Paul Feyerabend und Das verschleierte Bild zu Sais: Unterschied zwischen den Seiten

Aus AnthroWiki
(Unterschied zwischen Seiten)
imported>Joachim Stiller
 
imported>Odyssee
 
Zeile 1: Zeile 1:
'''Paul Karl Feyerabend''' (* [[Wikipedia:13. Januar|13. Januar]] [[Wikipedia:1924|1924]] in [[Wikipedia:Wien|Wien]]; † [[Wikipedia:11. Februar|11. Februar]] [[Wikipedia:1994|1994]] in [[Wikipedia:Genolier|Genolier]] im [[Schweiz|schweizerischen]] [[Wikipedia:Kanton Waadt|Waadtland]]) war ein [[Österreich|österreichischer]] [[Philosophie|Philosoph]] und [[Wissenschaftstheorie|Wissenschaftstheoretiker]]. Er war von 1958 bis 1989 Philosophieprofessor an der [[Wikipedia:University of California|Universität von Kalifornien]] in [[Wikipedia:Berkeley (Kalifornien)|Berkeley]] und lebte zeitweilig in [[England]], [[Deutschland]], [[Wikipedia:Neuseeland|Neuseeland]], [[Italien]], zuletzt in der Schweiz, wo er als Hochschullehrer an der [[Wikipedia:Eidgenössische Technische Hochschule Zürich|ETH Zürich]] tätig war.
{{Infobox Ägyptische Gottheit
|TITEL = Isis
|NAME-ERWEITERT = meistens nur
|NAME = <hiero>st-t:H8</hiero>
|NAME-ERKLÄRUNG = Ast / Aset<br /> ''{{Unicode|3}}st''<br /> ''Sitz, Thron''
|NAME-MIT-DETERMINATIV = ja
|NAME-DETERMINATIV-SYMBOL = <hiero>C10</hiero>
|BILD1 = Isis.svg
|BILD1-BREITE = 150px
|BILD1-BESCHREIBUNG = Isis mit Was-Zepter und [[Anch]]-Zeichen
}}
[[Datei:LOWTH(1855) - 1.006 RUINS OF SAIS IN THE DELTA.jpg|mini|290px|Die Ruinen von Sais im Nildelta (1855)]]
[[Datei:Anton Graff - Friedrich Schiller.jpg|miniatur|200px|[[Friedrich Schiller]]<br />Porträt von [[Wikipedia:Anton Graff|Anton Graff]], um 1790]]
[[Datei:Franz Gareis - Novalis.jpg|miniatur|200px|[[Novalis]] um 1799<br />Porträt von [[Wikipedia:Franz Gareis|Franz Gareis]]]]
[[Datei:hpb.jpg|miniatur|200px|[[Helena Petrovna Blavatsky]] (1877)]]


Bekannt wurde Feyerabend durch seinen wissenschaftstheoretischen [[Anarchismus]]. Nach Feyerabend lassen sich keine universellen und ahistorischen wissenschaftlichen [[Methodik|Methoden]] formulieren, produktive Wissenschaft müsse vielmehr Methoden nach Belieben verändern, einführen und aufgeben dürfen. Zudem gebe es keine allgemeinen Maßstäbe, mit denen man verschiedene wissenschaftliche Methoden oder Traditionen bewerten könne. Das Fehlen allgemeiner Bewertungsmaßstäbe führt Feyerabend zu einem philosophischen [[Relativismus]], nach dem keine Theorie allgemein [[Wahrheit|wahr]] oder falsch ist.
'''Das verschleierte Bild zu Sais''' wird in den ''Moralischen Schriften'', «Über Isis und Osiris» des [[Plutarch]] (um [[Wikipedia:45|45]] in [[Wikipedia:Chaironeia|Chaironeia]]; † um [[Wikipedia:45|125]]) erwähnt.  


[[Datei:Paul Feyerabend Berkeley.jpg|mini|Paul Feyerabend in Berkeley]]
Die [[Altes Ägypten|altägyptische]], im westlichen [[Wikipedia:Nildelta|Nildelta]] gelegene Stadt '''Sais''' (auch '''Saïs''', {{ELSalt|Σάϊς}}; [[Altägyptische Sprache|altägyptisch]] '''Sau, Zau''', heute {{arS|صا الحجر|d=Ṣā al-Ḥaǧar|w=Sa al-Hagar}}) wird schon in Texten aus dem [[Wikipedia:Altes Reich|Alten Reich]] erwähnt und war nach den [[Wikipedia:Archäologie|archäologischen]] Befunden schon um 4000&nbsp;v.&nbsp;Chr. besiedelt. [[Wikipedia:Psammetich I.|Psammetich I.]], der vermutlich aus Sais stammte und die [[Wikipedia:26. Dynastie|26. Dynastie]] begründete, die von 664 – 525&nbsp;v.&nbsp;Chr. herrschte, machte Sais zur Hauptstadt [[Ägypten]]s.


== Leben ==
== Geschichtliches ==
=== Kindheit, Jugend, Krieg ===
Paul Feyerabend wurde 1924 in Wien geboren. Als Sohn einer Mittelstandsfamilie besuchte er ein [[Wikipedia:Realgymnasium|Realgymnasium]] und war ein Schüler mit überdurchschnittlichen Leistungen. Die Eltern hatten aufgrund von Krieg und Inflation lange gewartet, bevor sie ihr erstes und einziges Kind bekamen, Paul Feyerabends Mutter war bei seiner Geburt bereits 40 Jahre alt. In Kontakt mit der Philosophie kam Feyerabend nach eigenen Angaben durch einen Zufall: ''{{"|Wenn man sich nach Literatur umsah, die zum Verkauf bestimmt war, konnte man tonnenweise Bücher für nur ein paar Groschen erwerben. […] Ich konnte es nicht vermeiden, daß hin und wieder auch ein Band von Plato, Descartes oder Büchner (dem Materialisten, nicht dem Dichter) darunter waren. Ich habe diese unerwünschten Zugaben dann wohl aus Neugier gelesen oder einfach, weil ich dafür bezahlt hatte.}}''<ref>''Zeit'', S. 43 f.</ref>


Im März 1938 wurde Österreich Teil des deutschen Reiches, am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg und veränderte das Leben des 15-Jährigen. Feyerabends Eltern begrüßten den [[Wikipedia:Anschluss Österreichs|Anschluss]], Feyerabend beschreibt sein Verhältnis zu den Nazis als naiv und relativ emotionslos. Er wurde nicht zu einem glühenden Anhänger, reagierte jedoch auch auf die im Krieg erlebten Grausamkeiten nicht mit Empörung. 1940 begann Feyerabend mit dem [[Wikipedia:Reichsarbeitsdienst|Reichsarbeitsdienst]], 1942 wurde er Teil eines Pionierkorps, 1943 besuchte er eine Offiziersschule. Er wurde für die Ausbildung nach Jugoslawien geschickt; nach Feyerabend war die Offiziersschule insbesondere ein Weg, den Kriegseinsatz zu umgehen. In Jugoslawien erfuhr er von der Selbsttötung seiner Mutter, ein Ereignis, das ihn damals nicht sehr bewegte. Feyerabend wurde noch im September 1943 nach Russland geschickt, wo er sich nach eigenen Angaben leichtsinnig und theatralisch verhielt und dafür bis zum [[Wikipedia:Leutnant|Leutnant]] befördert wurde.
Plutarch beschreibt die verschleierte Statue der [[Athene]] oder der [[Isis]], die es in Sais gegeben haben soll, die folgende Aufschrift trug:


Im letzten Kriegsjahr wurde Feyerabend auf dem Rückzug von mehreren Kugeln in den Magen und die Hand getroffen. ''{{"|Ich verspürte keinen Schmerz, aber ich war überzeugt, daß meine Beine getroffen waren. Einen Augenblick sah ich mich im Rollstuhl an einer endlosen Bücherwand entlangfahren – ich war fast glücklich. Die Soldaten, die schleunigst aus dem Kampfgebiet kommen wollten, standen um mich herum, hoben mich auf einen Schlitten und zogen mich weg. Für mich war der Krieg vorbei.}}''<ref>''Zeit'', S. 74 f.</ref> Feyerabends schwere Verletzungen bewirkten, dass er sein Leben lang starke Schmerzen hatte, an einem Stock gehen musste und impotent geworden war. Er wurde in eine Klinik in [[Wikipedia:Apolda|Apolda]] gebracht; nach Kriegsende studierte er für ein Jahr Gesang im nahen [[Wikipedia:Weimar|Weimar]].
{{Zitat|In Sais hatte das Standbild der Athene, die man auch für die Isis hält, folgende Inschrift «ich bin das All, das Vergangene Gegenwärtige und Zukünftige, meinen Schleier hat noch kein Sterblicher gelüftet.»|Plutarch|''Über Isis und Osiris'', C9<ref>[http://books.google.at/books?id=IcpOTDlUz1gC&hl=de&pg=PA14#v=onepage&q&f=false Plutarch: ''Über Jsis und Osiris'']</ref>}}


=== Studienzeit ===
Der [[Jüngling zu Sais]] soll verbotenerweise diesen Schleier gelüftet haben. [[Friedrich Schiller]] hat das Thema in dem Gedicht «Das verschleierte Bild zu Sais» [http://www.zeno.org/Literatur/M/Schiller,+Friedrich/Gedichte/Gedichte+%281789-1805%29/Das+verschleierte+Bild+zu+Sais] aufgegriffen und erwähnt es auch in seinen Vorlesungen über «[[Die Sendung Moses]]» und in seinem Aufsatz «[[Vom Erhabenen]]».  
1947 kehrte Feyerabend aus Weimar nach Wien zurück. Seine frühere Leidenschaft – die Physik – schien ihm nach Kriegsende lebensfremd, und so begann er mit dem Studium der Geschichte und Soziologie. Bald langweilten ihn jedoch seine Vorlesungen, er wechselte noch im gleichen Jahr zur Physik. Unter den Physikern an der [[Wikipedia:Universität Wien|Universität Wien]] machte insbesondere [[Wikipedia:Felix Ehrenhaft|Felix Ehrenhaft]] Eindruck auf Feyerabend. Bald kam er durch [[Wikipedia:Victor Kraft|Victor Kraft]] zudem in Kontakt mit der akademischen Philosophie. Kraft war im Gegensatz zu den anderen bekannten Mitgliedern des [[Wiener Kreis]]es in Österreich geblieben und hatte um sich eine Gruppe von Philosophen und Studenten versammelt – den so genannten „Kraft-Kreis“. Unter ihnen war auch Feyerabend, der im Kraft-Kreis die Gelegenheit bekam, mit Philosophen wie [[Wikipedia:Walter Hollitscher|Walter Hollitscher]], [[Wikipedia:Elizabeth Anscombe|Elizabeth Anscombe]] oder [[Ludwig Wittgenstein]] zu diskutieren. In dieser Zeit übernahm Feyerabend zentrale Überzeugungen des [[Logischer Empirismus|logischen Empirismus]]: {{"|Das war übrigens die Haltung bei all meinen Diskussionbeiträgen: die Wissenschaft ist die Grundlage des Wissens, Wissen ist empirisch, nicht-empirische Überlegungen sind entweder Logik oder Unsinn.}}<ref>''Zeit'', S. 95.</ref>


Entscheidend für Feyerabends weitere Entwicklung wurde das [[Wikipedia:Europäisches Forum Alpbach|Forum Alpbach]], an dem er 1948 erstmals teilnahm. In Alpbach lernte Feyerabend [[Wikipedia:Hanns Eisler|Hanns Eisler]], [[Wikipedia:Bertolt Brecht|Bertolt Brecht]] und nicht zuletzt [[Karl Popper]] kennen. Das Angebot, bei Brecht als Assistent zu arbeiten, schlug Feyerabend aus.<ref>''Zeit'', S. 101.</ref> Stattdessen wollte er nach seiner Promotion 1951 mit einem Stipendium des [[Wikipedia:British Council|British Council]] bei Wittgenstein in Cambridge studieren. Da Wittgenstein jedoch 1951 verstarb, ging Feyerabend zu Popper an die [[Wikipedia:London School of Economics and Political Science|London School of Economics and Political Science]]. Der Einfluss Poppers wurde in mehrfacher Hinsicht bestimmend für Feyerabends philosophische Entwicklung. Zunächst übernahm er den [[Falsifikationismus]] und wurde tief von Poppers Denken geprägt. Später wandte er sich jedoch von Poppers [[Kritischer Rationalismus|kritischem Rationalismus]] ab und machte ihn zum Hauptgegner des eigenen wissenschaftstheoretischen Anarchismus.
{{Zitat|Alles, was verhüllt ist, alles Geheimnisvolle, trägt zum Schrecklichen bei und ist deswegen der Erhabenheit fähig. Von dieser Art ist die Aufschrift, welche man zu Sais in Ägypten über dem Tempel der Isis las: »Ich bin alles, was ist, was gewesen ist und was sein wird. Kein sterblicher Mensch hat meinen Schleier aufgehoben.« – Eben dieses Ungewisse und Geheimnisvolle gibt den Vorstellungen der Menschen von der Zukunft nach dem Tode etwas Grauenvolles; diese Empfindungen sind in dem bekannten Selbstgespräch Hamlets sehr glücklich ausgedrückt.|Friedrich Schiller|''Vom Erhabenen'' [http://www.zeno.org/Literatur/M/Schiller,+Friedrich/Theoretische+Schriften/Vom+Erhabenen]}}


=== Von Bristol nach Berkeley ===
{{Zitat|Da Ägypten der erste kultivierte Staat war, den die Geschichte kennt, und die ältesten Mysterien sich ursprünglich aus Ägypten herschreiben, so war es auch aller Wahrscheinlichkeit nach hier, wo die erste Idee von der Einheit des höchsten Wesens zuerst in einem menschlichen Gehirne vorgestellt wurde...<br><br>
1955 bekam Feyerabend seine erste akademische Stelle an der [[Wikipedia:University of Bristol|University of Bristol]], wo er eine Vorlesung über Wissenschaftstheorie zu halten hatte. Die Stelle war wohl nicht zuletzt dem Einfluss Poppers zu verdanken, allerdings zeigten sich nach Feyerabend erste Brüche: [[Wikipedia:John Watkins|John Watkins]] ''{{"|[…] ging mit ernstem Gesicht auf und nieder und hielt mir eine Strafpredigt, weil ich ein schlechter Popperianer war: zu wenig Popper im Text meiner Aufsätze und schon gar keinen Popper in den Fußnoten. Als ich ihm dann im Detail erklärte, daß man an einigen Stellen doch ein bißchen Popper herauslesen konnte, gab er einen Seufzer der Erleichterung von sich, führte mich ins Wohnzimmer und erlaubte mir zu essen.}}''<ref>''Zeit'', S. 149.</ref> Feyerabends Schriften der 1950er und frühen 1960er Jahre sind dennoch stark durch Poppers [[Falsifikationismus]] geprägt.<ref>Ein gutes Beispiel ist folgende Kritik am Positivismus: ''{{"-en|An Attempt at a Realistic Interpretation of Experience.}}'' 1958.</ref> Während seiner Zeit in Bristol heiratete Feyerabend zum zweiten Mal, die Ehe wurde jedoch, wie auch schon die erste, schnell geschieden. In dieser Situation war Feyerabend glücklich, dass ihm 1958 das Angebot gemacht wurde, ein Jahr an der [[Wikipedia:University of California, Berkeley|University of California]], zu verbringen.
Da aber schon ein gewisses Maß von Kenntnissen und eine gewisse Ausbildung des Verstandes erfodert wird, die Idee eines einigen Gottes recht zu fassen und anzuwenden, da der Glaube an die göttliche Einheit Verachtung der Vielgötterei, welches doch die herrschende Religion war, notwendig mit sich bringen mußte, so begriff man bald, daß es unvorsichtig, ja gefählich sein würde, diese Idee öffentlich und allgemein zu verbreiten. Ohne vorher die hergebrachten Götter des Staats zu stürzen und sie in ihrer lächerlichen Blöße zu zeigen, konnte man dieser neuen Lehre keinen Eingang versprechen...<br><br>
Mißlang hingegen der Versuch, die alten Götter zu stürzen, so hatte man den blinden Fanatismus gegen sich bewaffnet und sich einer tollen Menge zum Schlachtopfer preisgegeben. Man fand also für besser, die neue gefährliche Wahrheit zum ausschließenden Eigentum einer kleinen geschlossenen Gesellschaft zu machen, diejenigen, welche das gehörige Maß von Fassungskraft dafür zeigten, aus der Menge hervorzuziehen und in den Bund aufzunehmen und die Wahrheit selbst, die man unreinen Augen entziehen wollte, mit einem geheimnisvollen Gewand zu umkleiden, das nur derjenige wegziehen könnte, den man selbst dazu fähig gemacht hätte.<br><br>
Diese Zeremonien, mit jenen geheimnisvollen Bildern und Hieroglyphen verbunden, und die verborgenen Wahrheiten, welche in diesen Hieroglyphen versteckt lagen und durch jene Gebräuche vorbereitet wurden, wurden zusammengenommen unter dem Namen der Mysterien begriffen. Sie hatten ihren Sitz in den Tempeln der Isis und des Serapis und waren das Vorbild, wornach in der Folge die Mysterien in Eleusis und Samothrazien und in neuern Zeiten der Orden der Freimaurer sich gebildet hat.<br><br>
Es scheint außer Zweifel gesetzt, daß der Inhalt der allerältesten Mysterien in Heliopolis und Memphis, während ihres unverdorbenen Zustands, Einheit Gottes und Widerlegung des Paganismus war, und daß die Unsterblichkeit der Seele darin vorgetragen wurde. Diejenigen, welche dieser wichtigen Aufschlüsse teilhaftig waren, nannten sich Anschauer oder [[Epopten]], weil die Erkennung einer vorher verborgenen Wahrheit mit dem Übertritt aus der Finsternis zum Lichte zu vergleichen ist, vielleicht auch darum, weil sie die neuerkannten Wahrheiten in sinnlichen Bildern wirklich und eigentlich anschauten.<br><br>
Zu dieser Anschauung konnten sie aber nicht auf einmal gelangen, weil der Geist erst von manchen Irrtümern gereinigt, erst durch mancherlei Vorbereitungen gegangen sein mußte, ehe er das volle Licht der Wahrheit ertragen konnte. Es gab also Stufen oder Grade, und erst im innern Heiligtum fiel die Decke ganz von ihren Augen.<br><br>
Die Epopten erkannten eine einzige höchste Ursache aller Dinge, eine Urkraft der Natur, das Wesen aller Wesen, welches einerlei war mit dem Demiurgos der griechischen Weisen. Nichts ist erhabener als die einfache Größe, mit der sie von dem Weltschöpfer sprachen. Um ihn auf eine recht entscheidende Art auszuzeichnen, gaben sie ihm gar keinen Namen. »Ein Name«, sagten sie, »ist bloß ein Bedürfnis der Unterscheidung, wer allein ist, hat keinen Namen nötig, denn es ist keiner da, mit dem er verwechselt werden könnte.« Unter einer alten Bildsäule der Isis las man die Worte: » Ich bin, was da ist«, und auf einer Pyramide zu Sais fand man die uralte merkwürdige Inschrift: »Ich bin alles, was ist, was war und was sein wird, kein sterblicher Mensch hat meinen Schleier aufgehoben.« Keiner durfte den Tempel des Serapis betreten, der nicht den Namen Jao - oder J-ha-ho, ein Name, der mit dem hebräischen Jehovah fast gleichlautend, auch vermutlich von dem nämlichen Inhalt ist - an der Brust oder Stirn trug; und kein Name wurde in Ägypten mit mehr Ehrfurcht ausgesprochen als dieser Name Jao. In dem Hymnus, den der Hierophant oder Vorsteher des Heiligtums dem Einzuweihenden vorsang, war dies der erste Aufschluß, der über die Natur der Gottheit gegeben wurde: »Er ist einzig und von ihm selbst, und diesem Einzigen sind alle Dinge ihr Dasein schuldig.«|Friedrich Schiller|''Die Sendung Moses'' [http://gutenberg.spiegel.de/buch/3319/1]}}


Berkeley wurde für über 30 Jahre zum Hauptwohnsitz von Feyerabend. Der Wechsel von Europa in die USA war auf verschiedene Weisen prägend: Zunächst kam Feyerabend insbesondere durch seine Besuche am [[Wikipedia:Minnesota Center for the Philosophy of Science|Minnesota Center for the Philosophy of Science]] schnell in engen Kontakt mit der amerikanischen Philosophieszene. Unter den Bekanntschaften waren zum einen viele alte Vertreter des Wiener Kreises wie [[Wikipedia:Herbert Feigl|Herbert Feigl]], [[Wikipedia:Rudolf Carnap|Rudolf Carnap]] und [[Wikipedia:Carl Gustav Hempel|Carl Gustav Hempel]], zum anderen jüngere Vertreter der amerikanischen [[Analytische Philosophie|analytischen Philosophie]] wie [[John Searle]] und [[Wikipedia:Hilary Putnam|Hilary Putnam]]. 1965 veröffentlichte Feyerabend seine erste ausführliche, wissenschaftstheoretische Schrift, ''Problems of Empiricism''.<ref>''Problems of Empiricism. Beyond the Edge of Certainty: Essays in Contemporary Science and Philosophy'', ed. R.G. Colodny (New Jersey: Prentice-Hall, 1965), S. 145–260.</ref> Dieser lange Essay enthält bereits viele radikale Überlegungen, basiert jedoch auf einem philosophischen [[Realismus (Philosophie)|Realismus]] und führte Feyerabend noch nicht zu einer unbedingten Konfrontation mit der zeitgenössischen Wissenschaftsphilosophie.
[[Novalis]] verwendete das Motiv in seinem [[Märchen]] von «Hyacinth und Rosenblüthe», das den Kern seines unvollendeten [[Wikipedia:Roman|Roman]]s «[[Die Lehrlinge zu Sais]]» (1799) bildet. Im [[Traum]] lüftet der Jüngling ''Hyazinth'' den Schleier der Jungfrau - und findet seine geliebte ''Rosenblüte'':


Des Weiteren war das politische Klima Berkeleys und der [[Wikipedia:San Francisco Bay Area|San Francisco Bay Area]] prägend: 1964 machte die [[Wikipedia:Free Speech Movement|Free Speech Movement]] Berkeley zum linksrevolutionären Zentrum der USA, drei Jahre später war die Hippiebewegung im benachbarten San Francisco mit dem [[Wikipedia:Summer of Love|Summer of Love]] auf ihrem Höhepunkt angelangt. Feyerabend hat in seinen Schriften immer wieder betont, dass die Erfahrungen mit den politischen Bewegungen und der Multikulturalität der Bay Area seine philosophischen Gedanken stark geprägt haben. So erklärt er etwa in Bezug auf die multikulturelle Studentenschaft: ''{{"|Wer war ich, um diesen Menschen zu erklären, was und wie sie denken sollten? Ich hatte keine Ahnung von ihren Problemen, obwohl ich wusste, dass sie viele Probleme hatten. Ich kannte nicht ihre Interessen, ihre Gefühle, ihre Ängste, ihre Hoffnungen […]. Denn diese Aufgabe [gemeint ist das Dozieren der Tradition des westlichen Rationalismus] war die eines gebildeten und vornehmen Sklavenhalters. Und ein Sklavenhalter wollte ich nicht sein.}}''<ref>EffM, S. 233 f.</ref>
{{Zitat|Unter himmlischen Wohlgedüften entschlummerte er, weil ihn nur der Traum in das Allerheiligste führen durfte. Wunderlich führte ihn der Traum durch unendliche Gemächer voll seltsamer Sachen auf lauter reitzenden Klängen und in abwechselnden Accorden. Es dünkte ihm alles so bekannt und doch in niegesehener Herrlichkeit, da schwand auch der letzte irdische Anflug, wie in Luft verzehrt, und er stand vor der himmlischen Jungfrau, da hob er den leichten, glänzenden Schleyer, und Rosenblüthchen sank in seine Arme.|Novalis|''Die Lehrlinge zu Sais, 2. Die Natur'' [http://www.zeno.org/Literatur/M/Novalis/Romane/Die+Lehrlinge+zu+Sais/2.+Die+Natur]}}


Feyerabends lange Zeit in Berkeley änderte jedoch nichts an seiner Rastlosigkeit und der Unzufriedenheit mit seiner neuen Heimat. Über die Jahre nahm er viele (Gast-)Professuren an, ohne jedoch an einem Ort vollständig zufrieden zu sein. Längere Zeit verbrachte er in London und Berlin, wo er ebenfalls mit den Studentenbewegungen in Kontakt kam. Weitere Stationen waren Auckland, Kassel, Sussex und Yale.
«[[Isis entschleiert]]» (''[[WikipediaEN:Isis Unveiled|Isis Unveiled]]'') ist auch der Titel des von [[Helena Petrovna Blavatsky]] am [[Wikipedia:29. September|29. September]] [[Wikipedia:1877|1877]] - also zu [[Michaeli]] - veröffentlichten Grundlagenwerks der [[Theosophie]], das zugleich ihr aus geistiger Sicht bedeutsamstes Werk ist.


=== Der Anarchist in der Wissenschaftstheorie ===
Über die [[Bedeutung]] dieser Isis-Legende sagt [[Rudolf Steiner]]:
In den 1960er Jahren hatte Feyerabend einige unkonventionelle Ideen publiziert, sich langsam vom kritischen Rationalismus gelöst und sich in Berkeley mit seinem unsteten Lehrstil einige Feinde gemacht. Insgesamt hatte er sich jedoch eine Reputation als ernstzunehmender und geachteter Wissenschaftstheoretiker erarbeitet. Die folgenden Jahre sollten diese Situation verändern. 1970 veröffentlichte Feyerabend einen Aufsatz mit dem Titel ''Against Method'', in dem er die bekannten wissenschaftstheoretischen Methodologien angriff.<ref>Paul Feyerabend: ''Against Method''. In: ''Minnesota Studies in the Philosophy of Science. Theories & Methods of Physics and Psychology''. 1970, S. 17–130.</ref> Seine Position entwickelte sich von einem liberalen und realistischen Methodenpluralismus zu einem relativistischen Angriff auf die Methodologie im Allgemeinen.


Mit seinem Freund [[Wikipedia:Imre Lakatos|Imre Lakatos]] plante Feyerabend eine gemeinsame Publikation zur Methodendebatte in der Wissenschaftstheorie. Lakatos sollte die Methode der [[Falsifikation]] gegen Feyerabends wütende Attacken auf jede Form von methodologischen Regeln verteidigen. Lakatos verstarb allerdings 1974 und Feyerabend veröffentlichte seine Kritik unter dem Titel ''Against Method. Outline of an anarchistic Theory of Knowledge'' als Monographie. Das Buch machte Feyerabend mit dem Slogan „[[Wikipedia:anythong goes|anything goes]]“ über die Grenzen der Wissenschaftstheorie bekannt. In einer der positiveren Rezensionen des Buches finden sich häufig angeführte Bedenken: ''{{"|Wider den Methodenzwang ist ein gutes Buch, vielleicht sogar ein großes. Es ist voll mit Widersprüchen, Über- und Untertreibungen und genügend Ad-hominem-Angriffen, um sogar dem liberalsten Studenten einen rhetorischen Hirnschlag zu verpassen.}}''<ref>Übersetzt von: ''{{"-en|Against Method is a good book, possibly a great one. It’s full of contradictions, over- and understatements, and enough ad hominem statements to give even the most liberal student rhetoric apoplexy.}}'' In: Ian Mitroff: ''Review of: Against Method, Outline of an Anarchistic Theory of Knowledge''. In: ''Contemporary Sociology'' 1976, S. 347.</ref>
<div style="margin-left:20px">
"Sehen Sie, so schön ist das in dem Symbole beschrieben, das die
Naturkraft in der ägyptischen Legende von der Isis ausdrückt. Dieses
Isis-Bild, was für einen ergreifenden Eindruck macht es uns, wenn wir
es uns vorstellen, wie es dasteht in Stein, aber in dem Stein zugleich
der Schleier von oben bis unten: das verschleierte Bild zu Sais. Und die
Inschrift trägt es: Ich bin die Vergangenheit, die Gegenwart und die
Zukunft; meinen Schleier hat noch kein Sterblicher gelüftet. - Das hat
wiederum zu einer ungemein gescheiten - obwohl sehr gescheite Leute
diese gescheite Erklärung aufgenommen haben, muß es doch einmal
gesagt werden -, zu einer sehr gescheiten Erklärung geführt. Man sagt
da: Die Isis drückt also aus das Symbolum für die Weisheit, die vom
Menschen nie erreicht werden kann. Hinter diesem Schleier ist eine
Wesenheit, die ewig verborgen bleiben muß, denn der Schleier kann
nicht gelüftet werden. - Und doch ist die Inschrift diese: Ich bin die
Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft; meinen Schleier hat
noch kein Sterblicher gelüftet. - Alle die gescheiten Leute, die also
sagen: Man kann das Wesen nicht ergründen - sie sagen logisch ungefähr
dasselbe, wie wenn einer sagte: Ich heiße Müller; meinen Namen
wirst du nie erfahren. - Es ist ganz genau dasselbe, was Sie immer über
dieses Bild reden hören, wie wenn einer sagte: Ich heiße Müller; meinen
Namen wirst du nie erfahren.-Wenn man das: Ich bin die Vergangenheit,
die Gegenwart und die Zukunft; meinen Schleier hat noch kein
Sterblicher gelüftet - so auslegt, ist natürlich diese Auslegung ein völliger
Unsinn. Denn es steht ja da, was die Isis ist: Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft - die dahinfließende Zeit! Wir werden morgen
noch genauer über diese Dinge reden. Es ist die dahinfließende Zeit.
Aber ganz etwas anderes, als was diese sogenannte geistvolle Erklärung
will, ist ausgedrückt in den Worten: Meinen Schleier hat noch kein
Sterblicher gelüftet. - Ausgedrückt ist, daß man dieser Weisheit sich
nähern muß wie denjenigen Frauen, die den Schleier genommen hatten,
deren Jungfräulichkeit bestehen bleiben mußte: in Ehrfurcht, mit einer
Gesinnung, die alle egoistischen Triebe ausschließt. Das ist gemeint. Sie
ist wie eine verschleierte Nonne, diese Weisheit früherer Zeit. Auf die
Gesinnung wird hingedeutet durch das Sprechen von diesem Schleier." {{Lit|{{G|171|166}}}}
</div>


Plötzlich fand sich Feyerabend in der Rolle des Hauptgegners der etablierten wissenschaftsphilosophischen Ansätze wieder. Er hatte offenbar nicht mit einer so breiten und heftigen Reaktion gerechnet und empfand die oft scharfe Ablehnung seines Werkes als verletzend: ''{{"|Mein Privatleben war ein Scherbenhaufen, ich war ohne Schutz. Ich habe oft gewünscht, daß ich dieses verfluchte Buch [englisch: „fucking book“] nie geschrieben hätte.}}''<ref>''Zeit'', S. 200.</ref> Als Reaktion auf die Kritik entstand ''[[Wikipedia:Erkenntnis für freie Mensche|Erkenntnis für freie Menschen]]'', ein Buch, das selbst wiederum scharfe Angriffe und ein leidenschaftliches Bekenntnis zum Relativismus enthielt. Zudem vertiefte Feyerabend seine politische Theorie, die gegen die Macht moderner Technik und Wissenschaft gerichtet war.
Es gibt aber noch einen weiteren, tiefer gehenden Aspekt:


=== Späte Jahre ===
<div style="margin-left:20px">
Feyerabends späte Jahre werden von ihm selbst als seine glücklichsten beschrieben. Über die 1980er Jahre lehrte Feyerabend abwechselnd in Berkeley und an der ETH Zürich, eine Situation, die er sehr genoss. Zudem lernte er 1983 Grazia Borrini bei einer Vorlesung kennen. Sie heirateten sechs Jahre später und blieben bis zu Feyerabends Tod zusammen. Es war Feyerabends vierte Ehe.
"Wenn wir noch einmal zurücksehen auf die Zeit der Menschheitsentwickelung
vor dem Mysterium von Golgatha, so müssen wir sagen:
Damals hatte die Menschenseele ein altes Erbgut aus der Zeit, da sie
aus den geistigen Höhen herunterstieg zu irdischen Inkarnationen.
Dieses Erbgut bewahrte sie sich von Inkarnation zu Inkarnation weiter.
Daher gab es in jenen Zeiten ein altes Hellsehen, das nach und
nach abflutete, immer schwächer und schwächer wurde. Je weiter die
Inkarnationen vorschritten, desto schwächer wurde das abflutende alte
Hellsehen. Woran war das alte Hellsehen gebunden? Es war gebunden
an das, woran auch das äußere Wahrnehmen mit Augen und Ohren
gebunden ist, an das, was eben der Mensch in der äußeren Welt ist. Bei
den Menschen vor dem Mysterium von Golgatha war es so, daß sie wie
Kinder heranwuchsen: sie lernten gehen, sprechen, und sie lernten
selbstverständlich, solange die elementaren Kräfte im Sinne des alten
Hellsehens noch da waren, auch hellsehen. Sie lernten es wie etwas,
was sich ergab im Umgange mit der Menschheit, so wie es sich ergab
im Umgange mit der Menschheit, daß man durch die Organisation des
Kehlkopfes das Sprechen lernte. Man blieb aber nicht beim Sprechenlernen
stehen, sondern schritt vor zu dem elementaren Hellsehen. Dieses
elementare Hellsehen war gebunden an die gewöhnliche menschliche
Organisation so, wie die menschliche Organisation drinnenstand
in der physischen Welt; es mußte also notwendigerweise das
Hellsehen auch den Charakter der menschlichen Organisation annehmen.
Ein Mensch, der ein Wüstling war, konnte nicht eine reine Natur
in sein Hellsehen hineinschieben; ein reiner Mensch konnte seine reine
Natur auch in sein Hellsehen hineinschieben. Das ist ganz natürlich,
denn es war das Hellsehen an die unmittelbare menschliche Organisation
gebunden.


Nach dem Erdbeben von San Francisco 1989 zog sich Feyerabend endgültig aus Kalifornien zurück, ein Jahr später wurde er auch an der ETH Zürich emeritiert. ''{{"|Ich vergaß die 35 Jahre meiner akademischen Karriere fast so schnell wie ich den Militärdienst vergessen hatte. Heute fällt es mir schwer zu glauben, daß ich noch vor fünf Jahren an zwei wissenschaftlichen Institutionen, einer in Europa, einer in Kalifornien, unterrichtet habe.}}''<ref>''Zeit'', S. 229.</ref> In den 1980er und 1990er Jahren hat Feyerabend eine große Zahl an Aufsätzen publiziert, seine letzte große Arbeit sollte die Autobiographie ''Zeitverschwendung'' (Originaltitel: ''Killing Time'') werden, an der er bis kurz vor seinem Tode schrieb. 1993 wurde bei Feyerabend ein Hirntumor diagnostiziert; am 11. Februar 1994 starb er in einer Klinik am Genfersee. Er erhielt ein ehrenhalber gewidmetes Grab auf dem Südwestfriedhof in Wien.
Eine notwendige Folge davon war, daß ein gewisses Geheimnis -
das Geheimnis des Zusammenhanges zwischen der geistigen Welt und
der physischen Erdenwelt -, das vor dem Herabstieg des Christus
Jesus bestand, nicht für diese gewöhnliche menschheitliche Organisation
enthüllt werden durfte. Es mußte die menschheitliche Organisation erst
umgestaltet, erst reif gemacht werden. Der Jüngling von Sais durfte
nicht ohne weiteres, von außen kommend, das Bild der Isis sehen." {{Lit|{{G|148|168f}}}}
</div>


== Wissenschaftstheoretische Ansichten ==
== Die neue Isis ==
Zu Beginn seiner wissenschaftstheoretischen Laufbahn vertrat Feyerabend die Ansichten Karl Poppers bzw. des kritischen Rationalismus. Seine Beiträge kritisierten den von positivistischer Seite behaupteten Dualismus von Theorie- und Beobachtungssprache und die Annahme, es gebe atheoretische, d.h. nicht theoriegetränkte Beobachtungsbegriffe.<ref>zur Frage der Dispositionsbegriffe: Paul Feyerabend: ''Das Problem der Existenz theoretischer Entitäten,'' in: Ernst Topitsch (Hg.): ''Probleme der Wissenschaftstheorie. Festschrift für Viktor Kraft''. Wien 1960</ref> Aus dem Erfordernis kontra-induktiver und kontra-intuitiver Widerlegungsversuche leitete er ab, dass die Prüfung durch alternative Theorien einen Theorienpluralismus benötige.<ref> Paul Feyerabend: ''How to be a Good Empiricist'', in: Bernard Baumrin (Hg.): ''Philosophy of Science, The Delaware Seminar 2''. New York 1963</ref>


Um 1968 radikalisierte sich Feyerabends Wissenschaftsauffassung; fortan verstand er bestimmte Vernunftskriterien nur noch als eine mögliche Alternative unter vielen („anything goes“). Nach dieser wissenschaftstheoretischen [[Wikipedia:Katharsis (Psychologie)|Katharsis]] trat Feyerabend als Kritiker des Rationalismus auf, insbesondere der vorherrschenden Wissenschaftstheorie und Methodologie. So bezeichnete er etwa den kritischen Rationalismus zuweilen als „Law-and-Order-Rationalismus”. Feyerabend rebellierte gegen einen von ihm wahrgenommenen orthodoxen [[Dogmatismus]] der Wissenschaft, wobei er bewusst provokativ äußerte, Regentänze seien genauso gut wie Wettervorhersagen, Wahlprognosen nicht besser als Astrologie. Feyerabend sah Wissenschaft, neben beispielsweise Religion oder Kunst, nur als eine von vielen Möglichkeiten, [[Erkenntnis]] zu gewinnen. Den verschiedenen Zugängen zur Wahrheit eine feste Wertigkeit zuzuordnen, ist nach Feyerabend nicht möglich, teilweise auch deswegen, weil diese Wahrheitszugänge untereinander [[Wikipedia:Inkommensurabilität (Wissenschaftstheorie)|inkommensurabel]] seien.
{{Siehe auch|Isis#Die neue Isis|titel1=Die neue Isis}}


Nach Feyerabend lässt sich aus der [[Wissenschaftsgeschichte]] der Schluss ziehen, dass die Praxis des Erkenntnisgewinns und der Erkenntnisveränderung in oftmals irrationaler und anarchischer Weise bestehende wissenschaftstheoretische Grundsätze verletzt hat und eben darum erfolgreich war. Feyerabend betont die Bedeutung von Intuition und Kreativität als Voraussetzung des Erkenntnisgewinns und Erkenntnisfortschritts, beide dürften nicht durch eine bestimmte dogmatische Rationalität und wissenschaftstheoretisch-methodologische Regeln und Zwänge, die ihrerseits nicht sakrosankt seien, sondern vielmehr im Erkenntnisprozess einem Wandel unterlägen, nutzlos und in irreführender Weise eingeschränkt werden. So prägte er den Begriff der Anti-Regel, die eine [[Wikipedia:Regel (Richtlinie)|Regel]] bezeichnen soll, die der [[Induktion (Philosophie)|Induktion]] widerspricht. Der [[Wissenschaftler]] soll sich nicht scheuen, methodische Regeln aufzustellen, die zu [[Hypothese]]n führen, die anerkannten [[Theorie]]n und beobachtbaren Tatsachen widersprechen. Für diese radikale Linie Feyerabends gab es in der Wissenschaftsgeschichte bereits Anknüpfungspunkte, etwa David Brewster, als er sich 1831 kritisch mit der Methodologie von Francis Bacon auseinandersetzte:
Unser gegenwärtiges [[Bewusstseinsseelenzeitalter]], in dem sich die [[ägyptisch-chaldäische Kultur]] in gewisser Weise spiegelt, bedarf einer [[Neue Isis-Legende|neuen Isis-Legende]]. Seit sich der [[Christus]] auf Erden inkarniert hat und durch das [[Mysterium von Golgatha]] gegangen ist, weilt er unter uns. Er kann uns nicht so verloren gehen, wie einst den Ägyptern [[Osiris]] verloren ging. Der [[Christus]] ist mit uns, doch fehlt uns die göttliche Weisheit, ihn in seinem wahren Wesen zu erkennen. In der ägyptischen Zeit wirkte Luzifer im Inneren des Menschen und gerade deshalb sah er die äußere Welt in [[ahriman]]ischer Gestalt. Heute ist es gerade umgekehrt. Ahriman wirkt in unserem Inneren und darum ist unser äußeres Weltbild, wie es namentlich die [[Naturwissenschaft]]en zeichnen, luziferisch. Uns ist die Isis-Sophia, verlorengegangen. Sie wurde durch [[Luzifer]] getötet. Heute müssen wir die [[neue Isis]] durch unser bewusstes Geistesstreben erwecken. Sehr ausführlich spricht [[Rudolf Steiner]] über diese neue Isis in einem am [[6. Januar]] [[1918]] in [[Dornach SO|Dornach]] gehaltenen Vortrag, und zeigt, wie das verschleierte Bild zu Sais nun eine Gestalt annimmt. Er spricht hier ...
:''„The process of Lord Bacon was, we believe, never tried by any philosopher but himself. ... This example, in short, of the application of his system, will remain to future ages as a memorable instance of the absurdity of attempting to fetter discovery by any artificial rules.“''<ref>So formuliert in seinem Buch ''Life of Sir Isaac Newton'' (London 1831). Siehe dazu Franz Graf-Stuhlhofer: ''David Brewster - ein „Vorläufer“ von Paul Feyerabend'', in: Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte 27 (2010) 167f.</ref>


Feyerabend forderte eine scharfe Trennung von Staat und Wissenschaft, darüber hinaus wandte er sich gegen jeden Überlegenheitsanspruch von Wissenschaftlern gegenüber „Normalbürgern“. Sein Ziel war eine freie Gesellschaft, in der Bürger und Politiker direkt, ohne weitere administrative Umwege über abstrakte Theorien, am Erkenntnisprozess teilhaben. Eine objektive, von Lebens- und Erfahrungspraxis in einer freien Gesellschaft abgetrennte (und damit die bislang herrschende) Rationalität – in Form der Logik, Wissenschaftstheorie und bestimmter Sozialtheorien – sollte durch eine Beteiligung der Bürger ersetzt werden.
{{GZ|... von jenem wichtigen
 
inneren Impuls, der an die Menschenseele herantreten muß,
== Feyerabends Kritik am Kritischen Rationalismus ==
wenn die Menschenseele das finden soll, was sie für die Zukunft so
Für Feyerabend ist „vernünftig“ etwas anderes als das, was Popper darunter versteht. Und Wissenschaft funktioniert nach ihm anders, als Poppers methodologische Untersuchungen dies nahelegten: Wissenschaftler stellen selbst fest, nach welchen Maßstäben eine bestimmte Wissenschaft abzulaufen hat, und wann es erforderlich ist, nicht nur Theorien, sondern auch methodologische Grundsätze und Regeln abzuändern oder auszuwechseln. Feyerabend liest die Wissenschaftsgeschichte gegen Poppers „Strich“; er belegt an vielen Beispielen, dass sich Wissenschaftler in Wirklichkeit häufig nicht an feste Regeln halten und dennoch oder gerade deswegen zum Erfolg gelangen. Besser, als sich auf die Schaffung einer bestmöglichen Methodologie zu konzentrieren, sei es demnach, sich grundsätzlich opportunistisch zu verhalten, überspitzt formuliert: Alles geht! Feyerabends Anarchismus verkündet nicht die Regellosigkeit oder Chaos als Zielsetzung, sondern fordert neben einem [[Wikipedia:Theorienpluralismus|Theorienpluralismus]] genauso einen Pluralismus der Methoden unter der Flagge eines [[Wikipedia:Methodenanarchismus|Methodenanarchismus]].
notwendig hat, was allein eine ganze, volle Ergänzung dessen sein
 
kann, was die Naturwissenschaft auf der einen Seite bringt.
Feyerabend lehnt Poppers Präokkupation mit dem [[Wikipedia:Abgrenzungsproblem|Abgrenzungsproblem]] ab als direkten Weg in den Dogmatismus:
Dann werden Sie sehen, warum an die Seite der alten Osiris-Isismythe
 
die neue Isismythe treten kann, und warum für den Menschen
''„Kein Rationalist, kein kritischer Rationalist besitzt eine Einsicht in die Grenzen der Wissenschaften – dazu müsste er ja wissen, was außerhalb der Wissenschaften vorgeht, er müsste Mythen kennen, müsste ihre Funktion verstehen […] Man zeige einem kritischen Rationalisten einen Gegenstand, der außerhalb seiner Erfahrung liegt – damit kann er gar nichts anfangen, er benimmt sich wie ein Hund, der seinen Herrn in ungewöhnlichen Kleidern sieht; er weiß nicht, soll er ihn beißen, soll er davon laufen, oder soll er ihm das Gesicht lecken. Das ist auch der Grund, warum kritische Rationalisten an den Grenzen der Wissenschaft zu schimpfen beginnen – für sie ist das Ende ihres Glaubens erreicht und das einzige, was sie sagen können, ist: ‚irrationaler Unsinn‘ oder ‚ad hoc‘ oder ‚unfalsifizierbar‘ oder ‚degenerierend‘ – Bezeichnungen, die genau denselben Zweck haben wie die früheren Bezeichnungen ‚häretisch‘ etc. etc.“''<ref>Paul Feyerabend: ''Über die Methode. Ein Dialog.'' In: Gerard Radnitzky, Gunnar Andersson (Hgg.): ''Voraussetzungen und Grenzen der Wissenschaft''. Mohr, Tübingen 1981, ISBN 3-16-942722-9</ref>
der Gegenwart beide zusammen notwendig sind; warum hinzugefügt
 
werden muß zu den Worten, die vom alten Ägypten herüberklingen
=== Antwort des kritischen Rationalismus auf Feyerabends Kritik ===
vom Standbilde zu Sais: Ich bin das All, ich bin die Vergangenheit,
Nach David Miller merkt Feyerabend nicht, wie sehr seine Kritik in Wirklichkeit mit dem Kritischen Rationalismus konform geht, und ihm gar nicht widerspricht.<ref>''Critical Rationalism'', S. 27</ref> Feyerabend übersieht demnach, dass das Ziel von Methoden im kritischen Rationalismus überhaupt nicht die Begründung einer Wahl von Theorien oder Methoden ist, also keine Theorien oder Methoden durch Grenzziehungen von der Erörterung ausgeschlossen werden sollen. Er liegt also zwar insofern richtig, als die Wahl einer Methode nicht begründet werden kann, er liegt aber falsch in der Annahme, dass sie daher alle gleichrangig sein müssen. Denn die Wahl einer Methode hat objektive Konsequenzen, weil die Methode  Probleme, die sie lösen soll, gemäß ihren eigenen Maßstäben besser oder schlechter löst. Die Methode von Versuch und Irrtum, die nichts zu begründen versucht, funktioniert daher ebenso bei der Methodenauswahl und ist dabei auch auf sich selbst anwendbar. Performative Widersprüche treten nicht auf, weil Ziel nicht Selbstbegründung ist, sondern Selbstkritik.
die Gegenwart, die Zukunft; meinen Schleier hat noch kein Sterblicher
 
gelüftet -, warum hineintönen muß in diese Worte ein anderes, warum
Tatsächlich vertritt Feyerabend gemäß Miller selbst eine ähnliche Position, geht aber so weit, auch Methoden zulassen zu wollen, die sich gegen die Logik stellen und somit nur schwer zu kritisieren und auszusortieren sind, wenn sie fehlschlagen. In diesem Punkt unterscheidet sich Feyerabends Methodenanarchismus vom kritischen Methodenpluralismus des kritischen Rationalismus. Miller ist der Ansicht, dass Feyerabend kein wirkliches Argument gegen die Logik hat und – frei nach seinen eigenen Worten – ein Dieb ist, der seinem Diskussionsgegner erst die Logik stiehlt, um den Bestohlenen dann dafür zu kritisieren, dass er sie nicht mehr besitzt.
heute diese Worte nicht mehr einseitig nur an die menschliche
 
Seele heranklingen dürfen, sondern dazu klingen müssen die Worte:
==Paul Feyerabends Bedeutung für die Anthroposophie==
Ich bin der Mensch. Ich bin die Vergangenheit, die Gegenwart und
 
die Zukunft. Meinen Schleier sollte jeder Sterbliche lüften.|180|189}}
Entsprechend der Forderung nach völliger Freiheit (Anarchie) für das Freie Geistesleben in der [[Soziale Dreigliederung|Sozialen Dreigliederung]] Rudolf Steiners, erfüllt die [[Wissenschaftstheorie]] nach Paul Feyerabend eine wesentliche Anforderung der [[Anthroposophie]], als Methode, an die Wissenschaftstheorie, indem mit der Anwendung dieser Methode des "Anything goes" ein Höchstmaß an [[Pluralismus]] innerhalb der Wissenschaften gewährleistet werden kann.
 
"Im Wissenschaftsbereich hat das Recht auf Pluralismus zu herrschen, im Rechtsbereich dagegen die Pflicht zum Pluralismus. Nur bei dieser Unterscheidung ist der (wissenschaftstheoretische) [[Pluralismus]] überhaupt lebensfähig."<ref>Helmut Kiene: Komplementärmedizin - Schulmedizin. Der Wissenschaftsstreit am Ende des 20. Jahrhunderts, Schattauer Vlg., Stuttgart/New York 1994, S. 153</ref>
 
== Werke ==
=== Schriften ===
*''Zur Theorie der Basissätze''. Universität Wien, Diss., 1951 [http://www.univie.ac.at/ubwdb/data/nkn/m001/z024/h020/d0231979.gif Katalogzettel Universitätsbibliothek Wien]
*''Wider den Methodenzwang''. Suhrkamp (stw 597), Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-518-28197-6
*''Erkenntnis für freie Menschen''. Suhrkamp (Edition suhrkamp 1011), Frankfurt am Main 1979, ISBN 3-518-11011-X
*''Wissenschaft als Kunst''. Suhrkamp (es 1231), Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-518-11231-7
*''Zeitverschwendung'' (Autobiographie). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-518-40693-0 (als Taschenbuch: ISBN 3-518-39222-0)
*''Briefe an einen Freund''. Hg. v. Hans Peter Duerr. Suhrkamp (es 1946), Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-518-11946-X
*''Widerstreit und Harmonie. Trentiner Vorlesungen''. Hg. von Peter Engelmann. Passagen, Wien 1998, ISBN 3-85165-305-X
*''Conquest of Abundance''. Postum veröffentlicht von Bert Terpstra. Chicago 2001, ISBN 0-226-24534-9
*{{Literatur | Titel=Die Vernichtung der Vielfalt. Ein Bericht | Übersetzer=Volker Böhnigk und Rainer Noske | Originaltitel=Conquest of Abundance | Verlag=Passagen Verlag | Ort=Wien | Auflage=1. | Jahr=2005 | ISBN=978-3-85165-633-6 | Online=[http://www.libreka.de/9783851656336 Buchvorschau bei Libreka]}}
*(mit Hans Albert): ''Briefwechsel'', Bd. I: ''1958–1971'', hgg. v. Wilhelm Baum, Kitab Vlg., Klagenfurt/Wien 2008
*(mit Hans Albert): ''Briefwechsel'', Bd. II: ''1972-1986'', hgg. v. Wilhelm Baum u. Michael Mühlmann, Kitab Vlg., Klagenfurt/Wien 2009, ISBN 978-3-902585-27-1
*Helmut Heit und Eric Oberheim (Hrsg.): ''Naturphilosophie''. 1. Auflage. Suhrkamp, 2009, ISBN 3-518-58514-2. Veröffentlichung eines kürzlich im Philosophischen Archiv der Universität Konstanz gefunden Manuskripts aus den siebziger Jahren.
* Christian Augustin (Hg.): ''Aber ein Paul hilft doch dem Anderen. Briefwechsel Paul Feyerabend - Paul Hoyningen-Huene (1983-1994)''. 1. Auflage. Passagen Verlag, 2010, ISBN 3-851-65920-1. Veröffentlichung des Briefwechsels sowie Kommentare des Hg. zur Feyerabendbiographie incl. unveröffentlichter Archivdokumente.
 
=== Ton- und Bilddokumente ===
*''Philosophie Heute: Lieber Himmel – was ist ein Mensch?'' Paul Feyerabend im Gespräch mit Rüdiger Safranski. VHS-Video. Junius, Hamburg 1994 ([http://video.google.com/videoplay?docid=-5514176914063562445 online]).
*''Wissenschaftstheoretische Plaudereien. Originaltonaufnahmen 1971–1992'', hg. v. Klaus Sander. Audio-CD, 60 Minuten und Booklet, 24 Seiten. Supposé, Köln 2000, ISBN 3-932513-15-0
*''Stories from Paolino’s Tapes. Private Recordings 1985–1993'', hg. v. Grazia Borrini-Feyerabend und Klaus Sander. Audio-CD, 68 Minuten. Supposé, Köln 2001, ISBN 3-932513-19-3


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Das verschleierte Bild zu Sais}}
* [[Halluzination]]
* [[Wahrnehmungstäuschung]]


* {{WikipediaDE|Paul Feyerabend}}
== Literatur ==
* {{WikipediaDE|Wider den Methodenzwang}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Aus der Akasha-Forschung. Das Fünfte Evangelium'', [[GA 148]] (1992), ISBN 3-7274-1480-4 {{Vorträge|148}}
* {{WikipediaDE|Erkenntnis für freie Menschen}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Innere Entwicklungsimpulse der Menschheit. Goethe und die Krisis des neunzehnten Jahrhunderts'', [[GA 171]] (1984), ISBN 3-7274-1710-2 {{Vorträge|171}}
* {{WikipediaDE|Pluralismus (Philosophie}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Mysterienwahrheiten und Weihnachtsimpulse. Alte Mythen und ihre Bedeutung'', [[GA 180]] (1980), ISBN 3-7274-1800-1 {{Vorträge|180}}
* {{WikipediaDE|anything goes}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Brücke zwischen der Weltgeistigkeit und dem Physische des Menschen'', [[GA 202]] (1993), ISBN 3-7274-2020-0 {{Vorträge|202}}
* {{WikipediaDE|Wissenschaftstheorie (historisch)}}


== Literatur ==
{{GA}}
*Bibliographie Paul Feyerabends. Journal for General Philosophy of Science. Vol. 28, Nr. 1 / Jan. 1997. Springer Netherlands. {{DOI|10.1023/A:1008200922400  }}
*Eberhard Döring: ''Paul K. Feyerabend zur Einführung''. Junius (Zur Einführung 180), Hamburg 1998, ISBN 3-88506-980-6
* Paul Hoyningen-Huene: ''Paul K. Feyerabend''. Journal for General Philosophy of Science 28: 1-18 (1997).
* Paul Hoyningen-Huene: ''Paul Feyerabend und Thomas Kuhn''. Journal for General Philosophy of Science 33(1): 61-83 (2002).
* Paul Hoyningen-Huene: ''Three Biographies: Kuhn, Feyerabend, and Incommensurability''. In: Randy Harris (ed.): Rhetoric and Incommensurability. West Lafayette: Parlor Press, 2005, pp. 150-175.
*Friedrich Stadler / Kurt R. Fischer (Hgg.): ''Paul Feyerabend. Ein Philosoph aus Wien''. Springer (Veröffentlichungen des Instituts Wiener Kreis 14), Wien 2006, ISBN 3-211-29759-6
*Martin Ludwig Hofmann: ''Paul Feyerabend (1924–1994) – Kultur des Wissens als Kultur der Freiheit'', in: Hofmann, Korta, Niekisch (Hrsg.): ''Culture Club II. Klassiker der Kulturtheorie''. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-518-29398-2
* Eric Oberheim (2007): Feyerabend's Philosophy. Berlin: de Gruyter.
*Thomas Sukopp: ''Anything goes? Paul K. Feyerabend als Elefant im Popperschen Porzellanladen''. [http://www.gkpn.de Aufklärung und Kritik], 1/2007 14. Jg. {{ISSN|0945-6627}}
*Ursula Schmidt: ''Wie wissenschaftliche Revolutionen zustande kommen: von der vorkopernikanischen Astronomie zur Newtonschen Mechanik.'' Würzburg, Königshausen & Neumann, 2010, ISBN 978-3-8260-4255-3
*Thomas Kupka: ''Feyerabend und Kant — Kann das gut gehen? Paul K. Feyerabends ›Naturphilosophie‹ und Kants Polemik gegen den Dogmatismus''. In: ''Journal for General Philosophy of Science'' 42 (2011) S. 399-409 ([http://www.springerlink.com/content/d6440714n1118787/fulltext.pdf DOI 10.1007/s10838-011-9170-0])
*[[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/download/philosophie_pluralismus.pdf Gemäßigter Pluralismus: Der aufgeklärte Liberalismus in gemäßigter Form] PDF


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat}}
{{Commonscat|Sais, Egypt|Sais}}
{{Wikiquote|Paul Feyerabend}}
* [http://books.google.at/books?id=IcpOTDlUz1gC&hl=de&pg=PA14#v=onepage&q&f=false Plutarch: ''Über Jsis und Osiris''] - mit Übersetzung und Erläuterungen herausgegeben von Gustav Parthey (1850)
* {{DNB-Portal|118532812}}
* {{Zeno-Werk|Literatur/M/Schiller,+Friedrich/Gedichte/Gedichte+(1789-1805)/Das+verschleierte+Bild+zu+Sais|Das verschleierte BIld zu Sais|[[Friedrich Schiller]]}}
* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/feyerabend/ || John Preston}}
* {{Zeno-Werk|Literatur/M/Schiller,+Friedrich/Theoretische+Schriften/Vom+Erhabenen|Vom Erhabenen|[[Friedrich Schiller]]}}
* [http://www.uni-konstanz.de/FuF/Philo/philarchiv/bestaende/Feyerabend.htm Nachlass, Manuskripte, Korrespondenz und Handbibliothek Paul Feyerabends im Philosophischen Archiv der Uni Konstanz]
* {{PGDW|3319/1|Die Sendung Moses|[[Friedrich Schiller]]}}
* [http://science.orf.at/science/news/145066 Das „Testament“ des Paul Feyerabend]
* {{Zeno-Werk|Literatur/M/Novalis/Romane/Die+Lehrlinge+zu+Sais/2.+Die+Natur|Die Lehrlinge zu Sais: Die Natur|[[Novalis]]}}
* [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/philosophie11.html Projekt Wissenschaftstheorie II]]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
Paul Feyerabends Autobiographie ''Zeitverschwendung'' wird mit ''Zeit'' abgekürzt.
<references/>
 
<references />
 
{{Normdaten|TYP=p|GND=118532812|LCCN=n/80/131686|VIAF=24601381}}
 
{{SORTIERUNG:Feyerabend, Paul}}
[[Kategorie:Philosoph (20. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Wissenschaftstheoretiker]]
[[Kategorie:Erkenntnistheoretiker]]
[[Kategorie:Österreicher]]
[[Kategorie:Geboren 1924]]
[[Kategorie:Gestorben 1994]]
[[Kategorie:Mann]]
[[Kategorie:Philosoph]]


{{Wikipedia}}
[[Kategorie:Ägypten]] [[Kategorie:Mysterien]] [[Kategorie:Bewusstsein]] [[Kategorie:Schulungsweg]][[Kategorie:Erkenntnistheorie]][[Kategorie:Hellsehen]] [[Kategorie:Esoterik]]

Version vom 23. November 2020, 16:05 Uhr

Isis in Hieroglyphen
meistens nur
stt
H8

Ast / Aset
3st
Sitz, Thron
oder
mit Determinativ
stt
H8
C10
Isis mit Was-Zepter und Anch-Zeichen
Die Ruinen von Sais im Nildelta (1855)
Friedrich Schiller
Porträt von Anton Graff, um 1790
Novalis um 1799
Porträt von Franz Gareis
Helena Petrovna Blavatsky (1877)

Das verschleierte Bild zu Sais wird in den Moralischen Schriften, «Über Isis und Osiris» des Plutarch (um 45 in Chaironeia; † um 125) erwähnt.

Die altägyptische, im westlichen Nildelta gelegene Stadt Sais (auch Saïs, griech. Σάϊς; altägyptisch Sau, Zau, heute arab. صا الحجر Sa al-Hagar, DMG Ṣā al-Ḥaǧar) wird schon in Texten aus dem Alten Reich erwähnt und war nach den archäologischen Befunden schon um 4000 v. Chr. besiedelt. Psammetich I., der vermutlich aus Sais stammte und die 26. Dynastie begründete, die von 664 – 525 v. Chr. herrschte, machte Sais zur Hauptstadt Ägyptens.

Geschichtliches

Plutarch beschreibt die verschleierte Statue der Athene oder der Isis, die es in Sais gegeben haben soll, die folgende Aufschrift trug:

„In Sais hatte das Standbild der Athene, die man auch für die Isis hält, folgende Inschrift «ich bin das All, das Vergangene Gegenwärtige und Zukünftige, meinen Schleier hat noch kein Sterblicher gelüftet.»“

Plutarch: Über Isis und Osiris, C9[1]

Der Jüngling zu Sais soll verbotenerweise diesen Schleier gelüftet haben. Friedrich Schiller hat das Thema in dem Gedicht «Das verschleierte Bild zu Sais» [1] aufgegriffen und erwähnt es auch in seinen Vorlesungen über «Die Sendung Moses» und in seinem Aufsatz «Vom Erhabenen».

„Alles, was verhüllt ist, alles Geheimnisvolle, trägt zum Schrecklichen bei und ist deswegen der Erhabenheit fähig. Von dieser Art ist die Aufschrift, welche man zu Sais in Ägypten über dem Tempel der Isis las: »Ich bin alles, was ist, was gewesen ist und was sein wird. Kein sterblicher Mensch hat meinen Schleier aufgehoben.« – Eben dieses Ungewisse und Geheimnisvolle gibt den Vorstellungen der Menschen von der Zukunft nach dem Tode etwas Grauenvolles; diese Empfindungen sind in dem bekannten Selbstgespräch Hamlets sehr glücklich ausgedrückt.“

Friedrich Schiller: Vom Erhabenen [2]

„Da Ägypten der erste kultivierte Staat war, den die Geschichte kennt, und die ältesten Mysterien sich ursprünglich aus Ägypten herschreiben, so war es auch aller Wahrscheinlichkeit nach hier, wo die erste Idee von der Einheit des höchsten Wesens zuerst in einem menschlichen Gehirne vorgestellt wurde...

Da aber schon ein gewisses Maß von Kenntnissen und eine gewisse Ausbildung des Verstandes erfodert wird, die Idee eines einigen Gottes recht zu fassen und anzuwenden, da der Glaube an die göttliche Einheit Verachtung der Vielgötterei, welches doch die herrschende Religion war, notwendig mit sich bringen mußte, so begriff man bald, daß es unvorsichtig, ja gefählich sein würde, diese Idee öffentlich und allgemein zu verbreiten. Ohne vorher die hergebrachten Götter des Staats zu stürzen und sie in ihrer lächerlichen Blöße zu zeigen, konnte man dieser neuen Lehre keinen Eingang versprechen...

Mißlang hingegen der Versuch, die alten Götter zu stürzen, so hatte man den blinden Fanatismus gegen sich bewaffnet und sich einer tollen Menge zum Schlachtopfer preisgegeben. Man fand also für besser, die neue gefährliche Wahrheit zum ausschließenden Eigentum einer kleinen geschlossenen Gesellschaft zu machen, diejenigen, welche das gehörige Maß von Fassungskraft dafür zeigten, aus der Menge hervorzuziehen und in den Bund aufzunehmen und die Wahrheit selbst, die man unreinen Augen entziehen wollte, mit einem geheimnisvollen Gewand zu umkleiden, das nur derjenige wegziehen könnte, den man selbst dazu fähig gemacht hätte.

Diese Zeremonien, mit jenen geheimnisvollen Bildern und Hieroglyphen verbunden, und die verborgenen Wahrheiten, welche in diesen Hieroglyphen versteckt lagen und durch jene Gebräuche vorbereitet wurden, wurden zusammengenommen unter dem Namen der Mysterien begriffen. Sie hatten ihren Sitz in den Tempeln der Isis und des Serapis und waren das Vorbild, wornach in der Folge die Mysterien in Eleusis und Samothrazien und in neuern Zeiten der Orden der Freimaurer sich gebildet hat.

Es scheint außer Zweifel gesetzt, daß der Inhalt der allerältesten Mysterien in Heliopolis und Memphis, während ihres unverdorbenen Zustands, Einheit Gottes und Widerlegung des Paganismus war, und daß die Unsterblichkeit der Seele darin vorgetragen wurde. Diejenigen, welche dieser wichtigen Aufschlüsse teilhaftig waren, nannten sich Anschauer oder Epopten, weil die Erkennung einer vorher verborgenen Wahrheit mit dem Übertritt aus der Finsternis zum Lichte zu vergleichen ist, vielleicht auch darum, weil sie die neuerkannten Wahrheiten in sinnlichen Bildern wirklich und eigentlich anschauten.

Zu dieser Anschauung konnten sie aber nicht auf einmal gelangen, weil der Geist erst von manchen Irrtümern gereinigt, erst durch mancherlei Vorbereitungen gegangen sein mußte, ehe er das volle Licht der Wahrheit ertragen konnte. Es gab also Stufen oder Grade, und erst im innern Heiligtum fiel die Decke ganz von ihren Augen.

Die Epopten erkannten eine einzige höchste Ursache aller Dinge, eine Urkraft der Natur, das Wesen aller Wesen, welches einerlei war mit dem Demiurgos der griechischen Weisen. Nichts ist erhabener als die einfache Größe, mit der sie von dem Weltschöpfer sprachen. Um ihn auf eine recht entscheidende Art auszuzeichnen, gaben sie ihm gar keinen Namen. »Ein Name«, sagten sie, »ist bloß ein Bedürfnis der Unterscheidung, wer allein ist, hat keinen Namen nötig, denn es ist keiner da, mit dem er verwechselt werden könnte.« Unter einer alten Bildsäule der Isis las man die Worte: » Ich bin, was da ist«, und auf einer Pyramide zu Sais fand man die uralte merkwürdige Inschrift: »Ich bin alles, was ist, was war und was sein wird, kein sterblicher Mensch hat meinen Schleier aufgehoben.« Keiner durfte den Tempel des Serapis betreten, der nicht den Namen Jao - oder J-ha-ho, ein Name, der mit dem hebräischen Jehovah fast gleichlautend, auch vermutlich von dem nämlichen Inhalt ist - an der Brust oder Stirn trug; und kein Name wurde in Ägypten mit mehr Ehrfurcht ausgesprochen als dieser Name Jao. In dem Hymnus, den der Hierophant oder Vorsteher des Heiligtums dem Einzuweihenden vorsang, war dies der erste Aufschluß, der über die Natur der Gottheit gegeben wurde: »Er ist einzig und von ihm selbst, und diesem Einzigen sind alle Dinge ihr Dasein schuldig.«“

Friedrich Schiller: Die Sendung Moses [3]

Novalis verwendete das Motiv in seinem Märchen von «Hyacinth und Rosenblüthe», das den Kern seines unvollendeten Romans «Die Lehrlinge zu Sais» (1799) bildet. Im Traum lüftet der Jüngling Hyazinth den Schleier der Jungfrau - und findet seine geliebte Rosenblüte:

„Unter himmlischen Wohlgedüften entschlummerte er, weil ihn nur der Traum in das Allerheiligste führen durfte. Wunderlich führte ihn der Traum durch unendliche Gemächer voll seltsamer Sachen auf lauter reitzenden Klängen und in abwechselnden Accorden. Es dünkte ihm alles so bekannt und doch in niegesehener Herrlichkeit, da schwand auch der letzte irdische Anflug, wie in Luft verzehrt, und er stand vor der himmlischen Jungfrau, da hob er den leichten, glänzenden Schleyer, und Rosenblüthchen sank in seine Arme.“

Novalis: Die Lehrlinge zu Sais, 2. Die Natur [4]

«Isis entschleiert» (Isis Unveiled) ist auch der Titel des von Helena Petrovna Blavatsky am 29. September 1877 - also zu Michaeli - veröffentlichten Grundlagenwerks der Theosophie, das zugleich ihr aus geistiger Sicht bedeutsamstes Werk ist.

Über die Bedeutung dieser Isis-Legende sagt Rudolf Steiner:

"Sehen Sie, so schön ist das in dem Symbole beschrieben, das die Naturkraft in der ägyptischen Legende von der Isis ausdrückt. Dieses Isis-Bild, was für einen ergreifenden Eindruck macht es uns, wenn wir es uns vorstellen, wie es dasteht in Stein, aber in dem Stein zugleich der Schleier von oben bis unten: das verschleierte Bild zu Sais. Und die Inschrift trägt es: Ich bin die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft; meinen Schleier hat noch kein Sterblicher gelüftet. - Das hat wiederum zu einer ungemein gescheiten - obwohl sehr gescheite Leute diese gescheite Erklärung aufgenommen haben, muß es doch einmal gesagt werden -, zu einer sehr gescheiten Erklärung geführt. Man sagt da: Die Isis drückt also aus das Symbolum für die Weisheit, die vom Menschen nie erreicht werden kann. Hinter diesem Schleier ist eine Wesenheit, die ewig verborgen bleiben muß, denn der Schleier kann nicht gelüftet werden. - Und doch ist die Inschrift diese: Ich bin die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft; meinen Schleier hat noch kein Sterblicher gelüftet. - Alle die gescheiten Leute, die also sagen: Man kann das Wesen nicht ergründen - sie sagen logisch ungefähr dasselbe, wie wenn einer sagte: Ich heiße Müller; meinen Namen wirst du nie erfahren. - Es ist ganz genau dasselbe, was Sie immer über dieses Bild reden hören, wie wenn einer sagte: Ich heiße Müller; meinen Namen wirst du nie erfahren.-Wenn man das: Ich bin die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft; meinen Schleier hat noch kein Sterblicher gelüftet - so auslegt, ist natürlich diese Auslegung ein völliger Unsinn. Denn es steht ja da, was die Isis ist: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft - die dahinfließende Zeit! Wir werden morgen noch genauer über diese Dinge reden. Es ist die dahinfließende Zeit. Aber ganz etwas anderes, als was diese sogenannte geistvolle Erklärung will, ist ausgedrückt in den Worten: Meinen Schleier hat noch kein Sterblicher gelüftet. - Ausgedrückt ist, daß man dieser Weisheit sich nähern muß wie denjenigen Frauen, die den Schleier genommen hatten, deren Jungfräulichkeit bestehen bleiben mußte: in Ehrfurcht, mit einer Gesinnung, die alle egoistischen Triebe ausschließt. Das ist gemeint. Sie ist wie eine verschleierte Nonne, diese Weisheit früherer Zeit. Auf die Gesinnung wird hingedeutet durch das Sprechen von diesem Schleier." (Lit.: GA 171, S. 166)

Es gibt aber noch einen weiteren, tiefer gehenden Aspekt:

"Wenn wir noch einmal zurücksehen auf die Zeit der Menschheitsentwickelung vor dem Mysterium von Golgatha, so müssen wir sagen: Damals hatte die Menschenseele ein altes Erbgut aus der Zeit, da sie aus den geistigen Höhen herunterstieg zu irdischen Inkarnationen. Dieses Erbgut bewahrte sie sich von Inkarnation zu Inkarnation weiter. Daher gab es in jenen Zeiten ein altes Hellsehen, das nach und nach abflutete, immer schwächer und schwächer wurde. Je weiter die Inkarnationen vorschritten, desto schwächer wurde das abflutende alte Hellsehen. Woran war das alte Hellsehen gebunden? Es war gebunden an das, woran auch das äußere Wahrnehmen mit Augen und Ohren gebunden ist, an das, was eben der Mensch in der äußeren Welt ist. Bei den Menschen vor dem Mysterium von Golgatha war es so, daß sie wie Kinder heranwuchsen: sie lernten gehen, sprechen, und sie lernten selbstverständlich, solange die elementaren Kräfte im Sinne des alten Hellsehens noch da waren, auch hellsehen. Sie lernten es wie etwas, was sich ergab im Umgange mit der Menschheit, so wie es sich ergab im Umgange mit der Menschheit, daß man durch die Organisation des Kehlkopfes das Sprechen lernte. Man blieb aber nicht beim Sprechenlernen stehen, sondern schritt vor zu dem elementaren Hellsehen. Dieses elementare Hellsehen war gebunden an die gewöhnliche menschliche Organisation so, wie die menschliche Organisation drinnenstand in der physischen Welt; es mußte also notwendigerweise das Hellsehen auch den Charakter der menschlichen Organisation annehmen. Ein Mensch, der ein Wüstling war, konnte nicht eine reine Natur in sein Hellsehen hineinschieben; ein reiner Mensch konnte seine reine Natur auch in sein Hellsehen hineinschieben. Das ist ganz natürlich, denn es war das Hellsehen an die unmittelbare menschliche Organisation gebunden.

Eine notwendige Folge davon war, daß ein gewisses Geheimnis - das Geheimnis des Zusammenhanges zwischen der geistigen Welt und der physischen Erdenwelt -, das vor dem Herabstieg des Christus Jesus bestand, nicht für diese gewöhnliche menschheitliche Organisation enthüllt werden durfte. Es mußte die menschheitliche Organisation erst umgestaltet, erst reif gemacht werden. Der Jüngling von Sais durfte nicht ohne weiteres, von außen kommend, das Bild der Isis sehen." (Lit.: GA 148, S. 168f)

Die neue Isis

Siehe auch: Die neue Isis

Unser gegenwärtiges Bewusstseinsseelenzeitalter, in dem sich die ägyptisch-chaldäische Kultur in gewisser Weise spiegelt, bedarf einer neuen Isis-Legende. Seit sich der Christus auf Erden inkarniert hat und durch das Mysterium von Golgatha gegangen ist, weilt er unter uns. Er kann uns nicht so verloren gehen, wie einst den Ägyptern Osiris verloren ging. Der Christus ist mit uns, doch fehlt uns die göttliche Weisheit, ihn in seinem wahren Wesen zu erkennen. In der ägyptischen Zeit wirkte Luzifer im Inneren des Menschen und gerade deshalb sah er die äußere Welt in ahrimanischer Gestalt. Heute ist es gerade umgekehrt. Ahriman wirkt in unserem Inneren und darum ist unser äußeres Weltbild, wie es namentlich die Naturwissenschaften zeichnen, luziferisch. Uns ist die Isis-Sophia, verlorengegangen. Sie wurde durch Luzifer getötet. Heute müssen wir die neue Isis durch unser bewusstes Geistesstreben erwecken. Sehr ausführlich spricht Rudolf Steiner über diese neue Isis in einem am 6. Januar 1918 in Dornach gehaltenen Vortrag, und zeigt, wie das verschleierte Bild zu Sais nun eine Gestalt annimmt. Er spricht hier ...

„... von jenem wichtigen inneren Impuls, der an die Menschenseele herantreten muß, wenn die Menschenseele das finden soll, was sie für die Zukunft so notwendig hat, was allein eine ganze, volle Ergänzung dessen sein kann, was die Naturwissenschaft auf der einen Seite bringt. Dann werden Sie sehen, warum an die Seite der alten Osiris-Isismythe die neue Isismythe treten kann, und warum für den Menschen der Gegenwart beide zusammen notwendig sind; warum hinzugefügt werden muß zu den Worten, die vom alten Ägypten herüberklingen vom Standbilde zu Sais: Ich bin das All, ich bin die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft; meinen Schleier hat noch kein Sterblicher gelüftet -, warum hineintönen muß in diese Worte ein anderes, warum heute diese Worte nicht mehr einseitig nur an die menschliche Seele heranklingen dürfen, sondern dazu klingen müssen die Worte: Ich bin der Mensch. Ich bin die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Meinen Schleier sollte jeder Sterbliche lüften.“ (Lit.:GA 180, S. 189)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

Commons: Sais - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise