Gnosis ==
Vorerst geht die Analyse Schütz’ aber vom Ego, dem Erleben des einsamen Ichs aus. Bergson folgend, ergibt sich für Schütz sinnhaftes Handeln erst in der Reflexion des Ichs auf bereits vergangene Erlebnisse. Während des Vollzugs einer Handlung, also während des Handelns selbst, kann ihr vom Akteur kein Sinn beigelegt werden. Erst durch den Rückgriff auf den Entwurf oder Plan, der zu der Handlung führte, kann diese einen subjektiven Sinn entfalten. „''Nur das Erlebte ist sinnvoll, nicht aber das Erleben''“ (''Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt'': S. 49). Schütz unterscheidet strikt zwischen dem Handeln als Tätigkeit (lateinisch ''actio'') und der Handlung als gedanklichen Entwurf (''actum''), wobei das ''Handeln'' das Sinnhafte in der ''Handlung'' (im „Handlungsentwurf“) findet. Diese Trennung zwischen Handeln und Handlung hebt Schütz’ Zugangsweise von der [[Max Weber|Webers]] ab, an dieser kritisiert Schütz:


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In der [[Barbelo-Gnostiker|Barbelo-Gnosis]] ist das «ewige Leben» nach dem Bericht des [[Wikipedia:Irenäus von Lyon|Irenäus von Lyon]] eine der [[Äon]]en, die aus dem «unnennbaren Vater» [[Emanation|emaniert]] wurden. Ihr Partner ist «[[Thelema]]», der göttliche [[Wille]].
„Weber macht zwischen Handeln als Ablauf und vollzogener Handlung, zwischen dem Sinn des Erzeugens und dem Sinn des Erzeugnisses, zwischen dem Sinn eigenen und fremden Handelns, bzw. eigener und fremder Erlebnisse, zwischen Selbstverstehen und Fremdverstehen keinen Unterschied. Er fragt nicht nach der besonderen Konstitutionsweise des Sinnes für den Handelnden, nicht nach den Modifikationen, die dieser Sinn für den Partner in der Sozialwelt oder für den außenstehenden Beobachter erfährt, nicht nach dem eigenartigen Fundierungszusammenhang zwischen Eigenpsychischem und Fremdpsychischem, dessen Aufklärung für eine präzise Erfassung des Phänomens ‚Fremdverstehen‘ unerläßlich ist“ (''Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt'': S. 5).  
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In der Auseinandersetzung mit Webers Sinnbegriff stellt Schütz fünf Sinnschichten dar. Auf der Ebene der ersten Schicht ist Sinn unabhängig von einem konkreten Anderen, er wird vielmehr Dingen der Umwelt zugeschrieben (z.&nbsp;B. eine Tür lässt sich öffnen). Der zweite Sinnbegriff richtet sich auf die Existenz eines Anderen (z.&nbsp;B. weil jemand klopft, öffne ich die Tür), während der dritte schon das Verhalten des Anderen antizipiert (ich öffne die Tür und grüße). In der vierten Sinnschicht kommt es zu einer wechselseitigen Verhaltensorientierung, in der sich die Handlungen des Akteurs an dem erwarteten Verhalten des Anderen orientieren (ich überlege, ob ich ihn empfangen soll oder nicht). Aus diesen vier Schichten ergibt sich ein konstitutiver Sinnzusammenhang für den Handelnden selbst, d.&nbsp;h. für sein eigenes Verständnis der Handlung. Davon unterscheidet Schütz aber die fünfte Sinnstufe, die der Sinndeutung durch Andere. Die Aufgabe der Soziologen als möglicher „Anderer“ ist es, diese vierschichtige Sinnkonstitution des Handelnden zu verstehen.  
{{Zitat|In dem jungfräulichen Geiste befindet sich ein nie alternder Äon, den sie Barbelo nennen. Dort ist auch ein unnennbarer Vater, der sich des Barbelo offenbaren wollte. Die Barbelo oder Ennoia trat vor sein Angesicht und forderte von ihm die Prognosis. Da nun die Prognosis hervorgegangen war, erschien weiter auf Bitten beider die Aphtharsia<ref>[[Aphtharsia]] {{ELSalt|ἀφθαρσία}} „Unversehrtheit, Unsterblichkeit, Unbestechlichkeit“</ref>, darauf das ewige Leben. Wie sie aber hierüber sich mächtig freute und erhob und über ihre Empfängnis sich ergötzte, da schuf er in sie hinein ein ihr ähnliches Licht. Das ist der Anfang aller Erleuchtung und Schöpfung. Wie der Vater das Licht erblickte, da salbte er es mit seiner Güte, damit es vollkommen werde. So wurde Christus<ref>der Gesalbte</ref>. Der wiederum verlangte, daß ihm der Nous gegeben werde, und der Nous ging hervor. Alsdann sandte der Vater den Logos aus. Darauf kamen die Verbindungen zustande zwischen der Ennoia und dem Logos, zwischen der Aphtharsia und Christus; das ewige Leben aber wurde mit dem ''Thelema'' verbunden und der Nous mit der Prognosis. Diese priesen das große Licht und die Barbelo.|Irenäus von Lyon|''Contra Haereses'' I 29,1 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel609.htm]}}


Zusammenfassend lässt sich Schütz' Ansatz als eine Theorie der sozialen ''Handlung'', nicht des sozialen ''Handelns'' bezeichnen. Über die Beschränkung auf abgeschlossene Handlungen hinaus, geht Schütz auch nur auf jene Bewusstseinserlebnisse ein, die auf ein ''alter ego'' (d.&nbsp;h. anderes Ich) bezogen sind, womit er den Anderen als ein Bewusstsein habendes Wesen meint, nicht nur den bloßen Leib. Ein wesentliches Element der Handlung, zu dessen Berücksichtigung Schütz durch die Theorien [[wikipedia:William James|William James]] angeregt wurde, stellt der Wille zu ihrer Ausführung, der Entschluss, den Handlungsentwurf umzusetzen, dar.
== Einzelnachweise ==
<references/>


Die Differenz zwischen den Perspektiven von ''ego'' und ''alter'' ist von grundlegender Bedeutung für Schütz und wird auch an seinem Konzept des ''[[wikipedia:Motiv (Psychologie)|Motivs]]'' deutlich. In seiner [[wikipedia:Konstitutionsanalyse|Konstitutionsanalyse]], in der er nicht die Dinge analysiert, also das [[wikipedia:Sozial|Sozial]]e an sich, sondern wie diese auf uns wirken und wie sie von uns wahrgenommen werden, trifft er die Unterscheidung zwischen „Um-zu“-Motiven und „Weil“-Motiven. Dabei bilden erstere den Handlungsentwurf, der auf die zukünftige Realisierung der Handlung gerichtet ist, während letztere die (in der biographischen Vergangenheit des Handelnden liegenden) Gründe für dessen Entstehung angeben. ''Beispiel'' für ein „Um-zu“-Motiv: Der Täter beging den Überfall, um an das Geld des Opfers zu kommen. Zuerst findet der Handlungsentwurf statt, danach erfolgt das eigentliche Handeln – hier wird beschrieben, wie es zum Handeln kommt.
[[Kategorie:Leben zwischen Tod und neuer Geburt]] [[Kategorie:Reinkarnation und Karma]] [[Kategorie:Gnosis|F]] [[Kategorie:Barbelo-Gnosis]]
''Beispiel'' für ein „Weil“-Motiv: Der Täter beging den Überfall, weil er aus schlechten Verhältnissen stammte. In diesem Motiv wird dargestellt, wie es zum Handlungsentwurf kommt.
Diese Vorgehensweise ermöglicht eine personale (subjektive) [[wikipedia:Idealtypus|Idealtypus]]-Konstruktion, die durch den Vergleich mit alltäglichen sozialweltlichen Situationselementen das Verstehen von Handeln ermöglicht (und sei es durch Post-hoc-Erklärungen). Der hier erwähnte Idealtypus ist als Messeinheit zu sehen, nicht aber als ein Wert, den es anzustreben gilt. Bei der Frage nach dem Motiv einer Handlung ist die Perspektive maßgeblich: Das Um-zu-Motiv stellt den Sinn der Handlung dar, wie er vom Handelnden selbst unmittelbar verstanden wird. Der Beobachter muss danach fragen, was der Akteur beabsichtigt, welchen Sinn er selbst seiner Handlung gibt, um das Um-zu-Motiv zu erschließen. Bezüglich des Weil-Motivs befinden sich Beobachter und Handelnder in einer ähnlichen Situation. Da die Hintergründe für die Entstehung des Handlungsentwurfs in der Vergangenheit liegen und mit der Handlung nicht unmittelbar zu tun haben, muss sich auch der Handelnde zu sich selbst als Beobachter verhalten, um seine Weil-Motive zu erforschen. Er hat keinen privilegierten Zugang zu ihnen.
 
=== Lebenswelt und Soziologie des Alltags ===
Der von [[Edmund Husserl|Husserl]] stammende Begriff der [[Lebenswelt]], die Schütz als „''Gesamtzusammenhang der Lebenssphäre''“ (''Gesammelte Aufsätze I'': S. 284) begreift, meint die intersubjektiv sinnhafte Welt, an der Menschen durch ihre alltäglichen Handlungen, durch ihre natürliche (d.&nbsp;h. vorwissenschaftliche) Erfahrung teilhaben. In den frühen 40er Jahren vollzieht sich im Werk Schütz’ eine Wende zur Soziologie des Alltags, die auf ebendieser lebensweltlichen Fassung beruht. Grund für Schütz’ Distanzierung von der phänomenologischen [[Epoché|Reduktion]] und für seine Hinwendung zu Phänomenen der Lebenswelt und zu der mundanen [[wikipedia:Intersubjektivität|Intersubjektivität]], ist seine Enttäuschung über Husserls Fünfte ''Cartesianische Meditation''. In ihr findet Schütz nicht die erhoffte Lösung des Intersubjektivitätsproblems; seiner Meinung nach gelingt es Husserl nicht, „die Intersubjektivität alles Erkennens und Denkens transzendental abzuleiten“, wie es Schütz noch im 'Sinnhaften Aufbau' erwartet hatte (''Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt'': S. 30). Er wendet sich stattdessen im Zusammenhang mit der Möglichkeit von Intersubjektivität [[Max Scheler]] zu. Dessen Annahme, dass die Erfahrung der Gemeinschaft, des Wir, jeder Erfahrung vom Ich vorausgeht und diese fundiert, belegt für Schütz die Wichtigkeit der alltagsweltlichen Phänomene. Der Sozialität als lebensweltlichem Sachverhalt, nicht als phänomenologisch-transzendentalem, gilt folglich Schütz’ Interesse. Die Soziologie habe sich als eine Soziologie des Alltags der Erforschung der mundanen Intersubjektivität zu widmen, insbesondere solle sie die „''invarianten eigenwesentlichen Strukturen[…] einer Gemeinschaft''“ (''Gesammelte Aufsätze I'': S. 138) untersuchen. Dieses Ziel Schütz’ drückt sich auch im Titel seines von Thomas Luckmann fertiggestellten Hauptwerkes ''Strukturen der Lebenswelt'' aus.
 
Geprägt ist die Struktur der Lebenswelt durch die „natürliche Einstellung“, die dem Menschen die Existenz seiner alltäglichen Welt, die Erfahrungen, die er in ihr macht, und die Bedeutungen, die die Dinge in ihr haben, natürlich und unhinterfragbar erscheinen lassen. Als Ganzes kann diese Lebenswelt nicht in Zweifel gezogen werden, höchstens einzelne Aspekte sind hinterfragbar. Der Mensch orientiert sich in ihr, indem er pragmatischen Maximen folgt und Handlungsroutinen etabliert. Ihre Stabilität bezieht die Lebenswelt folglich auch aus der Zuversicht des Handelnden, dass sich Erlebnisse und Situationen gleichförmig gestalten und er selbst, auf seine Erfahrungen aufbauend, auch in Zukunft bestimmte Fähigkeiten einsetzen und Handlungen ausführen kann, die sich schon in der Vergangenheit bewährt haben.
 
Die Lebenswelt ist immer schon eine soziale Welt, die dem Einzelnen vorausgeht und von früheren Generationen erfahren und interpretiert wurde. In dem Sinne, dass sie mit anderen Menschen geteilt und gemeinsam gedeutet und kommuniziert wird, ist sie eine intersubjektive Welt und alles Wissen von und in ihr ist intersubjektiv. Der Wissensvorrat, auf den ein Mensch zurückgreift ist nur zu einem sehr geringen Teil persönlicher Natur; ein Großteil des Wissens ist sozial abgeleitet, indem es gesellschaftlich entwickelt und weitergegeben wird. Wissen ist in der Auffassung Schütz' die Summe aller Fertigkeiten, Erwartungen und Überzeugungen, aller Wahrnehmungsmuster und Handlungsrezepte, unabhängig ob sie im wissenschaftlichen Sinne als wahr gelten würden, sofern sie von einer gesellschaftlichen Gruppe als Wissen angesehen werden.
 
In seinem Aufsatz ''On Multiple Realities'' (1945), von William James deutlich beeinflusst, manifestiert sich Schütz’ Interesse an der Lebenswelt und deren Sinnzusammenhang, der sich in alltäglichen Sozialbeziehungen herausbildet, als eine Untersuchung von Merkmalen wie Bewusstseinsspannung und Aufmerksamkeitsstruktur, Relevanzsystem und kognitivem Stil. Er entwickelt die Theorie, dass es innerhalb der menschlichen Erfahrung vielfältige Sinnprovinzen (wie z.&nbsp;B. die Alltagswelt, die Welt des Traumes, des Spiels, der Wissenschaft, der Religion, der Kunst usw.) gibt, an denen der Mensch teilhaben kann. Eine herausragende Stellung nimmt dabei die Welt des Alltag ein, die als „paramount reality“ den „''Archetyp unserer Erfahrung der Wirklichkeit''“ darstellt (''Gesammelte Aufsätze I'': S. 267). Diese privilegierte Position der Alltagswelt und des alltäglichen Wissens beeinflusst auch Schütz’ Konzeption der Beziehung zwischen Wissenschaft und Alltag. Die Welt des Alltags unterscheidet sich von anderen Sinnprovinzen durch den spezifischen kognitiven Stil, wie die Wirklichkeit erlebt wird. Beispielsweise hebt sich das Erleben im Alltag bezüglich der Bewusstseinsspannung durch den Zustand der Wachheit, durch die völlige Aufmerksamkeit auf die Wirklichkeit von der Welt des Traumes ab, in der keinerlei Interesse an der Realität besteht. Des Weiteren zeichnet sich die Welt des Alltags dadurch aus, dass an ihr nicht gezweifelt wird und sich die Menschen in ihr als Handelnde erfahren, während der Träumer weder handelt noch auf äußere Sachverhalte einwirken kann. Ein wesentliches Merkmal der Alltagswelt ist ihre Sozialität; alltägliche Erfahrung ist grundlegend auf Kommunikation und soziales Handeln ausgerichtet. Und schließlich stellen auch die spezifische Selbsterfahrung und Zeitperspektive Merkmale dar, die die Welt des Alltags von anderen Sinnbereichen und Formen der Welterfahrung unterscheidet. In The ''Stranger: An Essay in Social Psychology'' (1944) und ''The Homecomer'' (1945) beschäftigt sich Schütz eingehender mit den Problemen, vor allem mit der Infragestellung der Identität des Menschen, die der Übergang von einer Sinnprovinz in eine andere nach sich ziehen kann.
 
Wie die Struktur unserer Erfahrung von der jeweiligen Sinnprovinz abhängt, ist auch die alltägliche Sozialwelt nach der Art unterteilbar, in der das Handeln der Anderen dem Akteur zugänglich ist. Schütz unterscheidet zwischen ''sozialer Umwelt, Mitwelt'' und ''Vorwelt'' und beschreibt die verschiedenen Ausprägungen, die das Problem intersubjektiven Verstehens in den jeweiligen sozialen Sphären annimmt. ''Face-to-face''-Interaktionen vollziehen sich in der sozialen Umwelt; diese zeichnet sich folglich durch die unmittelbare Präsenz ''alters'' für das ''ego'' an einem gemeinsamen Ort aus und ermöglicht eine direkte reziproke Reaktion auf Gesagtes und soziale Handlungen. Das Gelingen intersubjektiven Verstehens ist bei dieser Art des sozialen Kontaktes am wahrscheinlichsten, da sich die Interaktionspartner wechselseitig versichern können, ob ihre Deutungsschemata, ihre Sichtweisen der „Welt“ übereinstimmen und die Möglichkeit der kommunikativen Rückkopplung gegeben ist. Die soziale Mitwelt grenzt an den engen Kern der Umwelt und stellt alle Akteure dar, die für das ''ego'' prinzipiell erreichbar sind, weil sie zur gleichen Zeit leben, sich aber nicht am gleichen Ort aufhalten. Wissen über den Anderen, seine Motive und Sinnzusammenhänge kann nicht unmittelbar erworben werden. ''Ego'' muss sich an [[wikipedia:Deutungsmuster|typisierten]] Erwartungen und Motiven orientieren, die oft starken sozialen Standardisierungen und Normierungen unterworfen sind (z.&nbsp;B. formale Anreden in Briefen an Unbekannte). Die soziale Vorwelt ist weder unmittelbar noch mittelbar für den Akteur zu erreichen, da sie nicht seiner Gegenwart angehören. Er kann keinerlei Kontakt aufnehmen und ist auf eine einseitige Interpretation angewiesen. Dementsprechend gering ist die Wahrscheinlichkeit intersubjektiven Verstehens.
 
=== Typik und Relevanz ===
Die Hindernisse, die intersubjektivem Verstehen, zumindest einem vollständigen Verstehen, entgegenstehen, differieren abhängig von der sozialen Sphäre. Wie ist Fremdverstehen dann aber überhaupt denkbar? Schütz’ ''Generalthese der Existenz des alter ego'' darf als grundlegende Voraussetzung dafür gelten, denn nur wenn davon ausgegangen wird, dass der Andere wirklich und prinzipiell gleichartig ist, besteht die Möglichkeit zu Intersubjektivität. Der spezifische Sinn, den der Andere als ein in gleicher Weise bewusstes, denkendes und erinnerndes Wesen seinen Handlungen zugrunde legt, ist erschließbar, indem das Ich die eigenen Bewusstseinsleistungen und Sinnkonstitutionen untersucht. Um die Sichtweise ''alters'' einzunehmen muss ''ego'' also von der Annahme ausgehen, dass auch der Andere Interpretationsschemata verwendet, Handlungsmotive verfolgt und strukturidentische Gedankenströme besitzt, wenngleich diese von denen ''egos'' in ihrer spezifischen Ausgestaltung abweichen. Neben dem Vertrauen darauf, dass der Andere auf ähnliche Weise Wissen über die Welt generiert, ist das Handeln im Alltag im weiteren von der zumeist unbewussten Annahme geleitet, dass die Verschiedenartigkeit unseres Wissens über die Welt darauf beruht, dass der Andere aufgrund seiner biographischen Situation und seiner Position im Raum eine Perspektive einnimmt, die sich von der ''egos'' unterscheidet. Auch wenn sich die Differenz der Perspektiven nie vollständig aufheben lässt, kann sie doch für spezifische Interaktionssituationen ''neutralisiert'' werden. Dazu bedient sich der Mensch laut Schütz der ''Generalthese der Reziprozität der Perspektiven'', die auf zwei Idealisierungen beruht, nämlich der ''Idealisierung der Austauschbarkeit der Standpunkte'' und der ''Idealisierung der Übereinstimmung der Relevanzsysteme''.
 
Auf der ''Idealisierung der Austauschbarkeit der Standpunkte'' gründet sich die Sicherheit, dass ich das gleiche wahrnehmen würde wie mein Gegenüber, wäre ich an seiner Stelle und dass ich die Dinge in gleicher Perspektive, Distanz und Reichweite erfahren würde wie er. Darüber hinaus erwarte ich von ihm, dass er die gleiche Idealisierung vollzieht. Die ''Idealisierung der Übereinstimmung der Relevanzsysteme'' leugnet nicht, dass ich abhängig von meiner biographisch bestimmten Situation spezifische Interessen und Ziele habe und potentiell andere Dinge als relevant empfinde als mein Gesprächspartner, sie besagt vielmehr, dass beim Versuch einer Verständigung diese Unterschiede der Relevanzsysteme unbeachtet bleiben können. Für den momentanen Zweck, den der Andere und ich verfolgen, sind sie irrelevant. Vollziehen die Gesprächspartner diese Idealisierung wechselseitig ergibt sich im Alltag zumeist zwar keine vollständige – weil diese unmöglich ist –, aber eine für die Kommunikation ''ausreichende'' Übereinstimmung der Relevanzsysteme.
 
Um Schütz’ Herangehensweise an die Lösung des Intersubjektivitätsproblems nachzuvollziehen, ist es nötig, die Begriffe ''Typik'' und ''[[wikipedia:Bedeutsamkeit|Relevanz]]'' zu erläutern. Unter Typik versteht Schütz jenes Phänomen der Alltagswelt, das uns Personen (und Gegenstände) nur in sehr spezifischen Situationen als konkret und einzigartig erfahren lässt, in den meisten Fällen greifen wir hingegen auf ein Verständnis anderer Akteure als typische Vertreter einer sozialen Rolle zurück. Aufgrund der sprachlichen Vermittlung einer Welt bereits etablierter Typisierungen, in die wir hineingeboren werden, lernen wir Hunde, Freunde usw. stets schon als typische Hunde, typische Freunde usw. kennen. Typisierungen blenden also das Besondere einer Person (oder eines Gegenstandes), die Vielfalt ihrer Persönlichkeit aus, indem sie auf Vorerfahrungen verweisen. Durch diese Abstraktion erleichtern sie uns Verständigungsprozesse. Wir müssen in Interaktionen nicht „von Null“ anfangen, sondern können uns darauf verlassen, dass die typisierte Wahrnehmung des Anderen und das Unterstellen typischer Motive und Sinnstrukturen ausreicht, um vor dem praktischen Hintergrund der Situation eine Verständigung zu erzielen. In diesem Sinne sind sowohl ''ego'' wie ''alter'' Träger sozialer Rollen, die sich als Bündel typischer Motive und Handlungsmuster darstellen. Typisierungen werden dabei wechselseitig von den Gesprächspartnern verwendet und antizipiert.
 
„''Konstruiere ich den anderen als nur partielles Selbst, als Darsteller typischer Rollen oder Funktionen, so findet dies eine Entsprechung im Prozeß der Selbsttypisierung, der einsetzt, sobald ich mit dem Anderen in soziale Wirkensbeziehungen eintrete. Ich nehme an einer solchen Beziehung auch nicht als ganze Persönlichkeit, sondern nur mit bestimmten Persönlichkeitsschichten teil. Indem ich die Rolle des Anderen definiere, nehme ich selbst eine Rolle an''“ (''Gesammelte Aufsätze I'': S. 21). Um das mit einem Beispiel zu illustrieren: Betrete ich einen Supermarkt und frage dort einen Angestellten, in welchen Regal französischer Rotwein zu finden ist, lege ich nicht nur seine Rolle als typischer Supermarkt-Angestellter fest, der mir die gewünschte Auskunft – mehr oder weniger freundlich – erteilen wird, sondern auch meine als typischer Käufer. Für das Gelingen der Kommunikation spielt es weder eine Rolle, warum ich französischen Rotwein und nicht Weißwein kaufen will und warum gerade in diesem Supermarkt, noch warum er für diesen Supermarkt arbeitet o.ä.
 
Obwohl die alltäglichen Typisierungen auf einem persönlichen, wenn auch gesellschaftlich beeinflussten Relevanzsystem beruhen, wird ihm selbst kaum Beachtung geschenkt. Relevanz ist vor allem dann feststellbar, wenn alltägliche Typisierungen zu einem Problem werden. In seinem Aufsatz ''Strukturen der Lebenswelt'' (''Gesammelte Aufsätze III'': S. 154) umreißt Schütz sein Forschungsinteresse hinsichtlich des Problems der Relevanz anhand dreier Fragen: „''Wie kommt es überhaupt zur Stellung eines Problems, nämlich dazu, daß uns das fraglich gewordene auch des Fragens würdig erscheint? Was ist für die Lösung eines Problems relevant? Wann erscheint es uns als für unsere Zwecke ‚hinreichend‘ gelöst, so daß wir weitere Untersuchungen abbrechen?''“
 
Schütz unterscheidet drei Problemdimensionen. Die ''thematische Relevanz'' ist als Aufmerksamkeit oder Interesse für einen bestimmten Ausschnitt der Wirklichkeit gekennzeichnet; dieser Gegenstand wird für mich zum Thema. Vor dem Hintergrund meiner typischen Erfahrungen kann das Problem ''Auslegungs- oder Interpretationsrelevanz'' erfahren, wenn ich nämlich aus dem mir zur Verfügung stehenden Wissensvorrat bestimmte Typisierungen und Interpretationsschemata zur Lösung des Problems auswähle. Von ''motivationaler Relevanz'' spricht Schütz schließlich, wenn die Handlungsentwürfe, das System von Um-zu- und Weil-Motiven problematisiert werden. [[wikipedia:Soziales Handeln|Soziales Handeln]] im Alltag ist in den Relevanzstrukturen begründet. Da es durch wechselseitige Motivverkettung zu intersubjektiven Verstehen führen soll, ist soziales Handeln laut Schütz im Wesentlichen als Problemlösungssituation einer Face-to-face-Interaktion gekennzeichnet. Aus solchen konkreten „Wir-Beziehungen“ leitet sich jede Typik ab.
 
Die fundamentale Erfahrung des „Wir“ in der Unmittelbarkeit einer Face-to-face-Interaktion begründet die Fähigkeit zu intersubjektiven Verstehen. Da sich jede Typik aus einer konkreten „Wir-Beziehung“ ableitet, ist das auch für das typische Verstehen der Fall. Diese Typik bestimmt das mittelbare Erleben von mitweltlichen, d.&nbsp;h. abwesenden Anderen. Aber auch die Unmittelbarkeit einer umweltlichen Beziehung weist einen Bezug zu anderen Alltagswelten, zur Mitwelt und Vorwelt auf; und dieser Bezug hat eine Typik, er verweist auf Akte eines mittelbaren Erlebens, und damit auf Abgeleitetes, Appräsentes (d.&nbsp;h. nicht wahrgenommenes „Mitbewusstes“, das assoziativ mit einem präsenten Gegenstand o. ä. verbunden ist, z.&nbsp;B. appräsentiert der Leib ''alters'' seine Innerlichkeit, die für ''ego'' nicht unmittelbar gegeben ist). Indem Schütz auch in der unmittelbaren Präsenz, die die „Wir-Beziehung“ kennzeichnet, eine Verbindung zu den appräsenten Momenten anderer Sinnprovinzen feststellt, schafft er eine Theorie situativer Transzendenz. Der Alltag, konkrete Interaktionssituationen und umweltliche Beziehungen werden durch die Typik transzendiert und mit sozial, historisch, mythisch oder wissenschaftlich Appräsenten in Beziehung gesetzt.
 
=== Wissenschaft und Alltagswelt ===
Aus den bisherigen Ausführungen ist hervorgegangen, dass Schütz die [[Wissenschaft]] als eine Sinnprovinz auffasst, die keineswegs über die des alltäglichen Lebens zu stellen ist. Diese Einordnung der Wissenschaft als einen Sinnbereich unter vielen, von denen nur die Alltagswelt der Beschreibung als „paramount reality“, als ausgezeichnete Wirklichkeit gerecht wird, stellt eine besondere Leistung des Schütz’schen Werkes dar. Hinsichtlich wissenschaftlicher Theorien trennt er strikt zwischen ihrem Entstehungs- und ihrem Verwendungszusammenhang und sieht ihren Zweck nicht in einem konkreten Verwertungsinteresse. „''Die Bildung wissenschaftlicher Theorie [...] dient keinem praktischen Zweck. Ihr Ziel ist es nicht, die Welt zu beherrschen, sondern sie zu beobachten und sie nach Möglichkeit zu verstehen''“ (''Gesammelte Aufsätze I'': S. 282). Für eine handlungsverstehende Soziologie gilt, die Prozesse der Sinnkonstitution und –interpretation der lebensweltlichen Akteure nachzuvollziehen. Damit unterscheiden sich die [[wikipedia:Sozialwissenschaften|Sozialwissenschaften]] wesentlich von den [[Naturwissenschaft]]en, deren Objektbereich keine bewusste Selbstdefinition und Deutung für sich beansprucht. „''Das Beobachtungsfeld des Sozialwissenschaftlers, also die [[wikipedia:soziale Wirklichkeit|soziale Wirklichkeit]], hat dagegen eine besondere Bedeutung und Relevanzstruktur für die in ihr lebenden, handelnden und denkenden menschlichen Wesen. Sie haben diese Welt, in der sie die Wirklichkeit ihres täglichen Lebens erfahren, in einer Folge von Konstruktionen des Alltagsverstandes bereits vorher ausgesucht und interpretiert''“ (''Gesammelte Aufsätze I:'' S. 68). Der Sozialwissenschaftler kann die Tatsache, dass Menschen ein Selbstverständnis ihrer subjektiv sinnhaften Handlungen entwickeln, nicht ignorieren, vielmehr muss er auf diesen Interpretationen und Konstruktionen aufbauen. „''Daher sind die Konstruktionen der Sozialwissenschaften sozusagen Konstruktionen zweiten Grades, das heißt Konstruktionen von Konstruktionen jener Handelnden im Sozialfeld, deren Verhalten der Sozialwissenschaftler beobachten und erklären muß [...]''“ (''Gesammelte Aufsätze I'': S. 68).
 
Schütz betont damit den – in ihrer spezifischen Art der Welterfassung begründeten – konstruktiven Charakter der Sozialwissenschaften. Er formuliert Anforderungen, denen die Wissenschaft in ihrer Bemühung Wirklichkeit in modellhafter und [[wikipedia:Idealtypus|idealtypischer]] Weise ''verstehend'' nachzuzeichnen, gerecht werden muss. Das ''Postulat der logischen Konsistenz'' fordert, dass die vom Wissenschaftler konstruierten Typisierungen und Idealtypen mit Grundsätzen der [[wikipedia:Formale Logik|formalen Logik]] vereinbar sind und ihre Formulierung möglichst klar und deutlich ist. Das ''Postulat der [[Rationalität]]'' soll die potentielle Verifizierung wissenschaftlicher Annahmen und die Konstruktion eines validen Modells sozialer Wirklichkeit sicherstellen. Dem ''Postulat der subjektiven Auslegung'' entsprechend, müssen die wissenschaftlichen Idealtypen auf den subjektiven Sinn, den sie in der Lebenswelt entfalten, rückführbar sein. Und schließlich sollen die Begriffe, denen sich der Wissenschaftler bedient, dem Postulat der Adäquanz folgend, auch für den alltagsweltlichen Akteur selbst verstehbar und vernünftig sein.
 
== Bedeutung des Schütz’schen Werkes für die Sozialwissenschaften ==
Gleichwohl sich das Werk von Schütz hervorragend für philosophisch orientiertes Arbeiten eignet, blieben doch Möglichkeiten für empirisch forschende Ansätze nur schwach ausgebildet. Das änderte sich erst mit [[wikipedia:Harold Garfinkel|Harold Garfinkel]]s [[wikipedia:Ethnomethodologie|Ethnomethodologie]], die das Schütz'sche Werk als theoretische Vorarbeit nutzt.
 
Dass es einige Zeit in Anspruch nahm, bis Schütz’ phänomenologischer Ansatz in den Sozialwissenschaften rezipiert wurde, mag vielerlei Gründe haben. Schließlich war er lange gezwungen, seiner theoretischen Arbeit nur in den Nächten und Urlauben, außerhalb seiner Tätigkeit als Bankier, nachzugehen. Als er fast vierzigjährig emigrieren musste, war sein auf Deutsch erschienenes Erstlingswerk ''Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt'' in den USA kaum bekannt. Dort wurde das akademische Leben einerseits von der Idee spezifisch empirischer Forschung, vertreten von [[wikipedia:Robert K. Merton|Robert K. Merton]] und [[wikipedia:Paul Lazarsfeld|Paul Lazarsfeld]] ([[wikipedia:Columbia University|Columbia University]]), dominiert, andererseits hatte [[Talcott Parsons]] ([[wikipedia:Harvard University|Harvard University]]) [[wikipedia:Strukturfunktionalismus|Strukturfunktionalismus]] enormen Einfluss auf die amerikanische Soziologie. Die positivistisch-quantitative Forschungsweise des ''department of sociology'' der Columbia University unterschied sich stark von der humanistischen Orientierung der ''New School'', an der Schütz lehrte, und setzte sich im wissenschaftlichen Klima der 1950er Jahre, das angewandter Soziologie den Vorzug gab, durch. Eine Annäherung der theoretischen Positionen Schütz’ und Parsons schlug fehl, wie ihr Briefwechsel dokumentiert. Darüber hinaus waren viele von Schütz’ Artikeln, oft in philosophischen Fachzeitschriften veröffentlicht, der Allgemeinheit nur schwer zugänglich.
 
So ist es kaum verwunderlich, dass Schütz zu Lebenszeiten in akademischen Kreisen kaum wahrgenommen wurde. Umso bedeutsamer war aber sein Einfluss auf Sozialwissenschaftler, die bei Schütz an der ''New School'' studierten. [[wikipedia:Maurice Natanson|Maurice Natanson]] befasste sich vor dem Hintergrund der existentialistischen Tradition mit einer philosophischen Grundlegung der Rollentheorie, während sich [[wikipedia:Richard Zaner|Richard Zaner]] der Frage der Intersubjektivität und der Relevanz widmete. Schütz übte starken Einfluss auf den Soziologen [[wikipedia:Helmut Wagner (Politikwissenschaftler)|Helmut Wagner]] aus, der die Richtung und Inhalte seiner Forschungstätigkeit über seine Schütz-Anhängerschaft definierte. Zwei andere Studenten Schütz’, die es zu großer Bekanntheit gebracht haben, sind [[wikipedia:Peter L. Berger|Peter L. Berger]] und [[wikipedia:Thomas Luckmann|Thomas Luckmann]]. Vor allem in ihrem gemeinsamen Werk ''[[wikipedia:Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit|Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit]]'' führten sie die Gedanken ihres Lehrers weiter und trugen wesentlich zur Verbreitung von ihm angeregter Überlegungen bei. Sie brachten eine sozial-konstruktivistische, [[wikipedia:Wissenssoziologie|wissenssoziologische Theorie]] zur Entfaltung, die sich auf Schütz beruft, aber wesentlich über ihn hinausgeht. Über Berger und Luckmann fanden auf Schütz zurückgehende theoretische Annahmen auch Einzug in die [[wikipedia:Organisationstheorie|Organisationstheorie]], insbesondere in die Grundannahmen des [[wikipedia:soziologischer Neoinstitutionalismus|Neoinstitutionalismus]].
 
Die stärkste Modifikation haben Schütz’ Gedanken in ihrer Beeinflussung Harold Garfinkels erfahren, der als der Begründer der Ethnomethodologie gilt. In seinen frühen Untersuchungen benutzte Garfinkel Schütz theoretische Einsichten in der Absicht, Parsons Annahmen zur sozialen Ordnung empirisch zu überprüfen. Er kam schließlich zu der Ansicht, dass Parsons hinsichtlich einer gesellschaftlich geteilten Kultur und der Zweckrationalität als bestimmend für gelingende Interaktion irrt. Garfinkel wendete sich der Untersuchung der Methoden zu, die Alltagsakteure verwenden, um ihr Wissen und ihre Auffassungen zu kommunizieren. Rationalität, Sinn und gelingende Verständigung stellen als Ergebnis sozialen Handelns die Leistung von Akteuren dar. Wenn auch nicht davon gesprochen werden kann, dass Garfinkel an Schütz’ Gedanken und Arbeit anschließt und diese fortsetzt, so wären die Anfänge der Ethnomethodologie doch undenkbar ohne die theoretische und methodische Vorarbeit von Schütz.
 
== Schriften ==
 
'''Einzelausgaben'''
* ''Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Eine Einleitung in die verstehende Soziologie.'' Springer, Wien 1932.
* mit [[wikipedia:Thomas Luckmann|Thomas Luckmann]]: ''[[wikipedia:Strukturen der Lebenswelt|Strukturen der Lebenswelt]]'' (Soziologische Texte; Bd. 82). Luchterhand, Neuwied 1975, ISBN 3-472-72582-6.
* ''Gesammelte Aufsätze.'' Nijhoff, Den Haag, 1971–1972 (Aus dem Amerikanischen übersetzt und mit einem „Nachwort zur Übersetzung“ von [[wikipedia:Benita Luckmann|Benita Luckmann]] und [[wikipedia:Richard Grathoff|Richard Grathoff]].)
# ''Das Problem der sozialen Wirklichkeit''. Mit einer Einführung von [[wikipedia:Aron Gurwitsch|Aron Gurwitsch]]. 1971, ISBN 90-247-5116-0.
# ''Studien zur soziologischen Theorie''. Arvid Brodersen (Hrsg.). 1972, ISBN 90-247-1498-2.
# ''Studien zur phänomenologischen Philosophie''. Ilse Schütz (Hrsg.). 1971, ISBN 90-247-1169-X.
* ''Das Problem der Relevanz''. Hrsg. und erläutert von Richard M. Zaner. Mit einer Einleitung von Thomas Luckmann. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-518-27971-8.
* ''Zur Theorie sozialen Handelns. Ein Briefwechsel'' („The theory of social action. The correspondence of Alfred Schutz and Talcott Parsons“). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3-518-07802-X.
* ''Theorie der Lebensformen. Frühe Manuskripte aus der Bergson-Periode'' (stw; Bd. 350). Herausgegeben und eingeleitet von [[wikipedia:Ilja Srubar|Ilja Srubar]]. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-518-07950-6.
 
'''Werkausgabe'''
* Richard Grathoff, Hans-Georg Soeffner und Ilja Srubar (Hrsg.): ''Alfred Schütz-Werkausgabe''. UVK-Verlag, Konstanz 2003 ff., ISBN 978-3-89669-738-7
# Bd. Sinn und Zeit : frühe Wiener Studien / hrsg. von Matthias Michailow [http://d-nb.info/965882268/04 Inhaltsverzeichnis]
# Bd. Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt : eine Einleitung in die verstehende Soziologie / hrsg. von Martin Endreß und Joachim Renn
# Bd., Teil 1: Philosophisch-phänomenologische Schriften / 1., Zur Kritik der Phänomenologie Edmund Husserls / hrsg. von Gerd Sebald nach Vorarbeiten von Richard Grathoff ; Thomas Michael [http://d-nb.info/965882462/04 Inhaltsverzeichnis] ;Teil 2: Philosophisch-phänomenologische Schriften / 2., Studien zu Scheler, James und Sartre / hrsg. von Hansfried Kellner und Joachim Renn
# Bd. Zur Methodologie der Sozialwissenschaften / hrsg. von Thomas Samuel Eberle ... [http://d-nb.info/965882209/04 Inhaltsverzeichnis]
# Bd., Teil 1: Theorie der Lebenswelt / 1., Die pragmatische Schichtung der Lebenswelt / hrsg. von Martin Endreß und Ilja Srubar ;Teil 2: Theorie der Lebenswelt / 2., Die kommunikative Ordnung der Lebenswelt / hrsg. von Hubert Knoblauch ...
# Bd., Teil 1: Relevanz und Handeln / 1., Zur Phänomenologie des Alltagswissens / hrsg. von Elisabeth List unter Mitarb. von Cordula Schmeja-Herzog ;Teil 2:  Relevanz und Handeln / 2., Gesellschaftliches Wissen und politisches Handeln / hrsg. von Andreas Göttlich ... [http://d-nb.info/965880567/04 Inhaltsverzeichnis]
# Bd. Schriften zur Musik / Alfred Schütz ; herausgegeben von Gerd Sebald und Andreas Georg Stascheit [http://d-nb.info/965883760/04 Inhaltsverzeichnis]
# Bd. Schriften zur Literatur / hrsg. von Jochen Dreher ; Michael D. Barber [http://d-nb.info/965883752/04 Inhaltsverzeichnis]
 
== Literatur ==
 
'''Lexikonartikel'''´
* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/schutz/||Michael Barber}}
* {{NDB|23|658|660|Schütz (Schutz), Alfred|Dirk Kaesler|118611135}}
* {{BBKL|s/s1/schuetz_al|band=9|spalten=1054-1056|autor=Kay-Volker Koschel|artikel=SCHÜTZ, Alfred}}
 
'''Aufsätze'''
* Jochen Dreher: ''Alfred Schutz'' In: George Ritzer, Jeff Stepnisky (Hrsg.): ''The Wiley-Blackwell Companion to Major Social Theorists, Vol. I'' Wiley-Blackwell, Oxford 2011, ISBN 978-1-4443-3078-6, S. 489-510.
* Thomas S. Eberle: ''Schütz' Lebensweltanalyse. Soziologie oder Protosoziologie?'' In: Angelica Bäumer, [[Michael Benedikt (Philosoph)|Michael Benedikt]] (Hrsg.): ''Gelehrtenrepublik – Lebenswelt. [[Edmund Husserl]] und Alfred Schütz in der Krisis der phänomenologischen Bewegung.'' Passagen, Wien 1993, ISBN 3-900767-77-7, S. 293–320.
* [[Martin Endreß]]: ''Alfred Schütz. Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt.'' In: [[Dirk Kaesler]], [[Ludgera Vogt]] (Hrsg.): ''Hauptwerke der Soziologie.'' 2. Auflage. Kröner, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-520-39602-0, S. 371–377.
* Martin Endreß: ''Alfred Schütz.'' In: Dirk Kaesler (Hrsg.): ''Von [[Auguste Comte]] bis Alfred Schütz'' (Klassiker der Soziologie; Band 1). 5. Auflage. Beck, München 2006, ISBN 3-406-54749-4, S. 338–357.
* [[Hubert Knoblauch]]: ''Diskurs, Kommunikation und Wissenssoziologie.'' In: [[Reiner Keller]] u.a. (Hrsg.): ''Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse.'' Band 1: ''Theorien und Methoden.'' VS, Wiesbaden 2001, ISBN 3-8100-2851-7, S. 207–223.
* Hubert Knoblauch, Thomas Luckmann: ''Gattungsanalysw.'' In: Uwe Flick u.a. (Hrsg.): ''Qualitative Forschung.'' Rowohlt, Reinbek 2000, ISBN 3-499-55628-6, S. 538–546 (früherer Titel ''Handbuch qualitative Sozialforschung'').
* George Psathas: ''Alfred Schutz's Influence on American Sociologists and Sociology.'' In: ''Human Studies'', Band 27, 2004, S. 1–35.
* Steven Vaitkus: ''Phenomenology and Sociology.'' In: Bryan S. Turner (Hrsg.): ''The Blackwell Companion to Social Theory.'' Blackwell Publ., London 2000, ISBN 0-631-21366-X, S. 270–298.
 
'''Bücher'''
* Martin Endreß: ''Alfred Schütz'' (Klassiker der Wissenssoziologie; Band 3). UVK, Konstanz 2006, ISBN 978-3-89669-547-5.
* [[Richard Grathoff]]: ''Alfred Schütz.'' In: Dirk Kaesler (Hrsg.): ''Von [[Max Weber|Weber]] bis [[Karl Mannheim|Mannheim]]'' (Klassiker des soziologischen Denkens; Band 2). Beck, München 1978, ISBN 3-406-06457-4.
* Richard Grathoff (Hrsg.): ''Briefwechsel 1939–1959. (Alfred Schütz und Aron Gurwitsch)'' (Übergänge; Band 4.). Fink, München 1985, ISBN 3-7705-2260-5 (mit einer Einleitung von [[Ludwig Landgrebe]]).
* Michael Hanke: ''Alfred Schütz. Einführung.'' Passagen, Wien 2002, ISBN 3-85165-434-X.
* Peter J. Opitz (Hrsg.): ''Briefwechsel über „Die neue Wissenschaft der Politik“. (Alfred Schütz mit [[Eric Voegelin]] & [[Leo Strauss]] & Aron Gurwitsch).'' Alber, Freiburg i. Br. 1993, ISBN 3-495-47757-8 (Alber-Reihe praktische Philosophie; 46.).
* Wolfgang L. Schneider: ''[[Max Weber|Weber]], [[Talcott Parsons|Parsons]], [[Margaret Mead|Mead]], Schütz'' (Grundlagen der soziologischen Theorie; Band 1). VS, Wiesbaden 2002, ISBN 978-3531-15829-7.
* Ilja Srubar: ''Kosmion. Die Genese der pragmatischen Lebenswelttheorie von Alfred Schütz und ihr anthropologischer Hintergrund.'' Suhrkamp, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-518-57891-X.
 
== Siehe auch ==
* [[Wikipedia:Alfred Schütz|Alfred Schütz]]
* [[wikipedia:Appräsentation|Appräsentation]]
* [[wikipedia:Phänomenologische Soziologie|Phänomenologische Soziologie]]
 
== Weblinks ==
* {{DNB-Portal|118611135}}
* [http://www.waseda.jp/Schutz/AlfredEng.htm Alfred Schutz Archive] des Department of Sociology der Waseda-Universität; mit umfangreicher Bibliographie
* {{IEP|http://www.iep.utm.edu/s/schutz.htm||Lester Embree}}
* [http://www.soziologie.phil.uni-erlangen.de/research/alfred-schuetz-werkausgabe Editionsprojekt der Alfred Schütz Werkausgabe] an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
* [http://www.uvk.de/asw/index.html Alfred Schütz Werkausgabe (UVK)]
* [http://www.kfunigraz.ac.at/sozwww/agsoe/lexikon/klassiker/schutz/41bib.htm Bibliografie von Alfred Schütz] an der Karl-Franzens-Universität Graz
* [http://cms.uni-konstanz.de/soz-archiv/aktuelles/ Alfred-Schütz-Gedächtnis–Archiv] im Sozialwissenschaftlichen Archiv Konstanz der Universität Konstanz
* Alfred Schütz im [http://koloss3.mykowi.net/index.php?option=com_content&view=article&id=9&Itemid=10 kommunikationswissenschaftlichen Lern-Online-Software-System (KOLOSS)] auf [http://www.mykowi.net myKoWi.net] (Universität Duisburg-Essen); mit Foto
* [http://de.wikibooks.org/wiki/Soziologische_Klassiker/_Sch%C3%BCtz,_Alfred  wikibooks Alfred Schütz]
 
{{SORTIERUNG:Schütz, Alfred}}
[[Kategorie:Philosoph]]
[[Kategorie:Phänomenologe]]
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[[Kategorie:Österreicher]]
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[[Kategorie:Mann]]
 
{{wikipedia}}

Version vom 2. Dezember 2020, 13:09 Uhr

Ein ewiges Leben, einen Fortbestand des Menschen über den irdischen Tod hinaus, verheißen die meisten Religionen. Darüber, wie sich dieses Leben nach dem Tod gestaltet, gibt es allerdings sehr unterschiedliche, einander scheinbar widersprechende Anschauungen. Von der Unsterblichkeit, d.h. dem Fortbestand der Seele bzw. des Geistes, zu unterscheiden ist die Auferstehung des Leibes, bei der auch die leibliche Gestalt in unverweslicher Form erhalten bleibt. Verbreitet ist auch ist auch die Anschauung von einem Totengericht und einer Läuterungszeit (Fegefeuer, Kamaloka) nach dem Tod oder einer ewigen Verdammnis in der Unterwelt. Einige Religionen gehen von einem einmaligen Erdenleben des Menschen aus, an das sich das ewige Leben anschließt, wobei manche auch von einem rein geistigen Dasein vor der Geburt zu diesem Erdenleben, also von einem vorbereitenden Zustand der Ungeborenheit ausgehen, während andere, wie z.B. die meisten christlichen Konfessionen, diese Vorstellung verwerfen und als häretisch ansehen. Weit verbreitet ist die Annahme von wiederholten Erdenleben in Form von Reinkarnation oder Seelenwanderung, vor allem in den östlich-orientalischen Regligionen, teilweise aber auch im Judentum als Gilgul Neschamot (hebr. גִלְגּוּל נְשָמוֹת, wörtl. das Rollen der Seelen). Das Ideal der Buddhisten ist, aus diesem Rad der Wiedergeburten (Samsara) auszubrechen und endgültig im Nirvana zu verlöschen; das ewige Leben erschein hier als leidvolles Verhängnis, das aber überwunden werden kann, wenn man den Vier Edlen Wahrheiten des Gautama Buddha folgt.

Für die materialistische Weltanschauung endet das Leben unwiederbringlich mit dem Tod; der Tote „lebt“ höchstens für eine mehr oder weniger begrenzte Zeit im Gedächtnis der Zurückgebliebenen fort. Ein solche Anschauung vertraten nach Flavius Josephus schon die jüdischen Sadduzäer und standen damit im Gegensatz zu den Pharisäern. Sich dem Gedächtnis nachfolgender Generationen durch bedeutsame Taten im Erdenleben möglichst nachhaltig einzuschreiben, galt und gilt vielfach als erstrebenswertes Ziel, frei nach dem Motto von Goethes «Faust»: „Es kann die Spur von meinen Erdentagen nicht in Äonen untergehn.“ Schon im alten Ägypten trachtete man danach, den Namen für die Nachwelt zu erhalten. Herostratos wollte seinen Namen unsterblich machen, indem er die Brandfackel in den Tempel der Artemis in Ephesos warf - nach Plutarch just in jener Nacht, in der Alexander der Große geboren wurde (am 20. Juli 356 v. Chr.). Ebenfalls seit der ägyptischen Zeit war die Damnatio memoriae, die Löschung des Namens aus dem kulturellen Gedächtnis, ein beliebtes Mittel zur Verdammung unliebsamer Personen; oft wurde allerdings gerade durch diese Verfluchung die Erinnerung besonders stark wachgehalten, teilweise vielleicht auch ganz bewusst im Sinne eines verwerflichen, abschreckenden Beispiels.

Neues Testament

Im griechischen Text des Neuen Testaments wird das von Gott in seiner Gnade durch die Verbindung mit dem Christus geschenkte, unzerstörbare Ewige Leben Zoe (griech. ζωήLeben“) genannt, das sich dadurch vom vergänglichen irdischen Leben, dem bios (griech. βίος), unterscheidet. So heißt es etwa im 1. Brief des Johannes:

„11 Und das ist das Zeugnis, dass uns Gott das ewige Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohn. 12 Wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht. 13 Das habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr das ewige Leben habt, die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes.“

Erster Brief des Johannes: 1 Joh 5,11-13 LUT

Und ähnlich im Johannesevangelium:

„24 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen.“

Johannesevangelium: Joh 5,24 LUT

Das ewige Leben in der Barbelo-Gnosis

In der Barbelo-Gnosis ist das «ewige Leben» nach dem Bericht des Irenäus von Lyon eine der Äonen, die aus dem «unnennbaren Vater» emaniert wurden. Ihr Partner ist «Thelema», der göttliche Wille.

„In dem jungfräulichen Geiste befindet sich ein nie alternder Äon, den sie Barbelo nennen. Dort ist auch ein unnennbarer Vater, der sich des Barbelo offenbaren wollte. Die Barbelo oder Ennoia trat vor sein Angesicht und forderte von ihm die Prognosis. Da nun die Prognosis hervorgegangen war, erschien weiter auf Bitten beider die Aphtharsia[1], darauf das ewige Leben. Wie sie aber hierüber sich mächtig freute und erhob und über ihre Empfängnis sich ergötzte, da schuf er in sie hinein ein ihr ähnliches Licht. Das ist der Anfang aller Erleuchtung und Schöpfung. Wie der Vater das Licht erblickte, da salbte er es mit seiner Güte, damit es vollkommen werde. So wurde Christus[2]. Der wiederum verlangte, daß ihm der Nous gegeben werde, und der Nous ging hervor. Alsdann sandte der Vater den Logos aus. Darauf kamen die Verbindungen zustande zwischen der Ennoia und dem Logos, zwischen der Aphtharsia und Christus; das ewige Leben aber wurde mit dem Thelema verbunden und der Nous mit der Prognosis. Diese priesen das große Licht und die Barbelo.“

Irenäus von Lyon: Contra Haereses I 29,1 [1]

Einzelnachweise

  1. Aphtharsia griech. ἀφθαρσία „Unversehrtheit, Unsterblichkeit, Unbestechlichkeit“
  2. der Gesalbte