Ahnenkult und Ennoia: Unterschied zwischen den Seiten

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Der '''Ahnenkult''', die [[Ritus|rituelle]] und meist von [[Opfer]]n begleitete Verehrung der Geister der verstorbenen Vorfahren, der [[Manen]] (daher auch die Bezeichnung '''Manismus'''), war vor allem in alten Zeiten weit verbreitet als eine Urform der [[Religion]]. Tatsächlich suchte man dabei die Beziehung zu dem nach dem [[Tod]] abgelegten [[Ätherleib]], der bei entsprechend entwickelten [[Mensch]]en noch verhältnismäßig lange erhalten blieb. Durch diesen Ätherleib konnten sich die [[Zeitgeister]], die [[Archai]], offenbaren; diese waren es, die eigentlich verehrt wurden.
[[Datei:Helen of Troy.jpg|thumb|[[Wikipedia:Evelyn de Morgan|Evelyn de Morgan]]:<br />Helena von Troja ([[Wikipedia:1898|1898]])]]
'''Ennoia''' ({{ELSalt|έννοια}}), der „erste Gedanke“ oder die „erste Denkkraft“ [[Gott]]es, die als [[weib]]liches oder auch als [[Mann|männlich]]-[[weib]]liches [[Geistige Wesen|Geistwesen]], oft auch als Muttergöttin beschrieben wird, ist ein wesentlicher Bestandteil vieler [[Gnosis|gnostischen]] Systeme und wird oft auch mit [[Sophia]] ({{ELSalt|σοφία}}, „[[Weisheit]]“) oder der [[Barbelo]] ({{ELSalt|Βαρβηλώ}}) gleichgesetzt bzw. werden diese, wie etwa auch die [[Epinoia]] ({{ELSalt|έπινοια}}, „[[Einsicht]]“), als weitere Entwicklungsstufen der ''Ennoia'' aufgefasst. So erfahren wir etwa im [[Apokryphon des Johannes]] wie der «unbekannte Gott» mittels der ''Ennoia'' die [[Äon|Äonen-Fünfheit]] nach seinem Bild erschaft, die in männlich-weiblichen Paaren ([[syzygie]]n) erscheint und damit genau besehen eine [[Zehn]]heit und in ihrer Gesamtheit zugleich der erste [[Mensch]] ist. Die ''Ennoia'' wird hier auch mit der [[Pronoia]] ({{ELSalt|πρόνοια}}), der [[Vorsehung]], gleichgesetzt.


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{{Zitat|Und sein Gedanke Ennoia vollbrachte eine Tat und trat in Erscheinung, das heißt die, die in Erscheinung trat vor ihm in dem Glanz seines Lichtes. Das ist die erste Kraft, welche vor dem All war und welche in Erscheinung trat aus seinem Denken. Sie ist die Pronoia des Alls, ihr Licht leuchtet im Abbild seines Lichtes, die vollkommene Kraft, die das Abbild ist des unsichtbaren, jungfräulichen Geistes, der vollkommen ist. Die erste Kraft, der Ruhm der Barbelo, die vollkommene Herrlichkeit in den Äonen, die Herrlichkeit der Offenbarung, sie gab Lobpreis dem vollkommenen Geist, und sie war es, die ihn preist, denn seinetwegen war sie in Erscheinung getreten.<br>
"Wenn wir weit genug zurückgehen,
finden wir dasjenige, was früher die Menschen als eine atavistische
Weisheit hatten, als ein wirkliches Anschauen der geistigen Welten,
ausgedrückt im Nachklang religiöser Weltanschauungen dadurch, daß
die Menschen verehrten, was mehr oder weniger ein bedeutungsvoller,
hochangesehener Vorfahre war. Das heißt, wir finden in den verschiedenen
Gegenden der Erde religiöse Kulte, die wir als Ahnenkulte
bezeichnen können. Solche Ahnenkulte sind ja noch geblieben bei mehr
oder weniger auf früheren Stufen der Entwickelung stehengebliebenen
Menschen. Menschen also verehren oder schauen verehrend auf zu
einem Ahnen. Was liegt diesem Aufschauen zu Ahnen eigentlich zugrunde?
Was ist die Realität dieses Aufschauens zu Ahnen in alten Zeiten,
in jenen ältesten Zeiten, zu denen noch die Geschichte zurückblicken
kann? Sagen wir: Da geht es in graue Zeiten zurück; dann
haben wir eine gewisse Epoche, in der Ahnenkulte da sind.


Solche Ahnenkulte gründeten sich nicht etwa, wie die heutige oberflächliche
Dieser ist der erste Gedanke, sein Abbild. Sie wurde der Mutterschoß des Alls, denn sie ist die, die vor ihnen allen ist, der Mutter-Vater, der erste Mensch, der heilige Geist, der dreifach-männliche, der dreifach-kraftvolle, der dreifachbenannte Mannweibliche und der ewige [[Äon]] bei den Unsichtbaren und das erste Herauskommen.<br>
Wissenschaft glaubt, darauf, daß die Leute sich einbildeten,
sie müßten zu einem Vorfahren hinaufschauen, sondern die ältesten
Ahnenkulte waren durchaus so, daß die Menschen in gewissen Zeiten
ihres Lebens eine unmittelbare Anschauung des Ahnen hatten. Derjenige,
der hinaufblickte zu einem Ahnen-Gott, kam in gewissen Zeiten
seines Lebens, in Zuständen zwischen Wachen und Schlafen, wie sie ja
in der älteren Menschheitsentwickelung durchaus vorhanden waren,
dazu, mit dem, was er als seinen Ahnen verehrte, wirklich zusammenzusein.
Der Ahne erschien ihm nicht bloß in einem Traume, sondern in
einer traumhaften Vorstellung, die etwas Reales bedeutete für ihn. Und
diejenigen Menschen gehörten zusammen zu einem Ahnendienst, denen
eben ein gemeinschaftlicher Ahne erschien. Dasjenige, was die Menschen
im Geiste schauten, war allerdings eine ins Erhabene hinaufgesteigerte
Menschengestalt; aber hinter dieser Menschengestalt verbarg sich noch
etwas ganz anderes. Will man erkennen, was sich eigentlich hinter dieser
Geistgestalt verbarg, so muß man sich das Folgende vor Augen führen:
Der Ahne war einmal gestorben; er ging von der Erde ab als eine,
wie gesagt, hochangesehene Persönlichkeit, die viel Gutes gewirkt hatte
für eine menschliche Gemeinschaft. Der Ahne war durch die Pforte des
Todes gegangen, war also, während die Menschen zu ihm aufsahen, auf
dem Wege zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Was von dem
Ahnen sahen denn da die Menschen, wenn sie zu ihm aufblickten?
Wir wissen ja, wenn der Mensch durch die Pforte des Todes schreitet,
so ist er noch eine kurze Zeit in seinem Ätherleib; dann wird dieser
Ätherleib abgelegt. Aber das Ablegen bedeutet, daß der Ätherleib in
die geistigen Welten, in die Ätherwelt übertritt. Der Mensch in seinem
Ich und seinem astralischen Leib entwickelt sich weiter; der Ätherleib
geht über in die Ätherwelt. Da der betreffende Mensch Konsistentes
getan hatte auf Erden, blieb die Erinnerung des Ätherleibes lange. Den
Ätherleib ihres Ahnen nahmen die Leute in ihrem alten atavistischen,
traumhaften Hellsehen wahr, verehrten dasjenige, was sich ihnen offenbarte
durch diesen Ätherleib. Aber zwischen dem Tod und einer neuen
Geburt kommt dieser Ätherleib in Berührung mit den Geistern der
höheren Hierarchien, vor allen Dingen mit den Geistern aus der Hierarchie
der Archai, der Zeitgeister. Und weil der Betreffende eine für
die Menschheitsentwickelung bedeutsame Persönlichkeit war, so verband
er sich mit dem Zeitgeist, der die Menschheitsentwickelung um
ein Stück vorwärts brachte.


Dasjenige, was sich durch dieses, sagen wir meinetwillen, Gespenst
Sie bat den unsichtbaren, jungfräulichen Geist, das ist [[Barbelo]], ihr Erkenntnis zu geben. Und der Geist stimmte zu. Und als er aber zugestimmt hatte, offenbarte sich die erste Erkenntnis. Und sie stellte sich hin mit der Pronoia; diese stammt aus dem Gedanken des unsichtbaren, jungfräulichen Geistes. Sie pries ihn und seine vollkommene Kraft, Barbelo, da sie ihretwegen entstanden waren. Und wiederum bat sie, ihr Unvergänglichkeit zu gewähren, und er stimmte zu. Als er zugestimmt hatte, offenbarte sich die Unvergänglichkeit, und sie stand zusammen mit dem Gedanken und der Ersterkenntnis. Sie pries den Unsichtbaren und Barbelo, deretwegen sie entstanden waren. Und Barbelo bat, ihr ewiges Leben zu geben. Und der unsichtbare Geist stimmte zu. Und als er zugestimmt hatte, trat das ewige Leben in Erscheinung, und sie standen zusammen und priesen den unsichtbaren Geist und Barbelo, deretwegen sie entstanden waren. Und sie bat wiederum, ihr die Wahrheit zu geben. Und der unsichtbare Geist stimmte zu. Und er stimmte zu. Und als er zugestimmt hatte, trat die Wahrheit in Erscheinung. Und sie standen zusammen und priesen den unsichtbaren, vorzüglichen Geist und seine Barbelo, deretwegen sie entstanden waren. Das ist die Fünfheit der Äonen des Vaters, der der erste Mensch ist, das Bild des unsichtbaren Geistes.<br>
der Vorfahren kundgab, das war im Grunde genommen der Zeitgeist,
einer der Zeitgeister, so daß die älteste religiöse Kultverehrung dem
Zeitgeist dargebracht wurde. Überall, wo wir zurückgehen bis in die
Zeiten, die noch als graue Zeiten die Geschichte sehen kann, finden wir,
daß die Menschen verehrten die ätherischen Leiber ihrer Vorfahren als
Offenbarungsmittel der Zeitgeister. Also indem wir zu den Ahnenkulten
zurückgehen, haben wir die Verehrung der Zeitgeister, der Archai." {{Lit|{{G|172|200ff}}}}
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== Siehe auch ==
Dies ist die [[Pronoia]], das ist die Barbelo, und der Gedanke und die Erst-Erkenntnis und die Unvergänglichkeit und das ewige Leben und die Wahrheit. Das ist die mannweibliche Fünfheit der Äonen, welche ist die [[Zehn]]heit der Äonen, welche ist der Vater.|Apokryphon des Johannes|NHC II,1 [http://web.archive.org/web/20070807112928/http://wwwuser.gwdg.de/~rzellwe/nhs/node67.html]}}


* {{WikipediaDE|Ahnenkult}}
Ähnliche Vorstellungen haben später die [[Kabbala|Kabbalisten]] mit dem System der 10 [[Sephiroth]] entwickelt, die zugleich den kosmischen Urmenschen [[Adam Kadmon]] repräsentieren.
 
Nach [[Wikipedia:Irenäus von Lyon|Irenäus von Lyon]] (''Gegen die Häretiker'', Buch 1, 23, 1-5) hat bereits der in der [[Wikipedia:Apostelgeschichte|Apostelgeschichte]] erwähnte [[Simon Magus]] den Anspruch erhoben, ein [[Messias]] (Christus) zu sein, und sei gekommen, um den (weiblichen) „ersten Gedanken" ''Ennoia'' aus der [[Materie]] zu erlösen. Dieser „erste Gedanke" sei in die niedrigeren Regionen der [[Finsternis]] und Unwissenheit abgestiegen und habe die [[Engel]]wesenheiten und Mächte erschaffen. Die Engel lehnten sich aus Neid gegen Ennoia-Helena auf und schufen die materielle Welt als ihr Gefängnis, in dem sie in einem weiblichen [[Leib]] gefangen lag. So zog sie - durch [[Reinkarnation]] oder [[Seelenwanderung]] - von Leib zu Leib wie von Gefängnis zu Gefängnis. Sie [[Inkarnation|inkarnierte]] sich u.a. in [[Helena (Mythologie)|Helena von Troja]], bis sie schließlich als [[Wikipedia:Prostituierte|Prostituierte]] in der [[Wikipedia:Phönikien|phönizischen]] Stadt [[Wikipedia:Tyros|Tyrus]] durch Gott, der in Gestalt des Simon Magus abgestiegen war, erlöst wurde. Nur wer an Simon und an Helena glaube, könne die Welt vor dem Verderben retten und mit ihnen in die höheren Regionen zurückkehren.
 
{{Zitat|Dieser Simon von Samaria, von dem sämtliche Sekten abstammen, trägt folgende Irrlehre vor: Mit einer gewissen Helena, die er zu Tyrus in Phönizien als Lohndirne erstand, zog er herum und sagte, dies sei die erste Vorstellung seines Geistes, die Mutter aller, durch die er im Anfang gedachte, Engel und Erzengel zu erschaffen. Indem diese Ennoia von ihm ausging und erkannte, was der Vater wollte, stieg sie in die unteren Regionen hinab und zeugte die Engel und Mächte, von denen diese Welt gemacht worden sein soll. Dann aber wurde sie aus Neid von ihren eigenen Kindern zurückgehalten, da diese nicht für die Kinder irgend jemandes gehalten werden wollten. Er selbst blieb ihnen gänzlich unbekannt, die Ennoia aber hielten die Engel und Mächte zurück, die sie selbst geboren hatte, und jegliche Schmach mußte sie von ihnen erleiden, so daß sie nicht zu ihrem Vater zurückkehren konnte und sogar in menschlichem Körper eingeschlossen, in Ewigkeit wie von einem Gefäß in das andere in weibliche Körper überging. So war sie auch in dem Leib der Helena, deretwegen der trojanische Krieg unternommen wurde. Stesichorus, der auf sie Schmählieder dichtete, wurde deswegen geblendet, und erst als er reuevoll durch Gegenlieder Abbitte leistete, bekam er das Augenlicht wieder. Bei ihrer Wanderung von Körper zu Körper erlitt sie in jedem immer neue Schmach und landete zuletzt in einem öffentlichen Hause — sie ist das verlorene Schaf.|Irenäus|Gegen die Häretiker I, 23, 1-5 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel603-1.htm] }}
 
== Die dreigestaltige «Protennoia» ==
 
In der [[Nag-Hammadi-Schrift]] «[[Die dreigestaltige Protennoia]]» wird der ''Erstgedanke'' Gottes ({{ELSalt|προτέννοια}}, ''protennoia'') in dreifaltiger Gestalt als Vater, Mutter und Sohn dargestellt. Von hier ertönt der weckende «Ruf» der [[Erlösung]]. Die Mutter als „erster Gedanke“ wird auch [[Barbelo]] genannt. Der Sohn, der aus ihrem «Ruf» erstand, ist das „[[Wort]]“, der [[Logos]], der [[Christus]] - ein leiser Anklang an den Prolog des [[Johannes-Evangelium|Johannes-Evangelium]]s {{Bibel|Joh|1|1-18|LUT}}. Bedingt durch die typisch gnostische leibfeindlichkeit ist allerdings nur von einer „Manifestation“, nicht aber von einer wirklichen [[Inkarnation]] des [[Logos]] die Rede. Die im [[Ich-bin]]-Stil verfasste Schrift zählt zur [[Sethianer|sethianischen]] Gnosis bzw. zur [[Barbelo-Gnosis]].
 
{{Zitat|Ich bin die Protennoia, der Gedanke, der im Vater wohnt. Ich bin die Bewegung, die im All wohnt; die, in der das All seinen Bestand hat, der Erst-Gezeugte unter denen, die entstanden sind; die, die vor dem All ist, sie wird Protennoia genannt mit drei Namen, und sie existiert allein, wobei sie vollkommen ist.  Ich bin unsichtbar in dem Denken des Unsichtbaren. Ich bin doch enthüllt in den unmeßbaren, unaussprechbaren Dingen. Ich bin unerreichbar, wobei ich im Unerreichbaren wohne;  und ich bewege mich doch in jeder Kreatur.  Ich bin das Leben meiner Epinoia, die, die in jeder Kraft und in jeder Bewegung wohnt ewiglich und in unsichtbaren Lichtern und in den Archonten und Engeln und Dämonen und in jeder Seele, die in dem Tartaros wohnt und in jeder hylischen Seele;  ich wohne in dem Gewordenen und bewege mich doch in jedem. Und ich ruhe in allen und wandle doch in Geradheit;  und ich wecke die, die schlaf-en. Ich bin die Sehkraft aller, die sich im Schlaf befinden. Ich bin doch der Unsichtbare im All.  Ich bin es, der über das Verborgene Überlegungen anstellt, wobei ich bereits alles kenne, was in ihm ist.  Ich bin für niemanden zählbar. Ich bin unmeßbar und unaussprechbar.<br>
Aber wenn ich will, werde ich mich selbst offenbaren.  Ich bin das Haupt des Alls. Ich existiere vor dem All. Ich bin das All, da ich in jedem bin. Ich bin ein Ruf, der leise spricht. Ich bin am Anfang entstanden;  ich wohne im Schweigen, das jeden von ihnen umgibt. Und es ist der verborgene Ruf, der in mir wohnt, in dem unerreichbaren, unmeßbaren Gedanken, in dem unmeßbaren Schweigen.  Ich kam herab in die Mitte der Unterwelt, und ich leuchtete herab auf die Finsternis. Ich bin es, der hervorsprudeln ließ das Wasser. Ich bin es, der verborgen ist in den strahlenden Wassern.|Die dreigestaltige Protennoia|NHC XIII,1 [http://web.archive.org/web/20070807112928/http://wwwuser.gwdg.de/~rzellwe/nhs/node583.html][http://www.gerd-albrecht.de/Die%20Gnostischen%20Schriften/Die%20Dreigestaltige%20Protennoia.htm] }}
 
Durch den vollkommenen Sohn, den Christus, entstehen die [[Äon]]en und er gibt ihnen ihre Herrlichkeit und ihre Throne. Doch dann tritt „der große Dämon in Erscheinung, der über den untersten Teil der Unterwelt und des Chaos herrscht, wobei er weder eine Gestalt hat noch Vollkommenheit, sondern die Gestalt der Herrlichkeit derer, die in der Finsternis hervorgebracht wurden, besitzt. Dieser nun wird genannt ,Sakla`, das heißt ,Samael oder Jaltabaoth`...“


== Literatur ==
== Literatur ==
#Rudolf Steiner: ''Das Karma des Berufes des Menschen in Anknüpfung an Goethes Leben'', [[GA 172]] (2002), ISBN 3-7274-1720-X {{Vorträge|172}}
#[[Wikipedia:Hans Jonas|Hans Jonas]]: ''Gnosis uns spätantiker Geist I'', Vandenhoeck u. Ruprecht, Göttingen 1934, 1964, 1988 ISBN 978-3525531235
 
#[[Wikipedia:Kurt Rudolph|Kurt Rudolph]]: ''Die Gnosis. Wesen und Geschichte einer spätantiken Religion'', Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005 ISBN 3-525-52110-3
{{GA}}


[[Kategorie:Religion]]
[[Kategorie:Gnosis]]

Version vom 11. August 2014, 15:21 Uhr

Evelyn de Morgan:
Helena von Troja (1898)

Ennoia (griech. έννοια), der „erste Gedanke“ oder die „erste Denkkraft“ Gottes, die als weibliches oder auch als männlich-weibliches Geistwesen, oft auch als Muttergöttin beschrieben wird, ist ein wesentlicher Bestandteil vieler gnostischen Systeme und wird oft auch mit Sophia (griech. σοφία, „Weisheit“) oder der Barbelo (griech. Βαρβηλώ) gleichgesetzt bzw. werden diese, wie etwa auch die Epinoia (griech. έπινοια, „Einsicht“), als weitere Entwicklungsstufen der Ennoia aufgefasst. So erfahren wir etwa im Apokryphon des Johannes wie der «unbekannte Gott» mittels der Ennoia die Äonen-Fünfheit nach seinem Bild erschaft, die in männlich-weiblichen Paaren (syzygien) erscheint und damit genau besehen eine Zehnheit und in ihrer Gesamtheit zugleich der erste Mensch ist. Die Ennoia wird hier auch mit der Pronoia (griech. πρόνοια), der Vorsehung, gleichgesetzt.

„Und sein Gedanke Ennoia vollbrachte eine Tat und trat in Erscheinung, das heißt die, die in Erscheinung trat vor ihm in dem Glanz seines Lichtes. Das ist die erste Kraft, welche vor dem All war und welche in Erscheinung trat aus seinem Denken. Sie ist die Pronoia des Alls, ihr Licht leuchtet im Abbild seines Lichtes, die vollkommene Kraft, die das Abbild ist des unsichtbaren, jungfräulichen Geistes, der vollkommen ist. Die erste Kraft, der Ruhm der Barbelo, die vollkommene Herrlichkeit in den Äonen, die Herrlichkeit der Offenbarung, sie gab Lobpreis dem vollkommenen Geist, und sie war es, die ihn preist, denn seinetwegen war sie in Erscheinung getreten.

Dieser ist der erste Gedanke, sein Abbild. Sie wurde der Mutterschoß des Alls, denn sie ist die, die vor ihnen allen ist, der Mutter-Vater, der erste Mensch, der heilige Geist, der dreifach-männliche, der dreifach-kraftvolle, der dreifachbenannte Mannweibliche und der ewige Äon bei den Unsichtbaren und das erste Herauskommen.

Sie bat den unsichtbaren, jungfräulichen Geist, das ist Barbelo, ihr Erkenntnis zu geben. Und der Geist stimmte zu. Und als er aber zugestimmt hatte, offenbarte sich die erste Erkenntnis. Und sie stellte sich hin mit der Pronoia; diese stammt aus dem Gedanken des unsichtbaren, jungfräulichen Geistes. Sie pries ihn und seine vollkommene Kraft, Barbelo, da sie ihretwegen entstanden waren. Und wiederum bat sie, ihr Unvergänglichkeit zu gewähren, und er stimmte zu. Als er zugestimmt hatte, offenbarte sich die Unvergänglichkeit, und sie stand zusammen mit dem Gedanken und der Ersterkenntnis. Sie pries den Unsichtbaren und Barbelo, deretwegen sie entstanden waren. Und Barbelo bat, ihr ewiges Leben zu geben. Und der unsichtbare Geist stimmte zu. Und als er zugestimmt hatte, trat das ewige Leben in Erscheinung, und sie standen zusammen und priesen den unsichtbaren Geist und Barbelo, deretwegen sie entstanden waren. Und sie bat wiederum, ihr die Wahrheit zu geben. Und der unsichtbare Geist stimmte zu. Und er stimmte zu. Und als er zugestimmt hatte, trat die Wahrheit in Erscheinung. Und sie standen zusammen und priesen den unsichtbaren, vorzüglichen Geist und seine Barbelo, deretwegen sie entstanden waren. Das ist die Fünfheit der Äonen des Vaters, der der erste Mensch ist, das Bild des unsichtbaren Geistes.

Dies ist die Pronoia, das ist die Barbelo, und der Gedanke und die Erst-Erkenntnis und die Unvergänglichkeit und das ewige Leben und die Wahrheit. Das ist die mannweibliche Fünfheit der Äonen, welche ist die Zehnheit der Äonen, welche ist der Vater.“

Apokryphon des Johannes: NHC II,1 [1]

Ähnliche Vorstellungen haben später die Kabbalisten mit dem System der 10 Sephiroth entwickelt, die zugleich den kosmischen Urmenschen Adam Kadmon repräsentieren.

Nach Irenäus von Lyon (Gegen die Häretiker, Buch 1, 23, 1-5) hat bereits der in der Apostelgeschichte erwähnte Simon Magus den Anspruch erhoben, ein Messias (Christus) zu sein, und sei gekommen, um den (weiblichen) „ersten Gedanken" Ennoia aus der Materie zu erlösen. Dieser „erste Gedanke" sei in die niedrigeren Regionen der Finsternis und Unwissenheit abgestiegen und habe die Engelwesenheiten und Mächte erschaffen. Die Engel lehnten sich aus Neid gegen Ennoia-Helena auf und schufen die materielle Welt als ihr Gefängnis, in dem sie in einem weiblichen Leib gefangen lag. So zog sie - durch Reinkarnation oder Seelenwanderung - von Leib zu Leib wie von Gefängnis zu Gefängnis. Sie inkarnierte sich u.a. in Helena von Troja, bis sie schließlich als Prostituierte in der phönizischen Stadt Tyrus durch Gott, der in Gestalt des Simon Magus abgestiegen war, erlöst wurde. Nur wer an Simon und an Helena glaube, könne die Welt vor dem Verderben retten und mit ihnen in die höheren Regionen zurückkehren.

„Dieser Simon von Samaria, von dem sämtliche Sekten abstammen, trägt folgende Irrlehre vor: Mit einer gewissen Helena, die er zu Tyrus in Phönizien als Lohndirne erstand, zog er herum und sagte, dies sei die erste Vorstellung seines Geistes, die Mutter aller, durch die er im Anfang gedachte, Engel und Erzengel zu erschaffen. Indem diese Ennoia von ihm ausging und erkannte, was der Vater wollte, stieg sie in die unteren Regionen hinab und zeugte die Engel und Mächte, von denen diese Welt gemacht worden sein soll. Dann aber wurde sie aus Neid von ihren eigenen Kindern zurückgehalten, da diese nicht für die Kinder irgend jemandes gehalten werden wollten. Er selbst blieb ihnen gänzlich unbekannt, die Ennoia aber hielten die Engel und Mächte zurück, die sie selbst geboren hatte, und jegliche Schmach mußte sie von ihnen erleiden, so daß sie nicht zu ihrem Vater zurückkehren konnte und sogar in menschlichem Körper eingeschlossen, in Ewigkeit wie von einem Gefäß in das andere in weibliche Körper überging. So war sie auch in dem Leib der Helena, deretwegen der trojanische Krieg unternommen wurde. Stesichorus, der auf sie Schmählieder dichtete, wurde deswegen geblendet, und erst als er reuevoll durch Gegenlieder Abbitte leistete, bekam er das Augenlicht wieder. Bei ihrer Wanderung von Körper zu Körper erlitt sie in jedem immer neue Schmach und landete zuletzt in einem öffentlichen Hause — sie ist das verlorene Schaf.“

Irenäus: Gegen die Häretiker I, 23, 1-5 [2]

Die dreigestaltige «Protennoia»

In der Nag-Hammadi-Schrift «Die dreigestaltige Protennoia» wird der Erstgedanke Gottes (griech. προτέννοια, protennoia) in dreifaltiger Gestalt als Vater, Mutter und Sohn dargestellt. Von hier ertönt der weckende «Ruf» der Erlösung. Die Mutter als „erster Gedanke“ wird auch Barbelo genannt. Der Sohn, der aus ihrem «Ruf» erstand, ist das „Wort“, der Logos, der Christus - ein leiser Anklang an den Prolog des Johannes-Evangeliums (Joh 1,1-18 LUT). Bedingt durch die typisch gnostische leibfeindlichkeit ist allerdings nur von einer „Manifestation“, nicht aber von einer wirklichen Inkarnation des Logos die Rede. Die im Ich-bin-Stil verfasste Schrift zählt zur sethianischen Gnosis bzw. zur Barbelo-Gnosis.

„Ich bin die Protennoia, der Gedanke, der im Vater wohnt. Ich bin die Bewegung, die im All wohnt; die, in der das All seinen Bestand hat, der Erst-Gezeugte unter denen, die entstanden sind; die, die vor dem All ist, sie wird Protennoia genannt mit drei Namen, und sie existiert allein, wobei sie vollkommen ist. Ich bin unsichtbar in dem Denken des Unsichtbaren. Ich bin doch enthüllt in den unmeßbaren, unaussprechbaren Dingen. Ich bin unerreichbar, wobei ich im Unerreichbaren wohne; und ich bewege mich doch in jeder Kreatur. Ich bin das Leben meiner Epinoia, die, die in jeder Kraft und in jeder Bewegung wohnt ewiglich und in unsichtbaren Lichtern und in den Archonten und Engeln und Dämonen und in jeder Seele, die in dem Tartaros wohnt und in jeder hylischen Seele; ich wohne in dem Gewordenen und bewege mich doch in jedem. Und ich ruhe in allen und wandle doch in Geradheit; und ich wecke die, die schlaf-en. Ich bin die Sehkraft aller, die sich im Schlaf befinden. Ich bin doch der Unsichtbare im All. Ich bin es, der über das Verborgene Überlegungen anstellt, wobei ich bereits alles kenne, was in ihm ist. Ich bin für niemanden zählbar. Ich bin unmeßbar und unaussprechbar.
Aber wenn ich will, werde ich mich selbst offenbaren. Ich bin das Haupt des Alls. Ich existiere vor dem All. Ich bin das All, da ich in jedem bin. Ich bin ein Ruf, der leise spricht. Ich bin am Anfang entstanden; ich wohne im Schweigen, das jeden von ihnen umgibt. Und es ist der verborgene Ruf, der in mir wohnt, in dem unerreichbaren, unmeßbaren Gedanken, in dem unmeßbaren Schweigen. Ich kam herab in die Mitte der Unterwelt, und ich leuchtete herab auf die Finsternis. Ich bin es, der hervorsprudeln ließ das Wasser. Ich bin es, der verborgen ist in den strahlenden Wassern.“

Die dreigestaltige Protennoia: NHC XIII,1 [3][4]

Durch den vollkommenen Sohn, den Christus, entstehen die Äonen und er gibt ihnen ihre Herrlichkeit und ihre Throne. Doch dann tritt „der große Dämon in Erscheinung, der über den untersten Teil der Unterwelt und des Chaos herrscht, wobei er weder eine Gestalt hat noch Vollkommenheit, sondern die Gestalt der Herrlichkeit derer, die in der Finsternis hervorgebracht wurden, besitzt. Dieser nun wird genannt ,Sakla`, das heißt ,Samael oder Jaltabaoth`...“

Literatur

  1. Hans Jonas: Gnosis uns spätantiker Geist I, Vandenhoeck u. Ruprecht, Göttingen 1934, 1964, 1988 ISBN 978-3525531235
  2. Kurt Rudolph: Die Gnosis. Wesen und Geschichte einer spätantiken Religion, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005 ISBN 3-525-52110-3