Zweifel und Jesuitismus: Unterschied zwischen den Seiten

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Der '''Zweifel''' ([[Wikipedia:Mittelhochdeutsch|mhd.]] ''zwîvel''; [[Wikipedia:Althochdeutsch|ahd.]] ''zwîval'' aus [[Wikipedia:Germanische Sprachen|germ.]] ''twîfla'', „doppelt, gespalten, zweifach, zwiefältig“; {{ELSalt|σκέψις}} ''sképsis''; [[lat.]] ''dubitatio'') ist ein unentschiedenes Schwanken zwischen mehreren Denk- oder Handlungsalternativen, das ein sicheres und eindeutiges [[Urteil]] verhindert. Von [[Descartes]] wurde der vom selbstbewussten [[Ich]] ausgehende '''methodische Zweifel''' zur philosophischen Denkmethode erhoben. Die Möglichkeit zu zweifeln schien ihm dabei, in Anlehnung an [[Augustinus]], gerade die Gewißheit des eigenen Seins, des [[individuell]]en Ich, zu garantieren. So schrieb er in seinen [[Wikipedia:Meditationes de prima philosophia|Meditationes de prima philosophia]] (1641):
"(...) Autoritätsgesinnung auszubilden, das ist eigentlich das Prinzip des '''Jesuitismus'''. Und der Jesuitismus in der katholischen Religion ist nur eine Spezialisierung von Leistungen, die auf anderen Gebieten ebenso auftreten, wo man es nur nicht so merkt. Jesuitismus hat zunächst begonnen mit dem Jesuitismus auf kirchendogmatischem Gebiete, mit der Tendenz, die Macht des Papsttums, die aus der vierten nachatlantischen Periode herüberragte in die fünfte nachatlantische Periode, für diese nachatlantische Periode, für die sie nicht mehr taugt, aufrechtzuerhalten. Aber dasselbe jesuitische Prinzip wird sich nach und nach übertragen auf andere Gebiete des Lebens. Heute sehen wir bereits im Arzttum einen Jesuitismus heraufragen, der kaum anders ist als der Jesuitismus auf dem Gebiete der dogmatischen Religion. Wir sehen, wie gestrebt wird aus einer gewissen medizinischen Dogmatik nach einer Erhöhung der Macht des Ärztestandes.
 
Und das ist das Wesentliche des jesuitischen Strebens auch auf verschiedenen anderen Gebieten. Dies wird immer stärker werden. Die Menschen werden immer mehr und mehr eingeschnürt werden in das, was die Autorität über sie verhängt.
{{Zitat|Da es ja immer noch ich bin, der zweifelt, kann ich an diesem Ich, selbst wenn es träumt oder phantasiert, selber nicht mehr zweifeln.|Descartes|''Meditationes de prima philosophia''}}
Und das Heil des fünften nachatlantischen Zeitraums wird darin bestehen, gegen diese ahrimanischen Widerstände - denn solche sind es - geltend zu machen das Recht der Bewußtseinsseele, die sich entwickeln will. Das kann aber nur dadurch geschehen, daß die Menschen, da sie jetzt natürlichen Verstand nicht wie ihre beiden Arme mitbekommen, wie es vergleichsweise noch der Fall war in der vierten nachatlantischen Periode, wirklich auch Verstand, gesunde Urteilskraft entwickeln wollen. Die Entwicklung der Bewußtseinsseele fordert Gedankenfreiheit, aber diese Gedankenfreiheit kann nur in einer ganz bestimmten Aura, in einer ganz bestimmten Atmosphäre gedeihen." (Lit.: [[GA 168]], S. 121 f)
 
Mit vollem [[Bewusstsein]] grundsätzlich alles bezweifeln zu können, ist eine Fähigkeit, die sich der [[Mensch]] im gegenwärtigen [[Bewusstseinsseelenzeitalter]] im Durchgang durch das «Tal des irdischen Lebens» notwendig erringen muss, um sich gerade dadurch fest auf die eigene [[Individualität]] zu stellen. Durch die [[selbstbewusst]]e Überwindung des Zweifels ist dann der Aufstieg zu einer höheren [[Erkenntnis]]stufe möglich, wie das schon im Entwicklungsgang des [[Parzival]] angedeutet wird, dessen geistiger [[Schulungsweg]] von der ''dumbheit'' über den ''zwîvel'' zur ''saelde'' führt.
 
<div style="margin-left:20px">
"Man unterschied bei der Einführung in die Mysterien drei Stufen,
durch die der Mensch hindurchgehen mußte. Die erste Stufe war die
Dumpfheit, die zweite Stufe war der «Zwifel», die dritte Stufe war die
«Saelde». Die erste Stufe war die, auf welcher der Mensch von allem
Vorurteil der Welt hinweggeführt wurde, hingewiesen wurde auf
die Kraft seiner eigenen Seele, seine eigene Liebeskraft, damit er das
innere Licht leuchten sehen konnte. Die zweite Stufe war der Zwifel,
Zweifel. Dieser Zweifel an allem kommt auf der zweiten Stufe der
Einweihung, und er wird auf einer höheren Stufe hinaufgehoben in
die innere Seligkeit = Saelde. Dies war die dritte Stufe, das bewußte
Zusammenführen mit den Göttern.
 
Perceval - dringe durch das Tal! -, so wurden im Mittelalter solche
Einzuweihende genannt." {{Lit|{{G|097|266}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Eigentlich kann es eine tiefere moderne Seele gar nicht geben, die nicht durch den nagenden Zweifel durchgeht. Kennengelernt sollte die moderne Seele diesen nagenden Zweifel haben! Dann wird sie erst mit starken Kräften einmünden in jenes spirituelle Wissen, das für die Bewußtseinsseele das eigentlich ist, und das sich erst aus der Bewußtseinsseele ergießen muß in die Verstandes- oder Gemütsseele, um dort Herr zu werden. Daher müssen wir in vernünftiger Weise zu durchdringen suchen, was unserer [[Bewußtseinsseele]] dargereicht wird aus dem okkulten Wissen. Dadurch werden wir in unserem Innern ein solches Selbst heranziehen, das innerhalb des Innern ein wirklicher Herr und Herrscher ist. Dann stehen wir, wenn wir das moderne Mysterienwesen kennenlernen, uns selbst gegenüber." {{Lit|{{G|144|80}}}}
</div>
 
== Literatur ==
 
# Rudolf Steiner: ''Das christliche Mysterium'', [[GA 97]] (1998), ISBN 3-7274-0970-3 {{Vorträge|097}}
# Rudolf Steiner: ''Die Mysterien des Morgenlandes und des Christentums'', [[GA 144]], Dornach 1985
 
[[Kategorie:Philosophie]] [[Kategorie:Erkenntnistheorie]]

Version vom 3. Oktober 2013, 06:30 Uhr

"(...) Autoritätsgesinnung auszubilden, das ist eigentlich das Prinzip des Jesuitismus. Und der Jesuitismus in der katholischen Religion ist nur eine Spezialisierung von Leistungen, die auf anderen Gebieten ebenso auftreten, wo man es nur nicht so merkt. Jesuitismus hat zunächst begonnen mit dem Jesuitismus auf kirchendogmatischem Gebiete, mit der Tendenz, die Macht des Papsttums, die aus der vierten nachatlantischen Periode herüberragte in die fünfte nachatlantische Periode, für diese nachatlantische Periode, für die sie nicht mehr taugt, aufrechtzuerhalten. Aber dasselbe jesuitische Prinzip wird sich nach und nach übertragen auf andere Gebiete des Lebens. Heute sehen wir bereits im Arzttum einen Jesuitismus heraufragen, der kaum anders ist als der Jesuitismus auf dem Gebiete der dogmatischen Religion. Wir sehen, wie gestrebt wird aus einer gewissen medizinischen Dogmatik nach einer Erhöhung der Macht des Ärztestandes. Und das ist das Wesentliche des jesuitischen Strebens auch auf verschiedenen anderen Gebieten. Dies wird immer stärker werden. Die Menschen werden immer mehr und mehr eingeschnürt werden in das, was die Autorität über sie verhängt. Und das Heil des fünften nachatlantischen Zeitraums wird darin bestehen, gegen diese ahrimanischen Widerstände - denn solche sind es - geltend zu machen das Recht der Bewußtseinsseele, die sich entwickeln will. Das kann aber nur dadurch geschehen, daß die Menschen, da sie jetzt natürlichen Verstand nicht wie ihre beiden Arme mitbekommen, wie es vergleichsweise noch der Fall war in der vierten nachatlantischen Periode, wirklich auch Verstand, gesunde Urteilskraft entwickeln wollen. Die Entwicklung der Bewußtseinsseele fordert Gedankenfreiheit, aber diese Gedankenfreiheit kann nur in einer ganz bestimmten Aura, in einer ganz bestimmten Atmosphäre gedeihen." (Lit.: GA 168, S. 121 f)