Nirvana und Anthropomorphismus: Unterschied zwischen den Seiten

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Auf dem '''Nirvanaplan''', im '''Nirvana''' ([[Sanskrit|skrt.]], n., निर्वाण, nirvāṇa; ''Erlöschen'' oder wörtlich „Ver-wehen“, von nis, nir = ''aus'', vā = ''wehen'') bzw. '''Nibbana''' ([[Wikipedia:Pali|Pali]], nibbāna), liegt die Quelle allen aktiven [[Sein]]s. Hier entspringt die [[Schöpfung aus dem Nichts]]. Das Nirvana ist damit vergleichbar dem [[Ain Soph]] ({{HeS|אין סוף|nicht endlich}}) der [[Judentum|jüdischen]] [[Kabbala]].  
'''Anthropomorphismus''' (von {{ELSalt|ἄνϑρωπος}} ''anthropos'' ‚Mensch‘  und {{polytonisch|μορφή}} ''morphē'' ‚Form, Gestalt‘) ist die Übertragung [[mensch]]licher [[Gestalt]]s- und [[Verhalten]]smerkmale auf ''nichtmenschliche'' Wesen und Erscheinungen, beispielsweise auf [[Götter]], [[Tier]]e, [[Pflanze]]n, [[Natur]]gewalten, unbelebte [[Objekt]]e und sogar auf [[Maschine]]n.  


Der Nirvanaplan, der noch über der [[Welt der Vorsehung]], dem [[Buddhiplan]], liegt, ist erfüllt von höchster Tätigkeit. Hier haben zugleich alle Taten, die der [[Mensch]] auf dem [[Physischer Plan|physischen Plan]] vollbringt, ihr geistiges Gegenbild und schreiben sich so in die [[Akasha-Chronik]] ein.  
{{Zitat|Der Mensch begreift niemals, wie anthropomorphisch er ist.|Goethe|''Maximen und Reflexionen'', 4. Band, 2. Heft (1823)<ref>{{Zeno-Werk|http://www.zeno.org/Literatur/M/Goethe,+Johann+Wolfgang/Aphorismen+und+Aufzeichnungen/Maximen+und+Reflexionen/Aus+%C2%BBKunst+und+Altertum%C2%AB/Vierten+Bandes+zweites+Heft.+1823|Maximen und Reflexionen, 4. Band, 2. Heft (1823)|Johann Wolfgang Goethe}}</ref>}}


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Schon in den «[[GA 1|Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften]]» hatte [[Rudolf Steiner]] geschrieben, dass der Mensch zwangsläufig einen offenbaren oder verhüllten Anthropomorphismus in seine [[Erkenntnis]]tätigkeit hineinträgt, ja, dass dadurch, wenn es in richtiger Weise geschieht, überhaupt erst Erkenntnis möglich wird. Erkenntnis ist nur ''durch'' den Menschen und ''für'' den Menschen vorhanden. Er entfernt sich dadurch keineswegs von der Wirklichkeit, die grundsätzlich nur in einem Subjekt und Objekt übergreifenden Prozess zu erreichen ist. Die [[Wahrheit]], durch die die [[Wirklichkeit]] ergriffen werden soll, ist immer ein [[Freiheit|freies]] schöpferisches Erzeugnis des [[individuell]]en Menschen, das aber bei entsprechender geistiger Beweglichkeit [[Intersubjektivität|intersubjektiv]] nachvollzogen werden kann. Damit wird keineswegs ein willkürlicher Relativismus begründet, sondern es wird nur betont, dass die Wirklichkeit im Erkenntnisvorgang individuell ergriffen werden ''muss'' und auch auf diese Weise ergriffen werden ''kann'', weil der Mensch als [[Mikrokosmos]] sämtliche Gesetzmäßigkeiten des [[Makrokosmos]] in sich trägt. Auch den ''scheinbar'' rein objektiven Erkenntnissen der [[Naturwissenschaft]]en haftet ein solcher, meist verhüllter und dadurch oft übersehener Anthropomorphismus an.
"Wenn man im Sinne dieser [[Pläne]] den Menschen betrachtet, so wird man sehen, daß jedem Gedanken, den der Mensch denkt, als Reaktion auf dem entsprechenden andern Plan, ein anderer, aktiver Gedanke folgt. Wenn man auf dem niederen Mentalplan einen Gedanken hegt, bewirkt dies ein Gegenbild auf dem höheren Mentalplan. Wenn man ein Gefühl hegt, bewirkt dies ein Gegenbild auf dem Budhiplan. Wenn man auf dem physischen Plan tätig ist bewirkt dies ein Gegenbild auf dem Nirvanaplan. Wie früher der aktive Gedanke unser passives Denken geschaffen hat, so schafft sich ein aktiver Gedanke ein entsprechendes passives Gegenbild auf dem höheren Mentalplan und so weiter. Es kann also kein Gedanke von uns gefaßt werden, der nicht sein Gegenbild hätte, ebenso kein Gefühl, keine Handlung.
 
Die Summe von all diesen Gegengedanken, Gegenerlebnissen, Gegenhandlungen nennt man [[Akasha-Chronik]]. Man kann also alle Gedanken des Menschen lesen auf dem höheren Mentalplan, alle Gefühle und Erlebnisse auf dem Budhiplan und alle Handlungen auf dem Nirvanaplan. Die Wesenheiten, welche nun den Zusammenhang zwischen den Gegenbildern und dem Menschen regeln, haben eine große Bedeutung. Die Gedanken lebt der Mensch auf dem Mentalplan aus. Was der Mensch in Gedanken abmacht, geschieht alles auf dem Mentalplan. Dort, im Devachan, baut er sich zwischen Tod und neuer Geburt den Charakter seines Gedankenkörpers für das neue Leben auf. Dort sind die Gegenbilder seiner früheren Gedanken. Die zieht er an seinen vom Physischen und Astralen befreiten Mentalkörper heran und bildet sich so seinen künftigen Mentalkörper nach den von ihm geschaffenen Gedankenbildern. Dagegen würde er nicht von selbst die Gegenbilder seiner Erlebnisse und Handlungen mit sich verbinden können. Das unterliegt von außen regelnden Wesenheiten, den Herren des Karma, den [[Lipikas]], die die geschaffenen Gegenbilder der Gefühle und Taten des Menschen auf dem Budhi- und dem Nirvanaplan mit ihm - der schon wieder die kamische und andere Hüllen um sich hat - in Zusammenhang bringen für die folgenden Inkarnationen." {{Lit|{{G|089|174ff}}}}
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Aus dem Nirvanaplan stammt auch der [[geist]]ige [[Wesen]]skern des [[Mensch]]en, die [[Monade]]. Als Folge der [[luziferisch]]en [[Versuchung]] in der [[Lemurische Zeit|lemurischen Zeit]] stieg die Monade zur [[irdisch]]en [[Inkarnation]] herab und damit bildete der Mensch erstmals [[individuell]]es Karma. Nirvana ist in gewissem Sinn die Quelle, aus der das individuelle Karma stammt, und es ist zugleich die Senke, in die hinein es wieder verschwindet und sich auflöst.


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"Der Mensch tritt in der Mitte der lemurischen Zeit auf der Erde auf und schafft zum ersten Male eigenes Karma; früher hatte er kein individuelles Karma geschaffen -, so müssen wir nun fragen: Woher kann dieses Karma nur kommen, da es als etwas Neues hereinwirkte? - Es kann nur aus dem Nirvana kommen. Damals mußte etwas hereinwirken in die Welt, das aus dem Nirvana kam, aus dem, wo aus dem «Nichts» heraus geschaffen wird. Die Wesen, die damals die Erde befruchteten, mußten bis ins Nirvana hinaufreichen. Was die vierfüßigen Wesen befruchtete, so daß sie Menschen wurden, waren Wesen, die vom Nirvanaplan herunterkamen. Sie nennt man Monaden. Das ist der Grund, warum damals Wesen dieser Art vom Nirvanaplan herunterkommen mußten. Vom Nirvanaplan ist das Wesen, das in uns, im Menschen ist, die Monade." {{Lit|{{G|093a|125}}}}
"Der Mensch muß die Dinge aus seinem Geiste sprechen
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lassen, wenn er ihr Wesen erkennen will. Alles, was er über
dieses Wesen zu sagen hat, ist den geistigen Erlebnissen seines
Innern entlehnt. Nur von sich aus kann der Mensch die
Welt beurteilen. Er muß anthropomorphisch denken. In die
einfachste Erscheinung, z. B. in den Stoß zweier Körper
bringt man einen Anthropomorphismus hinein, wenn man
sich darüber ausspricht. Das Urteil: «Der eine Körper
stößt den andern», ist bereits anthropomorphisch. Denn
man muß, wenn man über die bloße Beobachtung des Vorganges
hinauskommen will, das Erlebnis auf ihn übertragen,
das unser eigener Körper hat, wenn er einen Körper
der Außenwelt in Bewegung versetzt. Alle physikalischen
Erklärungen sind versteckte Anthropomorphismen. Man
vermenschlicht die Natur, wenn man sie erklärt, man legt
die inneren Erlebnisse des Menschen in sie hinein. Aber
diese subjektiven Erlebnisse sind das innere Wesen der
Dinge. Und man kann daher nicht sagen, daß der Mensch
die objektive Wahrheit, das «An sich» der Dinge nicht erkenne,
weil er sich nur subjektive Vorstellungen über sie
machen kann.<ref>Goethes Anschauungen stehen in dem denkbar schärfsten Gegensatz
zur Kantschen Philosophie. Diese geht von der Auffassung aus, daß
die Vorstellungswelt von den Gesetzen des menschlichen Geistes beherrscht
werde und deshalb alles, was ihr von außen entgegengebracht
wird, in ihr nur als subjektiver Abglanz vorhanden sein könne.
Der Mensch nehme nicht das «An sich» der Dinge wahr, sondern die
Erscheinung, die dadurch entsteht, daß die Dinge ihn affizieren und
er diese Affektionen nach den Gesetzen seines Verstandes und seiner
Vernunft verbindet. Daß durch diese Vernunft das Wesen der Dinge
spricht, davon haben Kant und die Kantianer keine Ahnung. Deshalb
konnte die Kantsche Philosophie für Goethe nie etwas bedeuten.
Wenn er sich einzelne ihrer Sätze aneignete, so gab er ihnen einen
völlig anderen Sinn, als sie innerhalb der Lehre ihres Urhebers
haben. Es ist durch eine Notiz, die erst nach Eröffnung des Weimarischen
Goethe-Archivs bekannt geworden ist, klar, daß Goethe den
Gegensatz seiner Weltauffassung und der Kantschen sehr wohl
durchschaute. Für ihn liegt der Grundfehler Kants darin, daß dieser
«das ''subjektive'' Erkenntnisvermögen nun selbst als ''Objekt'' betrachtet
und den Punkt, wo ''subjektiv'' und ''objektiv'' zusammentreffen,
zwar scharf aber nicht ganz richtig sondert». Subjektiv und objektiv
treten zusammen, wenn der Mensch das, was die Außenwelt ausspricht,
und das, was sein Inneres vernehmen läßt, zum ''einigen'' Wesen
der Dinge verbindet. Dann hört aber der Gegensatz von subjektiv
und objektiv ganz auf; er verschwindet in der geeinten Wirklichkeit.
Ich habe darauf schon hingedeutet in dieser Schrift S. 218 ff.
Gegen meine damaligen Ausführungen polemisiert nun K. ''Vorländer''
im 1. Heft der «Kantstudien». Er findet, daß meine Anschauung
über den Gegensatz von Goethescher und Kantscher Weltauffassung
«mindestens stark einseitig und mit klaren Selbstzeugnissen
Goethes in Widerspruch» sei und sich «aus dem völligen Mißverständnis
der transzendentalen Methode» Kants von meiner Seite
erkläre. ''Vorländer'' hat keine Ahnung von der Weltanschauung, in
der Goethe lebte. Mit ihm zu polemisieren würde mir gar nichts
nützen, denn wir sprechen verschiedene Sprachen. Wie klar sein
Denken ist, zeigt sich darin, daß er bei meinen Sätzen nie weiß, was
gemeint ist. Ich mache z. B. eine Bemerkung zu dem Goetheschen
Satze: «Sobald der Mensch die Gegenstände um sich her gewahr
wird, betrachtet er sie in bezug auf sich selbst, und mit Recht. Denn
es hängt sein ganzes Schicksal davon ab, ob sie ihm gefallen oder
mißfallen, ob sie ihn anziehen oder abstoßen, ob sie ihm nützen oder
schaden. Diese ganz natürliche Art, die Sachen anzusehen und zu beurteilen, scheint so leicht zu sein, als sie notwendig i s t . . . Ein weit
schwereres Tagewerk übernehmen diejenigen, deren lebhafter Trieb
nach Kenntnis die Gegenstände der Natur ''an sich selbst'' und in
ihren Verhältnissen untereinander zu beobachten strebt, sie suchen
und untersuchen, was ist, und nicht was behagt.» Meine Bemerkung
lautet: «Hier zeigt sich, wie Goethes Weltanschauung gerade der
entgegengesetzte Pol der Kantschen ist. Für Kant gibt es überhaupt
keine Ansicht über die Dinge, wie sie an sich sind, sondern nur wie
sie in bezug auf uns ''erscheinen''. Diese Ansicht läßt Goethe nur als
ganz untergeordnete Art gelten, sich zu den Dingen in ein Verhältnis
zu setzen.» Dazu sagt ''Vorländer'': «Diese (Worte Goethes) wollen
weiter nichts als einleitend den trivialen Unterschied zwischen dem
Angenehmen und dem Wahren auseinandersetzen. Der Forscher soll
suchen, <''was ist'' und nicht was ''behagt''>. Wer, wie Steiner, die letztere
allerdings sehr untergeordnete Art, sich zu den Dingen in ein Verhältnis
zu setzen, als diejenige Kants zu bezeichnen wagt, dem ist zu
raten, daß er sich erst die Grundbegriffe der Kantschen Lehre, z. B.
den Unterschied von subjektiver und objektiver Empfindung, etwa
aus § 3 der Kr. d. U. klarmache.» Nun habe ich durchaus nicht, wie
aus meinem Satze klar hervorgeht, gesagt, daß jene Art, sich zu den
Dingen in ein Verhältnis zu setzen, die Kants ist, sondern daß Goethe
die Kantsche Auffassung vom Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt
nicht entsprechend dem Verhältnis findet, in dem der Mensch
zu den Dingen steht, wenn er erkennen will, wie sie an sich sind.
Goethe ist der Ansicht, daß die Kantsche Definition nicht dem
menschlichen Erkennen, sondern nur dem Verhältnisse entspricht,
in das sich der Mensch zu den Dingen setzt, wenn er sie in bezug auf
sein Gefallen und Mißfallen betrachtet. Wer einen Satz in einer solchen
Weise mißverstehen kann wie ''Vorländer'', der mag es sich ersparen,
andern Leuten Ratschläge zu geben über ihre philosophische
Ausbildung, und lieber erst sich die Fähigkeit aneignen, einen Satz
richtig ''lesen'' zu lernen. Goethesche Zitate aufsuchen und sie historisch
zusammenstellen kann jeder; sie im Sinne der Goetheschen
Weltanschauung deuten, kann jedenfalls ''Vorländer'' nicht.</ref> Von einer andern als einer subjektiven
menschlichen Wahrheit kann gar nicht die Rede sein. Denn
Wahrheit ist Hineinlegen subjektiver Erlebnisse in den objektiven
Erscheinungszusammenhang. Diese subjektiven
Erlebnisse können sogar einen ganz individuellen Charakter
annehmen. Sie sind dennoch der Ausdruck des inneren
Wesens der Dinge. Man kann in die Dinge nur hineinlegen,
was man selbst in sich erlebt hat. Demnach wird auch jeder
Mensch, gemäß seinen individuellen Erlebnissen etwas in
gewissem Sinne anderes in die Dinge hineinlegen. Wie ich
mir gewisse Vorgänge der Natur deute, ist für einen andern,
der nicht das gleiche innerlich erlebt hat, nicht ganz
zu verstehen. Es handelt sich aber gar nicht darum, daß alle
Menschen das gleiche über die Dinge denken, sondern nur
darum, daß sie, wenn sie über die Dinge denken, im Elemente
der Wahrheit leben. Man kann deshalb die Gedanken
eines andern nicht als solche betrachten und sie annehmen
oder ablehnen, sondern man soll sie als die Verkünder
seiner Individualität ansehen. «Diejenigen, welche
widersprechen und streiten, sollten mitunter bedenken, daß
nicht jede Sprache jedem verständlich sei» (Natw. Schr.,
4. Bd., 2. Abt., S. 355). Eine Philosophie kann niemals eine
allgemeingültige Wahrheit überliefern, sondern sie schildert
die inneren Erlebnisse des Philosophen, durch die er
die äußeren Erscheinungen deutet.


Dass der Mensch in das [[Karma]] verstrickt wurde und dadurch in das [[Rad der Wiedergeburten]] gezwungen wurde, ist eine Folge des [[Sündenfall]]s. Dass das Karma dabei einen [[individuell]]en Charakter trägt, ist dem Umstand zu verdanken, dass die Monade aus der schöpferischen Quelle des Nirvanas stammt.  
Wenn ein Ding durch das Organ des menschlichen Geistes
 
seine Wesenheit ausspricht, so kommt die volle Wirklichkeit
Karma entsteht aber nur solange, als der Mensch nicht [[bewusst]] aus dieser Quelle schöpfen kann. Durch sein Nichtwissen verfällt er immer wieder der luziferischen Versuchung. Erst wo der Mensch bewusst aus der vollen [[Freiheit]] seines [[Ich]]s tätig wird, handelt er derart rein aus dem Nirvana, dass ''solche'' Taten, völlig unbeeinflusst von den Wirkungen der [[Widersacher]], weder karmische Ursachen haben, noch neues [[Karma]] schaffen.  
nur durch den Zusammenfluß des äußeren Objektiven
 
und des inneren Subjektiven zustande. Weder durch einseitiges
<div style="margin-left:20px">
Beobachten, noch durch einseitiges Denken erkennt
"Und nun denken Sie sich einen Menschen, der zunächst durch Karma bestimmt wird; durch Handlungen, Gedanken, Gefühle aus der Vergangenheit. Man denke sich ihn dann so weit vorgeschritten, daß er alles Karma ausgelöscht hat, also dem Nichts gegenübersteht. Wenn er dann noch handelt, sagt man im Okkultismus: Er handelt aus dem Nirvana heraus. - Aus dem Nirvana heraus erfolgten zum Beispiel die Handlungen eines Buddha, eines Christus, wenigstens zum Teil. Der gewöhnliche Mensch nähert sich dem nur dann, wenn er künstlerisch, religiös oder weltgeschichtlich inspiriert wird.
der Mensch die Wirklichkeit. Diese ist nicht als etwas Fertiges
 
in der objektiven Welt vorhanden, sondern wird erst
Das intuitive Schaffen kommt aus dem «Nichts». Wer dazu kommen will, muß völlig frei von Karma werden. Er kann dann seine Impulse nicht mehr aus dem nehmen, woraus der Mensch sie gewöhnlich nimmt. Die Stimmung, die ihn dann überkommt, ist die der Gottseligkeit, die als Zustand auch Nirvana genannt wird." {{Lit|{{G|093a|123f}}}}
durch den menschlichen Geist in Verbindung mit den Dingen
hervorgebracht. Die objektiven Dinge sind nur ein Teil
der Wirklichkeit. Wer ausschließlich die sinnliche Erfahrung
anpreist, dem muß man mit Goethe erwidern, «daß
die Erfahrung nur die Hälfte der Erfahrung ist» (Natw.
Schr., 4. Bd., 2. Abt., S. 503). «Alles Faktische ist schon
Theorie», d. h. es offenbart sich im menschlichen Geiste ein
Ideelles, wenn er ein Faktisches betrachtet. Diese Weltauffassung,
die in den Ideen die Wesenheit der Dinge erkennt
und die Erkenntnis auffaßt als ein Einleben in das Wesen
der Dinge, ist nicht ''[[Mystik]]''. Sie hat aber mit der Mystik das
gemein, daß sie die objektive Wahrheit nicht als etwas in
der Außenwelt Vorhandenes betrachtet, sondern als etwas,
das sich im Innern des Menschen wirklich ergreifen läßt.
Die entgegengesetzte Weltanschauung versetzt die Gründe
der Dinge hinter die Erscheinungen, in ein der menschlichen
Erfahrung jenseitiges Gebiet. Sie kann nun entweder sich
einem blinden ''[[Glauben]]'' an diese Gründe hingeben, der von
einer positiven Offenbarungsreligion seinen Inhalt erhält,
oder Verstandeshypothesen und Theorien darüber aufstellen,
wie dieses jenseitige Gebiet der Wirklichkeit beschaffen
ist. Der Mystiker sowohl wie der Bekenner der Goetheschen
Weltanschauung lehnen sowohl den Glauben an ein
Jenseitiges, wie auch die Hypothesen über ein solches ab,
und halten sich an das wirkliche Geistige, das sich in dem
Menschen selbst ausspricht." {{Lit|{{G|001|335ff}}}}
</div>
</div>


Im [[Buddhismus]] bezeichnet Nirvana jenen Zustand, in dem der [[Mensch]] durch die [[Erleuchtung]] ([[Bodhi]]) den Wahn des äußeren [[Dasein]]s und seiner eigenen [[Selbstheit]] überwunden hat und dadurch aus dem [[Rad der Wiedergeburten]] ([[Samsara]]) endgültig heraustritt und sich künftig nicht mehr auf [[Erde (Planet)|Erden]] [[Inkarnation|inkarnieren]] muss. Alles irdische [[Karma]] ist dann endgültig ausgelöscht.
== Anmerkungen ==


Als der [[Buddha]] in das Nirvana einging, hatte er damit einen Zustand erreicht, der der [[Verklärung]] [[Christi]] entspricht. Um im Nirvana aufgehen zu können, muss man das [[Ego]], das im [[Egoismus]] verhärtete nieder [[Ich]], in dem zugleich die Quelle des [[Das Böse|Bösen]] liegt, vollkommen überwunden haben.
<references/>


<div style="margin-left:20px">
== Literatur ==
"Das [[Das Böse|Böse]] ist nichts anderes, als das nach außen geworfene, im Inneren des
Menschen notwendige [[Chaos]]. Und in diesem Chaos, in dem, was im Menschen
sein muß, aber auch in ihm bleiben muß als ein Herd des Bösen, in dem muß das
menschliche Ich, die menschliche Egoität erhärtet werden. Diese menschliche
Egoität kann nicht jenseits der menschlichen Sinnessphäre in der Außenwelt leben.
Daher verschwindet das Ich-Bewußtsein im Schlafe, und wenn es auftritt in den
Träumen, so erscheint es sich oftmals fremd oder geschwächt. Das Ich, das da in
dem Herd des Bösen im Inneren eigentlich erhärtet wird, das kann da nicht hinein
jenseits der Sphäre der Sinneserscheinungen. Daher die Anschauung des altorientalischen
Weisen, daß man nur durch Hingabe, durch Liebe, durch Aufgabe des Ich da
eindringen kann, und daß, wenn man ganz eindringt, man nicht mehr lebt in einer
Welt des Vana, des Webens in dem Gewohnten, sondern in der Welt, wo dieses gewohnte
Dasein verweht ist, Nirvana ist. Diese Auffassung des Nirvana, des höchstgesteigerten
Hingebens des Ich, wie es im Schlafe vorhanden ist, war so in vollbewußter
Erkenntnis vorhanden für die Schüler der altorientalischen Zivilisation." {{Lit|{{G|207|27}}}}
</div>
 
Das eigentliche, höhere Ich wird durch das Eingehen ins Nirvana keineswegs ausgelöscht, wie aus einer falschen Interpretation der buddhistischen Lehre des [[Anatta]], des [[Nicht-Ich]], vielfach gefolgert wird, sondern vielmehr gestärkt. Als einer der wenigen westlichen Interpreten des Buddhismus ging [[Georg Grimm]] (1868 - 1945), ein Pionier des [[Wikipedia:Buddhismus in Deutschland|Buddhismus in Deutschland]], davon aus, dass der Buddha nicht lehren wollte, dass es im letzten Sinn kein Ich gibt, sondern dass er im Gegenteil das wahre und unsterbliche Ich des Menschen offenlegen wollte {{Lit|Grimm}}. Grimm wurde dafür von führenden Indologen, insbesondere auch von [[Wikipedia:Helmuth von Glasenapp|Helmuth von Glasenapp]], stark kritisiert.
 
Um Nirvana erleben zu können, muss man sich mit seinem [[Bewusstsein]] in einem Zustand des [[Wachbewusstsein|wachen]] [[Traum|Träumens]] in das [[Luft-Element]] versetzen. Man muss mittels geeigneter [[Atemübungen]] das [[Leben]] der Luft in sich erleben:


<div style="margin-left:20px">
#Rudolf Steiner: ''Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften'', [[GA 1]] (1987), ISBN 3-7274-0011-0; '''Tb 649''', ISBN 978-3-7274-6490-4 {{Schriften|001}}
"... wenn man sich in das Luftförmige versetzt im Traum, so befindet man sich auf dem Nirvanaplan. Nirvana heißt wörtlich «verlöschen», in Luft verlöschen, so wie man ein Feuer auslöscht. Wenn man darin das Leben sucht, ist man mit dem eigenen Leben auf dem Nirvanaplan. Der Mensch atmet Luft ein. Wenn er das Leben der Luft in sich erlebt, dann ist das der Weg, um auf den Nirvanaplan zu kommen. Daher die Atemübungen der Jogis. Niemand kann den Nirvanaplan erreichen, wenn er nicht wirklich Atemübungen macht. Es sind nur dann [[Hathajoga]]-Übungen, wenn sie auf der falschen Stufe gemacht werden. Sonst sind sie [[Rajajoga]]-Übungen. Man atmet tatsächlich das Leben ein, den Nirvanaplan." {{Lit|{{G|093a|45}}}}
</div>
 
Nirvana zu erleben bedeutet, dass das [[Bewusstsein]] bis zum Nirvanaplan hinauf reicht. Nirvana wird erfahren als absoulte [[Leerheit]] ([[Sanskrit|skrt.]] [[Shunyata]]), als Negation jeglichen [[sinnlich]]en ''und'' [[übersinnlich]]en [[Sein]]s. Alles [[Schöpfung|Geschaffene]] ist überwunden und das [[Bewusstsein]] erwacht, nun von jeglichem [[Objekt]]- und [[Subjekt]]bezug gereinigt, im Zustand seiner eigentlichen [[Soheit]] ([[Sanskrit|skrt.]] [[Tathata]]) inmitten der schöpferischen Quelle des [[Geist]]es. Der so verstandene [[Begriff]] der Leerheit, als die das Nirvana erlebt wird, weist auf die wahre [[Wirklichkeit]] des [[Geist]]es, wie sie auch aus [[Anthroposophie|anthroposophischer]] Sicht aufgefasst wird. Der Geist kann nicht als ein in irgendeiner Form definierbares, d.h. abgrenzbares [[Sein]] beschrieben werden, hier gibt es nicht ''klein'' und ''groß'', kein ''oben'' und ''unten'' usw., sondern er verwirklicht sich im beständigen [[Schaffen aus dem Nichts|Schaffen und Selbsterschaffen aus dem Nichts]]. Der Nirvanaplan ist so schwer in Worten zu beschreiben, dass dafür bis heute noch keine zutreffende Bezeichnung in den europäischen Sprachen gefunden hat:
 
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"Wenn wir die europäischen Ausdrücke gebrauchen, nennen wir
den physischen Plan die Welt des Verstandes, das Astralische die Welt des Elementarischen,
das untere Devachan die himmlische Welt und das obere Devachan die Vernunftwelt.
Und weil der europäische Geist sich erst nach und nach heraufarbeitet,
um in seiner Sprache die entsprechenden wirklichen Ausdrücke zu haben, so hat er
dasjenige, was über der devachanischen Welt liegt, einen religiös
gefärbten Ausdruck bekommen und heißt die «Welt der Vorsehung», was darüber ist,
das konnte das alte Hellsehen zwar überblicken und alte Überlieferungen konnten
es der Menschheit geben, aus den europäischen Sprachen heraus konnte ihm aber
kein Name gegeben werden, weil heute erst der Seher sich wieder dazu heraufarbeitet.
So daß über der Welt der Vorsehung eine Welt liegt, für die es in ganz ehrlicher
und richtiger Weise den Namen in den europäischen Sprachen noch nicht geben
darf, denn es kann auch nicht ein beliebiger Name gefunden werden für das, was
sonst im Orientalischen «Nirvana» genannt wird und was über der Welt der Vorsehung,
dem Buddhiplan liegt." {{Lit|{{G|116|31f}}}}
</div>
 
== Literatur ==
#Georg Grimm: ''Die Lehre des Buddho. Die Religion der Vernunft und der Meditation.'', Hrsg. v. Maya Keller-Grimm u. Max Hoppe, Aurum Verlag, Freiburg 1988
#Rudolf Steiner: ''Bewusstsein, Leben, Form. Grundprinzipien der geisteswissenschaftlichen Kosmologie.'', [[GA 89]] (2001)
#Rudolf Steiner: ''Grundelemente der Esoterik'', [[GA 93a]] (1987)
#Rudolf Steiner: ''Der Christus-Impuls und die Entwickelung des Ich-Bewusstseins'', [[GA 116]] (1982)
#Rudolf Steiner: ''Anthroposophie als Kosmosophie – Erster Teil'', [[GA 207]] (1990)


{{GA}}
{{GA}}


[[Kategorie:Grundbegriffe]] [[Kategorie:Geistige Welt]] [[Kategorie:Nirvana]] [[Kategorie:Buddhismus]]
[[Kategorie:Grundbegriffe]] [[Kategorie:Philosophie]] [[Kategorie:Erkenntnistheorie]]

Version vom 1. Mai 2014, 08:41 Uhr

Anthropomorphismus (von griech. ἄνϑρωπος anthropos ‚Mensch‘ und μορφή morphē ‚Form, Gestalt‘) ist die Übertragung menschlicher Gestalts- und Verhaltensmerkmale auf nichtmenschliche Wesen und Erscheinungen, beispielsweise auf Götter, Tiere, Pflanzen, Naturgewalten, unbelebte Objekte und sogar auf Maschinen.

„Der Mensch begreift niemals, wie anthropomorphisch er ist.“

Goethe: Maximen und Reflexionen, 4. Band, 2. Heft (1823)[1]

Schon in den «Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften» hatte Rudolf Steiner geschrieben, dass der Mensch zwangsläufig einen offenbaren oder verhüllten Anthropomorphismus in seine Erkenntnistätigkeit hineinträgt, ja, dass dadurch, wenn es in richtiger Weise geschieht, überhaupt erst Erkenntnis möglich wird. Erkenntnis ist nur durch den Menschen und für den Menschen vorhanden. Er entfernt sich dadurch keineswegs von der Wirklichkeit, die grundsätzlich nur in einem Subjekt und Objekt übergreifenden Prozess zu erreichen ist. Die Wahrheit, durch die die Wirklichkeit ergriffen werden soll, ist immer ein freies schöpferisches Erzeugnis des individuellen Menschen, das aber bei entsprechender geistiger Beweglichkeit intersubjektiv nachvollzogen werden kann. Damit wird keineswegs ein willkürlicher Relativismus begründet, sondern es wird nur betont, dass die Wirklichkeit im Erkenntnisvorgang individuell ergriffen werden muss und auch auf diese Weise ergriffen werden kann, weil der Mensch als Mikrokosmos sämtliche Gesetzmäßigkeiten des Makrokosmos in sich trägt. Auch den scheinbar rein objektiven Erkenntnissen der Naturwissenschaften haftet ein solcher, meist verhüllter und dadurch oft übersehener Anthropomorphismus an.

"Der Mensch muß die Dinge aus seinem Geiste sprechen lassen, wenn er ihr Wesen erkennen will. Alles, was er über dieses Wesen zu sagen hat, ist den geistigen Erlebnissen seines Innern entlehnt. Nur von sich aus kann der Mensch die Welt beurteilen. Er muß anthropomorphisch denken. In die einfachste Erscheinung, z. B. in den Stoß zweier Körper bringt man einen Anthropomorphismus hinein, wenn man sich darüber ausspricht. Das Urteil: «Der eine Körper stößt den andern», ist bereits anthropomorphisch. Denn man muß, wenn man über die bloße Beobachtung des Vorganges hinauskommen will, das Erlebnis auf ihn übertragen, das unser eigener Körper hat, wenn er einen Körper der Außenwelt in Bewegung versetzt. Alle physikalischen Erklärungen sind versteckte Anthropomorphismen. Man vermenschlicht die Natur, wenn man sie erklärt, man legt die inneren Erlebnisse des Menschen in sie hinein. Aber diese subjektiven Erlebnisse sind das innere Wesen der Dinge. Und man kann daher nicht sagen, daß der Mensch die objektive Wahrheit, das «An sich» der Dinge nicht erkenne, weil er sich nur subjektive Vorstellungen über sie machen kann.[2] Von einer andern als einer subjektiven menschlichen Wahrheit kann gar nicht die Rede sein. Denn Wahrheit ist Hineinlegen subjektiver Erlebnisse in den objektiven Erscheinungszusammenhang. Diese subjektiven Erlebnisse können sogar einen ganz individuellen Charakter annehmen. Sie sind dennoch der Ausdruck des inneren Wesens der Dinge. Man kann in die Dinge nur hineinlegen, was man selbst in sich erlebt hat. Demnach wird auch jeder Mensch, gemäß seinen individuellen Erlebnissen etwas in gewissem Sinne anderes in die Dinge hineinlegen. Wie ich mir gewisse Vorgänge der Natur deute, ist für einen andern, der nicht das gleiche innerlich erlebt hat, nicht ganz zu verstehen. Es handelt sich aber gar nicht darum, daß alle Menschen das gleiche über die Dinge denken, sondern nur darum, daß sie, wenn sie über die Dinge denken, im Elemente der Wahrheit leben. Man kann deshalb die Gedanken eines andern nicht als solche betrachten und sie annehmen oder ablehnen, sondern man soll sie als die Verkünder seiner Individualität ansehen. «Diejenigen, welche widersprechen und streiten, sollten mitunter bedenken, daß nicht jede Sprache jedem verständlich sei» (Natw. Schr., 4. Bd., 2. Abt., S. 355). Eine Philosophie kann niemals eine allgemeingültige Wahrheit überliefern, sondern sie schildert die inneren Erlebnisse des Philosophen, durch die er die äußeren Erscheinungen deutet.

Wenn ein Ding durch das Organ des menschlichen Geistes seine Wesenheit ausspricht, so kommt die volle Wirklichkeit nur durch den Zusammenfluß des äußeren Objektiven und des inneren Subjektiven zustande. Weder durch einseitiges Beobachten, noch durch einseitiges Denken erkennt der Mensch die Wirklichkeit. Diese ist nicht als etwas Fertiges in der objektiven Welt vorhanden, sondern wird erst durch den menschlichen Geist in Verbindung mit den Dingen hervorgebracht. Die objektiven Dinge sind nur ein Teil der Wirklichkeit. Wer ausschließlich die sinnliche Erfahrung anpreist, dem muß man mit Goethe erwidern, «daß die Erfahrung nur die Hälfte der Erfahrung ist» (Natw. Schr., 4. Bd., 2. Abt., S. 503). «Alles Faktische ist schon Theorie», d. h. es offenbart sich im menschlichen Geiste ein Ideelles, wenn er ein Faktisches betrachtet. Diese Weltauffassung, die in den Ideen die Wesenheit der Dinge erkennt und die Erkenntnis auffaßt als ein Einleben in das Wesen der Dinge, ist nicht Mystik. Sie hat aber mit der Mystik das gemein, daß sie die objektive Wahrheit nicht als etwas in der Außenwelt Vorhandenes betrachtet, sondern als etwas, das sich im Innern des Menschen wirklich ergreifen läßt. Die entgegengesetzte Weltanschauung versetzt die Gründe der Dinge hinter die Erscheinungen, in ein der menschlichen Erfahrung jenseitiges Gebiet. Sie kann nun entweder sich einem blinden Glauben an diese Gründe hingeben, der von einer positiven Offenbarungsreligion seinen Inhalt erhält, oder Verstandeshypothesen und Theorien darüber aufstellen, wie dieses jenseitige Gebiet der Wirklichkeit beschaffen ist. Der Mystiker sowohl wie der Bekenner der Goetheschen Weltanschauung lehnen sowohl den Glauben an ein Jenseitiges, wie auch die Hypothesen über ein solches ab, und halten sich an das wirkliche Geistige, das sich in dem Menschen selbst ausspricht." (Lit.: GA 001, S. 335ff)

Anmerkungen

  1. Johann Wolfgang Goethe: Maximen und Reflexionen, 4. Band, 2. Heft (1823). In: Zeno.org.
  2. Goethes Anschauungen stehen in dem denkbar schärfsten Gegensatz zur Kantschen Philosophie. Diese geht von der Auffassung aus, daß die Vorstellungswelt von den Gesetzen des menschlichen Geistes beherrscht werde und deshalb alles, was ihr von außen entgegengebracht wird, in ihr nur als subjektiver Abglanz vorhanden sein könne. Der Mensch nehme nicht das «An sich» der Dinge wahr, sondern die Erscheinung, die dadurch entsteht, daß die Dinge ihn affizieren und er diese Affektionen nach den Gesetzen seines Verstandes und seiner Vernunft verbindet. Daß durch diese Vernunft das Wesen der Dinge spricht, davon haben Kant und die Kantianer keine Ahnung. Deshalb konnte die Kantsche Philosophie für Goethe nie etwas bedeuten. Wenn er sich einzelne ihrer Sätze aneignete, so gab er ihnen einen völlig anderen Sinn, als sie innerhalb der Lehre ihres Urhebers haben. Es ist durch eine Notiz, die erst nach Eröffnung des Weimarischen Goethe-Archivs bekannt geworden ist, klar, daß Goethe den Gegensatz seiner Weltauffassung und der Kantschen sehr wohl durchschaute. Für ihn liegt der Grundfehler Kants darin, daß dieser «das subjektive Erkenntnisvermögen nun selbst als Objekt betrachtet und den Punkt, wo subjektiv und objektiv zusammentreffen, zwar scharf aber nicht ganz richtig sondert». Subjektiv und objektiv treten zusammen, wenn der Mensch das, was die Außenwelt ausspricht, und das, was sein Inneres vernehmen läßt, zum einigen Wesen der Dinge verbindet. Dann hört aber der Gegensatz von subjektiv und objektiv ganz auf; er verschwindet in der geeinten Wirklichkeit. Ich habe darauf schon hingedeutet in dieser Schrift S. 218 ff. Gegen meine damaligen Ausführungen polemisiert nun K. Vorländer im 1. Heft der «Kantstudien». Er findet, daß meine Anschauung über den Gegensatz von Goethescher und Kantscher Weltauffassung «mindestens stark einseitig und mit klaren Selbstzeugnissen Goethes in Widerspruch» sei und sich «aus dem völligen Mißverständnis der transzendentalen Methode» Kants von meiner Seite erkläre. Vorländer hat keine Ahnung von der Weltanschauung, in der Goethe lebte. Mit ihm zu polemisieren würde mir gar nichts nützen, denn wir sprechen verschiedene Sprachen. Wie klar sein Denken ist, zeigt sich darin, daß er bei meinen Sätzen nie weiß, was gemeint ist. Ich mache z. B. eine Bemerkung zu dem Goetheschen Satze: «Sobald der Mensch die Gegenstände um sich her gewahr wird, betrachtet er sie in bezug auf sich selbst, und mit Recht. Denn es hängt sein ganzes Schicksal davon ab, ob sie ihm gefallen oder mißfallen, ob sie ihn anziehen oder abstoßen, ob sie ihm nützen oder schaden. Diese ganz natürliche Art, die Sachen anzusehen und zu beurteilen, scheint so leicht zu sein, als sie notwendig i s t . . . Ein weit schwereres Tagewerk übernehmen diejenigen, deren lebhafter Trieb nach Kenntnis die Gegenstände der Natur an sich selbst und in ihren Verhältnissen untereinander zu beobachten strebt, sie suchen und untersuchen, was ist, und nicht was behagt.» Meine Bemerkung lautet: «Hier zeigt sich, wie Goethes Weltanschauung gerade der entgegengesetzte Pol der Kantschen ist. Für Kant gibt es überhaupt keine Ansicht über die Dinge, wie sie an sich sind, sondern nur wie sie in bezug auf uns erscheinen. Diese Ansicht läßt Goethe nur als ganz untergeordnete Art gelten, sich zu den Dingen in ein Verhältnis zu setzen.» Dazu sagt Vorländer: «Diese (Worte Goethes) wollen weiter nichts als einleitend den trivialen Unterschied zwischen dem Angenehmen und dem Wahren auseinandersetzen. Der Forscher soll suchen, <was ist und nicht was behagt>. Wer, wie Steiner, die letztere allerdings sehr untergeordnete Art, sich zu den Dingen in ein Verhältnis zu setzen, als diejenige Kants zu bezeichnen wagt, dem ist zu raten, daß er sich erst die Grundbegriffe der Kantschen Lehre, z. B. den Unterschied von subjektiver und objektiver Empfindung, etwa aus § 3 der Kr. d. U. klarmache.» Nun habe ich durchaus nicht, wie aus meinem Satze klar hervorgeht, gesagt, daß jene Art, sich zu den Dingen in ein Verhältnis zu setzen, die Kants ist, sondern daß Goethe die Kantsche Auffassung vom Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt nicht entsprechend dem Verhältnis findet, in dem der Mensch zu den Dingen steht, wenn er erkennen will, wie sie an sich sind. Goethe ist der Ansicht, daß die Kantsche Definition nicht dem menschlichen Erkennen, sondern nur dem Verhältnisse entspricht, in das sich der Mensch zu den Dingen setzt, wenn er sie in bezug auf sein Gefallen und Mißfallen betrachtet. Wer einen Satz in einer solchen Weise mißverstehen kann wie Vorländer, der mag es sich ersparen, andern Leuten Ratschläge zu geben über ihre philosophische Ausbildung, und lieber erst sich die Fähigkeit aneignen, einen Satz richtig lesen zu lernen. Goethesche Zitate aufsuchen und sie historisch zusammenstellen kann jeder; sie im Sinne der Goetheschen Weltanschauung deuten, kann jedenfalls Vorländer nicht.

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften, GA 1 (1987), ISBN 3-7274-0011-0; Tb 649, ISBN 978-3-7274-6490-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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