Höhlengleichnis und Materie: Unterschied zwischen den Seiten

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Das '''Höhlengleichnis''' ist wohl das berühmteste [[Gleichnis]] [[Platon]]s und durch seine dichterische Kraft und Ausdrucksform das berühmteste Lehrstück der Philosophie und der Lehre der Philosophie.  
Als '''Materie''' (von [[Latein|lat.]] ''materia'' = „Stoff“; etymologisch verwandt mit [[Latein|lat.]] ''mater'' = „Mutter“ bzw. ''matrix'' = „Gebärmutter“; {{ELSalt|ὕλη}}, ''[[hylē]]'') wird ''allgemein'' alles '''Stoffliche''' bezeichnet, das uns in der sinnlich-physischen Welt umgibt und insgesamt die '''stoffliche Welt''' aufbaut, im [[Physik|physikalisch]] weitesten Sinn alles, was [[Ruhemasse]] besitzt. Aus geistiger Sicht gibt es aber auch [[#Höhere Materieformen|höhere Materieformen]].
Es steht am Beginn des siebten Buches der [[Politeia]], die um [[Wikipedia:380 v. Chr.|380 v. Chr.]] entstanden ist.  
Platons Lehrer [[Sokrates]] verdeutlicht darin gegenüber dem Dialogpartner [[Wikipedia:Glaukon|Glaukon]] den Bildungsweg des Philosophen, der gemäß dem Dialog als einziger den Staat führen könne. Eingebettet ist dieses Gleichnis in die Frage Glaukons nach dem Wesen des Guten und den beiden vorhergehenden Gleichnissen, dem [[Sonnengleichnis]] und dem [[Liniengleichnis]], die beide das Höhlengleichnis vorbereiten.


== Inhalt des  Gleichnisses ==
== Die sinnlich-physische Materie ==
[[Datei:Platon Cave Sanraedam 1604.jpg|mini|hochkant=2.5|[[w:Jan Saenredam|Jan Saenredam]]: ''Antrum Platonicum'' („Die platonische Höhle“), Kupferstich (1604) nach dem nicht erhaltenen Ölgemälde von [[w:Cornelis van Haarlem|Cornelis van Haarlem]] (1598).]]
[[Datei:Plasma globe.jpg|mini|Aus [[Wikipedia:Ion|Ion]]en und [[Wikipedia:Elektron|Elektron]]en bestehendes, [[Elektrizität|elektrisch]] leitendes [[Wikipedia:Plasma (Physik)|Plasma]] in einer [[Wikipedia:Plasmalampe|Plasmalampe]].]]


Sokrates beschreibt eine unterirdische, höhlenartige Behausung, von der aus ein rauer und steiler Gang nach oben zur Erdoberfläche führt. Der Gang ist ein Schacht, der in Höhe und Breite der Höhle entspricht.<ref>Rudolf Rufener (Übersetzer): ''Platon: Der Staat'', Zürich 1950, S. 545 (Anm. 2 zu S. 353).</ref> In der Höhle leben Menschen, die dort ihr ganzes Leben als Gefangene verbracht haben. Sie sind sitzend an Schenkeln und Nacken so festgebunden, dass sie immer nur nach vorn auf die Höhlenwand blicken und ihre Köpfe nicht drehen können. Daher können sie den Ausgang, der sich hinter ihren Rücken befindet, nie erblicken und von seiner Existenz nichts wissen. Auch sich selbst und die anderen Gefangenen können sie nicht sehen; das Einzige, was sie je zu Gesicht bekommen, ist die Wand, der sie zugedreht sind. Erhellt wird ihre Behausung von einem Feuer, das hinter ihnen weit oben in der Ferne brennt. Die Gefangenen sehen nur dieses Licht, das die Wand beleuchtet, nicht aber dessen Quelle. Auf der Wand sehen sie Schatten.<ref>Platon, ''Politeia'' 514a–515b.</ref>
{{Hauptartikel|Atom|Chemisches Element}}


Zwischen dem Inneren des Gefängnisses und dem Feuer befindet sich eine kleine Mauer, die nicht so hoch ist, dass sie das Licht des Feuers abschirmt. Längs der Mauer tragen Menschen unterschiedliche Gegenstände hin und her, Nachbildungen menschlicher Gestalten und anderer Lebewesen aus Stein und aus Holz.<ref>Siehe zu diesen Gegenständen Karl Bormann: ''Zu Platon, Politeia 514 b 8 – 515 a 3''. In: ''Archiv für Geschichte der Philosophie'' 43, 1961, S. 1–14, hier: 1–4.</ref> Diese Gegenstände ragen über die Mauer hinaus, ihre Träger aber nicht. Manche Träger unterhalten sich miteinander, andere schweigen.<ref>Platon, ''Politeia'' 514b–515a.</ref>
Die [[notwendig]]en, [[Phänomen|phänomenologisch]] fassbaren, gemeinsamen charakteristischen Eigenschaften der sinnlich-physischen Materie sind neben ihrer [[Wikipedia:Masse (Physik)|Masse]], wodurch alle Materie der [[Schwere]] unterliegt, ihre [[Raum|räumliche]] Ausdehnung und mithin ihr endliches [[Wikipedia:Volumen|Volumen]], ihre innere [[Struktur]] und ihr innerer Gehalt an [[Wärme|Wärmeenergie]]. So aufgefasst ist die Materie [[ding]]haft, [[Gegenstand|gegenständlich]]; [[Licht]] etwa ist in diesem Sinn ''keine'' Materie. Aus physikalischer Sicht ist im wesentlichen alle physische Materie aus [[Chemisches Element|chemischen Elementen]] und diese wiederum aus [[Atom]]en aufgebaut, die sich weiter zu komplexeren [[Molekül]]en verbinden können und der Materie ihre ''spezifische stoffliche Identität'' verleihen.  


Da die bewegten Gegenstände auf die Höhlenwand, der die Gefangenen zugewendet sind, Schatten werfen, können die Höhlenbewohner die bewegten Formen schattenhaft wahrnehmen. Von den Trägern ahnen sie aber nichts. Wenn jemand spricht, hallt das Echo von der Höhlenwand so zurück, als ob die Schatten sprächen. Daher meinen die Gefangenen, die Schatten könnten sprechen. Sie betrachten die Schatten als Lebewesen und deuten alles, was geschieht, als deren Handlungen. Das, was sich auf der Wand abspielt, ist für sie die gesamte Wirklichkeit und schlechthin wahr. Sie entwickeln eine Wissenschaft von den Schatten und versuchen in deren Auftreten und Bewegungen Gesetzmäßigkeiten festzustellen und daraus Prognosen abzuleiten. Lob und Ehre spenden sie dem, der die besten Voraussagen macht.<ref>Platon, ''Politeia'' 515a–c, 516c–e.</ref>
Die räumliche Ausdehnung der Materie ist gemäß der [[Wikipedia:Quantenmechanik|Quantenmechanik]] eine Folge des für alle [[Wikipedia:Fermion|Fermion]]en gültigen [[Wikipedia:Pauli-Prinzip|Pauli-Prinzip]]s. Materie umfasst in diesem Sinn alle [[Wikipedia:Elementarteilchen|Elementarteilchen]] mit [[Wikipedia:Spin|Spin]] <math>\tfrac12</math> (eben die Fermionen), also die nach heutiger Kenntnis näherungsweise punktförmigen<ref>Die maximale Ausdehnung ist durch die [[Wikipedia:Planck-Länge|Planck-Länge]] ''l<sub>P</sub>'' = 1,616 · 10<sup>−35</sup> [[Wikipedia:Meter|m]] begrenzt.</ref> [[Wikipedia:Quark (Physik)|Quarks]] und [[Wikipedia:Leptonen|Leptonen]], sowie alle daraus aufgebauten, räumlich erscheinenden Objekte wie [[Wikipedia:Proton|Proton]]en und [[Wikipedia:Neutron|Neutron]]en ([[Wikipedia:Atomkern|Atomkern]]e), [[Atom]]e, elektrisch geladene [[Wikipedia:Ion|Ion]]en, [[Molekül]]e, [[Festkörper|feste]], [[Flüssigkeit|flüssige]] und [[gas]]förmige Materie, [[Wikipedia:Plasma (Physik)|Plasma]] usw. bis hin zu den [[Planet]]en, [[Stern]]en und [[Wikipedia:Galaxie|Galaxie]]n. Zu beachten ist dabei aber, dass die angegebenen phänomenologischen Eigenschaften der Materie keineswegs unmittelbar auf Elementarteilchen, Atome und Moleküle übertragen werden können. Elementarteilchen, Atome und Moleküle sind keine ''Dinge'' im herkömmlichen Sinn. Der klassische Materie-Begriff ist auf sie nicht anwendbar. Vielmehr muss man hier im Einklang mit der modernen Physik von einer ''objektiven Gedankenwelt'' sprechen, die durch ihre [[Kraft]]wirkungen [[Messgerät|messtechnisch]] erfassbar ist, und die allerdings, so wie die Materie heute geworden ist, der [[Untersinnliche Welt|untersinnlichen Welt]], also dem [[ahrimanisch]]en Weltbereich angehört. Tatsächlich hat man es also hier mit [[wesen]]haften ahrimanischen Kräften zu tun, die [[Wikipedia:Wolfgang Pauli|Wolfgang Pauli]] auch als den [[Imagination|imaginativ]] zu erlebenden „Geist der Materie“ bezeichnet hat.


Nun bittet Sokrates Glaukon sich vorzustellen, was geschähe, wenn einer der Gefangenen losgebunden und genötigt würde, aufzustehen, sich umzudrehen, zum Ausgang zu schauen und sich den Gegenständen selbst, deren Schatten er bisher beobachtet hat, zuzuwenden. Diese Person wäre schmerzhaft vom Licht geblendet und verwirrt. Sie hielte die nun in ihr Blickfeld gekommenen Dinge für weniger real als die ihr vertrauten Schatten. Daher hätte sie das Bedürfnis, wieder ihre gewohnte Position einzunehmen, denn sie wäre überzeugt, nur an der Höhlenwand sei die Wirklichkeit zu finden. Gegenteiligen Belehrungen eines wohlgesinnten Befreiers würde sie keinen Glauben schenken.<ref>Platon, ''Politeia'' 515c–e.</ref>
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"Überall an der Stelle, wo der Mensch Materie
hinträumt, da ist in Wahrheit Ahriman. Und die größte Verführung
ist die materialistische Theorie der Physik, sind die materiellen
Atome; denn diese sind nichts anderes in Wirklichkeit als die
Kräfte des Ahriman." {{Lit|{{G|145|161}}}}
</div>


Wenn man den Befreiten nun mit Gewalt aus der Höhle schleppte und durch den unwegsamen und steilen Aufgang an die Oberfläche brächte, würde er sich dagegen sträuben und wäre noch verwirrter, denn er wäre vom Glanz des Sonnenlichts geblendet und könnte daher zunächst gar nichts sehen. Langsam müsste er sich an den Anblick des Neuen gewöhnen, wobei er erst Schatten, dann Spiegelbilder im Wasser und schließlich die Menschen und Dinge selbst erkennen könnte. Nach oben blickend würde er sich erst mit dem Nachthimmel vertraut machen wollen, später mit dem Tageslicht, und zuletzt würde er es wagen, die Sonne unmittelbar anzusehen und ihre Beschaffenheit wahrzunehmen. Dann könnte er auch begreifen, dass es die Sonne ist, deren Licht Schatten erzeugt. Nach diesen Erlebnissen und Einsichten hätte er keinerlei Bedürfnis mehr, in die Höhle zurückzukehren, sich mit der dortigen Schattenwissenschaft zu befassen und dafür von den Gefangenen belobigt zu werden.<ref>Platon, ''Politeia'' 515e–516e.</ref>
== Zusammenbruch des klassischen physikalischen Materiebegriffs ==


Sollte er dennoch an seinen alten Platz zurückkehren, so müsste er sich erst wieder langsam an die Finsternis der Höhle gewöhnen. Daher würde er einige Zeit bei der dort üblichen Begutachtung der Schatten schlecht abschneiden. Daraus würden die Höhlenbewohner folgern, er habe sich oben die Augen verdorben. Sie würden ihn auslachen und meinen, es könne sich offenbar nicht lohnen, die Höhle auch nur versuchsweise zu verlassen. Wenn jemand versuchte, sie zu befreien und nach oben zu führen, würden sie ihn umbringen, wenn sie könnten.<ref>Platon, ''Politeia'' 516e–517a.</ref>
{{GZ|Wenn auch die wenigsten Menschen das heute noch beachten, so muß man doch sagen: die letzten zwanzig Jahre haben eigentlich gerade auf dem Gebiete der Physik die denkbar größte Revolution hervorgerufen. Vorstellungen, die vor dreißig Jahren noch als unerschütterlich galten, sind heute durchaus revolutioniert. Man braucht nur den Namen Einstein zu nennen oder den Namen Lorentz, des holländischen Physikers, und man kann, indem man diese Namen nennt, hinweisen auf eine ganze Fülle von Tatsachen und Auseinandersetzungen, welche die Physik, wie sie noch vor dreißig Jahren war, durchaus revolutioniert, erschüttert haben. Es kann das, was hier vorliegt, natürlich von mir nicht in den Einzelheiten ausgeführt werden. Aber auf diese Tatsache der Revolutionierung der Physik, die ja in gewissen Kreisen schon bekannt genug ist, muß doch hingewiesen werden. Nun aber kann man sagen: Während zum Beispiel etwas so Bedeutsames vorliegt wie die Revolutionierung des alten Masse- und Materiebegriffes durch die neuere Strahlungstheorie der Elektrizität, finden unsere wissenschaftlichen Vorstellungsarten keine Möglichkeit, zurechtzukommen mit dem, was da eigentlich durch die Fülle der Experimente dem Menschen entgegengetreten ist. Aus der Anschauung der strahlenden Materie im Glasvakuum konnte man sehen, daß dieselben Eigenschaften, die man früher der Materie beigelegt hat, zum Beispiel eine gewisse Geschwindigkeit und Beschleunigung, man nunmehr genötigt ist, der strahlenden Elektrizität beizulegen; man hat also sozusagen den Materiebegriff unter den Fingern verloren. Das stellte sich aus der Anschauung der Fülle von Experimenten heraus, daß nicht irgend etwas hätte gesetzt werden können an die Stelle des alten Materiebegriffes; und aus der Einsteinschen Relativitätstheorie mit ihren furchtbar kalten Abstraktionen läßt sich auch so etwas nicht herausgewinnen wie eine wirkliche Anschauung desjenigen, mit dem man es eigentlich in der äußeren Natur zu tun hat.|73a|30}}


== Text ==
Nach [[Wikipedia:Erwin Schrödinger|Erwin Schrödinger]], der 1926 die nach ihm benannte [[Wikipedia:Schrödingergleichung|Schrödingergleichung]] zur Berechnung quantenmechanischer Phänomene formulierte, sind [[Atom]]e keine [[stoff]]lichen Gebilde, keine [[Ding]]e, sondern reine [[Form]]:


{{Zitat|Stelle dir nämlich Menschen vor in
{{LZ|Bis in die jüngste Zeit
einer höhlenartigen Wohnung unter der Erde, die
haben, soviel mir bekannt, die Atomtheoretiker aller Jahrhunderte
einen nach dem Lichte zu geöffneten und längs der
die in Rede stehende Charakteristik von den
ganzen Höhle hingehenden Eingang habe, Menschen,
sichtbaren und greifbaren Teilen der Materie auf die Atome
die von Jugend auf an Schenkeln und Hälsen in Fesseln
übertragen, welche sie weder sehen, noch tasten, noch sonstwie
eingeschmiedet sind, so daß sie dort unbeweglich
einzeln beobachten konnten. Heute sind wir in der Lage,
sitzenbleiben und nur vorwärts schauen, aber links
einzelne Elementarteilchen zu beobachten, wir sehen ihre
und rechts die Köpfe wegen der Fesselung nicht umzudrehen
Bahnspuren in der Nebelkammer sowie - bei Versuchen,
vermögen; das Licht für sie scheine von
von denen oben nicht die Rede war - in einer photographischen
oben und von der Ferne von einem Feuer hinter ihnen;
Emulsion, wir stellen die praktisch gleichzeitigen
zwischen dem Feuer und den Gefesselten sei oben ein
Entladungen fest, die ein einzelnes schnelles Teilchen in
Querweg; längs diesem denke dir eine kleine Mauer
zwei oder drei Geigerschen Zählrohren auslöst, welche in
erbaut, wie sie die Gaukler vor dem Publikum haben,
mehreren Metern Entfernung hintereinander aufgestellt
über die sie ihre Wunder zeigen.
sind. Dennoch sind wir genötigt, dem Teilchen die Würde
eines schlechthin identifizierbaren Individuums abzuerkennen.
Wenn früher ein Physiker gefragt wurde, aus welchem
Stoff denn die Atome selbst bestünden, durfte er lächeln
und ausweichend antworten. Wenn aber der Frager durchaus
wissen wollte , ob er sie sich als kleine unveränd erliche
Stückchen von gewöhnlicher Materie vorstellen dürfe, so
wie sie sich dem vorwissenschaftlichen Denken darstellten,
durfte man ihm sagen, das habe zwar wenig Sinn, aber es
könne nichts verschlagen. Die ehedem bedeutungslose Frage
hat heute Sinn bekommen. Die Antwort ist ein entschiedenes
Nein. Dem Atom fehlt das allerprimitivste Merkmal, an das
wir bei einem Stück Materie im gewöhnlichen eben denken.
Manche ältere Philosophen würden, wenn ihnen der Fall
vorgelegt werden könnte, sagen: eure neumodischen Atome
bestehen überhaupt aus keinem Stoff, sie sind reine Form.|Schrödinger, S. 135f}}


Ich stelle mir das vor, sagte er.
== Geist und Materie ==


So stelle dir nun weiter vor, längs dieser Mauer trügen
Die Materie zeigt uns zunächst nur ihre sinnliche Außenseite, dahinter aber wirkt der [[Geist]].  
Leute allerhand über diese hinausragende Gerätschaften,
auch Menschenstatuen und Bilder von anderen
lebenden Wesen aus Holz, Stein und allerlei sonstigem
Stoffe, während, wie natürlich, einige der Vorübertragenden
ihre Stimme hören lassen, andere
schweigen.


Ein wunderliches Gleichnis, sagte er, und wunderliche
<div style="margin-left:20px">
Gefangene!
"Wir müssen zum Beispiel dadurch, daß wir jetzt
auf dem physischen Plan mit der äußeren Materie leben, in gewissen
Fällen die Fähigkeit haben, auch in der äußeren Materie um uns herum
überall den Geist wahrzunehmen. Denn Materie ist ja nur ein Trugbild,
Maja, alles ist verdichteter Geist. So daß wir für das gewöhnliche
Leben unter den Gegenständen der Materie den Geist zu spüren haben.
Wir müssen also zu ihr in ein äußeres Verhältnis kommen können, daß
wir gewissermaßen intime Beziehungen einzugehen vermögen mit den
Dingen." {{Lit|{{G|127|109}}}}
</div>


Leibhaftige Ebenbilder von uns! sprach ich. Haben
Was der Materie [[geist]]ig im Verborgenen zugrunde liegt, wurde bereits in den der [[Erdentwicklung]] vorangegangenen [[Weltentwicklungsstufen]] des [[Alter Saturn|alten Saturns]], der [[Alte Sonne|alten Sonne]] und des [[Alter Mond|alten Mondes]] entwickelt. [[Rudolf Steiner]] gebrauchte dafür einmal folgendes Bild:
wohl solche Gefangene von ihren eigenen Personen
und von einander etwas anderes zu sehen bekommen
als die Schatten, die von dem Feuer auf die ihrem Gesichte
gegenüberstehende Wand fallen?


Unmöglich, sagte er, wenn sie gezwungen wären,
<div style="margin-left:20px">
ihr ganzes Leben lang unbeweglich die Köpfe zu halten.
"Ich könnte noch ein anderes Bild bringen: Nehmen wir einmal
Ferner, ist es nicht mit den vorübergetragenen Gegenständen
an, wir hätten vor uns irgendeinen Aufbau, kunstvoll geschichtet
ebenso?
aus Papierrollen. Nun können wir zunächst beschreiben, was wir
da kunstvoll aus Papierrollen geschichtet haben: Einige Rollen stehen,
die anderen sind schief zusammengerollt und das, kunstvoll
zusammengestellt, gibt irgendeinen Aufbau. Aber denken Sie sich,
wir hätten nicht bloß Papierrollen aufgeschichtet, sondern in jede
Papierrolle wäre hineingemalt ein wunderbares Gemälde. Das würden
wir gar nicht sehen, wenn wir die Rollen, die zusammengerollt
sind und auf der Innenseite die Gemälde haben, ins Auge fassen.
Und dennoch sind sie drinnen! Und bevor der Aufbau hat geschehen
können, mußten die Malereien hineingemalt sein. Nehmen Sie
aber an, es wäre die Sache so, daß wir nicht den kunstvollen Aufbau
aus den Papierrollen schichteten, sondern daß der sich selbst
schichten müßte. Sie können sich natürlich nicht vorstellen, daß er
sich selbst schichtet, da haben Sie ganz recht, kein Mensch kann
sich das vorstellen; aber nehmen wir an, dadurch, daß die Gemälde
auf alle Rollen gemalt sind, läge in ihnen die Kraft, daß sich die
Rollen selber schichteten: Dann haben Sie hier ein Bild von unserem
wirklichen Weltengebäude! Die Gemälde, die auf den Rollen
sind, kann ich vergleichen mit all dem, was während der Saturn-,
der Sonnen- und Mondenzeit geschehen ist, was da hineingeheimnist
ist in jeden einzelnen Teil unseres Weltengebäudes. Aber es
sind keine toten Gemälde, es sind lebendige Kräfte, die dasjenige,
was auf der Erde sein soll, was auf unserem physischen Plan sein
soll, aufbauen, und wir holen heraus dasjenige, was kunstvoll verborgen
ist in dem, was gewissermaßen aus einzelnen Rollen des
Weltengebäudes vor uns aufgeschichtet ist, und was beschrieben
wird von der äußeren Wissenschaft, was uns gegenübersteht im
äußeren Leben. Wenn Sie aber dieses Bild zu Ende denken - ich
habe lange nachgesonnen, ein Bild, das möglichst entspricht dem
Sachverhalt, zu finden; es ist das Bild von diesen Rollen, die lebendige,
tätige Bilder haben -, dann werden Sie finden, daß kein
menschliches Auge, das der Aufschichtung entgegenschaut, zunächst
eine Ahnung haben kann von den Bildern, die da drinnen
sind. Wenn der Aufbau recht kunstgemäß ist, werden wir etwas
recht Kunstgemäßes als Beschreibung des Aufbaues bekommen,
aber nichts wird in der Beschreibung stehen von den Gemälden, die
drinnen sind.


Allerdings.
Sehen Sie, so ist es mit der äußeren Wissenschaft. Sie beschreibt
diesen kunstvollen Aufbau, sie läßt aber ganz außer acht dasjenige,
was als Gemälde auf jeder einzelnen Rolle steht. Aber wenn Sie den
Vergleich zu Ende denken, müssen Sie noch etwas ganz anderes ins
Auge fassen: Gibt es denn in all jener Tätigkeit, welche diesen
kunstvollen Aufbau der Rollen beschreibt, eine Möglichkeit, auch
nur zu ahnen, geschweige denn wirklich etwas zu beschreiben von
dem, was auf den einzelnen Rollen steht, wenn eben die Rollen zusammengerollt
sind und das Gebäude aufbauen? Das gibt es gar
nicht! In diesem Sinne müssen Sie sich auch klar sein, daß die gewöhnliche
Wissenschaft zunächst gar nicht darauf kommen kann,
daß unserem Weltengebäude dieses Geistige zugrunde liegt. Daher
kann in einer geraden Fortsetzung desjenigen, was man sich aneignet
in der gewöhnlichen Wissenschaft, nicht das Verständnis für die
Geisteswissenschaft liegen, sondern es muß etwas hinzukommen,
etwas, was im Grunde genommen gar nichts zu tun hat mit der gewöhnlichen
Wissenschaft. Denn denken Sie einmal, Sie haben diese
aufgeschichteten Rollen vor sich. Jemand kann sie sehr gut beschreiben,
er wird noch wunderbare Schönheiten finden, etwa daß manche
Rollen mehr schief, manche weniger schief gelegt sind, manche zu
einer Rundung gebaut sind und so weiter, er wird all das hübsch
beschreiben. Aber um darauf zu kommen, daß auf jeder Rolle inwendig
ein Gemälde ist, dazu ist notwendig, daß er eine Rolle herausnimmt
und sie aufrollt. Es hat gar nichts zu tun mit der Beschreibung
des geschichteten Gebäudes. Es muß also etwas Besonderes hinzukommen
zu der menschlichen Seele, wenn die Seele aus der gewöhnlichen
wissenschaftlichen Weltanschauungsweise, wie wir sie heute
haben, hineinkommen will in eine geisteswissenschaftliche Betrachtung,
es muß die Seele von etwas Besonderem ergriffen werden. Das
ist dasjenige, was heute so schwer verständlich ist für die äußere, im
Materialismus lebende Kultur, was aber wieder begriffen werden
muß, wie es begriffen worden ist in den verschiedensten Kulturperioden,
in denen man noch eine geistige Weltanschauung als die
physische Weltanschauung durchdringend hatte. Altere Zeiten waren
sich immer klar darüber, daß dasjenige, was man von dem geistigen
Inhalte der Welt wissen soll, beruht auf einem besonderen Erfangenwerden
der Seele von der Geistigkeit. Daher haben sie nicht
bloß von Wissenschaftlichkeit, sondern von Initiationen und dergleichen
gesprochen, und mit Recht davon gesprochen." {{Lit|{{G|169|145ff}}}}
</div>


Wenn sie nun mit einander reden könnten, würden
== Höhere Materieformen ==
sie nicht an der Gewohnheit festhalten, den vorüberwandernden
Schattenbildern, die sie sahen, dieselben
Benennungen zu geben?


Notwendig.
Die anthroposophische Geisteswissenschaft muss darüberhinaus übersinnliche Materieformen anerkennen, aus denen gleichsam erst durch Verdichtung die sinnliche-physische Materie entsteht. Diese übersinnlichen Materieformen sind eigenständige, sich selbst tragende [[Substanz]]en im philosophischen Sinn. Sie haben allerdings ganz andere Eigenschaften als die sinnlich-physische Materie; namentlich Masse und räumliche Ausdehnung kommen hier nicht in Betracht. Man darf in diesem Sinn von feinstofflicher [[Äthermaterie]], [[Astralmaterie]] und mit eingeschränkter Gültigkeit sogar von [[Geiststofflichkeit]] sprechen. In je höhere geistige Bereiche man hinaufsteigt, desto plastisch bildsamer erscheint die entsprechende Materie. In den höchsten Bereichen des [[Niederes Devachan|niederen Devachan]] findet sich schließlich der geistige Urstoff, aus dem letztlich alles geformt wird. Dieser Urstoff wird auch als [[Akashastoff]] oder [[Feuerluft]] ([[Hebräische Sprache|hebr.]] רוח, [[Ruach]] = ''Rauch''; zugleich der hebr. Name für die [[Verstandesseele]]) bezeichnet.


Weiter: Wenn der Kerker auch einen Widerhall von
Die [[Alchemist]]en sehen in der sogenannten [[Jungfernerde]], der [[materia benedicta]], den Urstoff, aus dem die irdische Stoffeswelt geschaffen ist. Mit dieser [[prima materia]] muss das [[Opus Magnum]] zur Bereitung des [[Stein der Weisen|Steins der Weisen]], und damit zugleich die Vergeistigung der materiellen Welt, beginnen.
der gegenüberstehenden Wand darböte, sooft jemand
der Vorübergehenden sich hören ließe, - glaubst du
wohl, sie würden den Laut etwas anderem zuschreiben
als den vorüberschwebenden Schatten?


Nein, bei Zeus, sagte er, ich glaube es nicht.
=== Äthermaterie - Negative Materie ===


Überhaupt also, fuhr ich fort, würden solche nichts
{{Hauptartikel|Äthermaterie}}
für wahr gelten lassen als die Schatten jener Gebilde?


Ja, ganz notwendig, sagte er.
Die [[Äthermaterie]] oder [[negative Materie]], von [[Rudolf Steiner]] gelegentlich auch als [[Antimaterie]]<ref>die aber nicht identisch ist mit dem, was in der [[Wikipedia:Moderne Physik|modernen Physik]] als [[Wikipedia:Antimaterie|Antimaterie]] bezeichnet wird!</ref> bezeichnet, charakterisiert sich nicht durch das Prinzip der Raum''erfüllung'', sondern durch das der Raumm''entleerung''. Die [[physisch]]e Materie ist durch [[Druckkräfte]] bestimmt, der [[Äther]] hingegen durch [[Saugkräfte]], die die physische Materie aus dem [[Raum]] herausschaffen; es entsteht dadurch eine ''qualitativ'' negative Materie - und dieser Prozess endet letztlich bei [[Akasha]].


Betrachte nun, fuhr ich fort, wie es bei ihrer Lösung
<div style="margin-left:20px">
von ihren Banden und bei der Heilung von
"Wir wissen, daß jeder Körper aus einem mehr festen
ihrem Irrwahne hergehen würde, wenn solche ihnen
in einen mehr immateriellen Zustand übergehen kann: vom festen
wirklich zuteil würde: Wenn einer entfesselt und genötigt
zum flüssigen und zum gasförmigen Zustand, Die Verfeinerung
würde, plötzlich aufzustehen, den Hals umzudrehen,
des materiellen Zustandes kann einen Grad erreichen, der, wenn
herumzugehen, in das Licht zu sehen, und
man ihn überschreitet, bei einer negativen Materie endet; man nennt
wenn er bei allen diesen Handlungen Schmerzen empfände
ihn Akasha. In ihr drücken sich alle Ereignisse in einer endgültigen
und wegen des Glanzgeflimmers vor seinen
Weise ab,- und man kann sie alle wiederfinden, selbst diejenigen aus
Augen nicht jene Dinge anschauen könnte, deren
der tiefsten Vergangenheit." {{Lit|{{G|94|83}}}}
Schatten er vorhin zu sehen pflegte: was würde er
</div>
wohl dazu sagen, wenn ihm jemand erklärte, daß er
vorhin nur ein unwirkliches Schattenspiel gesehen,
daß er jetzt aber dem wahren Sein schon näher sei und
sich zu schon wirklicheren Gegenständen gewandt
habe und daher nunmehr auch schon richtiger sehe?
Und wenn man ihm dann nun auf jeden der vorüberwandernden
wirklichen Gegenstände zeigen und ihn
durch Fragen zur Antwort nötigen wollte, was er sei, -
glaubst du nicht, daß er ganz in Verwirrung geraten
und die Meinung haben würde, die vorhin geschauten
Schattengestalten hätten mehr Realität als die, welche
er jetzt gezeigt bekomme?


Ja, bei weitem, antwortete er.
<div style="margin-left:20px">
"Da muß man schon wissen, daß der Äther die von dem
Druck entgegengesetzte Eigenschaft hat. Er saugt nämlich, der Äther
ist der Saugende. Er will durch seine eigene Wesenheit immer die
räumliche Materie aus dem Raume heraus vernichten. Das ist das
Wesentliche des Äthers. Wo die physische Materie drückt, da saugt
der Äther. Die physische Materie erfüllt den Raum; der Äther schafft
die Materie aus dem Raume heraus. Er ist nämlich die negative Materie,
aber qualitativ negativ, nicht quantitativ negativ.


Und nicht wahr, wenn man ihn zwänge, in das
Das ist in bezug auf den menschlichen Ätherleib ebenso. Wir leben
Licht selbst zu sehen, so würde er Schmerzen an den
zwischen physischem Leib und Ätherleib so, daß wir uns fortwährend
Augen haben, davonlaufen und sich wieder jenen
vernichten und wieder herstellen. Der Äther vernichtet fortwährend
Schattengegenständen zuwenden, die er ansehen kann,
unsere Materie, der physische Leib stellt sie wieder her. Das widerspricht
und würde dabei bleiben, diese wären wirklich deutlicher
allerdings - das will ich nur in Parenthese erwähnen - dem
als die, welche er gezeigt bekam?
heute so beliebten Gesetz von der Erhaltung der Kraft. Aber die Tatsache
ist, daß dieses Gesetz von der Erhaltung der Kraft der inneren
Wesenheit des Menschen, der Wahrheit widerspricht. Es gilt nur für
die unorganische Welt im strengen Sinne des Wortes. Für die organische
gilt es nur so weit, als diese von Unorganischem ausgefüllt
ist; für die Eisenteilchen im Blutserum gilt dieses Gesetz, aber nicht
für das ganze Menschenwesen. Da findet ein fortwährendes Oszillieren
statt zwischen den aufsaugenden und uns vernichtenden Kräften
des Äthers und der Wiederherstellung des physischen Leibes." {{Lit|{{G|306|103}}}}
</div>


So wird's gehen, meinte er.
=== Wassererde - die astrale Materie der 4. Schicht des Erdinneren ===


Wenn aber, fuhr ich fort, jemand ihn aus dieser
Die [[Wassererde]] ist jene astrale Materie, die die vierte Schicht des [[Erdinneres|Erdinneren]] bildet und der Ursprung aller [[irdisch]]en Materie ist:
Höhle mit Gewalt den rauhen und stellen Aufgang
zöge und ihn nicht losließe, bis er ihn an das Licht
der Sonne herausgebracht hätte, - würde er da wohl
nicht Schmerzen empfunden haben, über dieses Hinaufziehen
aufgebracht werden und, nachdem er an das
Sonnenlicht gekommen, die Augen voll Blendung
haben und also gar nichts von den Dingen sehen können,
die jetzt als wirkliche ausgegeben werden?
Er würde es freilich nicht können, sagte er, wenn
der Übergang so plötzlich geschähe.


Also einer allmählichen Gewöhnung daran, glaube
<div style="margin-left:20px">
ich, bedarf er, wenn er die Dinge über der Erde schauen
"Die vierte Schicht ist nun so beschaffen, daß alle diejenigen Dinge,
soll. Da würde er nun erstlich die Schatten am
die in den drei übergeordneten Schichten vorhanden sind und immerhin
leichtesten anschauen können und die im Wasser von
mehr oder weniger etwas von unseren gewöhnlichen Stoffen haben,
den Menschen und den übrigen Wesen sich abspiegelnden
keine Stofflichkeit mehr aufweisen, wie sie auf der Erde angetroffen
Bilder, sodann erst die wirklichen Gegenstände
werden kann. In dieser Schicht sind also die Substanzen so, daß
selbst. Nach diesen zwei Stufen würde er die Gegenstände
sie für keinen äußeren Sinn wahrnehmbar werden. Sie sind in einem
am Himmel und den Himmel selbst erst des
astralischen Zustand. Alles, was in den drei obersten Schichten der
nachts, durch Gewöhnung seines Blickes an das Sternen-
Erde existiert und doch noch in einer gewissen Weise mit dem auf der
und Mondlicht, leichter schauen als am Tage die
Erdoberfläche Befindlichen verwandt ist, das ist hier im astralischen
Sonne und das Sonnenlicht.
Zustande vorhanden. Wir können in dem Sinne, wie es in der Bibel
heißt, sagen: «Der Geist Gottes schwebte über den Wassern.» Nennen
wir diese Schicht die Wassererde, wie sie auch im Okkultismus
bezeichnet wird. Diese Wassererde ist zu gleicher Zeit der Ursprung,
der Urquell alles auf der Erde befindlichen Stofflichen, alles äußerlichen
Stofflichen, gleichgültig ob dieses im Mineral, in der Pflanze,
im Tier oder im Menschen enthalten ist. Dieses Stoffliche, das jedes
irdische Wesen in sich trägt, ist, bis ins Astralische verflüchtigt, in
dieser Wassererde vorhanden. Sie müssen sich vorstellen, daß von
allen unseren physischen Kräften auch astralische Urkräfte vorhanden
sind, daß diese astralischen Urkräfte sich ins Physische verdichten
und daß diese Urkräfte in der vierten Schicht, in der Wassererde,
enthalten sind." {{Lit|{{G|96|34}}}}
</div>


Ohne Zweifel.
== Materie und Zeit ==


Und endlich auf der vierten Stufe, denke ich, vermag
Die Annahme einer ewigen, unzerstörbaren Materie, wie sie etwa von [[Wikipedia:Isaac Newton|Isaac Newton]] postuliert wurde, beruht auf einem verfehlten [[Zeit]]begriff.
er natürlich die Sonne, das heißt nicht ihre Abspiegelung
im Wasser oder in sonst einer außer ihr
befindlichen Körperfläche, sondern sie selbst in ihrer
Reinheit und in ihrer eigenen Region anzublicken
sowie ihr eigentliches Wesen zu beschauen.


Ja, notwendig, sagte er.
<div style="margin-left:20px">
"Aber nur einer
ganz verfehlten Auffassung des Zeitbegriffes verdankt der
Begriff der Materie seine Entstehung. Man glaubt die Welt
zum wesenlosen Schein zu verflüchtigen, wenn man der
veränderlichen Summe der Geschehnisse nicht ein in der Zeit
Beharrendes, ein Unveränderliches untergelegt dächte, das
bleibt, während seine Bestimmungen wechseln. Aber die
Zeit ist ja nicht ein Gefäß, in dem die Veränderungen sich
abspielen; sie ist nicht vor den Dingen und außerhalb derselben
da. Die Zeit ist der sinnenfällige Ausdruck für den
Umstand, daß die Tatsachen ihrem Inhalte nach voneinander
in einer Folge abhängig sind. Nehmen wir an, wir
hätten es mit dem wahrzunehmenden Tatsachenkomplex a1
b1 c1 d1 e1 zu tun. Von diesem hängt mit innerer Notwendigkeit
der andere Komplex a2 b2 c2 d2 e2 ab; ich sehe den
Inhalt dieses letzteren ein, wenn ich ihn ideell aus dem
ersteren hervorgehen lasse. Nun nehmen wir an, beide
Komplexe treten in die Erscheinung. Denn was wir früher
besprochen haben, ist das ganz unzeitliche und unräumliche
Wesen dieser Komplexe. Wenn a2 b2 c2 d2 e2 in der
Erscheinung auftreten soll, dann muß a1 b1 c1 d1 e1 ebenfalls
Erscheinung sein, und zwar so, daß nun a2 b2 c2 d2 e2
auch in seiner Abhängigkeit davon erscheint. D. h. die Erscheinung
a1 b1 c1 d1 e1 muß da sein, der Erscheinung a2 b2
c2 d2 e2 Platz machen, worauf diese letztere auftritt. Hier
sehen wir, daß die Zeit erst da auftritt, wo das Wesen einer
Sache in die Erscheinung tritt. Die Zeit gehört der Erscheinungswelt
an. Sie hat mit dem Wesen selbst noch nichts zu
tun. Dieses Wesen ist nur ideell zu erfassen. Nur wer diesen
Rückgang von der Erscheinung zum Wesen in seinen Gedankengängen
nicht vollziehen kann, der hypostasiert die
Zeit als ein den Tatsachen Vorhergehendes. Dann braucht
er aber ein Dasein, welches die Veränderungen überdauert.
Als solches faßt er die unzerstörbare Materie auf. Damit
hat er sich ein Ding geschaffen, dem die Zeit nichts anhaben
soll, ein in allem Wechsel Beharrendes. Eigentlich aber
hat er nur sein Unvermögen gezeigt, von der zeitlichen Erscheinung
der Tatsachen zu ihrem Wesen vorzudringen, das
mit der Zeit nichts zu tun hat. Kann ich denn von dem
Wesen einer Tatsache sagen: es entsteht oder vergeht? Ich
kann nur sagen, daß ihr Inhalt einen andern bedingt, und
daß dann diese Bedingung als Zeitenfolge erscheint. Das
Wesen einer Sache kann nicht zerstört werden; denn es ist
außer aller Zeit und bedingt selbst die letztere. Damit haben
wir zugleich eine Beleuchtung auf zwei Begriffe geworfen,
für die noch wenig Verständnis zu finden ist, auf
[[Wesen]] und [[Erscheinung]]. Wer die Sache in unserer Weise
richtig auffaßt, der kann nach einem Beweis von der Unzerstörbarkeit
des Wesens einer Sache nicht suchen, weil
die Zerstörung den Zeitbegriff in sich schließt, der mit dem
Wesen nichts zu tun hat.


Und nach solchen Vorübungen würde er über sie
Nach diesen Ausführungen können wir sagen: ''Das sinnenfällige Weltbild ist die Summe sich metamorphosierender Wahrnehmungsinhalte ohne eine zugrunde liegende Materie.''" {{Lit|{{G|1|272ff}}}}
die Einsicht gewinnen, daß sie die Urheberin der Jahreszeiten
</div>
und Jahreskreisläufe ist, daß sie die Mutter
von allen Dingen im Bereiche der sichtbaren Welt
und von allen jenen allmählichen Anschauungen gewissermaßen
die Ursache ist.


Ja, entgegnete er, offenbar muß er zu diesen Einsichten
== Materie als zerbrochene geistige Form ==
nach jenen Vorübungen gelangen.


Wenn er nun an seinen ersten Aufenthaltsort zurückdenkt
Nach gegenwärtiger naturwissenschaftlicher Anschauung ist alle Materie aus [[Atom]]en aufgebaut. Diese sind aber nicht als winzig kleine Dinge aufzufassen, sondern eher als strukturbildende [[Kräfte]]. Der Physiker [[Wikipedia:Hans-Peter Dürr|Hans-Peter Dürr]] (1929-2014), ein langjähriger enger Mitarbeiter von [[Wikipedia:Werner Heisenberg|Werner Heisenberg]] (1901-1976), einem der Pioniere der modernen [[Wikipedia:Quantenmechanik|Quantenmechanik]], formuliert es so:
und an die dortige Weisheit seiner Mitgefangenen:
wird er da wohl nicht sich wegen seiner
Veränderung glücklich preisen und jene bedauern?


Ja, sicher.
<div style="margin-left:20px">
"Es gibt keine Dinge, es gibt nur Form und Gestaltveränderung: Die Materie ist nicht aus Materie zusammengesetzt, sondern aus reinen Gestaltwesen und Potentialitäten. Das ist wie beim Geist." {{lit|Dürr 1998}}
</div>


Und wenn damals bei ihnen Ehres- und Beifallsbezeugungen
{{Zitat|Im Grunde gibt es Materie gar nicht. Jedenfalls nicht im geläufigen Sinne. Es gibt nur ein Beziehungsgefüge, ständigen Wandel, Lebendigkeit. Wir tun uns schwer, uns dies vorzustellen. Primär existiert nur Zusammenhang, das Verbindende ohne materielle Grundlage. Wir könnten es auch Geist nennen. Etwas, was wir nur spontan erleben und nicht greifen können. Materie und Energie treten erst sekundär in Erscheinung – gewissermaßen als geronnener, erstarrter Geist. Nach Albert Einstein ist Materie nur eine verdünnte Form der Energie. Ihr Untergrund jedoch ist nicht eine noch verfeinerte Energie, sondern etwas ganz Andersartiges, eben Lebendigkeit. Wir können sie etwa mit der Software in einem Computer vergleichen.|Hans-Peter Dürr|Interview im [[Wikipedia:P.M. Magazin|P.M. Magazin]] (Mai 2007) [http://www.pm-magazin.de/a/am-anfang-war-der-quantengeist Am Anfang war der Quantengeist]}}
wechselseitig bestanden sowie Belohnungen
für den schärfsten Beobachter der vorüberwandernden
Schatten, feiner für das beste Gedächtnis
daran, was vor, nach und mit ihnen zu kommen pflegte,
und für die geschickteste Prophezeiung des künftig
Kommenden: meinst du, daß er da danach Verlangen
haben werde, daß er die bei jenen Höhlenbewohnern
in Ehre Stehenden und Machthabenden beneidet?
Oder daß es ihm geht, wie Homer sagt, und er viel lieber
als Tagelöhner bei einem linderen dürftigen
Manne das Feld bestellen und eher alles in der Welt
über sich ergehen lassen will, als jene Meinungen und
jenes Leben haben?


Letzteres glaube ich, sagte er, daß er nämlich sich
Der Ursprung dieser potentiellen Gestaltwesen, die äußerlich als Materie erscheinen, liegt vornehmlich im [[Klangäther]]. Die [[Sphärenharmonie]], die sich im Klangäther zum Ausdruck bringt, hat wiederum ihren Ursprung im [[Devachan]]. In der Materie, insofern sie ''äußerlich'' [[sinnlich]] in der [[Physische Welt|physischen Welt]] wahrgenommen wird, ist die Sphärenharmonie, die durch den Klangäther vermittelt wird, verstummt.
eher allen Leiden unterziehen als jenes Leben führen
wird.


Hierauf nun, fuhr ich fort, bedenke folgendes:
<div style="margin-left:20px">
Wenn ein solcher wieder hinunterkäme und sich wieder
"In der Welt sind eine Anzahl von Substanzen, die verbindbar und trennbar sind. Was wir Chemismus nennen, ist hineinprojiziert in die [[physische Welt]] aus der Welt des [[Devachan]], der [[Sphärenharmonie]]. Die chemische Verwandtschaft zweier Stoffe
auf seinen Platz setzte: würde er da nicht die
in der physischen Welt ist eine Abschattung aus der Welt der Sphärenharmonie. Die Zahlenverhältnisse der Chemie sind wirklich die Ausdrücke für die Zahlenverhältnisse der Sphärenharmonie. Diese ist stumm geworden durch die Verdichtung der Materie." {{Lit|{{G|130|102}}}}
Augen voll Finsternis bekommen, wenn er plötzlich
</div>
aus dem Sonnenlicht käme?


Ja, ganz sicherlich, sagte er.
Für unser ''inneres'' [[seelisch]]es Erleben drückt sich im Klangäther das [[Denken]] aus; aus ihm schöpfen wir unsere Gedankenformen, namentlich die mathematischen Gedankenbildungen, durch die wir dann wiederum die Zahlenverhältnisse der chemischen und kernphysikalischen Stoffumwandlungen zu verstehen versuchen.


Aber wenn er nun, während sein Blick noch verdunkelt
Im geisteswissenschaftlichen Sinn ist alle Materie als zebrochene, zerstörte geistige [[Form]] aufzufassen; sie ist gleichsam der Trümmerhaufen des Geistes - oder wie es Hans-Peter Dürr auf etwas andere Weise ausdrückt:
wäre, wiederum im Erraten jener Schattenwelt
mit jenen ewig Gefangenen wetteifern sollte, und
zwar ehe seine Augen wieder zurechtgekommen
wären - und die zu dieser Gewöhnung erforderliche
Zeit dürfte nicht ganz klein sein -: würde er da nicht
ein Gelächter veranlassen, und würde es nicht von
ihm heißen, weil er hinaufgegangen wäre, sei er mit
verdorbenen Augen zurückgekommen, und es sei
nicht der Mühe wert, nur den Versuch zu machen,
hinaufzugehen? Und wenn er sich gar erst
unterstände, sie zu entfesseln und hinaufzuführen, -
würden sie ihn nicht ermorden, wenn sie ihn in die
Hände bekommen und ermorden könnten?


Ja, gewiß, antwortete er.|[[Platon]]|''Politeia'' VII, 514a-517a|ref=<ref>{{Zeno-Werk|/Philosophie/M/Platon/Der+Staat/Siebentes+Buch|Der Staat VII. Buch|Platon}}</ref>}}
<div style="margin-left:20px">
"Im Grunde gibt es nur Geist, aber er verkalkt, und wir nehmen nur den Kalk wahr, als Materie." {{lit|Dürr 1998}}
</div>


== Erläuterungen  zu dem Gleichnis ==
<div style="margin-left:20px">
Der losgebundene Mensch steht für den [[Philosoph]]en, der auf dem Weg der [[Anamnesis]] zu [[Weisheit]] gelangt.  
"Die moderne Physik kommt nun zu der überraschenden Erkenntnis: Materie ist nicht aus Materie aufgebaut! Wenn wir die Materie immer weiter auseinandernehmen, in der Hoffnung die kleinste, gestaltlose, reine Materie zu finden, bleibt am Ende nichts mehr übrig, was uns an Materie erinnert. Am Schluss ist kein Stoff mehr, nur noch Form, Gestalt, Symmetrie, Beziehung.
Dies den festgebundenen, also noch unaufgeklärten Menschen zu vermitteln, bedeutet ein großes [[Kommunikation]]sproblem, das im Falle des Sokrates sogar dessen Verurteilung zum Tode nach sich zog.
Was bedeutet das? Wir haben eine Umkehrung: Das Primäre ist Beziehung, der Stoff das Sekundäre. Materie ist ein Phänomen, das erst bei einer gewissen vergröberten Betrachtung erscheint. Stoff ist geronnene Form. Vielleicht könnten wir auch sagen: Am Grunde bleibt nur etwas, was mehr dem Geistigen ähnelt – ganzheitlich, offen, lebendig: Potenzialität, die Kann-Möglichkeit einer Realisierung. Materie ist die Schlacke dieses Geistigen – zerlegbar, abgrenzbar, determiniert: Realität. In der Potenzialität gibt es keine ein-eindeutigen Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Die Zukunft ist wesentlich offen. Es lassen sich für das, was „verschlackt“, was real passiert, nur noch Wahrscheinlichkeiten angeben. Es gibt keine Teilchen, die unzerstörbar sind, die mit sich selbst identisch bleiben, sondern wir haben ein “feuriges Brodeln“, ein ständiges Entstehen und Vergehen. In jedem Augenblick wird die Welt neu geschaffen, aber im Angesicht, im „Erwartungsfeld“, der ständig abtretenden Welt." {{Lit|Dürr 2003}}
</div>


Als Ganzes stellt das Höhlengleichnis eine anschauliche und dramatische Zusammenfassung von Platons [[Ideenlehre]] dar.  
Wenn die einige und einzige geistige Form, das [[ätherisch]]e [[Urbild]], „zerbricht“, manifestiert bzw. [[Realität|realisiert]] es sich in unzähligen einzelnen [[Raum|räumlich]] und [[zeit]]lich [[physik]]alisch fassbaren gleichartigen [[physisch]]en [[Erscheinung]]en, die alle dem selben ätherischen Bildungsgesetz gehorchen, von den noch strahlungsartigen [[Wikipedia:Elementarteilchen|Elementarteilchen]], über die [[Atom]]e, [[Molekül]]e und [[Kristall]]e hinauf bis zu den komplexeren physischen Gebilden. Wie die Materie aus der [[übersinnlich]]en, nicht [[Raum|räumlichen]] [[geist]]igen Form hervorbricht, hat [[Rudolf Steiner]] so beschrieben:
Nach dieser hat jedes sinnliche Ding ein immaterielles, [[Idee|ideelles]] Urbild, dessen bloßes Abbild es ist.
 
<div style="margin-left:20px">
"Sehen Sie, wenn nämlich ein Prozeß im Weltenall fortgeschritten ist bis zur Form, die noch ganz im Geistig-Seelischen ist, die noch keine Raumesform ist, wenn der Prozeß fortgeschritten ist bis zu dieser übersinnlichen Form, dann ist der nächste Schritt nur noch möglich dadurch, daß die Form als solche zerbricht. Und das ist nämlich das, was sich dem okkulten Anblick darbietet: Wenn gewisse Formen, die unter dem Einfluß der Geister der Form geschaffen sind, sich bis zu einem gewissen Zustand entwickelt haben, dann zerbrechen die Formen. Und wenn Sie nun ins Auge fassen zerbrochene Formen, etwas, was also dadurch entsteht, daß Formen, die noch übersinnlich sind, zerbrechen, dann haben Sie den Übergang von dem Übersinnlichen in das Sinnliche des Raumes. Und das, was zerbrochene Form ist, das ist Materie. Materie, wo sie im Weltenall auftritt, ist für den Okkultisten nichts anderes als zerbrochene, zerschellte, zerborstene Form. Wenn Sie sich vorstellen könnten, diese Kreide wäre als solche unsichtbar und sie hätte diese eigentümliche parallelepipedische Form, und als solche wäre sie unsichtbar, und jetzt nehmen Sie einen Hammer und schlagen rasch das Stück Kreide an, daß es zerstiebt, daß es in lauter kleine Stücke zerbirst, dann haben Sie die Form zerbrochen. Nehmen Sie an, in diesem Augenblicke, in dem Sie die Form zerbrechen, würde das Unsichtbare sichtbar werden, dann haben Sie ein Bild für die Entstehung der Materie. Materie ist solcher Geist, der sich entwickelt hat bis zur Form und dann zerborsten, zerbrochen, in sich zusammengefallen ist.
 
Materie ist ein Trümmerhaufen des Geistes. Es ist außerordentlich wichtig, daß man gerade diese Definition ins Auge faßt, daß Materie ein Trümmerhaufen des Geistes ist. Materie ist also in Wirklichkeit Geist, aber zerbrochener Geist.
 
[[Bild:Zerbrochene Form GA 134.gif|thumb|Materie als zerborchene geistige Form]]
Wenn Sie jetzt weiter nachdenken, so werden Sie sich sagen: Ja, aber es treten uns doch räumliche Formen entgegen wie die schönen Kristallformen; an den Kristallen treten uns doch räumlich sehr schöne Formen entgegen — und du sagst, alles das, was stofflich ist, sei ein Trümmerhaufen des Geistes, sei zerborstener Geist! — Denken Sie sich zunächst einmal, damit Sie eine gewisse Vorstellung haben, einen herabfallenden Wasserstrahl (a). Nehmen Sie aber an, er wäre unsichtbar, Sie würden ihn nicht sehen. Und Sie geben ihm hier (b) eine Widerlage. Dadurch, daß dieser Wasserstrahl hier (b) auffällt, wird er in dieser Weise in Tropfen zerbersten (c). Nun nehmen Sie an, der Wasserstrahl, der herunterfällt, wäre unsichtbar, das aber, was zerborsten ist, würde sichtbar. Dann hätten Sie hier einen zertrümmerten Wasserstrahl, hätten wiederum ein Bild der Materie. Aber jetzt müßten Sie sich wegdenken die Widerlage da unten, denn so etwas gibt es nicht, das würde schon voraussetzen, daß Materie da wäre. Sie müssen sich vorstellen: Ohne daß eine solche Widerlage da ist, ist die Materie, indem sie sich geistig zur Form gliedert, übersinnlich, ist die Materie in Bewegung, denn die Bewegung geht der Form voraus. Es gibt nirgends etwas anderes als das, was durchdrungen ist von den Taten der Geister der Bewegung. An einem bestimmten Punkt kommt die Bewegung bei der Form an, erlahmt in sich selber und zerbirst in sich selber. Die Hauptsache ist, daß wir es so auffassen, daß das, was zunächst geistig-seelisch ist, hinstrahlt, aber nur eine gewisse Schwungkraft hat, an das Ende der Schwungkraft kommt und nun in sich selber zurückprallt und dabei zerbirst. So daß, wenn wir irgendwo Materie auftreten sehen, wir sagen können: Dieser Materie liegt zugrunde ein Übersinnliches, das an die Grenze seines Wirkens gekommen ist und an dieser Grenze zerbirst. Aber bevor es zerbirst, da hat es innerlich geistig noch die Formen. Nun wirkt in den einzelnen auseinanderfallenden Trümmern, wenn es zerborsten ist, nach das, was als geistige Form vorhanden war. Wo das stark nachwirkt, da setzen sich nach dem Zerbersten noch die Linien der geistigen Formen fort, und da drückt sich, nachdem das Stück zerborsten auseinanderprallt, in den Linien, die sie dann beschreiben, noch eine Nachwirkung der geistigen Linien aus. Dadurch entstehen Kristalle. Kristalle sind Nachbildungen geistiger Formen, die gleichsam noch durch die eigene Schwungkraft die ursprüngliche Richtung im entgegengesetzten Sinn beibehalten." {{Lit|{{G|134|72ff}}}}
</div>
 
== Materie als kondensiertes [[Licht]] ==
 
[[Licht]] selbst ist ''keine'' Materie, aber alle [[irdisch]]e Materie ist kondensiertes Licht, so wie alles [[Seelisch]]e im Erdendasein letztlich verdünnte [[Liebe]] ist.
 
<div style="margin-left:20px">
"In dem Satze: Materie ist gewobenes
Licht, Seelisches ist in irgendeiner Weise verdünnte Liebe -, liegen die
Schlüssel für unzählige Geheimnisse des Erdendaseins. Die gelten aber
nur für das Erdendasein und für kein anderes Gebiet des Weltendaseins." {{Lit|{{G|120|202}}}}
</div>
 
<div style="margin-left:20px">
"Es gibt wirklich einen für hellseherische Forschung
erreichbaren Auflösungszustand aller Materie, wo sich alle Materie
in einem dabei Gleichen zeigt; nur ist das, was da auftritt, nicht
mehr Materie, sondern etwas, was jenseits aller spezialisierten Materien
liegt, die uns umgeben. Und jede einzelne Materie stellt sich dann dar
als ein aus dieser Grundmaterie - es ist ja keine Materie mehr - Kondensiertes,
Verdichtetes, ob Sie Gold, Silber oder was immer für eine
Materie haben. Es gibt ein Grundwesen unseres materiellen Erdenseins,
von dem alles Materielle nur durch Verdichtung zustande gekommen
ist. Und auf die Frage: Was ist das für eine Grundmaterie unseres
Erdendaseins?- antwortet die Geisteswissenschaft: Jede Materie auf der
Erde ist kondensiertes Licht! Es gibt nichts im materiellen Dasein, was
etwas anderes wäre als in irgendeiner Form verdichtetes Licht. Daher
sehen Sie, daß es für denjenigen, der die Tatsachen kennt, nicht eine
Theorie zu begründen gibt wie etwa die Schwingungshypothese des
19. Jahrhunderts, in welcher man versuchte, Licht darzustellen mit
Mitteln, die selber gröber sind als das Licht. Licht ist nicht auf etwas
anderes in unserem materiellen Dasein zurückzuführen. Wo Sie hingreifen
und eine Materie anfühlen, da haben Sie überall kondensiertes,
zusammengepreßtes Licht. Materie ist ihrem Wesen nach Licht." {{Lit|{{G|120|192}}}}
</div>
 
== Materie und Widersachermächte ==
 
Hinter der Materie stehen als eigentliche [[Realität]] die [[Widersacher]]mächte, namentlich [[Ahriman]] und die [[Asuras]]:
 
<div style="margin-left:20px">
"Derjenige aber, der
in die Einweihung hineinkommt und hellsichtig wird, bei dem
bleibt das nicht so, dem steht nicht die äußere Materie gegenüber.
Die ist als solche [[Maya]]. Eine Realität ist sie nur für den, der eben
seiner eigenen inneren Werkzeuge sich bedient. Was tritt an die
Stelle der Materie? Das tritt uns ja entgegen, wenn wir uns die alte
Einweihung vor Augen führen. Während dem Menschen im Alltag
die Materie, [[Prakriti]], gegenübersteht, steht der Seele, die sich durch
den Yoga in die Einweihung hineinentwickelt, die Welt der Asuras,
die Welt des Dämonischen gegenüber, gegen die er zu kämpfen hat.
Die Materie ist das, was Widerstand leistet; die Asuras, die Mächte
der Finsternis, die werden Feinde. Aber das alles ist eigentlich nur
im Anklang, da blickt sozusagen etwas aus dem Seelischen herein,
wir beginnen das Seelische zu fühlen. Dann erst wird dieses Seelische
spirituell seiner selbst gewahr, wo es in Kampf tritt gegen die
Dämonen, gegen die Asuras.
 
In unserer Sprache würden wir diesen Kampf, der aber nur wie
im kleinen uns entgegentritt, als etwas bezeichnen, was als Geister
sichtbar wird, wenn die Materie in ihrer Geistigkeit erscheint Es
tritt uns da eben im kleinen das entgegen, was wir als den Kampf
der Seele mit dem Ahriman kennen, wenn sie zur Einweihung
kommt. Aber indem wir das auffassen als solch einen Kampf, stehen
wir ganz im Seelischen drinnen. Dann wächst das, was früher nur
die materiellen Geister waren, ins Riesengroße heran, der mächtige
Feind steht der Seele gegenüber. Da steht Seelisches gegenüber Seelischem,
da steht der individuellen Seele im weiten Weltall Ahrimans
Reich gegenüber." {{Lit|{{G|142|97}}}}
</div>
 
== Siehe auch ==
 
* {{Eisler|Materie}}
* {{Kirchner|Materie}}
* {{UTB-Philosophie|Andreas Preußner|544|Materie}}
 
== Anmerkungen ==
 
<references/>


== Literatur ==
== Literatur ==
*Schubert, Andreas: ''Platon: Der Staat.'' Paderborn 1995, ISBN 3-8252-1866-x


==Weblinks==
#[[Wikipedia:Erwin Schrödinger|Erwin Schrödinger]]: ''Was ist ein Naturgesetz?: Beiträge zum naturwissenschaftlichen Weltbild'', Oldenburg Verlag, München 1987, ISBN 978-3486586718
* {{PGDW|platon/politeia/politeia}}
#Interview mit Hans-Peter Dürr in DER STANDARD, 12. November 1998, ''Materie ist Kruste des Geistes'' 
#Hans-Peter Dürr: ''Versöhnung von Wissenschaft und Religion'', Vortrag vom 30. Mai 2003, Französische Friedrichstadtkirche (Gendarmenmarkt), Berlin
#[[Martin Basfeld]]: ''Wärme: Ur-Materie und Ich-Leib: Beiträge zur Anthropologie und Kosmologie.'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1998, ISBN 978-3772516306
#Rudolf Steiner: ''Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften'', [[GA 1]] (1987), ISBN 3-7274-0011-0 {{Schriften|001}}
#Rudolf Steiner: ''Kosmogonie'', [[GA 94]] (2001), ISBN 3-7274-0940-1 {{Vorträge|094}}
#Rudolf Steiner: ''Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft'', [[GA 96]] (1989), ISBN 3-7274-0961-4 {{Vorträge|096}}
#Rudolf Steiner: ''Geistige Hierarchien und ihre Widerspiegelung in der physischen Welt'', [[GA 110]] (1991), ISBN 3-7274-1100-7 {{Vorträge|110}}
#Rudolf Steiner: ''Die Offenbarungen des Karma'', [[GA 120]] (1992), ISBN 3-7274-1200-3 {{Vorträge|120}}
#Rudolf Steiner: ''Die Mission der neuen Geistesoffenbarung'', [[GA 127]] (1989), ISBN 3-7274-1270-4 {{Vorträge|127}}
#Rudolf Steiner: ''Das esoterische Christentum und die geistige Führung der Menschheit'', [[GA 130]] (1995)
#Rudolf Steiner: ''Die Welt der Sinne und die Welt des Geistes'', [[GA 134]] (1990)
#Rudolf Steiner: ''Die Bhagavad Gita und die Paulusbriefe'', [[GA 142]] (1982), ISBN 3-7274-1420-0 {{Vorträge|142}}
#Rudolf Steiner: ''Welche Bedeutung hat die okkulte Entwicklung des Menschen für seine Hüllen (physischer Leib, Ätherleib, Astralleib) und sein Selbst?'', [[GA 145]] (2005), ISBN 3-7274-1450-2 {{Vorträge|145}}
#Rudolf Steiner: ''Weltwesen und Ichheit'', [[GA 169]] (1998), ISBN 3-7274-1690-4 {{Vorträge|169}}
#Rudolf Steiner: ''Die pädagogische Praxis vom Gesichtspunkte geisteswissenschaftlicher Menschenerkenntnis. Die Erziehung des Kindes und jüngeren Menschen.'', [[GA 306]] (1989), ISBN 3-7274-3060-5 {{Vorträge|306}}
#Rudolf Steiner: ''Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik, II'', [[GA 321]] (2000), ISBN 3-7274-3210-1 {{Vorträge|321}}


== Einzelnachweise ==
{{GA}}


<references />
== Weblinks ==


[[Kategorie:Ontologie]]
;Videos
[[Kategorie:Metaphysik]]
[[Kategorie:Gleichnis]]
[[Kategorie:Griechische Philosophie]]
[[Kategorie:Erkenntnistheorie]]


* [http://www.youtube.com/watch?v=rT6ekqvt42k Hans-Peter Dürr. ''Es gibt keine Materie (1)'']
* [http://www.youtube.com/watch?v=Wik_bas2Sbw Hans-Peter Dürr. ''Es gibt keine Materie (2)'']


{{Wikipedia}}
[[Kategorie:Grundbegriffe]] [[Kategorie:Materie]] [[Kategorie:Alchemie]]

Version vom 18. Februar 2018, 16:05 Uhr

Als Materie (von lat. materia = „Stoff“; etymologisch verwandt mit lat. mater = „Mutter“ bzw. matrix = „Gebärmutter“; griech. ὕλη, hylē) wird allgemein alles Stoffliche bezeichnet, das uns in der sinnlich-physischen Welt umgibt und insgesamt die stoffliche Welt aufbaut, im physikalisch weitesten Sinn alles, was Ruhemasse besitzt. Aus geistiger Sicht gibt es aber auch höhere Materieformen.

Die sinnlich-physische Materie

Aus Ionen und Elektronen bestehendes, elektrisch leitendes Plasma in einer Plasmalampe.
Hauptartikel: Atom und Chemisches Element

Die notwendigen, phänomenologisch fassbaren, gemeinsamen charakteristischen Eigenschaften der sinnlich-physischen Materie sind neben ihrer Masse, wodurch alle Materie der Schwere unterliegt, ihre räumliche Ausdehnung und mithin ihr endliches Volumen, ihre innere Struktur und ihr innerer Gehalt an Wärmeenergie. So aufgefasst ist die Materie dinghaft, gegenständlich; Licht etwa ist in diesem Sinn keine Materie. Aus physikalischer Sicht ist im wesentlichen alle physische Materie aus chemischen Elementen und diese wiederum aus Atomen aufgebaut, die sich weiter zu komplexeren Molekülen verbinden können und der Materie ihre spezifische stoffliche Identität verleihen.

Die räumliche Ausdehnung der Materie ist gemäß der Quantenmechanik eine Folge des für alle Fermionen gültigen Pauli-Prinzips. Materie umfasst in diesem Sinn alle Elementarteilchen mit Spin (eben die Fermionen), also die nach heutiger Kenntnis näherungsweise punktförmigen[1] Quarks und Leptonen, sowie alle daraus aufgebauten, räumlich erscheinenden Objekte wie Protonen und Neutronen (Atomkerne), Atome, elektrisch geladene Ionen, Moleküle, feste, flüssige und gasförmige Materie, Plasma usw. bis hin zu den Planeten, Sternen und Galaxien. Zu beachten ist dabei aber, dass die angegebenen phänomenologischen Eigenschaften der Materie keineswegs unmittelbar auf Elementarteilchen, Atome und Moleküle übertragen werden können. Elementarteilchen, Atome und Moleküle sind keine Dinge im herkömmlichen Sinn. Der klassische Materie-Begriff ist auf sie nicht anwendbar. Vielmehr muss man hier im Einklang mit der modernen Physik von einer objektiven Gedankenwelt sprechen, die durch ihre Kraftwirkungen messtechnisch erfassbar ist, und die allerdings, so wie die Materie heute geworden ist, der untersinnlichen Welt, also dem ahrimanischen Weltbereich angehört. Tatsächlich hat man es also hier mit wesenhaften ahrimanischen Kräften zu tun, die Wolfgang Pauli auch als den imaginativ zu erlebenden „Geist der Materie“ bezeichnet hat.

"Überall an der Stelle, wo der Mensch Materie hinträumt, da ist in Wahrheit Ahriman. Und die größte Verführung ist die materialistische Theorie der Physik, sind die materiellen Atome; denn diese sind nichts anderes in Wirklichkeit als die Kräfte des Ahriman." (Lit.: GA 145, S. 161)

Zusammenbruch des klassischen physikalischen Materiebegriffs

„Wenn auch die wenigsten Menschen das heute noch beachten, so muß man doch sagen: die letzten zwanzig Jahre haben eigentlich gerade auf dem Gebiete der Physik die denkbar größte Revolution hervorgerufen. Vorstellungen, die vor dreißig Jahren noch als unerschütterlich galten, sind heute durchaus revolutioniert. Man braucht nur den Namen Einstein zu nennen oder den Namen Lorentz, des holländischen Physikers, und man kann, indem man diese Namen nennt, hinweisen auf eine ganze Fülle von Tatsachen und Auseinandersetzungen, welche die Physik, wie sie noch vor dreißig Jahren war, durchaus revolutioniert, erschüttert haben. Es kann das, was hier vorliegt, natürlich von mir nicht in den Einzelheiten ausgeführt werden. Aber auf diese Tatsache der Revolutionierung der Physik, die ja in gewissen Kreisen schon bekannt genug ist, muß doch hingewiesen werden. Nun aber kann man sagen: Während zum Beispiel etwas so Bedeutsames vorliegt wie die Revolutionierung des alten Masse- und Materiebegriffes durch die neuere Strahlungstheorie der Elektrizität, finden unsere wissenschaftlichen Vorstellungsarten keine Möglichkeit, zurechtzukommen mit dem, was da eigentlich durch die Fülle der Experimente dem Menschen entgegengetreten ist. Aus der Anschauung der strahlenden Materie im Glasvakuum konnte man sehen, daß dieselben Eigenschaften, die man früher der Materie beigelegt hat, zum Beispiel eine gewisse Geschwindigkeit und Beschleunigung, man nunmehr genötigt ist, der strahlenden Elektrizität beizulegen; man hat also sozusagen den Materiebegriff unter den Fingern verloren. Das stellte sich aus der Anschauung der Fülle von Experimenten heraus, daß nicht irgend etwas hätte gesetzt werden können an die Stelle des alten Materiebegriffes; und aus der Einsteinschen Relativitätstheorie mit ihren furchtbar kalten Abstraktionen läßt sich auch so etwas nicht herausgewinnen wie eine wirkliche Anschauung desjenigen, mit dem man es eigentlich in der äußeren Natur zu tun hat.“ (Lit.:GA 73a, S. 30)

Nach Erwin Schrödinger, der 1926 die nach ihm benannte Schrödingergleichung zur Berechnung quantenmechanischer Phänomene formulierte, sind Atome keine stofflichen Gebilde, keine Dinge, sondern reine Form:

„Bis in die jüngste Zeit haben, soviel mir bekannt, die Atomtheoretiker aller Jahrhunderte die in Rede stehende Charakteristik von den sichtbaren und greifbaren Teilen der Materie auf die Atome übertragen, welche sie weder sehen, noch tasten, noch sonstwie einzeln beobachten konnten. Heute sind wir in der Lage, einzelne Elementarteilchen zu beobachten, wir sehen ihre Bahnspuren in der Nebelkammer sowie - bei Versuchen, von denen oben nicht die Rede war - in einer photographischen Emulsion, wir stellen die praktisch gleichzeitigen Entladungen fest, die ein einzelnes schnelles Teilchen in zwei oder drei Geigerschen Zählrohren auslöst, welche in mehreren Metern Entfernung hintereinander aufgestellt sind. Dennoch sind wir genötigt, dem Teilchen die Würde eines schlechthin identifizierbaren Individuums abzuerkennen. Wenn früher ein Physiker gefragt wurde, aus welchem Stoff denn die Atome selbst bestünden, durfte er lächeln und ausweichend antworten. Wenn aber der Frager durchaus wissen wollte , ob er sie sich als kleine unveränd erliche Stückchen von gewöhnlicher Materie vorstellen dürfe, so wie sie sich dem vorwissenschaftlichen Denken darstellten, durfte man ihm sagen, das habe zwar wenig Sinn, aber es könne nichts verschlagen. Die ehedem bedeutungslose Frage hat heute Sinn bekommen. Die Antwort ist ein entschiedenes Nein. Dem Atom fehlt das allerprimitivste Merkmal, an das wir bei einem Stück Materie im gewöhnlichen eben denken. Manche ältere Philosophen würden, wenn ihnen der Fall vorgelegt werden könnte, sagen: eure neumodischen Atome bestehen überhaupt aus keinem Stoff, sie sind reine Form.“ (Lit.: Schrödinger, S. 135f)

Geist und Materie

Die Materie zeigt uns zunächst nur ihre sinnliche Außenseite, dahinter aber wirkt der Geist.

"Wir müssen zum Beispiel dadurch, daß wir jetzt auf dem physischen Plan mit der äußeren Materie leben, in gewissen Fällen die Fähigkeit haben, auch in der äußeren Materie um uns herum überall den Geist wahrzunehmen. Denn Materie ist ja nur ein Trugbild, Maja, alles ist verdichteter Geist. So daß wir für das gewöhnliche Leben unter den Gegenständen der Materie den Geist zu spüren haben. Wir müssen also zu ihr in ein äußeres Verhältnis kommen können, daß wir gewissermaßen intime Beziehungen einzugehen vermögen mit den Dingen." (Lit.: GA 127, S. 109)

Was der Materie geistig im Verborgenen zugrunde liegt, wurde bereits in den der Erdentwicklung vorangegangenen Weltentwicklungsstufen des alten Saturns, der alten Sonne und des alten Mondes entwickelt. Rudolf Steiner gebrauchte dafür einmal folgendes Bild:

"Ich könnte noch ein anderes Bild bringen: Nehmen wir einmal an, wir hätten vor uns irgendeinen Aufbau, kunstvoll geschichtet aus Papierrollen. Nun können wir zunächst beschreiben, was wir da kunstvoll aus Papierrollen geschichtet haben: Einige Rollen stehen, die anderen sind schief zusammengerollt und das, kunstvoll zusammengestellt, gibt irgendeinen Aufbau. Aber denken Sie sich, wir hätten nicht bloß Papierrollen aufgeschichtet, sondern in jede Papierrolle wäre hineingemalt ein wunderbares Gemälde. Das würden wir gar nicht sehen, wenn wir die Rollen, die zusammengerollt sind und auf der Innenseite die Gemälde haben, ins Auge fassen. Und dennoch sind sie drinnen! Und bevor der Aufbau hat geschehen können, mußten die Malereien hineingemalt sein. Nehmen Sie aber an, es wäre die Sache so, daß wir nicht den kunstvollen Aufbau aus den Papierrollen schichteten, sondern daß der sich selbst schichten müßte. Sie können sich natürlich nicht vorstellen, daß er sich selbst schichtet, da haben Sie ganz recht, kein Mensch kann sich das vorstellen; aber nehmen wir an, dadurch, daß die Gemälde auf alle Rollen gemalt sind, läge in ihnen die Kraft, daß sich die Rollen selber schichteten: Dann haben Sie hier ein Bild von unserem wirklichen Weltengebäude! Die Gemälde, die auf den Rollen sind, kann ich vergleichen mit all dem, was während der Saturn-, der Sonnen- und Mondenzeit geschehen ist, was da hineingeheimnist ist in jeden einzelnen Teil unseres Weltengebäudes. Aber es sind keine toten Gemälde, es sind lebendige Kräfte, die dasjenige, was auf der Erde sein soll, was auf unserem physischen Plan sein soll, aufbauen, und wir holen heraus dasjenige, was kunstvoll verborgen ist in dem, was gewissermaßen aus einzelnen Rollen des Weltengebäudes vor uns aufgeschichtet ist, und was beschrieben wird von der äußeren Wissenschaft, was uns gegenübersteht im äußeren Leben. Wenn Sie aber dieses Bild zu Ende denken - ich habe lange nachgesonnen, ein Bild, das möglichst entspricht dem Sachverhalt, zu finden; es ist das Bild von diesen Rollen, die lebendige, tätige Bilder haben -, dann werden Sie finden, daß kein menschliches Auge, das der Aufschichtung entgegenschaut, zunächst eine Ahnung haben kann von den Bildern, die da drinnen sind. Wenn der Aufbau recht kunstgemäß ist, werden wir etwas recht Kunstgemäßes als Beschreibung des Aufbaues bekommen, aber nichts wird in der Beschreibung stehen von den Gemälden, die drinnen sind.

Sehen Sie, so ist es mit der äußeren Wissenschaft. Sie beschreibt diesen kunstvollen Aufbau, sie läßt aber ganz außer acht dasjenige, was als Gemälde auf jeder einzelnen Rolle steht. Aber wenn Sie den Vergleich zu Ende denken, müssen Sie noch etwas ganz anderes ins Auge fassen: Gibt es denn in all jener Tätigkeit, welche diesen kunstvollen Aufbau der Rollen beschreibt, eine Möglichkeit, auch nur zu ahnen, geschweige denn wirklich etwas zu beschreiben von dem, was auf den einzelnen Rollen steht, wenn eben die Rollen zusammengerollt sind und das Gebäude aufbauen? Das gibt es gar nicht! In diesem Sinne müssen Sie sich auch klar sein, daß die gewöhnliche Wissenschaft zunächst gar nicht darauf kommen kann, daß unserem Weltengebäude dieses Geistige zugrunde liegt. Daher kann in einer geraden Fortsetzung desjenigen, was man sich aneignet in der gewöhnlichen Wissenschaft, nicht das Verständnis für die Geisteswissenschaft liegen, sondern es muß etwas hinzukommen, etwas, was im Grunde genommen gar nichts zu tun hat mit der gewöhnlichen Wissenschaft. Denn denken Sie einmal, Sie haben diese aufgeschichteten Rollen vor sich. Jemand kann sie sehr gut beschreiben, er wird noch wunderbare Schönheiten finden, etwa daß manche Rollen mehr schief, manche weniger schief gelegt sind, manche zu einer Rundung gebaut sind und so weiter, er wird all das hübsch beschreiben. Aber um darauf zu kommen, daß auf jeder Rolle inwendig ein Gemälde ist, dazu ist notwendig, daß er eine Rolle herausnimmt und sie aufrollt. Es hat gar nichts zu tun mit der Beschreibung des geschichteten Gebäudes. Es muß also etwas Besonderes hinzukommen zu der menschlichen Seele, wenn die Seele aus der gewöhnlichen wissenschaftlichen Weltanschauungsweise, wie wir sie heute haben, hineinkommen will in eine geisteswissenschaftliche Betrachtung, es muß die Seele von etwas Besonderem ergriffen werden. Das ist dasjenige, was heute so schwer verständlich ist für die äußere, im Materialismus lebende Kultur, was aber wieder begriffen werden muß, wie es begriffen worden ist in den verschiedensten Kulturperioden, in denen man noch eine geistige Weltanschauung als die physische Weltanschauung durchdringend hatte. Altere Zeiten waren sich immer klar darüber, daß dasjenige, was man von dem geistigen Inhalte der Welt wissen soll, beruht auf einem besonderen Erfangenwerden der Seele von der Geistigkeit. Daher haben sie nicht bloß von Wissenschaftlichkeit, sondern von Initiationen und dergleichen gesprochen, und mit Recht davon gesprochen." (Lit.: GA 169, S. 145ff)

Höhere Materieformen

Die anthroposophische Geisteswissenschaft muss darüberhinaus übersinnliche Materieformen anerkennen, aus denen gleichsam erst durch Verdichtung die sinnliche-physische Materie entsteht. Diese übersinnlichen Materieformen sind eigenständige, sich selbst tragende Substanzen im philosophischen Sinn. Sie haben allerdings ganz andere Eigenschaften als die sinnlich-physische Materie; namentlich Masse und räumliche Ausdehnung kommen hier nicht in Betracht. Man darf in diesem Sinn von feinstofflicher Äthermaterie, Astralmaterie und mit eingeschränkter Gültigkeit sogar von Geiststofflichkeit sprechen. In je höhere geistige Bereiche man hinaufsteigt, desto plastisch bildsamer erscheint die entsprechende Materie. In den höchsten Bereichen des niederen Devachan findet sich schließlich der geistige Urstoff, aus dem letztlich alles geformt wird. Dieser Urstoff wird auch als Akashastoff oder Feuerluft (hebr. רוח, Ruach = Rauch; zugleich der hebr. Name für die Verstandesseele) bezeichnet.

Die Alchemisten sehen in der sogenannten Jungfernerde, der materia benedicta, den Urstoff, aus dem die irdische Stoffeswelt geschaffen ist. Mit dieser prima materia muss das Opus Magnum zur Bereitung des Steins der Weisen, und damit zugleich die Vergeistigung der materiellen Welt, beginnen.

Äthermaterie - Negative Materie

Hauptartikel: Äthermaterie

Die Äthermaterie oder negative Materie, von Rudolf Steiner gelegentlich auch als Antimaterie[2] bezeichnet, charakterisiert sich nicht durch das Prinzip der Raumerfüllung, sondern durch das der Raummentleerung. Die physische Materie ist durch Druckkräfte bestimmt, der Äther hingegen durch Saugkräfte, die die physische Materie aus dem Raum herausschaffen; es entsteht dadurch eine qualitativ negative Materie - und dieser Prozess endet letztlich bei Akasha.

"Wir wissen, daß jeder Körper aus einem mehr festen in einen mehr immateriellen Zustand übergehen kann: vom festen zum flüssigen und zum gasförmigen Zustand, Die Verfeinerung des materiellen Zustandes kann einen Grad erreichen, der, wenn man ihn überschreitet, bei einer negativen Materie endet; man nennt ihn Akasha. In ihr drücken sich alle Ereignisse in einer endgültigen Weise ab,- und man kann sie alle wiederfinden, selbst diejenigen aus der tiefsten Vergangenheit." (Lit.: GA 94, S. 83)

"Da muß man schon wissen, daß der Äther die von dem Druck entgegengesetzte Eigenschaft hat. Er saugt nämlich, der Äther ist der Saugende. Er will durch seine eigene Wesenheit immer die räumliche Materie aus dem Raume heraus vernichten. Das ist das Wesentliche des Äthers. Wo die physische Materie drückt, da saugt der Äther. Die physische Materie erfüllt den Raum; der Äther schafft die Materie aus dem Raume heraus. Er ist nämlich die negative Materie, aber qualitativ negativ, nicht quantitativ negativ.

Das ist in bezug auf den menschlichen Ätherleib ebenso. Wir leben zwischen physischem Leib und Ätherleib so, daß wir uns fortwährend vernichten und wieder herstellen. Der Äther vernichtet fortwährend unsere Materie, der physische Leib stellt sie wieder her. Das widerspricht allerdings - das will ich nur in Parenthese erwähnen - dem heute so beliebten Gesetz von der Erhaltung der Kraft. Aber die Tatsache ist, daß dieses Gesetz von der Erhaltung der Kraft der inneren Wesenheit des Menschen, der Wahrheit widerspricht. Es gilt nur für die unorganische Welt im strengen Sinne des Wortes. Für die organische gilt es nur so weit, als diese von Unorganischem ausgefüllt ist; für die Eisenteilchen im Blutserum gilt dieses Gesetz, aber nicht für das ganze Menschenwesen. Da findet ein fortwährendes Oszillieren statt zwischen den aufsaugenden und uns vernichtenden Kräften des Äthers und der Wiederherstellung des physischen Leibes." (Lit.: GA 306, S. 103)

Wassererde - die astrale Materie der 4. Schicht des Erdinneren

Die Wassererde ist jene astrale Materie, die die vierte Schicht des Erdinneren bildet und der Ursprung aller irdischen Materie ist:

"Die vierte Schicht ist nun so beschaffen, daß alle diejenigen Dinge, die in den drei übergeordneten Schichten vorhanden sind und immerhin mehr oder weniger etwas von unseren gewöhnlichen Stoffen haben, keine Stofflichkeit mehr aufweisen, wie sie auf der Erde angetroffen werden kann. In dieser Schicht sind also die Substanzen so, daß sie für keinen äußeren Sinn wahrnehmbar werden. Sie sind in einem astralischen Zustand. Alles, was in den drei obersten Schichten der Erde existiert und doch noch in einer gewissen Weise mit dem auf der Erdoberfläche Befindlichen verwandt ist, das ist hier im astralischen Zustande vorhanden. Wir können in dem Sinne, wie es in der Bibel heißt, sagen: «Der Geist Gottes schwebte über den Wassern.» Nennen wir diese Schicht die Wassererde, wie sie auch im Okkultismus bezeichnet wird. Diese Wassererde ist zu gleicher Zeit der Ursprung, der Urquell alles auf der Erde befindlichen Stofflichen, alles äußerlichen Stofflichen, gleichgültig ob dieses im Mineral, in der Pflanze, im Tier oder im Menschen enthalten ist. Dieses Stoffliche, das jedes irdische Wesen in sich trägt, ist, bis ins Astralische verflüchtigt, in dieser Wassererde vorhanden. Sie müssen sich vorstellen, daß von allen unseren physischen Kräften auch astralische Urkräfte vorhanden sind, daß diese astralischen Urkräfte sich ins Physische verdichten und daß diese Urkräfte in der vierten Schicht, in der Wassererde, enthalten sind." (Lit.: GA 96, S. 34)

Materie und Zeit

Die Annahme einer ewigen, unzerstörbaren Materie, wie sie etwa von Isaac Newton postuliert wurde, beruht auf einem verfehlten Zeitbegriff.

"Aber nur einer ganz verfehlten Auffassung des Zeitbegriffes verdankt der Begriff der Materie seine Entstehung. Man glaubt die Welt zum wesenlosen Schein zu verflüchtigen, wenn man der veränderlichen Summe der Geschehnisse nicht ein in der Zeit Beharrendes, ein Unveränderliches untergelegt dächte, das bleibt, während seine Bestimmungen wechseln. Aber die Zeit ist ja nicht ein Gefäß, in dem die Veränderungen sich abspielen; sie ist nicht vor den Dingen und außerhalb derselben da. Die Zeit ist der sinnenfällige Ausdruck für den Umstand, daß die Tatsachen ihrem Inhalte nach voneinander in einer Folge abhängig sind. Nehmen wir an, wir hätten es mit dem wahrzunehmenden Tatsachenkomplex a1 b1 c1 d1 e1 zu tun. Von diesem hängt mit innerer Notwendigkeit der andere Komplex a2 b2 c2 d2 e2 ab; ich sehe den Inhalt dieses letzteren ein, wenn ich ihn ideell aus dem ersteren hervorgehen lasse. Nun nehmen wir an, beide Komplexe treten in die Erscheinung. Denn was wir früher besprochen haben, ist das ganz unzeitliche und unräumliche Wesen dieser Komplexe. Wenn a2 b2 c2 d2 e2 in der Erscheinung auftreten soll, dann muß a1 b1 c1 d1 e1 ebenfalls Erscheinung sein, und zwar so, daß nun a2 b2 c2 d2 e2 auch in seiner Abhängigkeit davon erscheint. D. h. die Erscheinung a1 b1 c1 d1 e1 muß da sein, der Erscheinung a2 b2 c2 d2 e2 Platz machen, worauf diese letztere auftritt. Hier sehen wir, daß die Zeit erst da auftritt, wo das Wesen einer Sache in die Erscheinung tritt. Die Zeit gehört der Erscheinungswelt an. Sie hat mit dem Wesen selbst noch nichts zu tun. Dieses Wesen ist nur ideell zu erfassen. Nur wer diesen Rückgang von der Erscheinung zum Wesen in seinen Gedankengängen nicht vollziehen kann, der hypostasiert die Zeit als ein den Tatsachen Vorhergehendes. Dann braucht er aber ein Dasein, welches die Veränderungen überdauert. Als solches faßt er die unzerstörbare Materie auf. Damit hat er sich ein Ding geschaffen, dem die Zeit nichts anhaben soll, ein in allem Wechsel Beharrendes. Eigentlich aber hat er nur sein Unvermögen gezeigt, von der zeitlichen Erscheinung der Tatsachen zu ihrem Wesen vorzudringen, das mit der Zeit nichts zu tun hat. Kann ich denn von dem Wesen einer Tatsache sagen: es entsteht oder vergeht? Ich kann nur sagen, daß ihr Inhalt einen andern bedingt, und daß dann diese Bedingung als Zeitenfolge erscheint. Das Wesen einer Sache kann nicht zerstört werden; denn es ist außer aller Zeit und bedingt selbst die letztere. Damit haben wir zugleich eine Beleuchtung auf zwei Begriffe geworfen, für die noch wenig Verständnis zu finden ist, auf Wesen und Erscheinung. Wer die Sache in unserer Weise richtig auffaßt, der kann nach einem Beweis von der Unzerstörbarkeit des Wesens einer Sache nicht suchen, weil die Zerstörung den Zeitbegriff in sich schließt, der mit dem Wesen nichts zu tun hat.

Nach diesen Ausführungen können wir sagen: Das sinnenfällige Weltbild ist die Summe sich metamorphosierender Wahrnehmungsinhalte ohne eine zugrunde liegende Materie." (Lit.: GA 1, S. 272ff)

Materie als zerbrochene geistige Form

Nach gegenwärtiger naturwissenschaftlicher Anschauung ist alle Materie aus Atomen aufgebaut. Diese sind aber nicht als winzig kleine Dinge aufzufassen, sondern eher als strukturbildende Kräfte. Der Physiker Hans-Peter Dürr (1929-2014), ein langjähriger enger Mitarbeiter von Werner Heisenberg (1901-1976), einem der Pioniere der modernen Quantenmechanik, formuliert es so:

"Es gibt keine Dinge, es gibt nur Form und Gestaltveränderung: Die Materie ist nicht aus Materie zusammengesetzt, sondern aus reinen Gestaltwesen und Potentialitäten. Das ist wie beim Geist." (Lit.: Dürr 1998)

„Im Grunde gibt es Materie gar nicht. Jedenfalls nicht im geläufigen Sinne. Es gibt nur ein Beziehungsgefüge, ständigen Wandel, Lebendigkeit. Wir tun uns schwer, uns dies vorzustellen. Primär existiert nur Zusammenhang, das Verbindende ohne materielle Grundlage. Wir könnten es auch Geist nennen. Etwas, was wir nur spontan erleben und nicht greifen können. Materie und Energie treten erst sekundär in Erscheinung – gewissermaßen als geronnener, erstarrter Geist. Nach Albert Einstein ist Materie nur eine verdünnte Form der Energie. Ihr Untergrund jedoch ist nicht eine noch verfeinerte Energie, sondern etwas ganz Andersartiges, eben Lebendigkeit. Wir können sie etwa mit der Software in einem Computer vergleichen.“

Hans-Peter Dürr: Interview im P.M. Magazin (Mai 2007) Am Anfang war der Quantengeist

Der Ursprung dieser potentiellen Gestaltwesen, die äußerlich als Materie erscheinen, liegt vornehmlich im Klangäther. Die Sphärenharmonie, die sich im Klangäther zum Ausdruck bringt, hat wiederum ihren Ursprung im Devachan. In der Materie, insofern sie äußerlich sinnlich in der physischen Welt wahrgenommen wird, ist die Sphärenharmonie, die durch den Klangäther vermittelt wird, verstummt.

"In der Welt sind eine Anzahl von Substanzen, die verbindbar und trennbar sind. Was wir Chemismus nennen, ist hineinprojiziert in die physische Welt aus der Welt des Devachan, der Sphärenharmonie. Die chemische Verwandtschaft zweier Stoffe in der physischen Welt ist eine Abschattung aus der Welt der Sphärenharmonie. Die Zahlenverhältnisse der Chemie sind wirklich die Ausdrücke für die Zahlenverhältnisse der Sphärenharmonie. Diese ist stumm geworden durch die Verdichtung der Materie." (Lit.: GA 130, S. 102)

Für unser inneres seelisches Erleben drückt sich im Klangäther das Denken aus; aus ihm schöpfen wir unsere Gedankenformen, namentlich die mathematischen Gedankenbildungen, durch die wir dann wiederum die Zahlenverhältnisse der chemischen und kernphysikalischen Stoffumwandlungen zu verstehen versuchen.

Im geisteswissenschaftlichen Sinn ist alle Materie als zebrochene, zerstörte geistige Form aufzufassen; sie ist gleichsam der Trümmerhaufen des Geistes - oder wie es Hans-Peter Dürr auf etwas andere Weise ausdrückt:

"Im Grunde gibt es nur Geist, aber er verkalkt, und wir nehmen nur den Kalk wahr, als Materie." (Lit.: Dürr 1998)

"Die moderne Physik kommt nun zu der überraschenden Erkenntnis: Materie ist nicht aus Materie aufgebaut! Wenn wir die Materie immer weiter auseinandernehmen, in der Hoffnung die kleinste, gestaltlose, reine Materie zu finden, bleibt am Ende nichts mehr übrig, was uns an Materie erinnert. Am Schluss ist kein Stoff mehr, nur noch Form, Gestalt, Symmetrie, Beziehung. Was bedeutet das? Wir haben eine Umkehrung: Das Primäre ist Beziehung, der Stoff das Sekundäre. Materie ist ein Phänomen, das erst bei einer gewissen vergröberten Betrachtung erscheint. Stoff ist geronnene Form. Vielleicht könnten wir auch sagen: Am Grunde bleibt nur etwas, was mehr dem Geistigen ähnelt – ganzheitlich, offen, lebendig: Potenzialität, die Kann-Möglichkeit einer Realisierung. Materie ist die Schlacke dieses Geistigen – zerlegbar, abgrenzbar, determiniert: Realität. In der Potenzialität gibt es keine ein-eindeutigen Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Die Zukunft ist wesentlich offen. Es lassen sich für das, was „verschlackt“, was real passiert, nur noch Wahrscheinlichkeiten angeben. Es gibt keine Teilchen, die unzerstörbar sind, die mit sich selbst identisch bleiben, sondern wir haben ein “feuriges Brodeln“, ein ständiges Entstehen und Vergehen. In jedem Augenblick wird die Welt neu geschaffen, aber im Angesicht, im „Erwartungsfeld“, der ständig abtretenden Welt." (Lit.: Dürr 2003)

Wenn die einige und einzige geistige Form, das ätherische Urbild, „zerbricht“, manifestiert bzw. realisiert es sich in unzähligen einzelnen räumlich und zeitlich physikalisch fassbaren gleichartigen physischen Erscheinungen, die alle dem selben ätherischen Bildungsgesetz gehorchen, von den noch strahlungsartigen Elementarteilchen, über die Atome, Moleküle und Kristalle hinauf bis zu den komplexeren physischen Gebilden. Wie die Materie aus der übersinnlichen, nicht räumlichen geistigen Form hervorbricht, hat Rudolf Steiner so beschrieben:

"Sehen Sie, wenn nämlich ein Prozeß im Weltenall fortgeschritten ist bis zur Form, die noch ganz im Geistig-Seelischen ist, die noch keine Raumesform ist, wenn der Prozeß fortgeschritten ist bis zu dieser übersinnlichen Form, dann ist der nächste Schritt nur noch möglich dadurch, daß die Form als solche zerbricht. Und das ist nämlich das, was sich dem okkulten Anblick darbietet: Wenn gewisse Formen, die unter dem Einfluß der Geister der Form geschaffen sind, sich bis zu einem gewissen Zustand entwickelt haben, dann zerbrechen die Formen. Und wenn Sie nun ins Auge fassen zerbrochene Formen, etwas, was also dadurch entsteht, daß Formen, die noch übersinnlich sind, zerbrechen, dann haben Sie den Übergang von dem Übersinnlichen in das Sinnliche des Raumes. Und das, was zerbrochene Form ist, das ist Materie. Materie, wo sie im Weltenall auftritt, ist für den Okkultisten nichts anderes als zerbrochene, zerschellte, zerborstene Form. Wenn Sie sich vorstellen könnten, diese Kreide wäre als solche unsichtbar und sie hätte diese eigentümliche parallelepipedische Form, und als solche wäre sie unsichtbar, und jetzt nehmen Sie einen Hammer und schlagen rasch das Stück Kreide an, daß es zerstiebt, daß es in lauter kleine Stücke zerbirst, dann haben Sie die Form zerbrochen. Nehmen Sie an, in diesem Augenblicke, in dem Sie die Form zerbrechen, würde das Unsichtbare sichtbar werden, dann haben Sie ein Bild für die Entstehung der Materie. Materie ist solcher Geist, der sich entwickelt hat bis zur Form und dann zerborsten, zerbrochen, in sich zusammengefallen ist.

Materie ist ein Trümmerhaufen des Geistes. Es ist außerordentlich wichtig, daß man gerade diese Definition ins Auge faßt, daß Materie ein Trümmerhaufen des Geistes ist. Materie ist also in Wirklichkeit Geist, aber zerbrochener Geist.

Materie als zerborchene geistige Form

Wenn Sie jetzt weiter nachdenken, so werden Sie sich sagen: Ja, aber es treten uns doch räumliche Formen entgegen wie die schönen Kristallformen; an den Kristallen treten uns doch räumlich sehr schöne Formen entgegen — und du sagst, alles das, was stofflich ist, sei ein Trümmerhaufen des Geistes, sei zerborstener Geist! — Denken Sie sich zunächst einmal, damit Sie eine gewisse Vorstellung haben, einen herabfallenden Wasserstrahl (a). Nehmen Sie aber an, er wäre unsichtbar, Sie würden ihn nicht sehen. Und Sie geben ihm hier (b) eine Widerlage. Dadurch, daß dieser Wasserstrahl hier (b) auffällt, wird er in dieser Weise in Tropfen zerbersten (c). Nun nehmen Sie an, der Wasserstrahl, der herunterfällt, wäre unsichtbar, das aber, was zerborsten ist, würde sichtbar. Dann hätten Sie hier einen zertrümmerten Wasserstrahl, hätten wiederum ein Bild der Materie. Aber jetzt müßten Sie sich wegdenken die Widerlage da unten, denn so etwas gibt es nicht, das würde schon voraussetzen, daß Materie da wäre. Sie müssen sich vorstellen: Ohne daß eine solche Widerlage da ist, ist die Materie, indem sie sich geistig zur Form gliedert, übersinnlich, ist die Materie in Bewegung, denn die Bewegung geht der Form voraus. Es gibt nirgends etwas anderes als das, was durchdrungen ist von den Taten der Geister der Bewegung. An einem bestimmten Punkt kommt die Bewegung bei der Form an, erlahmt in sich selber und zerbirst in sich selber. Die Hauptsache ist, daß wir es so auffassen, daß das, was zunächst geistig-seelisch ist, hinstrahlt, aber nur eine gewisse Schwungkraft hat, an das Ende der Schwungkraft kommt und nun in sich selber zurückprallt und dabei zerbirst. So daß, wenn wir irgendwo Materie auftreten sehen, wir sagen können: Dieser Materie liegt zugrunde ein Übersinnliches, das an die Grenze seines Wirkens gekommen ist und an dieser Grenze zerbirst. Aber bevor es zerbirst, da hat es innerlich geistig noch die Formen. Nun wirkt in den einzelnen auseinanderfallenden Trümmern, wenn es zerborsten ist, nach das, was als geistige Form vorhanden war. Wo das stark nachwirkt, da setzen sich nach dem Zerbersten noch die Linien der geistigen Formen fort, und da drückt sich, nachdem das Stück zerborsten auseinanderprallt, in den Linien, die sie dann beschreiben, noch eine Nachwirkung der geistigen Linien aus. Dadurch entstehen Kristalle. Kristalle sind Nachbildungen geistiger Formen, die gleichsam noch durch die eigene Schwungkraft die ursprüngliche Richtung im entgegengesetzten Sinn beibehalten." (Lit.: GA 134, S. 72ff)

Materie als kondensiertes Licht

Licht selbst ist keine Materie, aber alle irdische Materie ist kondensiertes Licht, so wie alles Seelische im Erdendasein letztlich verdünnte Liebe ist.

"In dem Satze: Materie ist gewobenes Licht, Seelisches ist in irgendeiner Weise verdünnte Liebe -, liegen die Schlüssel für unzählige Geheimnisse des Erdendaseins. Die gelten aber nur für das Erdendasein und für kein anderes Gebiet des Weltendaseins." (Lit.: GA 120, S. 202)

"Es gibt wirklich einen für hellseherische Forschung erreichbaren Auflösungszustand aller Materie, wo sich alle Materie in einem dabei Gleichen zeigt; nur ist das, was da auftritt, nicht mehr Materie, sondern etwas, was jenseits aller spezialisierten Materien liegt, die uns umgeben. Und jede einzelne Materie stellt sich dann dar als ein aus dieser Grundmaterie - es ist ja keine Materie mehr - Kondensiertes, Verdichtetes, ob Sie Gold, Silber oder was immer für eine Materie haben. Es gibt ein Grundwesen unseres materiellen Erdenseins, von dem alles Materielle nur durch Verdichtung zustande gekommen ist. Und auf die Frage: Was ist das für eine Grundmaterie unseres Erdendaseins?- antwortet die Geisteswissenschaft: Jede Materie auf der Erde ist kondensiertes Licht! Es gibt nichts im materiellen Dasein, was etwas anderes wäre als in irgendeiner Form verdichtetes Licht. Daher sehen Sie, daß es für denjenigen, der die Tatsachen kennt, nicht eine Theorie zu begründen gibt wie etwa die Schwingungshypothese des 19. Jahrhunderts, in welcher man versuchte, Licht darzustellen mit Mitteln, die selber gröber sind als das Licht. Licht ist nicht auf etwas anderes in unserem materiellen Dasein zurückzuführen. Wo Sie hingreifen und eine Materie anfühlen, da haben Sie überall kondensiertes, zusammengepreßtes Licht. Materie ist ihrem Wesen nach Licht." (Lit.: GA 120, S. 192)

Materie und Widersachermächte

Hinter der Materie stehen als eigentliche Realität die Widersachermächte, namentlich Ahriman und die Asuras:

"Derjenige aber, der in die Einweihung hineinkommt und hellsichtig wird, bei dem bleibt das nicht so, dem steht nicht die äußere Materie gegenüber. Die ist als solche Maya. Eine Realität ist sie nur für den, der eben seiner eigenen inneren Werkzeuge sich bedient. Was tritt an die Stelle der Materie? Das tritt uns ja entgegen, wenn wir uns die alte Einweihung vor Augen führen. Während dem Menschen im Alltag die Materie, Prakriti, gegenübersteht, steht der Seele, die sich durch den Yoga in die Einweihung hineinentwickelt, die Welt der Asuras, die Welt des Dämonischen gegenüber, gegen die er zu kämpfen hat. Die Materie ist das, was Widerstand leistet; die Asuras, die Mächte der Finsternis, die werden Feinde. Aber das alles ist eigentlich nur im Anklang, da blickt sozusagen etwas aus dem Seelischen herein, wir beginnen das Seelische zu fühlen. Dann erst wird dieses Seelische spirituell seiner selbst gewahr, wo es in Kampf tritt gegen die Dämonen, gegen die Asuras.

In unserer Sprache würden wir diesen Kampf, der aber nur wie im kleinen uns entgegentritt, als etwas bezeichnen, was als Geister sichtbar wird, wenn die Materie in ihrer Geistigkeit erscheint Es tritt uns da eben im kleinen das entgegen, was wir als den Kampf der Seele mit dem Ahriman kennen, wenn sie zur Einweihung kommt. Aber indem wir das auffassen als solch einen Kampf, stehen wir ganz im Seelischen drinnen. Dann wächst das, was früher nur die materiellen Geister waren, ins Riesengroße heran, der mächtige Feind steht der Seele gegenüber. Da steht Seelisches gegenüber Seelischem, da steht der individuellen Seele im weiten Weltall Ahrimans Reich gegenüber." (Lit.: GA 142, S. 97)

Siehe auch

Anmerkungen

  1. Die maximale Ausdehnung ist durch die Planck-Länge lP = 1,616 · 10−35 m begrenzt.
  2. die aber nicht identisch ist mit dem, was in der modernen Physik als Antimaterie bezeichnet wird!

Literatur

  1. Erwin Schrödinger: Was ist ein Naturgesetz?: Beiträge zum naturwissenschaftlichen Weltbild, Oldenburg Verlag, München 1987, ISBN 978-3486586718
  2. Interview mit Hans-Peter Dürr in DER STANDARD, 12. November 1998, Materie ist Kruste des Geistes
  3. Hans-Peter Dürr: Versöhnung von Wissenschaft und Religion, Vortrag vom 30. Mai 2003, Französische Friedrichstadtkirche (Gendarmenmarkt), Berlin
  4. Martin Basfeld: Wärme: Ur-Materie und Ich-Leib: Beiträge zur Anthropologie und Kosmologie., Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1998, ISBN 978-3772516306
  5. Rudolf Steiner: Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften, GA 1 (1987), ISBN 3-7274-0011-0 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  6. Rudolf Steiner: Kosmogonie, GA 94 (2001), ISBN 3-7274-0940-1 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  7. Rudolf Steiner: Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft, GA 96 (1989), ISBN 3-7274-0961-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  8. Rudolf Steiner: Geistige Hierarchien und ihre Widerspiegelung in der physischen Welt, GA 110 (1991), ISBN 3-7274-1100-7 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  9. Rudolf Steiner: Die Offenbarungen des Karma, GA 120 (1992), ISBN 3-7274-1200-3 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  10. Rudolf Steiner: Die Mission der neuen Geistesoffenbarung, GA 127 (1989), ISBN 3-7274-1270-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  11. Rudolf Steiner: Das esoterische Christentum und die geistige Führung der Menschheit, GA 130 (1995)
  12. Rudolf Steiner: Die Welt der Sinne und die Welt des Geistes, GA 134 (1990)
  13. Rudolf Steiner: Die Bhagavad Gita und die Paulusbriefe, GA 142 (1982), ISBN 3-7274-1420-0 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  14. Rudolf Steiner: Welche Bedeutung hat die okkulte Entwicklung des Menschen für seine Hüllen (physischer Leib, Ätherleib, Astralleib) und sein Selbst?, GA 145 (2005), ISBN 3-7274-1450-2 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  15. Rudolf Steiner: Weltwesen und Ichheit, GA 169 (1998), ISBN 3-7274-1690-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  16. Rudolf Steiner: Die pädagogische Praxis vom Gesichtspunkte geisteswissenschaftlicher Menschenerkenntnis. Die Erziehung des Kindes und jüngeren Menschen., GA 306 (1989), ISBN 3-7274-3060-5 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  17. Rudolf Steiner: Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik, II, GA 321 (2000), ISBN 3-7274-3210-1 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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