Saturninus (Gnostiker)

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Saturninus (auch Saturnilus) war ein christlicher Gnostiker, der im 2. Jahrhundert in Antiochia wirkte und vermutlich ein Schüler des Simonianers Menander. Das ausführlichste Zeugnis über sein Leben und Wirken gab Irenäus von Lyon († um 200) in seiner Schrift Gegen die Häresien (Contra Haereses).

„Saturninus lehrte ähnlich wie Menander, daß der eine unbekannte Vater die Engel, Erzengel, Kräfte und Mächte gemacht habe. Die Welt aber und alles, was in ihr ist, sei von sieben bestimmten Engeln gemacht worden, und ebenso sei der Mensch ein Gebilde der Engel. Als diese das von obenher von der höchsten Macht erscheinende leuchtende Bild nicht festhalten konnten, weil es sogleich wieder emporstieg, ermahnten sie einander mit den Worten: „Laßt uns den Menschen machen nach dem Bild und Gleichnis“[1]. — Aber wegen der Schwäche der Engel konnte sich dies Gebilde nach seiner Erschaffung nicht aufrichten, sondern es kroch wie ein Wurm daher. Da erbarmte sich seiner die Kraft von oben und entsandte einen Funken des Lebens; dieser richtete den Menschen auf, gab ihm die Glieder und das Leben. Nach dem Tode aber kehrt der Lebensfunke zu seiner Art wieder zurück, und die übrigen Bestandteile zerfallen.“

Irenäus von Lyon: Contra Haereses I 24,1 [1]

Ähnliches berichtet auch Tertulian:

„Einige bilden sich ein, vom Himmel gekommen zu sein, und schmeicheln sich mit derselben Festigkeit der Überzeugung, unfehlbar wieder dorthin zurückzukehren. So z. B. Saturninus, der Schüler des Menander, der die Lehre aufgebracht hat, der Mensch, von den Engeln gebildet, sei erst ein hinfälliges, kraftloses und haltloses Machwerk gewesen und habe, unfähig zu stehen, auf der Erde wie ein Wurm gezappelt, sodann habe er durch das Mitleid des höchsten Wesens, nach dessen Bilde, aber nach dessen nicht vollständig erkanntem Bilde er vorschnell konstruiert worden sei, ein kleines Fünkchen Leben erlangt, dieses habe ihn erweckt, aufgerichtet, kräftiger beseelt und werde ihn nach Ablauf des Lebens zu seinem Ausgange zurückführen.“

Tertullian: Über die Seele (De anima) 23 [2]

Anders als bei seinem Vorgänger Menander spielen weibliche Geistwesen in seiner Kosmologie keine Rolle. Auch nimmt Saturninus den Christus als Erlöser in sein System auf, doch sei er, im Gegensatz zur christlichen Anschauung, ungeboren und körperlos. War für Simon Magus der Zeugungsakt die wesentliche Triebkraft des ganzen Schöpfungsgeschehens, so stammt nach Saturninus das „Heiraten und Zeugen“ vom Teufel.

„Der Heiland, lehrt er, ist ungeboren, unkörperlich; fälschlich glaubt man, er sei als Mensch erschienen. Der jüdische Gott ist einer von den Engeln; weil aber alle Mächte den Vater stürzen wollten, ist Christus erschienen, um den Judengott zu stürzen und zu retten, die an ihn glauben würden, d. h. die, welche den Funken des Lebens in sich haben. Die Engel haben nämlich zwei Arten von Menschen erschaffen, die guten und die bösen, und da die Dämonen den Bösen halfen, ist der Erlöser erschienen, um die Bösen samt den Dämonen zu vernichten, die Guten aber zu retten. Heiraten und Zeugen stammt vom Teufel. Die meisten von ihnen enthalten sich der Fleischspeisen, und durch diese scheinbare Enthaltsamkeit verführen sie viele. Die Prophezeiungen sind teils von den Engeln gegeben, die die Welt machten, teils vom Teufel; dieser ist ein Engel, der jenen Engeln und dem Judengott feindlich gesinnt ist.“

Irenäus von Lyon: Contra Haereses I 24,2 [3]

Saturninus unterscheidet nach Hippolyt von Rom († um 235) verschiedene Engelhierarchien, womit bei ihm auch schon ein Anklang des Pleromas zu finden ist, das in der Blütezeit der Gnosis sehr bedeutsam war. Nach Saturninus waren Engel, Erzengel, Kräfte (Archai) und Gewalten (Exusiai, Elohim) an der Erschaffung des Menschen beteiligt. Der göttliche Funke im Menschen aber stammt von dem «unbekannten Vater».

„Saturneilos, der zur selben Zeit wie Basilides blühte — er lebte aber zu Antiochien in Syrien —, lehrte dasselbe wie Menander. Er behauptete, es gebe einen allen unbekannten Vater, der die Engel, Erzengel, Kräfte und Gewalten erschaffen habe. Von sieben Engeln stamme die Welt und alles, was darin sei, und der Mensch selbst sei das Werk der Engel; oben von der Urheberschaft her sei ein leuchtendes Bild erschienen; sie konnten es aber nicht festhalten, weil es sofort wieder hinaufgestiegen sei; so haben sie sich mit den Worten angeeifert: „Lasset uns den Menschen machen nach dem Bild und nach dem Gleichnis!“[1] Das Gebilde entstand, konnte sich aber wegen der Schwäche der Engel nicht aufrichten und mußte wie ein Wurm kriechen; da erbarmte sich seiner die Kraft von oben, da es nach ihrem Bilde gemacht war, und sandte einen Lebensfunken herab, der den Menschen erweckte und lebendig machte. Dieser Lebensfunke kehrt nach dem Tode zu dem ihm Wesensgleichen zurück, und das übrige, aus dem der Mensch besteht, löst sich gleichfalls in Verwandtes auf. Nach Saturneilos ist der Erlöser unerzeugt, unkörperlich und ohne Gestalt; dem Schein nach ist er als Mensch erschienen. Der Judengott ist ein Engel, und weil der Vater alle Archonten stürzen wollte, ist Christus erschienen, um den Judengott zu stürzen, und um die zu erlösen, die ihm folgen würden; das sind aber die, welche den Lebensfunken in sich haben. Zwei Menschenarten haben die Engel gemacht, eine gute und eine böse; die Dämonen helfen den bösen Menschen; so ist der Erlöser zum Sturz der bösen Menschen und der Dämonen und zur Erlösung der Guten gekommen; das Heiraten und Kindererzeugen ist vom Satan; die Mehrzahl der Anhänger des Saturneilos enthält sich animalischer Kost; sie verlocken viele durch ihre vorgebliche Askese; die Prophezeiungen rühren teils von den weltschaffenden Engeln, teils vom Satan her; letzteren rechnet er auch zu den Engeln; doch arbeitet Satan den Weltengeln und am meisten dem Judengott entgegen. Soweit Saturneilos.“

Hippolyt von Rom: Widerlegung aller Häresien (Refutatio omnium haeresium) VII,28 [4]

„Die Saturnilianer in Syrien haben die Schändlichkeiten der Simonianer noch übertroffen, so wie sie auch zur Lehre derselben einiges hinzugefügt haben, um desto mehr Staunen und Bewunderung zu erregen. Ihr Stifter ist Saturnilus, welcher ebenso wie Menander Engel zu Weltschöpfern macht, und zwar nur sieben, welche selbst gegen den Willen des obersten Vaters die Schöpfung unternommen hätten.“

Epiphanius von Salamis: Panarion 23 [5]

Anmerkungen

  1. 1,0 1,1 1 Mos 1,26 EU

Literatur

  1. Hans Jonas: Gnosis uns spätantiker Geist I, Vandenhoeck u. Ruprecht, Göttingen 1934, 1964, 1988 ISBN 978-3525531235
  2. Hans Leisegang: Die Gnosis. A. Kröner, Leipzig 1924. 2. Auflage 1936. 5. Auflage, Kröner, Stuttgart 1985. ISBN 3-520-03205-8
  3. Kurt Rudolph: Die Gnosis. Wesen und Geschichte einer spätantiken Religion, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005 ISBN 3-525-52110-3