Bibliothek:Rudolf Steiner/Werke/GA 9 Theosophie/Die drei Welten/III. Das Geisterland und Bibliothek:Rudolf Steiner/Werke/GA 9 Theosophie/Die drei Welten/II. Die Seele in der Seelenwelt nach dem Tode: Unterschied zwischen den Seiten

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=== III. Das Geisterland ===
=== II. Die Seele in der Seelenwelt nach dem Tode ===


Bevor nun der Geist auf seiner weiteren Wanderung betrachtet werden kann, muß das Gebiet selbst erst beobachtet werden, das er betritt. Es ist die «Welt des Geistes». Diese Welt ist der physischen so unähnlich, daß alles das, was über sie gesagt wird, demjenigen wie Phantastik Vorkommen muß, der nur seinen physischen Sinnen Vertrauen will. Und in noch höherem Maße gilt hier, was schon bei der Betrachtung der «Welt der Seele» gesagt worden ist: man muß sich der Gleichnisse bedienen, um zu schildern. Denn unsere Sprache, die zumeist nur der sinnlichen Wirklichkeit dient, ist mit Ausdrücken, die sich für das «Geisterland» unmittelbar anwenden lassen, nicht gerade reich gesegnet. Besonders hier muß daher gebeten werden, manches, was gesagt wird, nur als Andeutung zu verstehen. Es ist alles, was hier beschrieben wird, der physischen Welt so unähnlich, daß es nur in dieser Weise geschildert werden kann. Der Schreiber dieser Darstellung ist sich immer bewußt, wie wenig seine Angaben wegen der Unvollkommenheit unserer für die physische Welt berechneten sprachlichen Ausdrucksmittel wirklich der Erfahrung auf diesem Gebiete gleichen können.<br>Vor allen Dingen muß betont werden, daß diese Welt aus dem Stoffe (auch das Wort «Stoff» ist natürlich hier in einem sehr uneigentlichen Sinne gebraucht) gewoben ist, aus dem der menschliche Gedanke besteht. Aber so wie der Gedanke im Menschen lebt, ist er nur ein Schattenbild, ein Schemen seiner wirklichen Wesenheit Wie der Schatten eines Gegenstandes an einer Wand sich zum wirklichen Gegenstand verhält, der diesen Schatten wirft, [121] so verhält sich der Gedanke, der durch den menschlichen Kopf erscheint, zu der Wesenheit im «Geisterland», die diesem Gedanken entspricht. Wenn nun der geistige Sinn des Menschen erweckt ist, dann nimmt er diese Gedankenwesenheit wirklich wahr, wie das sinnliche Auge einen Tisch oder einen Stuhl wahrnimmt. Er wandelt in einer Umgebung von Gedankenwesen. Das sinnliche Auge nimmt den Löwen wahr und das auf Sinnliches gerichtete Denken bloß den Gedanken des Löwen als ein Schemen, als ein schattenhaftes Bild. Das geistige Auge sieht im «Geisterland» den Gedanken des Löwen so wirklich wie das sinnliche den physischen Löwen. Wieder kann hier auf das schon bezüglich des «Seelenlandes» gebrauchte Gleichnis verwiesen werden. Wie dem operierten Blindgeborenen auf einmal seine Umgebung mit den neuen Eigenschaften der Farben und Lichter erscheint, so erscheint demjenigen, der sein geistiges Auge gebrauchen lernt, die Umgebung mit einer neuen Welt erfüllt, mit der Welt lebendiger Gedanken oder Geistwesen. - In dieser Welt sind nun zunächst die geistigen Urbilder aller Dinge und Wesen zu sehen, die in der physischen und in der seelischen Welt vorhanden sind. Man denke sich das Bild eines Malers im Geiste vorhanden, bevor es gemalt ist. Dann hat man ein Gleichnis dessen, was mit dem Ausdruck Urbild gemeint ist. Es kommt hier nicht darauf an, daß der Maler ein solches Urbild vielleicht nicht im Kopfe hat, bevor er malt; daß es erst während der praktischen Arbeit nach und nach vollständig entsteht. In der wirklichen «Welt des Geistes» sind solche Urbilder für alle Dinge vorhanden, und die physischen Dinge und Wesenheiten sind Nachbilder dieser Urbilder. - Wenn [122] derjenige, welcher nur seinen äußeren Sinnen vertraut, diese urbildliche Welt leugnet und behauptet, die Urbilder seien nur Abstraktionen, die der vergleichende Verstand von den sinnlichen Dingen gewinnt, so ist das begreiflich; denn ein solcher kann eben in dieser höheren Welt nicht wahrnehmen; er kennt die Gedankenwelt nur in ihrer schemenhaften Abstraktheit. Er weiß nicht, daß der geistig Schauende mit den Geisteswesen so vertraut ist wie er selbst mit seinem Hunde oder seiner Katze und daß die Urbilderwelt eine weitaus intensivere Wirklichkeit hat als die sinnlich-physische.<br>Allerdings ist der erste Einblick in dieses «Geisterland» noch verwirrender als derjenige in die seelische Welt. Denn die Urbilder in ihrer wahren Gestalt sind ihren sinnlichen Nachbildern sehr unähnlich. Ebenso unähnlich sind sie aber auch ihren Schatten, den abstrakten Gedanken. - In der geistigen Welt ist alles in fortwährender beweglicher Tätigkeit, in unaufhörlichem Schaffen. Eine Ruhe, ein Verweilen an einem Orte, wie sie in der physischen Welt vorhanden sind, gibt es dort nicht. Denn die Urbilder sind schaffende Wesenheiten. Sie sind die Werkmeister alles dessen, was in der physischen und seelischen Welt entsteht. Ihre Formen sind rasch wechselnd; und in jedem Urbild liegt die Möglichkeit, unzählige besondere Gestalten anzunehmen. Sie lassen gleichsam die besonderen Gestalten aus sich hervorsprießen; und kaum ist die eine erzeugt, so schickt sich das Urbild an, eine nächste aus sich hervorquellen zu lassen. Und die Urbilder stehen miteinander in mehr oder weniger verwandtschaftlicher Beziehung. Sie wirken nicht vereinzelt. Das eine bedarf der Hilfe des andern zu seinem Schaffen. Unzählige [123] Urbilder wirken oft zusammen, damit diese oder jene Wesenheit in der seelischen oder physischen Welt entstehe.<br>Außer dein, was durch «geistiges Sehen» in diesem «Geisterlande» wahrzunehmen ist, gibt es hier noch etwas anderes, das als Erlebnis des «geistigen Hörens» zu betrachten ist. Sobald nämlich der «Hellsehende» aufsteigt aus dem Seelen- in das Geisterland, werden die wahrgenommenen Urbilder auch klingend. Dieses «Klingen» ist ein rein geistiger Vorgang. Es muß ohne alles Mitdenken eines physischen Tones vorgestellt werden. Der Beobachter fühlt sich wie in einem Meere von Tönen. Und in diesen Tönen, in diesem geistigen Klingen drücken sich die Wesenheiten der geistigen Welt aus. In ihrem Zusammenklingen, ihren Harmonien, Rhythmen und Melodien prägen sich die Urgesetze ihres Daseins, ihre gegenseitigen Verhältnisse und Verwandtschaften aus. Was in der physischen Welt der Verstand als Gesetz, als Idee wahrnimmt, das stellt sich für das «geistige Ohr» als ein Geistig-Musikalisches dar. (Die Pythagoreer nannten daher diese Wahrnehmung der geistigen Welt «Sphärenmusik». Dem Besitzer des «geistigen Ohres» ist diese «Sphärenmusik» nicht bloß etwas Bildliches, Allegorisches, sondern eine ihm wohlbekannte geistige Wirklichkeit.) Man muß nur, wenn man einen Begriff von dieser «geistigen Musik» erhalten will, alle Vorstellungen von sinnlicher Musik beseitigen, wie sie durch das «stoffliche Ohr» wahrgenommen wird. Es handelt sich hier eben um «geistige Wahrnehmung», also um eine solche, die stumm bleiben muß für das «sinnliche Ohr». In den folgenden Beschreibungen des «Geisterlandes» sollen der Einfachheit [124] halber die Hinweise auf diese «geistige Musik» weggelassen werden. Man hat sich nur vorzustellen, daß alles, was als «Bild», als ein «Leuchtendes» beschrieben wird, zugleich ein Klingendes ist. Jeder Farbe, jeder Lichtwahrnehmung entspricht ein geistiger Ton, und jedem Zusammenwirken von Farben entspricht eine Harmonie, eine Melodie und so weiter. Man muß sich nämlich durchaus vergegenwärtigen, daß auch da, wo das Tönen herrscht, das Wahrnehmen des «geistigen Auges» nicht etwa aufhört. Es kommt eben das Tönen zu dem Leuchten nur hinzu. Wo von «Urbildern» in dem Folgenden gesprochen wird, sind also die «Urtöne» hinzuzudenken. Auch andere Wahrnehmungen kommen hinzu, die gleichnisartig als «geistiges Schmecken» und so weiter bezeichnet werden können. Doch soll hier auf diese Vorgänge nicht eingegangen werden, da es sich darum handelt, eine Vorstellung von dem «Geisterlande» durch einige aus dem Ganzen herausgegriffene Wahrnehmungsarten in demselben zu erwecken.<br>Nun ist zunächst notwendig, die verschiedenen Arten der Urbilder voneinander zu unterscheiden. Auch im «Geisterland» hat man eine Anzahl von Stufen oder Regionen auseinanderzuhalten, um sich zu orientieren. Auch hier sind, wie in der «Seelenwelt», die einzelnen Regionen nicht etwa schichtenweise übereinandergelagert zu denken, sondern sich gegenseitig durchdringend und durchsetzend. Die erste Region enthält die Urbilder der physischen Welt, insofern diese nicht mit Leben begabt ist. Die Urbilder der Mineralien sind hier zu finden, ferner die der Pflanzen; diese aber nur insofern, als sie rein physisch sind; also insofern man auf das Leben in ihnen [125] keine Rücksicht nimmt. Ebenso trifft man hier die physischen Tier- und Menschenformen an. Damit soll dasjenige nicht erschöpft sein, was sich in dieser Region befindet; es soll nur durch naheliegende Beispiele illustriert werden. - Diese Region bildet das Grundgerüst des «Geisterlandes». Es kann verglichen werden mit dem festen Land unserer physischen Erde. Es ist die Kontinentalmasse des «Geisterlandes». Seine Beziehung zur physisch-körperlichen Welt kann nur vergleichsweise beschrieben werden. Man bekommt eine Vorstellung davon etwa durch folgendes: Man denke sich irgendeinen begrenzten Raum mit physischen Körpern der mannigfaltigsten Art ausgefüllt. Und nun denke man sich diese physischen Körper weg und an ihrer Stelle Hohlräume in ihren Formen. Die früher leeren Zwischenräume denke man sich aber mit den mannigfaltigsten Formen erfüllt, die zu den früheren Körpern in mannigfachen Beziehungen stehen. - So etwa sieht es in der niedrigsten Region der Urbilderwelt aus. In ihr sind die Dinge und Wesen, die in der physischen Welt verkörpert werden, als «Hohlräume» vorhanden. Und in den Zwischenräumen spielt sich die bewegliche Tätigkeit der Urbilder (und der «geistigen Musik») ab. Bei der physischen Verkörperung werden nun die Hohlräume gewissermaßen mit physischem Stoffe erfüllt. Wer zugleich mit physischem und geistigem Auge in den Raum schaute, sähe die physischen Körper und dazwischen die bewegliche Tätigkeit der schaffenden Urbilder. Die zweite Region des «Geisterlandes» enthält die Urbilder des Lebens. Aber dieses Leben bildet hier eine vollkommene Einheit. Als flüssiges Element durchströmt es die Welt des Geistes, gleichsam als Blut alles [126] durchpulsend. Es läßt sich mit dem Meere und den Gewässern der physischen Erde vergleichen. Seine Verteilung ist allerdings ähnlicher der Verteilung des Blutes in dem tierischen Körper als derjenigen der Meere und Flüsse. Fließendes Leben, aus Gedankenstoff gebildet, so könnte man diese zweite Stufe des «Geisterlandes» bezeichnen. In diesem Element liegen die schaffenden Urkräfte für alles, was in der physischen Wirklichkeit als belebte Wesen auftritt. Hier zeigt es sich, daß alles Leben eine Einheit ist, daß das Leben in dem Menschen verwandt ist mit dem Leben aller seiner Mitgeschöpfe.<br>Als dritte Region des «Geisterlandes» müssen die Urbilder alles Seelischen bezeichnet werden. Man befindet sich hier in einem viel dünneren und feineren Element als in den beiden ersten Regionen. Vergleichsweise kann es als der Luftkreis des «Geisterlandes» bezeichnet werden. Alles, was in den Seelen der beiden anderen Welten vorgeht, hat hier sein geistiges Gegenstück. Alle Empfindungen, Gefühle, Instinkte, Leidenschaften und so weiter sind hier auf geistige Art noch einmal vorhanden. Die atmosphärischen Vorgänge in diesem Luftkreise entsprechen den Leiden und Freuden der Geschöpfe in den andern Welten. Wie ein leises Wehen erscheint hier das Sehnen einer Menschenseele; wie ein stürmischer Luftzug ein leidenschaftlicher Ausbruch. Wer über das hier in Betracht Kommende sich Vorstellungen bilden kann, der dringt tief ein in das Seufzen einer jeglichen Kreatur, wenn er seine Aufmerksamkeit darauf richtet. Man kann hier zum Beispiel sprechen von stürmischen Gewittern mit zuckenden Blitzen und rollendem Donner; und geht man der Sache weiter nach, so findet man, daß sich in solchen [127] «Geistergewittern» die Leidenschaften einer auf der Erde geschlagenen Schlacht ausdrücken.<br>Die Urbilder der vierten Region beziehen sich nicht unmittelbar auf die andern Welten. Sie sind in gewisser Beziehung Wesenheiten, welche die Urbilder der drei unteren Regionen beherrschen und deren Zusammentritt vermitteln. Sie sind daher beschäftigt mit dem Ordnen und Gruppieren dieser untergeordneten Urbilder. Von dieser Region geht demnach eine umfassendere Tätigkeit aus als von den unteren.<br>Die fünfte, sechste und siebente Region unterscheiden sich wesentlich von den vorhergehenden. Denn die in ihnen befindlichen Wesenheiten liefern den Urbildern der unteren Regionen die Antriebe zu ihrer Tätigkeit. In ihnen findet man die Schöpferkräfte der Urbilder selbst. Wer zu diesen Regionen aufzusteigen vermag, der macht Bekanntschaft mit den «Absichten», (2) die unserer Welt zugrunde liegen. Wie lebendige Keimpunkte liegen hier noch die Urbilder bereit, um die mannigfaltigsten Formen von Gedankenwesen anzunehmen. Werden diese Keimpunkte in die unteren Regionen geführt, dann quellen sie gleichsam auf und zeigen sich in den mannigfaltigsten Gestalten. Die Ideen, durch die der menschliche Geist in der physischen Welt schöpferisch auftritt, sind der Abglanz, der Schatten dieser Keimgedankenwesen der höheren geistigen Welt. Der Beobachter mit dem «geistigen Ohr», welcher von den unteren Regionen des «Geisterlandes» [128] zu diesen oberen aufsteigt, wird gewahr, wie sich das Klingen und Tönen in eine «geistige Sprache» umsetzt. Er beginnt das «geistige Wort» wahrzunehmen, durch das für ihn nun nicht allein die Dinge und Wesenheiten ihre Natur durch Musik kundgeben, sondern in «Worten» ausdrücken. Sie sagen ihm, wie man das in der Geisteswissenschaft nennen kann, ihre «ewigen Namen» .<br>Man hat sich vorzustellen, daß diese Gedankenkeimwesen zusammengesetzter Natur sind. Aus dem Elemente der Gedankenwelt ist gleichsam nur die Keimhülle genommen. Und diese umschließt den eigentlichen Lebenskern. Damit sind wir an die Grenze der «drei Welten» gelangt, denn der Kern stammt aus noch höheren Welten. Als der Mensch, seinen Bestandteilen nach, in einem vorangehenden Abschnitt beschrieben worden ist, wurde für ihn dieser Lebenskern angegeben und der «Lebensgeist» und «Geistesmensch» als seine Bestandteile genannt. Auch für andere Weltwesenheiten sind ähnliche Lebenskerne vorhanden. Sie stammen aus höheren Welten und werden in die drei angegebenen versetzt, um ihre Aufgaben darin zu vollbringen. Hier soll nun die weitere Pilgerfahrt des menschlichen Geistes durch das «Geisterland» zwischen zwei Verkörperungen oder Inkarnationen verfolgt werden. Dabei werden die Verhältnisse und Eigentümlichkeiten dieses «Landes» noch einmal klar hervortreten. [129]
Die Seele ist das Bindeglied zwischen dem Geiste des Menschen und seinem Leibe. Ihre Kräfte der Sympathie und Antipathie, die durch ihr gegenseitiges Verhältnis die [106] Seelenäußerungen: Begierde, Reizbarkeit, Wunsch, Lust und Unlust und so weiter bewirken, - sie sind nicht nur zwischen Seelengebilde und Seelengebilde tätig, sondern sie äußern sich auch gegenüber den Wesenheiten der anderen. Welten, der physischen und der geistigen Welt. Während die Seele im Leibe wohnt, ist sie gewissermaßen an allein beteiligt, was in diesem Leibe vorgeht. Wenn die physischen Verrichtungen des Leibes mit Regelmäßigkeit vor sich gehen, so entsteht in der Seele Lust und Behagen; wenn diese Verrichtungen gestört sind, so tritt Unlust und Schmerz ein. - Und auch an den Tätigkeiten des Geistes hat die Seele ihren Anteil: dieser Gedanke erfüllt sie mit Freude, jener mit Abscheu; ein richtiges Urteil hat den Beifall der Seele, ein falsches ihr Mißfallen. - Ja, es hängt die Entwickelungsstufe eines Menschen davon ab, ob die Neigungen seiner Seele mehr nach der einen oder der andern Richtung hin gehen. Ein Mensch ist um so vollkommener, je mehr seine Seele mit den Äußerungen des Geistes sympathisiert; er ist um so unvollkommener, je mehr ihre Neigungen durch die Verrichtungen des Leibes befriedigt werden.<br>Der Geist ist der Mittelpunkt des Menschen, der Leib der Vermittler, durch den der Geist die physische Welt betrachtet und erkennt und durch den er in ihr wirkt. Die Seele aber ist der Vermittler zwischen beiden. Sie entbindet dem physischen Eindruck, den die Luftschwingungen auf das Ohr machen, die Empfindung des Tones, sie erlebt die Lust an diesem Ton. Alles das teilt sie dem Geiste mit, der dadurch zum Verständnisse der physischen Welt gelangt. Ein Gedanke, der in dem Geiste auftritt, wird durch die Seele in den Wunsch nach Verwirklichung umgesetzt [107] und kann erst dadurch mit Hilfe des leiblichen Werkzeuges zur Tat werden. - Nun kann der Mensch nur dadurch seine Bestimmung erfüllen, daß er all seinem Wirken die Richtung durch den Geist geben läßt. Die Seele kann durch sich selbst ihre Neigungen ebensogut dem Physischen wie dem Geistigen entgegenbringen. Sie senkt gleichsam ihre Fühlfäden ebenso zum Physischen hinunter, wie sie sie zum Geistigen hinaufstreckt. Durch das Einsenken in. Die physische Welt wird ihre eigene Wesenheit von der Natur des Physischen durchdrungen und gefärbt. Da der Geist aber nur durch ihre Vermittlung in der physischen Welt wirken kann, so wird ihm selbst dadurch die Richtung auf das Physische gegeben. Seine Gebilde werden durch die Kräfte der Seele nach dem Physischen hingezogen. Man betrachte den unentwickelten Menschen. Die Neigungen seiner Seele hängen an den Verrichtungen seines Leibes. Er empfindet nur Lust bei den Eindrücken, welche die physische Welt auf seine Sinne macht. Und auch sein Geistesleben wird dadurch ganz in diese Sphäre herangezogen. Seine Gedanken dienen nur der Befriedigung seines physischen Bedürfnislebens. - Indem das geistige Selbst von Verkörperung zu Verkörperung lebt, soll es immer mehr aus dem Geistigen heraus seine Richtung erhalten. Sein Erkennen soll von dem Geiste der ewigen Wahrheit, sein Handeln von der ewigen Güte bestimmt werden.<br>Der Tod bedeutet, als Tatsache der physischen Welt betrachtet, eine Veränderung der Verrichtungen des Leibes. Dieser hört mit dem Tode auf, durch seine Einrichtung der Vermittler der Seele und des Geistes zu sein. Er zeigt fernerhin sich in seinen Verrichtungen ganz der physischen [108] Welt und ihren Gesetzen unterworfen; er geht in dieselbe über, uni sich in ihr aufzulösen. Nur diese physischen Vorgänge des Leibes können mit den physischen Sinnen nach dem Tode betrachtet werden. Was mit Seele und Geist dann geschieht, das entzieht sich diesen Sinnen. Denn sinnlich können ja auch während des Lebens Seele und Geist nur insofern beobachtet werden, als diese in physischen Vorgängen ihren äußeren Ausdruck erlangen. Nach dein Tode ist ein solcher Ausdruck nicht mehr möglich. Deshalb kommt die Beobachtung der physischen Sinne und die sich auf sie begründende Wissenschaft für das Schicksal von Seele und Geist nach dem Tode nicht in Betracht. Da tritt eben eine höhere Erkenntnis ein, die auf der Beobachtung der Vorgänge in der Seelen- und der Geisteswelt beruht.<br>Hat sich nun der Geist von dem Leibe gelöst, so ist er noch immer mit der Seele verbunden. Und wie ihn während des physischen Lebens der Leib an die physische Welt gekettet hat, so jetzt die Seele an die seelische. - Aber in dieser seelischen Welt ist nicht sein ureigenes Wesen zu finden. Sie soll ihn nur verbinden mit dem Felde seines Schaffens, mit der physischen Welt. Um in einer neuen Verkörperung mit vollkommenerer Gestalt zu erscheinen, muß er Kraft und Stärkung aus der geistigen Welt schöpfen. Er ist aber durch die Seele in die physische Welt verstrickt worden. Er ist an ein Seelenwesen gebunden, das durchdrungen und gefärbt ist von der Natur des Physischen, und er hat dadurch selbst diese Richtung erhalten. Nach dem ,Tode ist die Seele nicht mehr an den Leib, sondern nur noch an den Geist gebunden. Sie lebt nun in einer seelischen Umgebung. Nur die [109] Kräfte dieser Welt können daher noch auf sie eine Wirkung haben. Und an dieses Leben der Seele in der Seelenwelt ist zunächst auch der Geist gebunden. Er ist so an dasselbe gebunden, wie er während der physischen Verkörperung an den Leib gebunden ist. Wann der Leib stirbt, das wird durch dessen Gesetze bestimmt im allgemeinen muß ja gesagt werden: nicht die Seele und der Geist verlassen den Leib, sondern er wird von denselben entlassen, (1) wenn seine Kräfte nicht mehr im Sinne der menschlichen Organisation wirken können. Ebenso ist das Verhältnis von Seele und Geist. Die Seele wird den Geist in die höhere, in die geistige Welt entlassen, wenn ihre Kräfte nicht mehr im Sinne der menschlichen Seelenorganisation wirken können. In dem Augenblicke wird der Geist befreit sein, wenn die Seele dasjenige der Auflösung übergeben hat, was sie nur innerhalb des Leibes erleben kann, und nur das übrig behält, was mit dem Geiste weiterleben kann. Dies Übrigbehaltene, was zwar im Leibe erlebt, aber als Frucht in den Geist eingeprägt werden kann, verbindet die Seele mit dem Geist in der rein geistigen Welt. - Um das Schicksal der Seele nach dem Tode kennenzulernen, muß also ihr Auflösungsprozeß betrachtet werden. Sie hatte die Aufgabe, dem Geist die Richtung nach dem Physischen zu geben. In dem Augenblicke, wo sie diese Aufgabe erfüllt hat, nimmt sie die Richtung nach dem Geistigen. Wegen dieser Natur [110] ihrer Aufgabe müßte sie eigentlich sofort nur geistig tätig sein, wenn der Leib von ihr abfällt, wenn sie also nicht mehr Bindeglied sein kann. Und sie würde das auch sein, wenn sie nicht durch ihr Leben im Leibe von diesem beeinflußt, in ihren Neigungen zu ihm hingezogen worden wäre. Ohne diese Färbung, die sie durch die Verbindung mit dem Leiblichen erhalten hat, würde sie sogleich nach der Entkörperung den bloßen Gesetzen der geistig-seelischen Welt folgen und keine weitere Hinneigung zum Sinnlichen entwickeln. Und das wäre der Fall, wenn der Mensch beim Tode vollständig alles Interesse an der irdischen Welt verloren hätte, wenn alle Begierden, Wünsche und so weiter befriedigt wären, die sich an das Dasein knüpfen, das er verlassen hat. Sofern dies aber nicht der Fall ist, haftet das nach dieser Richtung Übriggebliebene an der Seele.<br>Man muß hier, um nicht in Verwirrung zu geraten, sorgfältig unterscheiden zwischen dem, was den Menschen an die Welt so kettet, daß es auch in einer folgenden Verkörperung ausgeglichen werden kann, und dem, was ihn an eine bestimmte, an die jeweilig letzte Verkörperung kettet. Das erstere wird durch das Schicksalsgesetz, Karma, ausgeglichen; das andere aber kann nur nach dem Tode von der Seele abgestreift werden.<br>Es folgt auf den Tod für den Menschengeist eine Zeit, in der die Seele ihre Neigungen zum physischen Dasein abstreift, um dann wieder den bloßen Gesetzen der geistig-seelischen Welt zu folgen und den Geist freizumachen. Es ist naturgemäß, daß diese Zeit um so länger dauern wird, je mehr die Seele an das Physische gebunden war. Sie wird kurz sein bei einem Menschen, der wenig [111] an dem physischen Leben gehangen hat, lang dagegen bei einem solchen, der seine Interessen ganz an dieses Leben gebunden hat, so daß beim Tode noch viele Begierden, Wünsche und so weiter in der Seele leben.<br>Am leichtesten erhält man von dem Zustande, in dem die Seele in der nächsten Zeit nach dem Tode lebt, eine Vorstellung durch folgende Überlegung. Man nehme ein ziemlich krasses Beispiel dazu: die Genüsse eines Feinschmeckers. Er hat seine Lust am Gaumenkitzel durch die Speisen. Der Genuß ist natürlich nichts Körperliches, sondern etwas Seelisches. In der Seele lebt die Lust und auch die Begierde nach der Lust. Zur Befriedigung der Begierde ist aber das entsprechende körperliche Organ, der Gaumen und so weiter, notwendig. Nach dem Tode hat nun die Seele eine solche Begierde nicht sogleich verloren, wohl aber hat sie das körperliche Organ nicht mehr, welches das Mittel ist, die Begierde zu befriedigen. Es ist nun - zwar aus einem anderen Grunde, der aber ähnlich, nur weit stärker wirkt - für den Menschen so, wie wenn er in einer Gegend, in der weit und breit kein Wasser ist, brennenden Durst litte. So leidet die Seele brennend an der Entbehrung der Lust, weil sie das körperliche Organ abgelegt hat, durch das sie die Lust haben kann. So ist es mit allem, wonach die Seele verlangt und das nur durch die körperlichen Organe befriedigt werden kann. Es dauert dieser Zustand (brennender Entbehrung) so lange, bis die Seele gelernt hat, nicht mehr nach solchem zu begehren, was nur durch den Körper befriedigt werden kann. Und die Zeit, welche in diesem Zustande verbracht wird, kann man den Ort der Begierden nennen, obgleich man es natürlich nicht mit einem «Orte» zu tun hat. [112] Betritt die Seele nach dem Tode die seelische Welt, so ist sie deren Gesetzen unterworfen. Diese wirken auf sie; und vor' dieser Wirkung hängt es ab, in welcher Art die Neigung zum Physischen in ihr getilgt wird. Die Wirkungen müssen verschieden sein, je nach den Arten der Seelenstoffe und Seelenkräfte, in deren Bereich sie nunmehr versetzt ist. Jede dieser Arten wird ihren reinigenden, läuternden Einfluß geltend machen. Der Vorgang, der hier stattfindet, ist so, daß alles Antipathische in der Seele allmählich von den Kräften der Sympathie überwunden und daß diese Sympathie selbst bis zu ihrem höchsten Gipfel geführt wird. Denn durch diesen höchsten Grad von Sympathie mit der ganzen übrigen Seelenwelt wird die Seele gleichsam in dieser zerfließen, eins mit ihr werden; dann ist ihre Eigensucht völlig erschöpft. Sie hört auf, als ein Wesen zu existieren, das dem physisch-sinnlichen Dasein zugeneigt ist: der Geist ist durch sie befreit. Daher läutert sich die Seele durch die oben beschriebenen Regionen der Seelenwelt hindurch, bis sie in der Region der vollkommenen Sympathie mit der allgemeinen Seelenwelt eins wird. Daß der Geist bis zu diesem letzten Momente der Befreiung seiner Seele selbst an diese gebunden ist, rührt davon her, daß er durch sein Leben mit ihr ganz verwandt geworden ist. Diese Verwandtschaft ist eine viel größere als die mit dem Leibe. Denn mit dem letzteren ist er mittelbar durch die Seele, mit dieser aber unmittelbar verbunden. Sie ist ja sein Eigenleben. Deshalb ist der Geist nicht an den verwesenden Leib, wohl aber an die sich allmählich befreiende Seele gebunden. - Wegen der unmittelbaren Verbindung des Geistes mit der Seele kann der erstere sich von dieser erst [113] dann frei fühlen, wenn sie selbst mit der allgemeinen Seelenwelt eins geworden ist.<br>Insofern die seelische Welt der Aufenthalt des Menschen unmittelbar nach dem Tode ist, kann sie der «Ort der Begierden» genannt werden. Die verschiedenen Religionssysteme, die ein Bewußtsein von diesen Verhältnissen in ihre Lehren aufgenommen haben, kennen diesen «Ort der Begierden» unter dem Namen «Fegefeuer», «Läuterungsfeuer» und so weiter.<br>Die niederste Region der Seelenwelt ist diejenige der Begierdenglut. Durch sie wird nach dem Tode alles das aus der Seele ausgetilgt, was sie an gröbsten, mit dem niedersten Leibesleben zusammenhängenden selbstsüchtigen Begierden hat. Denn durch solche Begierden kann sie von den Kräften dieser Seelenregion eine Wirkung erfahren. Die unbefriedigten Begierden, die aus dem physischen Leben zurückgeblieben sind, bilden den Angriffspunkt. Die Sympathie solcher Seelen erstreckt sich nur über das, was ihr eigensüchtiges Wesen nähren kann; und sie wird weit überwogen von der Antipathie, die sich über alles andere ergießt. Nun gehen aber die Begierden auf die physischen Genüsse, die in der Seelenwelt nicht befriedigt werden können. Durch diese Unmöglichkeit der Befriedigung wird die Gier aufs höchste gesteigert. Zugleich muß aber diese Unmöglichkeit die Gier allmählich verlöschen. Die brennenden Gelüste verzehren sich nach und nach; und die Seele hat erfahren, daß in der Austilgung solcher Gelüste das einzige Mittel liegt, das Leid zu verhindern, das aus ihnen kommen muß. Während des physischen Lebens tritt ja doch immer wieder und wieder Befriedigung ein. Dadurch wird der Schmerz der brennenden Gier durch [114] eine Art Illusion verdeckt. Nach dem Tode, im «Läuterungsfeuer», tritt dieser Schmerz ganz unverhüllt auf. Die entsprechenden Entbehrungserlebnisse werden durchgemacht. Ein finsterer Zustand ist es, in dem die Seelen sich dadurch befinden. Nur diejenigen Menschen können selbstverständlich diesem Zustande verfallen, deren Begierden im physischen Leben auf die gröbsten Dinge abzielten. Naturen mit wenig Gelüsten gehen, ohne daß sie es merken, durch ihn hindurch, denn sie haben zu ihm keine Verwandtschaft. Es muß gesagt werden, daß durch die Begierdenglut die Seelen um so länger beeinflußt werden, je verwandter sie durch ihr physisches Leben dieser Glut geworden sind; je mehr sie es daher nötig haben, in ihr geläutert zu werden. Man darf solche Läuterung nicht in demselben Sinne als ein Leiden bezeichnen, wie man ähnliches in der Sinnenwelt nur als Leiden empfinden müßte. Denn die Seele verlangt nach dem Tode nach ihrer Läuterung, weil nur durch diese eine in ihr bestehende Unvollkommenheit getilgt werden kann.<br>Eine zweite Art von Vorgängen der Seelenwelt ist so, daß. Sich Sympathie und Antipathie bei ihnen das Gleichgewicht halten. Insofern eine Menschenseele in dem gleichen Zustande nach dem Tode ist, wird sie eine Zeitlang von diesen Vorgängen beeinflußt. Das Aufgehen im äußeren Tand des Lebens, die Freude an den vorüberflutenden Eindrücken der Sinne bedingen diesen Zustand. Die Menschen leben in ihm, insofern er durch die angedeuteten Seelenneigungen bedingt ist Sie lassen sich von jeder Nichtigkeit des Tages beeinflussen. Da aber ihre Sympathie sich keinem Dinge in besonderem Maße zuwendet, gehen die Einflüsse rasch vorüber. Alles, was nicht diesem [115] nichtigen Reich angehört, ist solchen Personen antipathisch. Erlebt nun nach dem Tode die Seele diesen Zustand, ohne daß die sinnlich-physischen Dinge da sind, die zu seiner Befriedigung notwendig gehören, so muß er endlich verlöschen. Natürlich ist die Entbehrung, die vor dem völligen Erlöschen in der Seele herrscht, leidvoll. Diese leidvolle Lage ist die Schule zur Zerstörung der Illusion, in die der Mensch während des physischen Lebens eingehüllt ist.<br>Drittens kommen in der Seelenwelt die Vorgänge in Betracht mit vorherrschender Sympathie, diejenigen mit vorherrschender Wunschnatur. Ihre Wirkung erfahren die Seelen durch alles das, was eine Atmosphäre von Wünschen nach dem Tode erhält. Auch diese Wünsche ersterben allmählich wegen der Unmöglichkeit ihrer Befriedigung.<br>Die Region der Lust und Unlust in der Seelenwelt, die oben als die vierte bezeichnet worden ist, legt der Seele besondere Prüfungen auf. Solange diese im Leibe wohnt, nimmt sie an allem teil, was diesen Leib betrifft. Das Weben von Lust und Unlust ist an diesen geknüpft. Er verursacht ihr Wohlgefühl und Behagen, Unlust und Unbehagen. Der Mensch empfindet während des physischen Lebens seinen Körper als sein Selbst. Das, was man Selbstgefühl nennt, gründet sich auf diese Tatsache. Und je sinnlicher die Menschen veranlagt sind, desto mehr nimmt ihr Selbstgefühl diesen Charakter an. - Nach dem Tode fehlt der Leib als Gegenstand dieses Selbstgefühls. Die Seele, welcher dieses Gefühl geblieben ist, fühlt sich deshalb wie ausgehöhlt. Ein Gefühl, wie wenn sie sich selbst verloren hätte, befällt sie. Dieses hält so lange an, bis erkannt ist, [116] daß im Physischen nicht der wahre Mensch liegt. Die Einwirkungen dieser vierten Region zerstören daher die Illusion des leiblichen Selbst. Die Seele lernt diese Leiblichkeit nicht mehr als etwas Wesentliches empfinden. Sie wird geheilt und geläutert von dem Hang zu der Leiblichkeit. Dadurch hat sie überwunden, was sie vorher stark an die physische Welt kettete, und sie kann die Kräfte der Sympathie, die nach außen gehen, voll entfalten. Sie ist sozusagen von sich abgekommen und bereit, teilnahmsvoll sich in die allgemeine Seelenwelt zu ergießen.<br>Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß die Erlebnisse dieser Region im besonderen Maße Selbstmörder durchmachen. Sie verlassen auf künstlichem Wege ihren physischen Leib, während doch alle Gefühle, die mit diesem zusammenhängen, unverändert bleiben. Beim natürlichen Tode geht mit dem Verfall des Leibes auch ein teilweises Ersterben der an ihn sich heftenden Gefühle einher. Bei Selbstmördern kommen dann noch zu der Qual, die ihnen das Gefühl der plötzlichen Aushöhlung verursacht, die unbefriedigten Begierden lind Wünsche, wegen deren sie sich entleibt haben.<br>Die fünfte Stufe der Seelenwelt ist die des Seelenlichtes. Die Sympathie mit anderem hat in ihr bereits eine hohe Geltung. Mit ihr sind die Seelen verwandt, insofern sie während des physischen Lebens nicht in der Befriedigung niederer Bedürfnisse aufgegangen sind, sondern Freude, Lust an ihrer Umwelt gehabt haben. Die Naturschwärmerei, insofern sie einen sinnlichen Charakter an sich getragen hat, unterliegt zum Beispiel hier der Läuterung. Man muß aber diese Art von Naturschwärmerei wohl unterscheiden von jenem höheren Leben in der Natur, das [117] geistiger Art ist und welches den Geist sucht, der sich in den Dingen und Vorgängen der Natur offenbart. Diese Art von Natursinn gehört zu den Dingen, die den Geist selbst entwickeln und die ein Bleibendes in diesem Geiste begründen. Von diesem Natursinn ist aber eine solche Lust an der Natur zu unterscheiden, die ihren Grund in den Sinnen hat. Dieser gegenüber bedarf die Seele ebenso der Läuterung wie gegenüber anderen Neigungen, die im bloßen physischen Dasein begründet sind. Viele Menschen sehen in Einrichtungen, die der sinnlichen Wohlfahrt dienen, in einem Erziehungssystem, das vor allem sinnliches Behagen herbeiführt, eine Art Ideal. Von ihnen kann man nicht sagen, daß sie nur ihren selbstsüchtigen Trieben dienen. Aber ihre Seele ist doch auf die Sinnenwelt gerichtet und muß durch die in der fünften Region der seelischen Welt herrschende Kraft der Sympathie, der diese äußeren Befriedigungsmittel fehlen, geheilt werden. Die Seele erkennt hier allmählich, daß diese Sympathie andere Wege nehmen muß. Und diese Wege werden gefunden in der durch die Sympathie mit der Seelenumgebung bewirkten Ausgießung der Seele in den Seelenraum. <br>- Auch diejenigen Seelen, welche von ihren religiösen Verrichtungen zunächst eine Erhöhung ihrer sinnlichen Wohlfahrt verlangen, werden hier geläutert. Sei es, daß ihre Sehnsucht auf ein irdisches, sei es, daß sie auf ein himmlisches Paradies gehe. Sie finden im «Seelenlande» dieses Paradies; aber nur zu dem Zwecke, um die Wertlosigkeit desselben zu durchschauen. Alles das sind natürlich nur einzelne Beispiele für Läuterungen, die in dieser fünften Region stattfinden. Sie könnten beliebig vermehrt werden. [118] Durch die sechste Region, diejenige der tätigen Seelenkraft, findet die Läuterung des tatendurstigen Teiles der Seele statt, der nicht einen egoistischen Charakter trägt, doch aber in der sinnlichen Befriedigung, welche die Taten bringen, seine Motive hat. Naturen, die eine solche Tatenlust entwickeln, machen äußerlich durchaus den Eindruck von Idealisten, sie zeigen sich als aufopferungsfähige Personen. Im tieferen Sinne kommt es ihnen aber doch auf die Erhöhung eines sinnlichen Lustgefühls an. Viele künstlerische Naturen und solche, welche sich wissenschaftlicher Betätigung hingeben, weil es ihnen so gefällt, gehören hierher. Was diese an die physische Welt kettet, das ist der Glaube, daß Kunst und Wissenschaft um eines solchen Gefallens willen da seien.<br>Die siebente Region, die des eigentlichen Seelenlebens, befreit den Menschen von seinen letzten Hinneigungen zur sinnlich-physischen Welt. Jede vorhergehende Region nimmt von der Seele das auf, was ihr verwandt ist. Was nun noch den Geist umgibt, das ist die Meinung, daß seine Tätigkeit der sinnlichen Welt ganz gewidmet sein soll. Es gibt hochbegabte Persönlichkeiten, die aber über nicht viel anderes nachsinnen als über die Vorgänge der physischen Welt. Man kann einen solchen Glauben einen materialistischen nennen. Dieser Glaube muß zerstört werden, und er wird es in der siebenten Region. Da sehen die Seelen, daß keine Gegenstände für materialistische Gesinnung in der wahren Wirklichkeit vorhanden sind. Wie Eis in der Sonne schmilzt dieser Glaube der Seele hier dahin. Das Seelenwesen ist nunmehr aufgesogen von seiner Welt, der Geist aller Fesseln ledig. Er schwingt sich auf in die Regionen, wo er nur in seiner eigenen Umgebung [119] lebt. - Die Seele hat ihre vorige Erdenaufgabe erfüllt, und es hat sich nach dem Tode gelöst, was von dieser Aufgabe als eine Fessel für den Geist geblieben ist. Indem die Seele den Erdenrest überwunden hat, ist sie selbst ihrem Elemente zurückgegeben.<br>Man sieht aus dieser Darstellung, daß die Erlebnisse der seelischen Welt, und damit auch die Zustände des seelischen Lebens nach dem Tode, ein immer weniger der Seele widerstrebendes Aussehen gewinnen, je mehr der Mensch von dem abgestreift hat, was ihm von der irdischen Verbindung mit der physischen Körperlichkeit an unmittelbarer Verwandtschaft mit dieser anhaftet. - Je nach den im physischen Leben geschaffenen Vorbedingungen wird die Seele länger oder kürzer der einen oder anderen Region angehören. Wo sie Verwandtschaft fühlt, bleibt sie so lange, bis diese getilgt ist. Wo keine Verwandtschaft vorhanden ist, geht sie unfühlend über die möglichen Einwirkungen hinweg. Es sollten hier nur die Grundeigenschaften der Seelenwelt geschildert und der Charakter des Lebens der Seele in dieser Welt in allgemeinen Zügen dargestellt werden. Dasselbe gilt für die folgenden Darstellungen des Geisterlandes. Es würde die Grenzen, welche dieses Buch einhalten soll, überschreiten, wenn auf weitere Eigenschaften dieser höheren Welten eingegangen werden sollte. Denn von dem, was sich mit Raumverhältnissen und dem Zeitverlauf vergleichen läßt, in bezug auf die hier alles ganz anders ist als in der physischen Welt, kann nur verständlich gesprochen werden, wenn man es in ganz ausführlicher Art darstellen will. Einiges Wichtige darüber findet man in meiner «Geheimwissenschaft». [120]
 
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Version vom 31. Mai 2009, 17:07 Uhr

II. Die Seele in der Seelenwelt nach dem Tode

Die Seele ist das Bindeglied zwischen dem Geiste des Menschen und seinem Leibe. Ihre Kräfte der Sympathie und Antipathie, die durch ihr gegenseitiges Verhältnis die [106] Seelenäußerungen: Begierde, Reizbarkeit, Wunsch, Lust und Unlust und so weiter bewirken, - sie sind nicht nur zwischen Seelengebilde und Seelengebilde tätig, sondern sie äußern sich auch gegenüber den Wesenheiten der anderen. Welten, der physischen und der geistigen Welt. Während die Seele im Leibe wohnt, ist sie gewissermaßen an allein beteiligt, was in diesem Leibe vorgeht. Wenn die physischen Verrichtungen des Leibes mit Regelmäßigkeit vor sich gehen, so entsteht in der Seele Lust und Behagen; wenn diese Verrichtungen gestört sind, so tritt Unlust und Schmerz ein. - Und auch an den Tätigkeiten des Geistes hat die Seele ihren Anteil: dieser Gedanke erfüllt sie mit Freude, jener mit Abscheu; ein richtiges Urteil hat den Beifall der Seele, ein falsches ihr Mißfallen. - Ja, es hängt die Entwickelungsstufe eines Menschen davon ab, ob die Neigungen seiner Seele mehr nach der einen oder der andern Richtung hin gehen. Ein Mensch ist um so vollkommener, je mehr seine Seele mit den Äußerungen des Geistes sympathisiert; er ist um so unvollkommener, je mehr ihre Neigungen durch die Verrichtungen des Leibes befriedigt werden.
Der Geist ist der Mittelpunkt des Menschen, der Leib der Vermittler, durch den der Geist die physische Welt betrachtet und erkennt und durch den er in ihr wirkt. Die Seele aber ist der Vermittler zwischen beiden. Sie entbindet dem physischen Eindruck, den die Luftschwingungen auf das Ohr machen, die Empfindung des Tones, sie erlebt die Lust an diesem Ton. Alles das teilt sie dem Geiste mit, der dadurch zum Verständnisse der physischen Welt gelangt. Ein Gedanke, der in dem Geiste auftritt, wird durch die Seele in den Wunsch nach Verwirklichung umgesetzt [107] und kann erst dadurch mit Hilfe des leiblichen Werkzeuges zur Tat werden. - Nun kann der Mensch nur dadurch seine Bestimmung erfüllen, daß er all seinem Wirken die Richtung durch den Geist geben läßt. Die Seele kann durch sich selbst ihre Neigungen ebensogut dem Physischen wie dem Geistigen entgegenbringen. Sie senkt gleichsam ihre Fühlfäden ebenso zum Physischen hinunter, wie sie sie zum Geistigen hinaufstreckt. Durch das Einsenken in. Die physische Welt wird ihre eigene Wesenheit von der Natur des Physischen durchdrungen und gefärbt. Da der Geist aber nur durch ihre Vermittlung in der physischen Welt wirken kann, so wird ihm selbst dadurch die Richtung auf das Physische gegeben. Seine Gebilde werden durch die Kräfte der Seele nach dem Physischen hingezogen. Man betrachte den unentwickelten Menschen. Die Neigungen seiner Seele hängen an den Verrichtungen seines Leibes. Er empfindet nur Lust bei den Eindrücken, welche die physische Welt auf seine Sinne macht. Und auch sein Geistesleben wird dadurch ganz in diese Sphäre herangezogen. Seine Gedanken dienen nur der Befriedigung seines physischen Bedürfnislebens. - Indem das geistige Selbst von Verkörperung zu Verkörperung lebt, soll es immer mehr aus dem Geistigen heraus seine Richtung erhalten. Sein Erkennen soll von dem Geiste der ewigen Wahrheit, sein Handeln von der ewigen Güte bestimmt werden.
Der Tod bedeutet, als Tatsache der physischen Welt betrachtet, eine Veränderung der Verrichtungen des Leibes. Dieser hört mit dem Tode auf, durch seine Einrichtung der Vermittler der Seele und des Geistes zu sein. Er zeigt fernerhin sich in seinen Verrichtungen ganz der physischen [108] Welt und ihren Gesetzen unterworfen; er geht in dieselbe über, uni sich in ihr aufzulösen. Nur diese physischen Vorgänge des Leibes können mit den physischen Sinnen nach dem Tode betrachtet werden. Was mit Seele und Geist dann geschieht, das entzieht sich diesen Sinnen. Denn sinnlich können ja auch während des Lebens Seele und Geist nur insofern beobachtet werden, als diese in physischen Vorgängen ihren äußeren Ausdruck erlangen. Nach dein Tode ist ein solcher Ausdruck nicht mehr möglich. Deshalb kommt die Beobachtung der physischen Sinne und die sich auf sie begründende Wissenschaft für das Schicksal von Seele und Geist nach dem Tode nicht in Betracht. Da tritt eben eine höhere Erkenntnis ein, die auf der Beobachtung der Vorgänge in der Seelen- und der Geisteswelt beruht.
Hat sich nun der Geist von dem Leibe gelöst, so ist er noch immer mit der Seele verbunden. Und wie ihn während des physischen Lebens der Leib an die physische Welt gekettet hat, so jetzt die Seele an die seelische. - Aber in dieser seelischen Welt ist nicht sein ureigenes Wesen zu finden. Sie soll ihn nur verbinden mit dem Felde seines Schaffens, mit der physischen Welt. Um in einer neuen Verkörperung mit vollkommenerer Gestalt zu erscheinen, muß er Kraft und Stärkung aus der geistigen Welt schöpfen. Er ist aber durch die Seele in die physische Welt verstrickt worden. Er ist an ein Seelenwesen gebunden, das durchdrungen und gefärbt ist von der Natur des Physischen, und er hat dadurch selbst diese Richtung erhalten. Nach dem ,Tode ist die Seele nicht mehr an den Leib, sondern nur noch an den Geist gebunden. Sie lebt nun in einer seelischen Umgebung. Nur die [109] Kräfte dieser Welt können daher noch auf sie eine Wirkung haben. Und an dieses Leben der Seele in der Seelenwelt ist zunächst auch der Geist gebunden. Er ist so an dasselbe gebunden, wie er während der physischen Verkörperung an den Leib gebunden ist. Wann der Leib stirbt, das wird durch dessen Gesetze bestimmt im allgemeinen muß ja gesagt werden: nicht die Seele und der Geist verlassen den Leib, sondern er wird von denselben entlassen, (1) wenn seine Kräfte nicht mehr im Sinne der menschlichen Organisation wirken können. Ebenso ist das Verhältnis von Seele und Geist. Die Seele wird den Geist in die höhere, in die geistige Welt entlassen, wenn ihre Kräfte nicht mehr im Sinne der menschlichen Seelenorganisation wirken können. In dem Augenblicke wird der Geist befreit sein, wenn die Seele dasjenige der Auflösung übergeben hat, was sie nur innerhalb des Leibes erleben kann, und nur das übrig behält, was mit dem Geiste weiterleben kann. Dies Übrigbehaltene, was zwar im Leibe erlebt, aber als Frucht in den Geist eingeprägt werden kann, verbindet die Seele mit dem Geist in der rein geistigen Welt. - Um das Schicksal der Seele nach dem Tode kennenzulernen, muß also ihr Auflösungsprozeß betrachtet werden. Sie hatte die Aufgabe, dem Geist die Richtung nach dem Physischen zu geben. In dem Augenblicke, wo sie diese Aufgabe erfüllt hat, nimmt sie die Richtung nach dem Geistigen. Wegen dieser Natur [110] ihrer Aufgabe müßte sie eigentlich sofort nur geistig tätig sein, wenn der Leib von ihr abfällt, wenn sie also nicht mehr Bindeglied sein kann. Und sie würde das auch sein, wenn sie nicht durch ihr Leben im Leibe von diesem beeinflußt, in ihren Neigungen zu ihm hingezogen worden wäre. Ohne diese Färbung, die sie durch die Verbindung mit dem Leiblichen erhalten hat, würde sie sogleich nach der Entkörperung den bloßen Gesetzen der geistig-seelischen Welt folgen und keine weitere Hinneigung zum Sinnlichen entwickeln. Und das wäre der Fall, wenn der Mensch beim Tode vollständig alles Interesse an der irdischen Welt verloren hätte, wenn alle Begierden, Wünsche und so weiter befriedigt wären, die sich an das Dasein knüpfen, das er verlassen hat. Sofern dies aber nicht der Fall ist, haftet das nach dieser Richtung Übriggebliebene an der Seele.
Man muß hier, um nicht in Verwirrung zu geraten, sorgfältig unterscheiden zwischen dem, was den Menschen an die Welt so kettet, daß es auch in einer folgenden Verkörperung ausgeglichen werden kann, und dem, was ihn an eine bestimmte, an die jeweilig letzte Verkörperung kettet. Das erstere wird durch das Schicksalsgesetz, Karma, ausgeglichen; das andere aber kann nur nach dem Tode von der Seele abgestreift werden.
Es folgt auf den Tod für den Menschengeist eine Zeit, in der die Seele ihre Neigungen zum physischen Dasein abstreift, um dann wieder den bloßen Gesetzen der geistig-seelischen Welt zu folgen und den Geist freizumachen. Es ist naturgemäß, daß diese Zeit um so länger dauern wird, je mehr die Seele an das Physische gebunden war. Sie wird kurz sein bei einem Menschen, der wenig [111] an dem physischen Leben gehangen hat, lang dagegen bei einem solchen, der seine Interessen ganz an dieses Leben gebunden hat, so daß beim Tode noch viele Begierden, Wünsche und so weiter in der Seele leben.
Am leichtesten erhält man von dem Zustande, in dem die Seele in der nächsten Zeit nach dem Tode lebt, eine Vorstellung durch folgende Überlegung. Man nehme ein ziemlich krasses Beispiel dazu: die Genüsse eines Feinschmeckers. Er hat seine Lust am Gaumenkitzel durch die Speisen. Der Genuß ist natürlich nichts Körperliches, sondern etwas Seelisches. In der Seele lebt die Lust und auch die Begierde nach der Lust. Zur Befriedigung der Begierde ist aber das entsprechende körperliche Organ, der Gaumen und so weiter, notwendig. Nach dem Tode hat nun die Seele eine solche Begierde nicht sogleich verloren, wohl aber hat sie das körperliche Organ nicht mehr, welches das Mittel ist, die Begierde zu befriedigen. Es ist nun - zwar aus einem anderen Grunde, der aber ähnlich, nur weit stärker wirkt - für den Menschen so, wie wenn er in einer Gegend, in der weit und breit kein Wasser ist, brennenden Durst litte. So leidet die Seele brennend an der Entbehrung der Lust, weil sie das körperliche Organ abgelegt hat, durch das sie die Lust haben kann. So ist es mit allem, wonach die Seele verlangt und das nur durch die körperlichen Organe befriedigt werden kann. Es dauert dieser Zustand (brennender Entbehrung) so lange, bis die Seele gelernt hat, nicht mehr nach solchem zu begehren, was nur durch den Körper befriedigt werden kann. Und die Zeit, welche in diesem Zustande verbracht wird, kann man den Ort der Begierden nennen, obgleich man es natürlich nicht mit einem «Orte» zu tun hat. [112] Betritt die Seele nach dem Tode die seelische Welt, so ist sie deren Gesetzen unterworfen. Diese wirken auf sie; und vor' dieser Wirkung hängt es ab, in welcher Art die Neigung zum Physischen in ihr getilgt wird. Die Wirkungen müssen verschieden sein, je nach den Arten der Seelenstoffe und Seelenkräfte, in deren Bereich sie nunmehr versetzt ist. Jede dieser Arten wird ihren reinigenden, läuternden Einfluß geltend machen. Der Vorgang, der hier stattfindet, ist so, daß alles Antipathische in der Seele allmählich von den Kräften der Sympathie überwunden und daß diese Sympathie selbst bis zu ihrem höchsten Gipfel geführt wird. Denn durch diesen höchsten Grad von Sympathie mit der ganzen übrigen Seelenwelt wird die Seele gleichsam in dieser zerfließen, eins mit ihr werden; dann ist ihre Eigensucht völlig erschöpft. Sie hört auf, als ein Wesen zu existieren, das dem physisch-sinnlichen Dasein zugeneigt ist: der Geist ist durch sie befreit. Daher läutert sich die Seele durch die oben beschriebenen Regionen der Seelenwelt hindurch, bis sie in der Region der vollkommenen Sympathie mit der allgemeinen Seelenwelt eins wird. Daß der Geist bis zu diesem letzten Momente der Befreiung seiner Seele selbst an diese gebunden ist, rührt davon her, daß er durch sein Leben mit ihr ganz verwandt geworden ist. Diese Verwandtschaft ist eine viel größere als die mit dem Leibe. Denn mit dem letzteren ist er mittelbar durch die Seele, mit dieser aber unmittelbar verbunden. Sie ist ja sein Eigenleben. Deshalb ist der Geist nicht an den verwesenden Leib, wohl aber an die sich allmählich befreiende Seele gebunden. - Wegen der unmittelbaren Verbindung des Geistes mit der Seele kann der erstere sich von dieser erst [113] dann frei fühlen, wenn sie selbst mit der allgemeinen Seelenwelt eins geworden ist.
Insofern die seelische Welt der Aufenthalt des Menschen unmittelbar nach dem Tode ist, kann sie der «Ort der Begierden» genannt werden. Die verschiedenen Religionssysteme, die ein Bewußtsein von diesen Verhältnissen in ihre Lehren aufgenommen haben, kennen diesen «Ort der Begierden» unter dem Namen «Fegefeuer», «Läuterungsfeuer» und so weiter.
Die niederste Region der Seelenwelt ist diejenige der Begierdenglut. Durch sie wird nach dem Tode alles das aus der Seele ausgetilgt, was sie an gröbsten, mit dem niedersten Leibesleben zusammenhängenden selbstsüchtigen Begierden hat. Denn durch solche Begierden kann sie von den Kräften dieser Seelenregion eine Wirkung erfahren. Die unbefriedigten Begierden, die aus dem physischen Leben zurückgeblieben sind, bilden den Angriffspunkt. Die Sympathie solcher Seelen erstreckt sich nur über das, was ihr eigensüchtiges Wesen nähren kann; und sie wird weit überwogen von der Antipathie, die sich über alles andere ergießt. Nun gehen aber die Begierden auf die physischen Genüsse, die in der Seelenwelt nicht befriedigt werden können. Durch diese Unmöglichkeit der Befriedigung wird die Gier aufs höchste gesteigert. Zugleich muß aber diese Unmöglichkeit die Gier allmählich verlöschen. Die brennenden Gelüste verzehren sich nach und nach; und die Seele hat erfahren, daß in der Austilgung solcher Gelüste das einzige Mittel liegt, das Leid zu verhindern, das aus ihnen kommen muß. Während des physischen Lebens tritt ja doch immer wieder und wieder Befriedigung ein. Dadurch wird der Schmerz der brennenden Gier durch [114] eine Art Illusion verdeckt. Nach dem Tode, im «Läuterungsfeuer», tritt dieser Schmerz ganz unverhüllt auf. Die entsprechenden Entbehrungserlebnisse werden durchgemacht. Ein finsterer Zustand ist es, in dem die Seelen sich dadurch befinden. Nur diejenigen Menschen können selbstverständlich diesem Zustande verfallen, deren Begierden im physischen Leben auf die gröbsten Dinge abzielten. Naturen mit wenig Gelüsten gehen, ohne daß sie es merken, durch ihn hindurch, denn sie haben zu ihm keine Verwandtschaft. Es muß gesagt werden, daß durch die Begierdenglut die Seelen um so länger beeinflußt werden, je verwandter sie durch ihr physisches Leben dieser Glut geworden sind; je mehr sie es daher nötig haben, in ihr geläutert zu werden. Man darf solche Läuterung nicht in demselben Sinne als ein Leiden bezeichnen, wie man ähnliches in der Sinnenwelt nur als Leiden empfinden müßte. Denn die Seele verlangt nach dem Tode nach ihrer Läuterung, weil nur durch diese eine in ihr bestehende Unvollkommenheit getilgt werden kann.
Eine zweite Art von Vorgängen der Seelenwelt ist so, daß. Sich Sympathie und Antipathie bei ihnen das Gleichgewicht halten. Insofern eine Menschenseele in dem gleichen Zustande nach dem Tode ist, wird sie eine Zeitlang von diesen Vorgängen beeinflußt. Das Aufgehen im äußeren Tand des Lebens, die Freude an den vorüberflutenden Eindrücken der Sinne bedingen diesen Zustand. Die Menschen leben in ihm, insofern er durch die angedeuteten Seelenneigungen bedingt ist Sie lassen sich von jeder Nichtigkeit des Tages beeinflussen. Da aber ihre Sympathie sich keinem Dinge in besonderem Maße zuwendet, gehen die Einflüsse rasch vorüber. Alles, was nicht diesem [115] nichtigen Reich angehört, ist solchen Personen antipathisch. Erlebt nun nach dem Tode die Seele diesen Zustand, ohne daß die sinnlich-physischen Dinge da sind, die zu seiner Befriedigung notwendig gehören, so muß er endlich verlöschen. Natürlich ist die Entbehrung, die vor dem völligen Erlöschen in der Seele herrscht, leidvoll. Diese leidvolle Lage ist die Schule zur Zerstörung der Illusion, in die der Mensch während des physischen Lebens eingehüllt ist.
Drittens kommen in der Seelenwelt die Vorgänge in Betracht mit vorherrschender Sympathie, diejenigen mit vorherrschender Wunschnatur. Ihre Wirkung erfahren die Seelen durch alles das, was eine Atmosphäre von Wünschen nach dem Tode erhält. Auch diese Wünsche ersterben allmählich wegen der Unmöglichkeit ihrer Befriedigung.
Die Region der Lust und Unlust in der Seelenwelt, die oben als die vierte bezeichnet worden ist, legt der Seele besondere Prüfungen auf. Solange diese im Leibe wohnt, nimmt sie an allem teil, was diesen Leib betrifft. Das Weben von Lust und Unlust ist an diesen geknüpft. Er verursacht ihr Wohlgefühl und Behagen, Unlust und Unbehagen. Der Mensch empfindet während des physischen Lebens seinen Körper als sein Selbst. Das, was man Selbstgefühl nennt, gründet sich auf diese Tatsache. Und je sinnlicher die Menschen veranlagt sind, desto mehr nimmt ihr Selbstgefühl diesen Charakter an. - Nach dem Tode fehlt der Leib als Gegenstand dieses Selbstgefühls. Die Seele, welcher dieses Gefühl geblieben ist, fühlt sich deshalb wie ausgehöhlt. Ein Gefühl, wie wenn sie sich selbst verloren hätte, befällt sie. Dieses hält so lange an, bis erkannt ist, [116] daß im Physischen nicht der wahre Mensch liegt. Die Einwirkungen dieser vierten Region zerstören daher die Illusion des leiblichen Selbst. Die Seele lernt diese Leiblichkeit nicht mehr als etwas Wesentliches empfinden. Sie wird geheilt und geläutert von dem Hang zu der Leiblichkeit. Dadurch hat sie überwunden, was sie vorher stark an die physische Welt kettete, und sie kann die Kräfte der Sympathie, die nach außen gehen, voll entfalten. Sie ist sozusagen von sich abgekommen und bereit, teilnahmsvoll sich in die allgemeine Seelenwelt zu ergießen.
Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß die Erlebnisse dieser Region im besonderen Maße Selbstmörder durchmachen. Sie verlassen auf künstlichem Wege ihren physischen Leib, während doch alle Gefühle, die mit diesem zusammenhängen, unverändert bleiben. Beim natürlichen Tode geht mit dem Verfall des Leibes auch ein teilweises Ersterben der an ihn sich heftenden Gefühle einher. Bei Selbstmördern kommen dann noch zu der Qual, die ihnen das Gefühl der plötzlichen Aushöhlung verursacht, die unbefriedigten Begierden lind Wünsche, wegen deren sie sich entleibt haben.
Die fünfte Stufe der Seelenwelt ist die des Seelenlichtes. Die Sympathie mit anderem hat in ihr bereits eine hohe Geltung. Mit ihr sind die Seelen verwandt, insofern sie während des physischen Lebens nicht in der Befriedigung niederer Bedürfnisse aufgegangen sind, sondern Freude, Lust an ihrer Umwelt gehabt haben. Die Naturschwärmerei, insofern sie einen sinnlichen Charakter an sich getragen hat, unterliegt zum Beispiel hier der Läuterung. Man muß aber diese Art von Naturschwärmerei wohl unterscheiden von jenem höheren Leben in der Natur, das [117] geistiger Art ist und welches den Geist sucht, der sich in den Dingen und Vorgängen der Natur offenbart. Diese Art von Natursinn gehört zu den Dingen, die den Geist selbst entwickeln und die ein Bleibendes in diesem Geiste begründen. Von diesem Natursinn ist aber eine solche Lust an der Natur zu unterscheiden, die ihren Grund in den Sinnen hat. Dieser gegenüber bedarf die Seele ebenso der Läuterung wie gegenüber anderen Neigungen, die im bloßen physischen Dasein begründet sind. Viele Menschen sehen in Einrichtungen, die der sinnlichen Wohlfahrt dienen, in einem Erziehungssystem, das vor allem sinnliches Behagen herbeiführt, eine Art Ideal. Von ihnen kann man nicht sagen, daß sie nur ihren selbstsüchtigen Trieben dienen. Aber ihre Seele ist doch auf die Sinnenwelt gerichtet und muß durch die in der fünften Region der seelischen Welt herrschende Kraft der Sympathie, der diese äußeren Befriedigungsmittel fehlen, geheilt werden. Die Seele erkennt hier allmählich, daß diese Sympathie andere Wege nehmen muß. Und diese Wege werden gefunden in der durch die Sympathie mit der Seelenumgebung bewirkten Ausgießung der Seele in den Seelenraum.
- Auch diejenigen Seelen, welche von ihren religiösen Verrichtungen zunächst eine Erhöhung ihrer sinnlichen Wohlfahrt verlangen, werden hier geläutert. Sei es, daß ihre Sehnsucht auf ein irdisches, sei es, daß sie auf ein himmlisches Paradies gehe. Sie finden im «Seelenlande» dieses Paradies; aber nur zu dem Zwecke, um die Wertlosigkeit desselben zu durchschauen. Alles das sind natürlich nur einzelne Beispiele für Läuterungen, die in dieser fünften Region stattfinden. Sie könnten beliebig vermehrt werden. [118] Durch die sechste Region, diejenige der tätigen Seelenkraft, findet die Läuterung des tatendurstigen Teiles der Seele statt, der nicht einen egoistischen Charakter trägt, doch aber in der sinnlichen Befriedigung, welche die Taten bringen, seine Motive hat. Naturen, die eine solche Tatenlust entwickeln, machen äußerlich durchaus den Eindruck von Idealisten, sie zeigen sich als aufopferungsfähige Personen. Im tieferen Sinne kommt es ihnen aber doch auf die Erhöhung eines sinnlichen Lustgefühls an. Viele künstlerische Naturen und solche, welche sich wissenschaftlicher Betätigung hingeben, weil es ihnen so gefällt, gehören hierher. Was diese an die physische Welt kettet, das ist der Glaube, daß Kunst und Wissenschaft um eines solchen Gefallens willen da seien.
Die siebente Region, die des eigentlichen Seelenlebens, befreit den Menschen von seinen letzten Hinneigungen zur sinnlich-physischen Welt. Jede vorhergehende Region nimmt von der Seele das auf, was ihr verwandt ist. Was nun noch den Geist umgibt, das ist die Meinung, daß seine Tätigkeit der sinnlichen Welt ganz gewidmet sein soll. Es gibt hochbegabte Persönlichkeiten, die aber über nicht viel anderes nachsinnen als über die Vorgänge der physischen Welt. Man kann einen solchen Glauben einen materialistischen nennen. Dieser Glaube muß zerstört werden, und er wird es in der siebenten Region. Da sehen die Seelen, daß keine Gegenstände für materialistische Gesinnung in der wahren Wirklichkeit vorhanden sind. Wie Eis in der Sonne schmilzt dieser Glaube der Seele hier dahin. Das Seelenwesen ist nunmehr aufgesogen von seiner Welt, der Geist aller Fesseln ledig. Er schwingt sich auf in die Regionen, wo er nur in seiner eigenen Umgebung [119] lebt. - Die Seele hat ihre vorige Erdenaufgabe erfüllt, und es hat sich nach dem Tode gelöst, was von dieser Aufgabe als eine Fessel für den Geist geblieben ist. Indem die Seele den Erdenrest überwunden hat, ist sie selbst ihrem Elemente zurückgegeben.
Man sieht aus dieser Darstellung, daß die Erlebnisse der seelischen Welt, und damit auch die Zustände des seelischen Lebens nach dem Tode, ein immer weniger der Seele widerstrebendes Aussehen gewinnen, je mehr der Mensch von dem abgestreift hat, was ihm von der irdischen Verbindung mit der physischen Körperlichkeit an unmittelbarer Verwandtschaft mit dieser anhaftet. - Je nach den im physischen Leben geschaffenen Vorbedingungen wird die Seele länger oder kürzer der einen oder anderen Region angehören. Wo sie Verwandtschaft fühlt, bleibt sie so lange, bis diese getilgt ist. Wo keine Verwandtschaft vorhanden ist, geht sie unfühlend über die möglichen Einwirkungen hinweg. Es sollten hier nur die Grundeigenschaften der Seelenwelt geschildert und der Charakter des Lebens der Seele in dieser Welt in allgemeinen Zügen dargestellt werden. Dasselbe gilt für die folgenden Darstellungen des Geisterlandes. Es würde die Grenzen, welche dieses Buch einhalten soll, überschreiten, wenn auf weitere Eigenschaften dieser höheren Welten eingegangen werden sollte. Denn von dem, was sich mit Raumverhältnissen und dem Zeitverlauf vergleichen läßt, in bezug auf die hier alles ganz anders ist als in der physischen Welt, kann nur verständlich gesprochen werden, wenn man es in ganz ausführlicher Art darstellen will. Einiges Wichtige darüber findet man in meiner «Geheimwissenschaft». [120]