Gleichberechtigung

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Gleichberechtigung bezeichnet die Gleichheit verschiedener Rechtssubjekte in einem bestimmten Rechtssystem.

Grundlagen

Die Gleichberechtigung ist in den Ideen von Humanismus und Aufklärung verwurzelt und Wesenskern der Menschenwürde.[1] Sie war als Gleichberechtigung der sozialen Stände im Staat (französisch égalité) neben Freiheit (liberté) und Brüderlichkeit (fraternité) eine Forderung der französischen Revolution. Die im Jahr 1789 formulierte Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte (Déclaration des Droits de l'Homme et du Citoyen) gilt dabei als Grundlagentext u. a. für die Rechtsgleichheit. Die Erklärung schloss allerdings Frauen nicht mit ein. Olympe de Gouges forderte daher 1791 die volle rechtliche, politische und soziale Gleichberechtigung aller Geschlechter mit ihrer Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin (Déclaration des droits de la femme et de la citoyenne) ein.[2]

Geschichte

Strukturen in der Entwicklung der Gleichberechtigung

Es gibt drei Entwicklungsfelder

  • Gleichberechtigung der Menschen
  • Gleichberechtigung der Staatsbürger eines Staates
  • Gleichberechtigung einzelner Gruppen: Geschlecht, Farbe, Alter

Es existieren zahlreiche Werke, die schwerpunktmäßig Aspekte beschreiben, etwa in der Verfassungsgeschichte, Militärgeschichte oder Kirchengeschichte, und es gibt Gesamtdarstellungen der Geschichte eines Landes. Laut Grimm sollte sich Verfassungsgeschichte und Allgemeine Geschichte sich gegenseitig nicht aus den Augen verlieren und relevante Aspekte des anderen mit im Auge haben.[3]

Antike, Neuzeit, England, Frankreich

Der Gedanke, dass es für jede Person unverzichtbare Freiheitsrechte des einzelnen gibt, ist so alt wie die Geschichte der Unterdrückung der Menschen durch den Menschen. In der Antike forderte Alkidamas, dass niemand zum Sklaven gemacht werden darf.

Der Sündenbock-Gedanke fand im Altertum Ausdruck darin, dass ein Ziegenbock zum Verursacher eines Unglücks gemacht wurde und in die Wüste geschickt wurde.

Im Mittelalter erfüllte diese Funktion der Hexenwahn. Und der traf fast nur Frauen.

Die Spannung zwischen individuellem Freiheitsbedürfnis und Herrschaftsansprüchen erreichte im absolutistischen Staat einen Höhepunkt. Nun forderte John Locke (1632–1704), dass der Eigenwert des Individuums mit seinen Privatsphären dem Staat entzogen werden muss. In die gleiche Richtung zielte das aufgekommene reformatorische Denken: Es gibt ein angeborenes Naturrecht: Glaubens- und Gewissensfreiheit, Schutz vor staatlichen Eingriffen, Freiheit des Eigentums. Friedrich Schiller: „Der Mensch ist frei und wäre er in Ketten geboren!“

In England werden die Grundfreiheiten des Individuums, Gleichheit vor dem Gesetz, Anspruch auf einen gesetzlichen Richter festgelegt: 'Petition of Rights' (1626), 'Habeas-Corpus-Akte' (1679) und 'Bill of Rights' (1689). Ähnliche Entwicklung in Amerika.[4]

Die Gleichberechtigung ist in den Ideen von Humanismus und Aufklärung verwurzelt und Wesenskern der Menschenwürde.[5]

Eine Denkschrift des Dritten Standes in Frankreich mit der Forderung nach zahlenmäßig angemessenen Deputierten wurde verboten. 1788/1789 überall Unruhen. Rädelsführer wurden ausgepeitscht, gebrandmarkt, auf Galeeren verbannt, gehängt.[6] Am 9. Juni 1789 erklärt der 3. Stand, dass er allein die Nationalversammlung als die „Kammer der Gemeinen“ bilden werde, sollte mit den beiden anderen Ständen keine Einigungen zustande kommen.[7] Am 15. Juni 1789 wird eine Broschüre publiziert, in der „das schöne Geschlecht“ nach dem „unerträglichen Geschwätz der Mannspersonen“ fordert, in die Reichsversammlung der Nation berufen zu werden, „deren schönster, sanftmütigster und oft vernünftigster Teil wir sind“.[8] Der König gibt letztlich nach. Am 27. Juni erfolgt die Einigung der drei Stände: Es wird nach Köpfen abgestimmt. Volksmengen jubeln dem Königspaar auf dem Balkon zu, die Königin in „Pudermantel und ausgekämmten Haaren“.[9] Trotzdem kommt es zur Revolution.

Sie war als Gleichberechtigung der sozialen Stände im Staat (égalité) neben Freiheit (liberté) und Brüderlichkeit (fraternité) eine Forderung der französischen Revolution. Die im Jahr 1789 formulierte Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte (Déclaration des Droits de l'Homme et du Citoyen) gilt dabei als Grundlagentext u. a. für die Rechtsgleichheit. Die Erklärung schloss allerdings Frauen nicht mit ein. Olympe de Gouges forderte daher 1791 die volle rechtliche, politische und soziale Gleichberechtigung aller Geschlechter mit ihrer Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin (Déclaration des droits de la femme et de la citoyenne) ein.[10]

Neben die naturrechtlich begründeten Menschenrechte trat mit den Vorgängen der französischen Revolution also ein weiterer Komplex, die Staatsbürgerrechte, die Mitwirkung an der Ausübung der Staatsgewalt.[11] Die Nationalversammlung beschließt am 22. August 1789, dass Anklage nur dann erhoben werden darf, wenn der Fall gesetzlich geregelt ist.[12] Am 26. August 1789 beschließt sie Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit, die Menschenrechte, Recht auf Eigentum.[13] Der französische König billigt am 13. September 1791 die neue Konstitution, am 14. September schwor er in der NV, dem Gesetz treu zu sein. Das Volk in Paris umjubelt am 14., 18. und am 20. September 1791 die königliche Familie. Es galt nun die Reihenfolge: „Gott, die Nation, das Gesetz, der König“. Bedeutsam ist die „Proklamation des Königs“ vom 28. September 1791: „Ludwig, von Gottes Gnaden und durch das konstitutionelle Staatsgesetz König der Franzosen.“[14][15]

Am 21. September 1792 wird in der (an diesem Tag neu gebildeten) französischen Nationalconvention das Schreiben des deutschen Kaisers an die deutschen Länder mit der Aufforderung zum Krieg gegen Frankreich verlesen. Daraufhin wird um 6 Uhr Abends beschlossen, dass „ die königliche Würde für immer aufgehoben“ sei und dass dieses Dekret in alle Departements verschickt werden soll. Alle in Frankreich wehren sich gegen eine Einmischung von außen, sie wollen sich „bis zum letzten Blutstropfen“ dagegen wehren, „sich von fremden Mächten Gesetze vorschreiben zu lassen“. Das dramatische Ergebnis also: Genau an diesem Tag wird ausdrücklich als Reaktion auf das Schreiben des deutschen Kaisers das Königtum Frankreichs abgeschafft, die Republik ausgerufen, der König entthront.[16]

Deutschland

18. Jahrhundert mit Anfang 19. Jhdt.

Friedrich Schiller beschreibt 1794 in seinem Werk 'Kabale und Liebe' eine paradoxe Situation, nicht nur in Württemberg: Um im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg die Freiheit zu erkämpfen, lässt Landesherr Zwangsrekrutierungen vornehmen! Eben: Die eigene Position mit Luxus!

  • Kabale und Liebe: Der Landesherzog lässt durch seinen Diener der Herzogin sündhaft teure Brillanten aus Venedig überreichen. Sie frägt nach dem Preis. Der Kammerdiener erklärt, dass kein Heller für diese Edelsteine zu bezahlen sind. Es wurden siebentausend Landeskinder nach Amerika verkauft worden; und die zahlen alles! Der Kammerdiener weint und eröffnet, dass auch er einige Söhne hat hergeben müssen. Und erzählt er weiter: Keine Freiwilligen! Wer sich weigerte, wurde erschossen. „Wir hörten die Büchsen knallen, sahen ihr Gehirn auf das Pflaster spritzen.“ Deserteure wurden hart bestraft: Spießrutenlaufen,

In Bayern erschienen im März 1800 anonyme Flugschriften mit Vorwürfen gegen den Herrscher: „Der Bauer zahlt ja mit seinem Geld und Blute immer allein die Zeche…“, und der Kurfürst sei ein Hofmetzger, weil „er unsere Kinder verkauft wie’s Vieh“. Bezug genommen wird auf den Subsidienvertrag mit England. Kurbayern verpflichtet sich, mit englischem Geld zusätzlich zu seinen regulären Truppen 12 000 Mann unter Waffen zu stellen (16. März 1800). In einer zweiten Absprache (15. Juli 1800) verpflichtete sich die britische Regierung, höhere Zahlungen zu leisten und den Territorialstand Kurbayerns zu garantieren. Erörtert wurde auch die schwierige Situation, die nötige Anzahl Soldaten auszuheben und in den Waffen zu üben, ohne der Landwirtschaft zu lange Kräfte zu entziehen.[17]

  • Kaum hatte Kurfürst Max 1799 die Macht übernommen, stellte er sich über das bestehende Recht, zu seinem Vorteil:
    • Kaum an der Macht wird am 22. März 1800 bestimmt: „… das Oekonomische und Rechnungswesen der Hofstäbe gehört zu dem geheimen Finanz-Departement“ und „die Hofstäbe hängen in allem, was Dienst selbst und das Hofceremoniell betrifft, von den allerhöchsten Befehlen ab“[18] Später wird im Geheimen Staatsrat resigniert festgestellt: „Weder habe der Finanzminister im Staatsrat Etatprobleme offenlegen wollen, noch habe der König gewünscht, Details der Einnahmen- und Ausgabenpolitik in einer Referendärsversammlung erörtern zu lassen.“[19] Er hatte immense persönliche Schulden. Und die ließ er sich vom Staat begleichen! Den 3.659.068 fl persönlicher Schulden standen 5.767.712 fl Staatseinnahmen gegenüber; das waren 63 % des Jahresetats![20] Als seine persönlichen Schulden getilgt waren, ordnete der Churfürst am 20. Oktober 1804 an,[21] dass mittels Regierungsblätter „zu Jedermanns Wissenschaft gebracht“ werde: Privatschulden des regierenden Fürsten können nicht als Landesschulden anerkannt werden.
    • Die Rechtslage war damals eindeutig! Bayern war damals viel weiter: Kurfürst Karl Theodor, stets viel geschmäht, arbeitete zwischen 1786 und 1794 konstruktiv mit dem Land zusammen:[22] Der wahrhaft revolutionäre Umbruch war bereits vor 1789 eingeleitet. Die Französische Revolution brachte weiteren Auftrieb. Obwohl Karl Theodor einen „Gesamtlandtag“ verhinderte, stand den „Landständen“ ab 8. Mai 1790 und 18. Mai 1792 die „Repräsentation der gesamten bayerischen Nation“ zu. „Zum ersten Male erzwang sie (d. V.: die Landschaft) damals von der Regierung genaue Rechenschaftsablage über die von ihr der Hofkammer überwiesenen Summen.“
    • Die Ausgaben für den Hof von Max Joseph stiegen kontinuierlich an, Steuern wurden neu eingeführt und erhöht, Abgaben auf jedweden Besitz, Mehrung der Arbeitstage, Streikverbot, Spezialgerichte.[23]
  • Vergleich mit den Vorgängen 1789 in Frankreich: Am 11. Juli 1789 wird der damals fähigste Politiker Frankreichs entlassen, weil er sich weigerte, die privaten Schulden des Bruders des Königs „unter die außerordentlichen Ausgaben des Staates aufzunehmen“. In dem folgenden Sturm auf die Bastille und weiteren Unruhen kamen mehrere tausend Menschen um! Dieser Graf Artois drängte als Emigrant die deutschen Fürsten, in Frankreich einzumarschieren.[24]

19. Jahrhundert

Verfassungen 1808 und 1818

Napoleon übte im ersten Jahrzehnt nicht nur militärisch gewaltigen Druck auf die deutschen Staaten aus. Bayern und Baden Mitglieder des neu geschaffenen Rheinbundes wollten einem Diktat Napoleons zuvorkommen. Bayern gibt sich 1808 eine Konstitution. Verfassung des Königreichs Bayern.[25][26] Indem das Königreich Bayern alle Staatsbürger in den freien, bürgerlichen Zustand der Unterordnung unter die Gesetze versetzt, und jeder Bürger freien Zugang zum Gesetz bekommt, gilt das Organische Edikt vom 31. August 1808 als erste Grundrechtsgarantie in einer deutschen Verfassung.[27]

  • Dennoch sollte darauf hingewiesen werden, dass es Unterschiede gab:
    • Alle Glieder des königlichen Hauses stehen unter der Gerichtsbarkeit des Monarchen.“ (§7, Verfassung). Das „Königliche Familien-Gesetz“ legt in Art. 87 fest, „Sollte eine gerichtliche Angelegenheit von großer Wichtigkeit und Umfange sein, so nimmt der Familien-Rath die Eigenschaft eines königlichen obersten Gerichtshofes an“.[28] Die königliche Familie steht wohl auch unter dem Gesetz, aber: der Richter ist der König...
    • Und: Es bleibt bei der Ausgrenzung der Frauen! Es wird zwar festgelegt: „Jeder Baierische Staats-Bürger kann Lehen empfangen“. (§ 35), aber dann wird indirekt begrenzt: „Die Lehen können auf die Lebenszeit des Lehens-Mannes, oder auf die männlichen Erben verliehen werden.“(§40) Bei Verhinderung des vorgesehenen Lehens-Mannes muss ein Bevollmächtigter bestellt werden (§44). Von einer Ehefrau ist nicht die Rede. „Die Lehensfolge beschränkt sich auf den Mannsstamm (§ 55). Bestehende Verträge, in denen „weibliche Erben“ festgeschrieben sind, laufen aus (§ 56). Nur der Lehensmann ist Vormünder der minderjährigen Kinder (§137). Die Töchter des Lehen-Mannes können (…) aus dem Lehen keinen Pflichtteil und kein Heurathgut fordern.“(§ 169).[29]

Ähnliches wurde im Großherzogtum Baden mit dem Landrecht von Baden 1810 wirksam. Die mittel- und norddeutschen Staaten folgten später nach.

Die bayerische[30] und badische Verfassung von 1818 enthalten Grundrechtskataloge: Gewissensfreiheit, Meinungsfreiheit, Gleichheit vor dem Gesetz, Gleichberechtigung beim Zugang zu staatlichen Stellen, Gleiche Pflichten für alle Staatsbürger, Unparteilichkeit der Rechtspflege.

Die Bundesakte und Widerstände im Volk

Nach dem Sieg über Napoleon wurde mit dem Wiener Kongress eine neue Ordnung beschlossen. Von den erwarteten Reformen bleibt nur der unbestimmte Wortlaut des Artikel 13 der Bundesakte von 1815: "In allen Bundesstaaten wird eine Landständische Verfassung stattfinden. Über Inhalt und Zeit wird nichts ausgesagt. Friedrich Wilhelm, König von Preußen, wünscht keine Verfassungspapier zwischen sich und "seinem" Volk.

Es folgen auch in den deutschen Landen Studentenproteste, 'Demagogenverfolgungen', Pressezensur. Darauf kommt es immer häufiger zu Protesten, in den die Radikalen nicht nur die bloße Beteiligung des Bürgers verlangen, sondern die Selbstregierung' des Volkes fordern mit freier Entfaltung und sozialer Gleichheit. In der durch Industrialisierung und Bauernbefreiung eingetretenen Massenverarmung beschreibt Johann Jacoby den Sinn der politischen Institutionen: "Die unteren Volksklassen müssen zur Menschenwürde erhoben werden!" Forderungen werden beschlossen. "Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte des 'Bundes der Geächteten'" von 1834: Art. 3." Die Gleichheit ist das Grundgesetz der Gesellschaft." Ähnlich das "Offenburger Programm vom 12. September 1847: "Die Forderung des Volkes von Baden": Wiederherstellung der Verfassung von 1819, ... persönliche Freiheit, keine Bevormundung, Abschaffung alle Vorrechte, Selbstregierung des Volkes.[31]

Der Hessische Landbote, von Georg Büchner, Erste Botschaft, Darmstadt, im Juli 1834:

  • „... Das Leben der Vornehmen ist ein langer Sonntag, sie wohnen in schönen Häusern, sie tragen zierliche Kleider, sie haben feiste Gesichter und reden eine eigene Sprache; das Volk aber liegt vor ihnen wie Dünger auf dem Acker. Der Bauer geht hinter dem Pflug, der Vornehme am Pflug, er nimmt das Korn und lässt ihm die Stoppeln. Das Leben des Bauern ist ein langer Werktag; Fremde verzehren seine Äcker vor seinen Augen, sein Leib ist eine Schwiele, sein Schweiß ist das Salz auf dem Tische des Vornehmen....“
  • Was ist das für ein Staat!
  • Wir alle sollen der Staat sein, Verordnungen und Gesetze erlassen!

Es folgen landesweit Proteste und auch deren blutige Niederschlagungen, Revolutionen und "Conterrevolutionen'. Bilder aus dem Ausstellungskatalog des Deutschen Bundestags mit dem Titel 'Fragen an die deutsche Geschichte, Ideen, Kräfte, Entscheidungen. Von 1800 bis zur Gegenwart'.[32]

Verfassungen: Paulskirchenverfassung 1848, 1849, Preußische Verfassung 1850, Reichsverfassung 1871

Von richtungsgebender Bedeutung für die spätere die deutsche Entwicklung der ‚Grundrechte‘ waren insbesondere die einschlägigen Bestimmungen der preußischen Verfassungsurkunden vom 5. Dezember 1848 und 31. Januar 1850, die ‚Rechte der Preußen‘ und der Frankfurter RVerf von 1849, die ‚Grundrechte des deutschen Volkes‘. Sie stellen ein Reformprogramm auf…kein unmittelbar anwendbares Gegenwartsrecht, sondern ein Zukunftsrecht, Richtlinien für den Gesetzgeber.

Ein Beispiel des nun erfolgten Rückschritts: Am 26. Februar 1850 verkündet König Max II.:„Frauenspersonen und Minderjährige können weder Mitglieder politscher Vereine seyn, noch den Versammlungen derselben beiwohnen.“[33] In der Reichsverfassung von 1871 und in den Verfassungen der meisten deutschen Staaten sind Grundrechte nicht enthalten. Anträge auf Aufnahme von Grundrechten wurden ausgiebig diskutiert, dann vom Reichstag abgelehnt. Das Kaiserreich hat viele Einzelgesetze zur persönlichen Freiheit erlassen. Konsens: Grundrechte sind Ausfluss der Persönlichkeit.[34]

In der Reichsverfassung von 1871 und in den Verfassungen der meisten deutschen Staaten sind Grundrechte nicht enthalten. Anträge auf Aufnahme von Grundrechten wurden ausgiebig diskutiert, dann vom Reichstag abgelehnt. Das Kaiserreich hat viele Einzelgesetze zur persönlichen Freiheit erlassen. Konsens: Grundrechte sind Ausfluss der Persönlichkeit.[35]

Frauen schließen sich zusammen

Louise-Otto Peters gilt in Deutschland als die erste weithin bekannte Demokratin, die mit ihren Schriften seit 1848 auf die schwierigen Lebensverhältnisse der Arbeiterinnen hinwies. Sie forderte die politische Gleichberechtigung der Frauen und bessere Bildungschancen für Mädchen. 1849 gründete sie die „Frauen-Zeitung“ unter dem Motto: „Dem Reich der Freiheit werb' ich Bürgerinnen“. Die Zeitung musste sie wieder einstellen. Ab 1860 wurde Peters politisch wieder aktiv. Zusammen mit der Lehrerin Auguste Schmidt gründete sie 1865 den Leipziger Frauenbildungsverein und den Allgemeinen Deutschen Frauenverein (ADF). Ab 1880 wurde gefordert: Zugang der Frauen zu Stellen bei Post und Bahn, Gleichberechtigung im Familienrecht, Zulassung zum Studium. „Furore machte 1887 eine Petition und ihre Begleitschrift, die sogenannt Gelbe Broschüre, mit der sich Helene Lange, Minna Cauer, Henriette Schrader-Breymann u. a. an den preußischen Unterrichtsminister wandten und eine bessere Lehrerinnenausbildung sowie die Verbesserung der Mädchenschulen verlangten.“[36]

29. März 1894: Gründung des „Bundes deutscher Frauenrechte“ als Dachverband der deutschen Frauenbewegung: Hauptforderungspunkte sind die gesellschaftliche und politische Gleichstellung der Frau, insbesondere Chancengleichheit in der Bildung, insbesondere die Mädchenbildung Erste Vorsitzende ist Auguste Schmidt.[37]

Ab 1900 wurden in Baden Frauen zum Studium zugelassen.[36]

Zu den Themen, mit denen sich die Angehörigen der bürgerlichen Frauenbewegung intensiv befassten, gehörten auch Ehe, Ehekritik, Prostitution und Sexualreform. Die Frage der zeitgenössischen Prostitutionsregelungen, die die Prostituierten kriminalisierten, ihre Freier aber straffrei ausgehen ließen, zählte zu einer der zeitgenössisch meistdiskutierten gesellschaftlichen Probleme.

1902 gründeten Anita Augspurg, Wilhelmine „Minna“ Theodore Marie Cauer, geb. Schelle und Lida Gustava Heymann den Deutschen Verein für Frauenstimmrecht. Doch die Frauenstimmrechtsbewegung blieb schwach und in sich uneins. Es war dann auch nicht die Frauenbewegung, sondern die Sozialdemokratie, die den Frauen erstmals zur Nationalversammlung 1919 das allgemeine aktive und passive Wahlrecht verschaffte.[36]

20. Jahrhundert

Mädchenschulreform: Am 15. April 1907 wird die Mädchenschulreform mit Angleichung an Knabenschulen beschlossen. Fortan gehören naturwissenschaftliche Disziplinen und Mathematik auch für Mädchen auf den Lehrplan.

Weimarer Reichsverfassung
Buch: Fragen an die deutsche Geschichte Ideen, Kräfte Entscheidungen. Von 1800 bis zur Gegenwart. Historische Ausstellung im Reichstagsgebäude in Berlin 1976, Katalog, 2. erweiterte Auflage; Erste weibliche Volksvertreterinnen im Reichstag 1919; Seitenangaben sind im Bildteil nicht gegeben, dafür die Stelle der Ausstellung. V / 174. Das Bild ist älter als 100 Jahre (1919!)

Frauen ziehen in den Reichstag ein.[38]

Art. 109 Abs. 2: Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. Nichts Neues!

Art. 128. Abs. 1: Alle Staatsbürger sind ohne Unterschied nach Maßgabe der Gesetze und entsprechend ihrer Befähigung und deren Leistungen zu den öffentlichen Ämtern zuzulassen.

„Abs. 2: Alle Ausnahmebestimmungen gegen weibliche Beamte werden beseitigt.“ Ob Abs. 2 aktuelles, d. h. unmittelbar anwendbares Recht oder nur eine Richtlinie für das erst noch zu schaffende Recht enthält, ist streitig. Für die zweite Alternative spricht, dass es von den Ausnahmebestimmungen gegen weibliche Beamte nicht heißt: „sind beseitigt“, sondern „werden beseitigt.“ Und es heißt auch nicht „sind zu beseitigen“ oder „sind aufzuheben“.[39]

Für die Zeit nach dem 11. August 1918: Ausnahmegenehmigungen dürfen nach Erlass der RV nicht mehr erlassen werden. So hat das Reichsgericht das nach Inkrafttreten der RVerf ergangene bayerische Volksschullehrergesetz vom 14. August 1919, soweit es das Beamtenverhältnis der Volksschullehrerinnen mit ihrer Eheschließung erlöschen lässt, gemäß Art. 13 Abs. 2 RVerf für nicht vereinbar mit Art. 128 Abs. 2 RVerf erklärt (RGZ 102 S. 145ff). Ähnliches bezüglich Regelungen in Preußen und Baden.

Versuche, Ausnahmen zu begründen

Art 128 der Verfassung des Deutschen Reiches legt fest, dass der Zugang zu einem öffentlichen Amt „entsprechend der Befähigung“ des Staatsbürgers erfolgen soll. Genau das setzen die Gegner an.

Es wird immer wieder behauptet, die Lehrerin sei nicht gleichwertig, habe eine geringere Widerstandskraft, sei im Alter häufiger krank. Die Lehrerinnen seien einem häufigen Wechsel der Gemütsstimmungen unterworfen. Das Wesen der Frau habe keine Voraussetzungen für ein Amt in der Öffentlichkeit.

Gleichzeitig wird die Bevölkerungspolitik, Art. 7, Abs.7, bemüht: Die Lehrerin sei Mutter und können nicht gleichzeitig einen weiteren Hauptberuf ausüben.[40][41]

In Zeiten der wirtschaftlichen Not in den 1920er Jahren wollten einige Länder verheiratete Beamtinnen entlassen, sofern deren wirtschaftliche Situation gesichert sei. Auch dies wurde letztlich durch Gerichte verhindert.

Wahlrecht für Frauen

Das Frauenwahlrecht wurde in Deutschland 1918 eingeführt.[42]

Erst im 20. Jahrhundert folgte in Europa die Gleichberechtigung der Frau im Staat, die sich an der Einführung des Frauenwahlrechts (Deutschland und Österreich 1918, Iran 1963, Schweiz 1971) nachzeichnen lässt. In Folge wurden auch bedeutende Gleichberechtigungen für zahlreiche soziale Minderheiten entwickelt.

Basis der Gleichberechtigung ist heute weltweit der Gleichheitssatz der UN-Menschenrechtekonvention:

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“

„Gleiches Recht für alle“ ist damit ein grundlegendes Menschenrecht, das mit Freiheit und Würde auf einer Ebene steht. Unbenommen davon können Rechte entzogen werden (etwa bei Straffälligkeit), oder beispielsweise während der Kindheit Sonderregelungen unterliegen. Dies entspricht dem erweiterten Grundsatz „Gleiches gleich, Ungleiches ungleich“ zu behandeln.

Vor allem in der westlichen Welt (Europa, Nordamerika) gibt es starke Tendenzen zur Gleichberechtigung. Dies ist nicht zuletzt der Aufklärungswelle des 18. bis 20. Jahrhunderts zu verdanken.

Definition Diskriminierung, Privilegierung

Eingriffe in die Gleichberechtigung werden als Diskriminierung bzw. Privilegierung bezeichnet.

Diskriminierung: jemand wird wegen sachlich nicht gerechtfertigter Gründe, beispielsweise rassistisch, wegen seines Geschlechts oder seiner Sexualität etc. rechtlich benachteiligt
Privilegierung: jemand wird rechtlich bevorzugt.

Beides gilt als Eingriff in den Grundsatz der Gleichberechtigung.

Unterschied zu Gleichstellung

Vielfach wird Gleichberechtigung mit Gleichheit und Gleichstellung gleichgesetzt bzw. verwechselt. Nach Verfassung und Menschenrechten bedeutet Gleichberechtigung jedoch nicht:

dass alle oder gewisse Menschen von Natur aus faktisch gleich wären,
dass die faktische Gleichheit aller oder gewisser Menschen angestrebt werden solle,
dass alle oder gewisse Menschen faktisch gleichgemacht/gleichgestellt werden sollen.

Kritiker der „Gleichstellungspolitik“ sehen darin einen Konflikt mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau würde mit „Gleichstellung“ im oben erwähnten Sinn verwechselt.[43][44]

Nationales

Bundesrepublik Deutschland

Wiederaufbau und Grundgesetz

Um die Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg politisch neu aufzubauen, wurde 1948 der Parlamentarische Rat einberufen, um ein neues Grundgesetz auszuarbeiten.[45] Die Formulierung des Art. 3 Abs. 2 GG, „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ geht auf Initiative Elisabeth Selberts zurück, eine der vier sogenannten Mütter des Grundgesetzes. Die ursprüngliche Formulierung, noch aus der Weimarer Verfassung stammend, lautete: „Männer und Frauen haben die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“. Selbert forderte jedoch einen Grundsatz, der Gleichberechtigung als Grundrecht in der Verfassung verankern sollte. Dies hatte zur Folge, dass viele der damaligen, noch aus dem Jahr 1896 stammenden, Ehe- und familienrechtlichen Bestimmungen im Bürgerlichen Gesetzbuch ebenfalls überarbeitet werden mussten, da sie nun diesem Grundsatz widersprachen.

In der 1. Wahlperiode gab es immer wieder Initiativen bezüglich Gleichberechtigung: Antrag am 3. November 1949, Antrag vom 27. März 1950, Antrag am 6. Mai 1953[46][47][48] Angenommen wurde die Festlegung: Im Besonderen hat die Gleichberechtigung von Mann und Frau im Bundesbeamtengesetz seine Verwirklichung gefunden, so dass für dieses Rechtsgebiet die Verpflichtung aus dem Artikel 117 Abs.1 des Grundgesetzes erfüllt ist… die unterschiedliche Behandlung des männlichen und weiblichen Beamten ist aufgehoben. Die Entlassung verheirateter weiblicher Beamter… ist… nicht mehr vorgesehen.

Die Adenauer-Regierung konnte den dafür als Übergangsregelung im Artikel 117 Abs. 2 gesetzten Termin „31. März 1953“ nicht vollziehen; es gab keine parlamentarischen Mehrheiten.[49]

Eine Verletzung des Art. 3 GG für Männer erfolgte am 21. Juli 1956 mit Inkrafttreten des Wehrpflichtgesetzes (WPflG). Wehrpflichtig waren alle deutschen Männer, die nach dem 1. Juli 1937 geboren waren (siehe weißer Jahrgang). 1968 wurde die Wehr- und Dienstpflicht nach Art. 12a selbst im Grundgesetz verankert und geht somit als lex specialis der Gleichberechtigung in diesem Rahmen vor.

Der Auftrag von Art. 3 Abs. 2 GG, die Gleichberechtigung im einfachgesetzlichen Bundesrecht konkret umzusetzen, erfolgte erst mit 4 Jahren Verspätung: Am 3. Mai 1957 beschloss der Deutsche Bundestag mit dem einstimmig[50] das Gleichberechtigungsgesetzes („Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts“) einen wesentlichen Schritt zur Neuordnung der Gesetze, die im Widerspruch zum Grundgesetz standen, und damit zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Mann und Frau.[51] Zuvor hatte es im Plenum in der 2. Lesung heftige Debatten gegeben über Aufgabenverteilung zwischen Mann und Frau, Familienunterhalt, Zugewinnausgleich, Haushaltsführung, Haftung für den Unterhalt der Kinder, Letztentscheid. In der Dritten Lesung wurden keine Anträge mehr gestellt. Die Vorlage wurde einstimmig angenommen.[52]

Zentrale Punkte des Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das am 1. Juli 1958 in Kraft trat:

  • Das Letztentscheidungsrecht des Ehemanns in allen Eheangelegenheiten wird ersatzlos gestrichen.
  • Die Versorgungspflicht des Ehemannes für die Familie bleibt bestehen.
  • Die Zugewinngemeinschaft wird der gesetzliche Güterstand. Frauen dürfen ihr in die Ehe eingebrachtes Vermögen selbst verwalten. Bis dahin durften die Frauen über eigenes Einkommen aus der Erwerbstätigkeit, aber die Männer über das Vermögen der Frau verfügen.[53][54]
  • Das Recht des Ehemanns, ein Dienstverhältnis seiner Frau fristlos zu kündigen, wird aufgehoben (aber erst seit dem 1977 in Kraft getretenen Ersten Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts darf die Frau ohne Einverständnis ihres Mannes erwerbstätig sein, und erst seitdem gilt das Partnerschaftsprinzip, nach dem es keine gesetzlich vorgeschriebene Aufgabenteilung in der Ehe mehr gibt).
  • Die Frau hat das Recht, nach ihrer Heirat ihren Geburtsnamen als Namenszusatz zu führen (seit 1977 können die Eheleute entweder den Namen des Mannes oder der Frau als gemeinsamen Ehenamen führen; und seit 1994 können beide Eheleute ihren alten Familiennamen beibehalten).
  • Die väterlichen Vorrechte bei der Kindererziehung wurden auf das Privileg eines so genannten Stichentscheids eingeschränkt, welcher dem Vater bei Streitigkeiten in Erziehungsfragen das ausschlaggebende Wort zusprach. Hiergegen brachte der Deutsche Juristinnenbund eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht auf den Weg. Im Juli 1959[55] wurde die Passage über den Stichentscheid für verfassungswidrig und nichtig erklärt.

Das Grundrecht Gleichberechtigung

  • ist unmittelbar geltendes Recht (Art. 1 Abs. 3 GG). Siehe auch Willkürverbot.
  • unterliegt nicht der so genannten „Ewigkeitsgarantie“ (Art. 79 Abs. 3 GG), darf also durch Verfassungsänderungen geändert werden (wie der oben erwähnte 1968 hinzugefügte Artikel 12a, der die Wehrpflicht nur für Männer zulässt).
  • unterliegt im Unterschied zu vielen anderen Grundrechten keinem Gesetzesvorbehalt.
  • regelt die Beziehungen zwischen Bürgern und Staat, gilt also grundsätzlich nicht zwischen Privatpersonen untereinander, kann aber Drittwirkung entfalten.
  • ist ein Individualrecht, nicht ein Recht gewisser Gruppen (Kollektive).

Das Grundgesetz formuliert die Gleichberechtigung in Art. 3 Abs. 3 GG als Differenzierungsverbot.

Im Jahr 1994 wurde Artikel 3 GG ergänzt um die Sätze: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ und „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Bundesverfassungsgericht

1994 wird mit Jutta Limbach eine Frau Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts.

Der Frauenanteil der Richterinnen beim Bundesverfassungsgericht liegt 2020 über 50 v.H.

Österreich

In Österreich[56] wurde – mitsamt den historisch verbundenen Nachbarländern – die formale Gleichberechtigung der Einwohner mit der Verankerung der Bürgerrechte mit der Märzverfassung 1849 eingeführt. Erweiterungen des Gleichheitsbegriffs erfolgten mit der Abschaffung des Adels 1919 und der Annahme der Deklaration der Menschenrechte 1948. Religionsfreiheit wurde zwischen 1871 (Toleranzpatent für Protestanten, Glaubens- und Gewissensfreiheit Dezemberverfassung 1867, Judentum 1890, Islam 1912) und 1919 (Vertrag von Saint-Germain) verwirklicht.[57] Das allgemeine Männerwahlrecht wurde 1907 (Beck’sche Wahlrechtsreform) eingeführt, das Frauenwahlrecht 1918. Die Minderheits-Volksgruppen wurden 1955 anerkannt (Staatsvertrag), es folgten Minderheitenschulgesetz, Gerichtssprachengesetz und Volksgruppengesetz 1976. 1975 wurde die Koedukation von Buben und Mädchen an öffentlichen Schulen eingeführt.[58] und es gibt Zivildienst statt Dienst an der Waffe. 1979 wurde mit dem Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) jegliche Diskriminierung in der Arbeitswelt unter Strafe gestellt.[59] 1990 unterzeichnete Österreich auch die UN-Kinderrechtekonvention.[60] Mit dem EU-Beitritt 1992 wurden viele Bürgerrechte auf die Union erweitert. 2005 folgte die Anerkennung der Gebärdensprache als Minderheitensprache. 2006 wurde die vollständige Gleichstellung Behinderter (B-GStG) verankert (einschließlich Diskriminierungsverbot im Alltag und Recht auf Barrierefreiheit im öffentlichen Leben), und 2007 die Behindertenrechtskonvention unterzeichnet.[61] 2008 wurde Barrierefreiheit im Internet (für alle Formen des Handicaps, auch technische Einschränkungen) für amtliche Webseiten vorgeschrieben.[62] 2010 kamen mit der eingetragenen Partnerschaft (EPG) auch grundlegende Transgenderrechte hinzu.

Heute bestehen historisch gewachsene gesetzliche Ungleichbehandlungen der Geschlechter beispielsweise noch in der Wehrpflicht für Männer (Frauen freiwillig seit 1998)[63] oder dem unterschiedlichen Pensionsantrittsalter (zwei Maßnahmen, die ursprünglich einen Ausgleich der Kinderkarenz schaffen sollten, eingeführt 1957, gemeinsame Elternkarenz seit 2003).[64] Faktisch bestehen aber noch immer große Unterschiede, bekannt etwa in der Einkommensschere (niedrigeres Gehalt für gleiche Arbeitszeit) oder der gläsernen Decke (niedriger Anteil in Führungspositionen trotz Gleichanteil in der Bildung/Ausbildung). Minderheiten und soziale Randgruppen[65] sind im Alltag ebenfalls noch weit von völliger Gleichbehandlung entfernt. Regionale Unterschiede ergeben sich dadurch, dass teils EU- und Bundesrecht greift, teils Landesrecht.

Allgemein wird eine intensive Gleichstellungspolitik betrieben, die aber nur langsam Erfolge zeigt. Dazu gibt es unabhängige Institutionen wie beispielsweise die Gleichbehandlungsanwaltschaft. Es herrschen zwei zentrale Paradigmen, das Gleichbehandlungsgebot und das Diskriminierungsverbot. Basis der Maßnahmen zur Gleichstellung (also zum Erreichen der faktischen Umsetzung der Gleichberechtigung) ist deshalb die positive Förderung (Unterstützung von Angelegenheiten der einen Gruppe ohne Zurücksetzung der Anderen). Das wird in der Frauenförderung etwa dadurch umgesetzt, dass es seit 1991 ein eigenes Frauenministerium gibt (meist als Kanzleramtsministerin, seit 2007 als Frauenangelegenheiten, Gleichstellung und Öffentlicher Dienst), und die Kontaktfrauen (Frauenbeauftragte). Ähnlich Maßnahmen sind beispielsweise die zweisprachigen Minderheitengebiete Österreichs.[66] Dort, wo prinzipiell keine Gleichstellung erreicht werden kann – und auch nicht angestrebt wird (Kinder, Alte, Behinderte), finden sich explizite Bevorzugungsmaßnahmen (wie der Vorrang des Kindeswohls laut UN-Kinderrechtekonvention) und spezielle Rechtsvertretungen, wie der Behindertenanwalt des Bundes, das Kinderrechte-Monitoring-Board (KMB) am Jugendministerium und die Kinder- und Jugendanwaltschaften der Länder.

Schweiz

In der Schweiz war die Forderung nach Gleichheit vor dem Gesetz resp. Rechtsgleichheit Bestandteil des Forderungskataloges der überwiegend erfolgreichen liberalen Revolutionen in den Kantonen um 1830. Es ging primär darum, die Vielzahl von Privilegien der Geburt der teils aristokratischen Herrschaftsschichten zu beseitigen. Bestehen blieb die Diskriminierung der Frauen, deren Beseitigung erst mit der Einführung des Frauenwahl- und -stimmrechts 1971 ihren Anfang nahm.

Schwimmbäder

Während es in manchen Urlaubsregionen nichts außergewöhnliches ist als Frau oberkörperfrei am Strand zu sein,[67] ist dies in deutschen Schwimmbädern meist nicht zulässig. Nachdem eine Person, die sie sich selbst nicht als Frau identifiziert, wegen oben-ohne-Badens aus einem Schwimmbad verwiesen wurde und Hausverbot erhielt, wurde dieses Thema von Politik und Gesellschaft in Göttingen intensiv diskutiert. Ab dem 1. Mai 2022 soll samstags und sonntags testweise Gleichberechtigung in Göttinger Bädern ausprobiert werden.[68][69]

Siehe auch

Literatur

  • Sabine Berghahn: Der Ritt auf der Schnecke - Rechtliche Gleichstellung in der Bundesrepublik Deutschland. Freie Universität Berlin, Juli 2011, abgerufen am 12. Juni 2013.
  •  Niels van Quaquebeke, Anja Schmerling: Kognitive Gleichstellung: Wie die bloße Abbildung bekannter weiblicher und männlicher Führungskräfte unser implizites Denken zu Führung beeinflusst. In: Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie. 54, 2010, S. 91–104.

Weblinks

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 Wiktionary: Gleichberechtigung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Reinhold Zippelius: Der Gleichheitssatz. In: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer. Band 47, 1989, S. 7 ff.
  2. Weg zur Gleichberechtigung, (Memento vom 17. März 2010 im Internet Archive) Informationen zur politischen Bildung (Heft 254), Bundeszentrale für politische Bildung
  3. Dieter Grimm: Die Historiker und die Verfassung. Ein Beitrag zur Wirkungsgeschichte des Grundgesetzes. München 2022, S. 13–37.
  4. Dieter Hesselberger: Das Grundgesetz. Kommentar für die politische Bildung. 3. Auflage. 1979, S. 51 ff.
  5. Reinhold Zippelius, Der Gleichheitssatz, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Bd. 47, 1989, S. 7 ff.
  6. Augsburgische Postzeitung vom 11. Mai 1789, 13. Mai 1789, 28. April 1789, 15. Mai 1789, 5. Juni 1789
  7. Augsburger Postzeitung vom 23. Juni 1789, 25. Juni 1989
  8. Augsburger Postzeitung vom 27. Juni 1789
  9. Augsburger Postzeitung vom 6., 7., 8. Juli 1789
  10. Weg zur Gleichberechtigung, (Memento vom 17. März 2010 im Internet Archive) Informationen zur politischen Bildung (Heft 254), Bundeszentrale für politische Bildung
  11. Hesselberger, Dieter, Das Grundgesetz, 3. Auflage, 1979, S. 52
  12. Augsburger-Postzeitung, 3. September 1789
  13. Augsburger Postzeitung, 9. September 1789
  14. Augsburgische Postzeitung, 23. September 1791; 27, 28. September 1791; 10., 12. Oktober 1791; 30. April 1792
  15. Münchner Zeitung, 26., 29., 30. September 1791, 11. Oktober 1791, 13. Januar 1792
  16. Augsburger Postzeitung vom 1., 2. und 3. Oktober 1792
  17. 1.) 1800 - Flugschrift - Max I. Joseph König in München-Geschichte (hartbrunner.de). 2.) Geheimer Staatsrat, Die Protokolle des Bayerischen Staatsrats 1799 bis 1817, Band 1, 1799 bis 1801, Bearbeitet von Reinhard Stauber unter Mitarbeit von Esteban Mauere, S. 248, 239, 265
  18. Chur-pfalz-baierisches Regierungs-und Intelligenz-Blatt, München 1800, S.66 und 118f
  19. Die Protokolle des Bayerischen Staatsrats 1799 bis 1817 Herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften durch Eberhard Weis und von der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns durch Hermann Rumschöttel, Bd. 3, München 2015, 1808, Einleitung S.11
  20. Die Protokolle des Bayerischen Staatsrates 1799 bis 1817, hrsg. v. der Historischen Kommission bei der Bay. Akademie der Wissenschaften und von der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, Bd. 2, München 2008, Nr. 105 Protokoll der geheimen Staatskonferenz vom 7. Mai 1803, S. 510: Nr.105. und S. 158ff, Nr. 24, 17. März.1802
  21. Churpfalzbaierisches Regierungsblatt, 1805, S. 201–212
  22. Hammermayer, Ludwig, 1.)Das Ende des alten Bayern, Die Zeit des Kurfürsten Max III. Joseph und des Kurfürsten Karl Theodor, in Handbuch der Bayerischen Geschichte, hrsg. v. Spindler, Max, Bd. 2, S. 985 – 1102, hier: S. 1086f. – 2.) Hammermayer, L., ZBLG - Seite 711 ZBLG 28 (1965) (digitale-sammlungen.de)
  23. Die Protokolle des Bayerischen Staatsrates 1799 bis 1817, hrsg. v. der Historischen Kommission bei der Bay. Akademie der Wissenschaften und von der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, drei Bände
  24. Augsburgische Postzeitung vom 24. Juli 1789
  25. Königlich-Baierisches Regierungs-Blatt, 1808, S. 985 ff
  26. Edikt über die Aufhebung der Leibeigenschaft, BaiRGBl, 1808, S. 1933 ff
  27. Historisches Lexikon Bayerns, Leibeigenschaft in Altbayern, mit Berufung auf Dieter Grimm, Richter am Bundesverfassungsgericht in Deutschland zwischen 1987–1999
  28. Königlich-Baierisches Regierungsblatt 1810, 27. Juli 1808, S. 777–796
  29. Kgl-Bai Regierungsblatt vom 7. September 1808, Edikt über Lehen-Verhältnisse im Königreich Baiern vom 7. Juli 1808, S. 1893–1932
  30. Verfassungsurkunde des Königreichs Baiern, Gesetz-Blatt für das Königreich Baiern, 6. Juni 1818, S. 101–140
  31. Fragen an die deutsche Geschichte, Ideen, Kräfte, Entscheidungen von 1800 bis zur Gegenwart, Historische Ausstellung im Reichstagsgebäude in Berlin Katalog, 2. Auflage, 1976, Tafel II 42 und 60
  32. Fragen an die deutsche Geschichte, Ideen, Kräfte, Entscheidungen. Von 1800 bis zur Gegenwart, Historische Ausstellung im Reichstagsgebäude in Berlin, Katalog, 2. erweiterte Auflage (1976)
  33. Gesetz, die Versammlungen der Vereine betreffend, Art. 15, Gesetz-Blatt für das Königreich Bayern, 1850, S. 59
  34. Anschütz, Gerhard, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, Ein Kommentar für Wissenschaft und Praxis, in 4. Bearbeitung, 14. Auflage, Berlin 1933, S. 507ff
  35. Anschütz, Gerhard, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, Ein Kommentar für Wissenschaft und Praxis, in 4. Bearbeitung, 14. Auflage, Berlin 1933, S. 507ff
  36. 36,0 36,1 36,2 Sylvia Schraut: Frauenbewegungen, II. Politisch, Version vom 8. Juni 2022, 09:10 Uhr, in: Staatslexikon online, abgerufen: 11. Februar 2023
  37. Bild 'Arbeiterinnen' aus: Jesse, Eckhard, Hrsg., Deutsche Geschichte Vom Kaiserreich bis heute, München 2006, S. 15
  38. Fragen an die deutsche Geschichte Ideen, Kräfte, Entscheidungen Von 1800 bis zur Gegenwart, Historische Ausstellung im Reichstagsgebäude in Berlin, Katalog, 2. Erweiterte Auflage, o. J., V / 174
  39. Anschütz, Gerhard, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919,, Ein Kommentar für Wissenschaft und Praxis, in 4. Bearbeitung, 14. Auflage, Berlin 1933, S. 584ff
  40. Bayerische Lehrerzeitung, Eigentum des Bayerischen Volksschullehrervereins, Nürnberg, 1918, 52. Jahrgang bis 67 von 1933;
  41. Nüchter, Friedrich, Realistische Schulpolitik, München 1930
  42. Verordnung über die Wahlen zur verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung (Reichswahlgesetz). Vom 30. November 1918.
  43. gleichberechtigung mit gleichstellung verwechselt&f=false E-Book gleichstellung. Abgerufen am 11. Mai 2015.
  44. Frankfurter Erklärung (Bewegung). Abgerufen am 11. Mai 2015.
  45. Frauenwahlrecht, Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg
  46. Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode, 1949,01/1176, Gleichberechtigung der Frauen
  47. Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode, 1949, Drucksache Nr. 4246,6, 6. Mai 1953
  48. Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode, 1949, Drucksache vom 20. März 1952: Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten
  49. Dossier 60 Jahre BRD. Männer und Frauen sind gleichberechtigt!. Cornelia Filter über Elisabeth Selbert. In: EMMA, Juni/Juli 2009
  50. Gleichberechtigungsgesetz, Bundesdrucksache 112, 1778, 224, S. 11761 bis 11802
  51. Gleichberechtigungsgesetz, Bundesdrucksache 112, 1778, 224, S. 11761 bis 11802
  52. 2. Deutscher Bundestag, 206. Sitzung, 3. Mai 1957, Beginn: Vormittag - 1 Stunde Pause zwischen 13 und 14 Uhr Ende 18:03 Uhr, Zweite und dritte Beratung über die „Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Gesetzes“ (Gleichberechtigungsgesetz- GleichberG) Drucksache S. 11768–11802
  53. § 1365 BGB. Verfügung über Vermögen im Ganzen, auf lexetius.com
  54. § 1367 BGB. Einseitige Rechtsgeschäfte, auf lexetius.com
  55. BVerfG, Urteil vom 29. Juli 1959, Az. 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 1 BvL 27, 100/58, Vorlage:BVerfGE - Elterliche Gewalt.
  56. Gleichbehandlung, help.gv.at;
    Anti-Diskriminierungsgesetzgebung in Österreich. (PDF) Oktober 2004, archiviert vom Original am 12. Oktober 2013; abgerufen am 3. März 2016.
  57. Anerkannte Religionen in Österreich
  58. Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit in der Schule, help.gv.at
  59. Das Diskriminierungsverbot, zara.or.at
  60. Kinderrecht in Österreich, kinderrechte.gv.at; Kinderrecht, kija.at
  61. Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen, help.gv.at;
    Barrierefreies Bauen (Memento vom 1. Februar 2014 im Internet Archive), bundessozialamt.gv.at;
    Barrierefreiheit – Recht und Gesetz in der Praxis. (PPTX) Archiviert vom Original am 1. Februar 2014; abgerufen am 3. März 2016.
  62. Web-Accessibility - Internet Zugang für alle, digitales.oesterreich.gv.at;
    Österreich: Gesetze bezüglich Barrierefreiheit im Internet. 20. April 2009, archiviert vom Original am 3. Februar 2014; abgerufen am 3. März 2016.
  63. Soldatin.Bundesheer.at
  64. Elternkarenz (Memento vom 1. Februar 2014 im Internet Archive), help.gv.at; Karenz.at
  65. Minderheiten in Österreich, minderheiten.at
  66. zu lokalen Problemen der Umsetzung siehe auch → Ortstafelstreit
  67. Länder: Wo Nacktbaden erlaubt ist und wo nicht. Abgerufen am 29. April 2022.
  68. Ab 1. Mai dürfen Frauen oben ohne ins Schwimmbad und das hat einen Grund. Abgerufen am 29. April 2022.
  69. Brust raus im Schwimmbad. Abgerufen am 29. April 2022.
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