Dreigliederung des menschlichen Organismus und Augustinus von Hippo: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Steiner Der dreigliedrige Mensch 1.jpg|mini|250px|[[Rudolf Steiner]]: ''Der dreigliedrige Mensch'', Pastell auf Transparentpapier, 12. Juni 1923]]
[[Datei:AugustineLateran.jpg|mini|Die älteste bekannte Darstellung von [[Augustinus]] ([[Wikipedia:Lateran|Lateran]]basilika, 6. Jahrhundert)]]
[[Datei:Saint Augustine Portrait.jpg|thumb|[[Wikipedia:Sandro Botticelli|Sandro Botticelli]], Augustinus am Schreibpult, um 1480, Florenz]]
'''Augustinus von Hippo''', auch ''Augustinus von Thagaste'', ''Augustin'' oder fälschlich ''Aurelius Augustinus'' genannt (* [[Wikipedia:13. November|13. November]] [[Wikipedia:354|354]] in Thagaste, auch: Tagaste, in [[Wikipedia:Numidien|Numidien]], heute [[Wikipedia:Souq Ahras|Souk Ahras]] in [[Wikipedia:Algerien|Algerien]]; † [[Wikipedia:28. August|28. August]] [[Wikipedia:430|430]] in [[Wikipedia:Hippo Regius|Hippo Regius]] in Numidien, heute [[Wikipedia:Annaba|Annaba]] in Algerien) war ein [[christlich]]er [[Philosoph]] und einer der vier [[Wikipedia:Lateinische Kirche|lateinischen]] [[Wikipedia:Kirchenlehrer|Kirchenlehrer]] der [[Wikipedia:Spätantike|Spätantike]].


Die '''Dreigliederung des menschlichen Organismus''' ist ein zentrales Prinzip der [[Anthroposophie|anthroposophischen]] [[Menschenkunde]] und wurde von Rudolf Steiner erstmals [[Wikipedia:1917|1917]] in seinem Buch «[[Von Seelenrätseln]]» explizit dargestellt.
== Leben ==


{{GZ|Das Nerven- und Sinnessystem,
Augustinus Mutter [[Wikipedia:Hl. Monika|Monica]] war Christin, sein Vater Patricius, ein kleiner Landeigentümer, ließ sich erst kurz vor seinem Tod [[Wikipedia:372|372]] taufen. Von der Mutter wurde Augustinus christlich erzogen, sie ließ ihn aber nicht taufen, da die Kindertaufe damals noch nicht üblich war. Bis [[Wikipedia:370|370]] ging Augustinus in Thagaste zur Schule und studierte ab [[Wikipedia:371|371]] [[Rhetorik|Rhetorik]] in [[Wikipedia:Karthago|Karthago]]. 372 gebar seine Lebensgefährtin, mit der er im ehelosen Stand zusammen lebte, den gemeinsamen Sohn [[Wikipedia:Adeodatus|Adeodatus]] („Der von Gott Gegebene“).
wie es im Kopfe zentralisiert ist, ist im menschlichen Organismus ein
eigenes, für sich bestehendes, selbständiges Glied. Was als Lungen- und
Herzsystem, als Zirkulationssystem vorliegt, ist wiederum ein für sich
bestehendes, selbständiges Glied. Ebenso das Stoffwechselsystem. Das
Genauere können Sie in meinem Buch «Von Seelenrätseln» nachlesen.
Das ist das Charakteristische im menschlichen Organismus, daß seine
Systeme gerade dadurch ihre rechte Entfaltung und Wirksamkeit entfalten,
daß sie nicht zentralisiert sind, sondern daß sie nebeneinander bestehen
und frei zusammenwirken. Kann man heute nicht einmal in dieser
umfassenden, eindringlichen Weise den menschlichen Organismus begreifen,
so kann man mit der Wissenschaft, die noch nicht reformiert ist,
die aber in geisteswissenschaftlichem Sinne reformiert werden muß, den
sozialen Organismus erst recht nicht verstehen. Man glaubt heute, der
menschliche Organismus ist etwas Zentralisiertes, während er eine Dreigliedrigkeit
ist.|328|21}}


== Die drei Glieder des menschlichen Organismus ==
[[Wikipedia:373|373]] wandte sich Augustinus zunächst dem [[Manichäismus]] zu und wirkte ab [[Wikipedia:375|375]] als [[Wikipedia:Rhetor|Rhetor]] in Thagaste, später in Karthago, [[Wikipedia:Rom|Rom]] und [[Wikipedia:Mailand|Mailand]] und pflegte, wie er in seinen [[Wikipedia:Confessiones|Confessiones]] bekannte, einen ausschweifenden Lebenswandel. [[Wikipedia:380|380]] wurde das Christentum von [[Wikipedia:Theodosius I.|Theodosius I.]] als [[Wikipedia:Staatsreligion|Staatsreligion]] proklamiert. [[Wikipedia:383|383]] verlief Augustinus Begegnung mit dem Manichäerbischof [[Faustus von Mileve]] enttäuschend. [[Wikipedia:384|384]] wurde Augustinus als [[Rhetorik]]lehrer nach Mailand berufen. Dort lernte er durch [[Wikipedia:Bischof|Bischof]] [[Wikipedia:Ambrosius von Mailand|Ambrosius von Mailand]] die [[platon]]ische [[Bibel]]auslegung kennen. Auf Drängen seiner Mutter, die eine standesgemäße Verlobung mit einem christlichen Mädchen aus wohlhabender Familie arrangiert hatte, verließ Augustinus [[Wikipedia:385|385]] seine langjährige Lebensgefährtin, die nach Afrika zurückkehrte, während der gemeinsame Sohn Adeodatus bei Augustinus verblieb. Nach seinem Bekehrungserlebnis unter einem [[Feigenbaum]] ließ sich Augustinus [[Wikipedia:387|387]] taufen.


Deutlich lassen sich drei sehr unterschiedliche Glieder des [[mensch]]lichen [[Organismus]] unterscheiden:
{{Zitat|Als aber eine tiefe Betrachtung aus geheimem Grunde all mein Elend hervorzog und vor dem
Angesichte meines Herzens sammelte, da brach ein gewaltiger Gewittersturm, den Tränen in
Strömen begleiteten, in mir los. Ihm freien Lauf zu lassen, erhob ich mich und ging hinweg von
Alypius; denn die Einsamkeit erschien mir geeigneter, um mich ausweinen zu können; ich ging
hinweg, so weit, daß mich seine Gegenwart nicht mehr zu stören vermochte. So war ich damals
und jener fühlte mit mir. Ich glaube auch, daß ich schon etwas gesagt hatte, wobei der
tränenschwere Ton meiner Stimme stockte, und so erhob ich mich denn. Er blieb, wo wir uns
niedergesetzt hatten, zurück, von Staunen erfüllt. Ich aber warf mich am Stamme eines
Feigenbaumes nieder und ließ meinen Tränen freien Lauf, und der Quell des Auges strömte
hervor, ein Opfer, das du gern empfingst, und ich sprach, zwar nicht mit denselben Worten, aber
doch in dein Sinne, vieles zu dir: Du, o Herr, wie so lange? Wie lange, Herr, wirst du zürnen?
Sei nicht eingedenk unserer vorigen Missetat. Denn von ihr fühlte ich mich gefesselt und stöhnte
laut in kläglichem Jammer. Wie lange? Wie lange? Morgen und immer wieder morgen? Warum
nicht jetzt, weshalb setzt nicht diese Stunde meiner Schande ihr Ziel?


*[[Nerven-Sinnessystem]]
So sprach ich und weinte bitterlich in der Zerknirschung meines Herzens. Und siehe, da hörte ich
*[[Rhythmisches System]]
eine Stimme aus einem benachbarten Hause in singendem Tone sagen, ein Knabe oder ein
*[[Stoffwechsel-Gliedmassensystem]]
Mädchen war es: Nimm und lies! Nimm und lies! Ich entfärbte mich und sann nach, ob vielleicht
Kinder in irgendeinem Spiele dergleichen Worte zu singen pflegen, konnte mich aber nicht
erinnern, jemals davon gehört zu haben. Da drängte ich meine Tränen zurück, stand auf und
legte die gehörten Worte nicht anders, als daß ein göttlicher Befehl mir die heilige Schrift zu
öffnen heiße und daß ich das erste Kapitel, auf welches mein Auge fallen würde, lesen sollte.
Denn ich hatte von Antonius gehört, daß er beim Vorlesen des Evangeliums in der Kirche, zu
dem er zufällig gekommen war, das Wort, das da vorgelesen wurde, als eine Ermahnung auf sich
bezog: Gehe hin und verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen, so wirst du einen Schatz
im Himmel haben, und komm und folge mir nach. Durch solche Gottesstimme sei er sogleich
bekehrt worden. Und so kehrte ich eiligst zu dem Orte zurück, wo Alypius saß und wo ich bei
meinem Weggehen die Schriften des Apostels Paulus zurückgelassen hatte. ich ergriff das Buch,
öffnete es und las still für mich den Abschnitt, der mir zuerst in die Augen fiel: Nicht in Fressen
und Saufen, nicht in Kammern und Unzucht, nicht in Hader und Neid, sondern ziehet an den
Herrn Jesum Christum und wartet des Leibes, doch also, daß er nicht geil werde. Ich las nicht
weiter, es war wahrlich nicht nötig, denn alsbald am Ende dieser Worte kam das Licht des
Friedens über mein Herz und die Nacht des Zweifels entfloh.|Augustinus|''[[Wikipedia:Confessiones|Confessiones]]'' 8,12| ref=<ref>Augustinus, Otto F. Lachmann (Übers.): ''Die Bekenntnisse des heiligen Augustinus'', Reclam Verlag, Leipzig 1920</ref>}}


Das [[Nerven-Sinnessystem]] ist hauptsächlich im Kopf zentriert und ist das physische Werkzeug für die [[Sinnliche Wahrnehmung|sinnliche Wahrnehmung]], das [[Vorstellen]] und [[Denken]]. Es gibt dem Menschen die Grundlage für sein waches, der [[Sinnliche Welt|sinnlichen Welt]] hingegebenes [[Tagesbewusstsein]].
[[Wikipedia:395|395]] wurde Augustinus zum [[Wikipedia:Bischof|Bischof]] von Hippo Regius bestellt und übte dieses Amt bis zu seinem Tod aus.


Das [[Rhythmisches System|Rhythmische System]] umfasst [[Atmung]] und [[Kreislauf]] und ist daher entsprechend im Brustbereich zentriert. Es ist das wesentlichste physische Werkzeug des Gefühlslebens und der im lebendig strömenden Atem tönenden menschlichen Sprache. Jede Stimmungsschwankung, jede Freude, jedes Leid spiegeln sich in einer leise veränderten Atmung und einem sich beschleunigenden oder verzögernden Pulsschlag wider, wie auch jede körperlich bedingte Veränderung in Atmung und Herzrhythmus sogleich auf unser Gefühlsleben zurückschlägt. Allerdings erleben wir diese Gefühle nicht so klar und wach wie das, was wir durch unser Nerven-Sinnessystem erfahren. In unserem [[Gefühl|Gefühlsleben]] träumen wir eigentlich beständig.
== Rudolf Steiner über Augustinus ==
{{Textbox|<poem>Ich lobe den Tanz
denn er befreit den Menschen
von der Schwere der Dinge
bindet den Vereinzelten
zu Gemeinschaft.


Noch unbewusster bleiben uns die inneren Vorgänge des [[Stoffwechsel-Gliedmassensystem]]s, das grundlegend für die Entfaltung unseres Willens ist. Insbesondere ist auch der aufrechte Gang des Menschen in diesem System begründet. Was tatsächlich in den Tiefen unseres [[Organismus]] vorgeht, wenn wir aufrecht durch die Welt schreiten, oder mit den dadurch freigewordenen Händen willentlich einen Gegenstand ergreifen, entzieht sich weitestgehend unserem Bewusstsein. Gerade darin liegt aber erst die eigentliche Realität des menschlichen Willens, und nicht in der blossen gedanklichen Vorstellung, die ihn begleitet. Im [[Wille]]n schlafen wir eigentlich beständig.
Ich lobe den Tanz
der alles fordert und fördert
Gesundheit und klaren Geist
und eine beschwingte Seele.


Bei den [[Tier]]en, namentlich bei den höheren Tieren, zeichnet sich diese [[Dreigliederung]] des Organismus zwar schon deutlich ab, ist aber nirgends so ausgewogen wie beim Menschen. Nur die fein abgestimmte Harmonie, mit der diese drei Glieder, einander lebendig durchdringend, beim Menschen zusammenwirken, ermöglicht ihm seine [[Aufrechte Haltung|aufrechte Haltung]], die artikulierte Lautsprache und das verstandesmässige Denken.
Tanz ist Verwandlung
des Raumes, der Zeit, des Menschen
der dauernd in Gefahr ist
zu zerfallen ganz Hirn
Wille oder Gefühl zu werden


{{GZ|Faßt man
Der Tanz dagegen fordert
nun zusammen alles dasjenige Seelische, das als Vorstellen
den ganzen Menschen
erlebt wird und sucht man nach den leiblichen Vorgängen,
der in seiner Mitte verankert ist
mit denen dieses Seelische in Beziehung zu setzen ist, so findet
der nicht besessen ist
man den entsprechenden Zusammenhang, indem man
von der Begehrlichkeit
dabei in weitgehendem Maße den Ergebnissen der gegenwärtigen
nach Menschen und Dingen
physiologischen Psychologie sich anschließen
und von der Dämonie
kann. Die körperlichen Gegenstücke zum Seelischen des
der Verlassenheit im eigenen Ich.
Vorstellens hat man in den Vorgängen des Nervensystems
mit ihrem Auslaufen in die Sinnesorgane einerseits und in
die leibliche Innenorganisation andrerseits zu sehen. So sehr
man vom anthroposophischen Gesichtspunkte aus manches
wird anders zu denken haben, als es die gegenwärtige Wissenschaft
tut: eine Grundlage vorzüglicher Art ist in dieser
Wissenschaft vorhanden. Nicht so steht es, wenn man die
leiblichen Gegenstücke für das Fühlen und Wollen bestimmen
will. In bezug darauf muß man sich innerhalb der Ergebnisse
gegenwärtiger Physiologie erst den richtigen Weg
bahnen. Ist man auf denselben gelangt, so findet man, daß
man wie das Vorstellen zur Nerventätigkeit so das Fühlen
in Beziehung bringen muß zu demjenigen Lebensrhythmus,
der in der Atmungstätigkeit seine Mitte hat und mit ihr zusammenhängt.
Man hat dabei zu berücksichtigen, daß man
zu dem angestrebten Ziele den Atmungsrhythmus mit allem,
was mit ihm zusammenhängt, bis in die äußersten peripherischen
Teile der Organisation verfolgen muß. Um auf
diesem Gebiete zu konkreten Ergebnissen zu gelangen,
müssen die Erfahrungen der physiologischen Forschung in
einer Richtung verfolgt werden, welche heute noch vielfach
ungewohnt ist. Erst wenn man dies vollbringt, werden alle
Widersprüche verschwinden, die sich zunächst ergeben,
wenn Fühlen und Atmungsrhythmus zusammengebracht
werden. Was zunächst zum Widerspruch herausfordert,
wird bei näherem Eingehen zum Beweise für diese Beziehung. Aus dem weiten Gebiet, das hier verfolgt werden
muß, sei nur ein einziges Beispiel herausgehoben. Das Erleben
des Musikalischen beruht auf einem Fühlen. Der Inhalt
des musikalischen Gebildes aber lebt in dem Vorstellen,
das durch die Wahrnehmungen des Gehörs vermittelt wird.
Wodurch entsteht das musikalische Gefühls-Erlebnis?
Die ''Vorstellung'' des Tongebildes, die auf Gehörorgan und
Nervenvorgang beruht, ist noch nicht dieses musikalische
Erlebnis. Das letztere entsteht, indem im Gehirn der Atmungsrhythmus
in seiner Fortsetzung bis in dieses Organ
hinein, sich begegnet mit dem, was durch Ohr und Nervensystem
vollbracht wird. Und die Seele lebt nun nicht in dem
bloß Gehörten und Vorgestellten, sondern sie lebt in dem
Atmungsrhythmus; sie erlebt dasjenige, was im Atmungsrhythmus
ausgelöst wird dadurch, daß gewissermaßen das
im Nervensystem Vorgehende heranstößt an dieses rhythmische
Leben. Man muß nur die Physiologie des Atmungsrhythmus
im rechten Lichte sehen, so wird man umfänglich
zur Anerkennung des Satzes kommen: die Seele erlebt fühlend,
indem sie sich dabei ähnlich auf den Atmungsrhythmus
stützt wie im Vorstellen auf die Nervenvorgänge. -
Und bezüglich des Wollens findet man, daß dieses sich in
ähnlicher Art stützt auf Stoffwechsel Vorgänge. Wieder muß
da in Betracht gezogen werden, was alles an Verzweigungen
und Ausläufern der Stoffwechselvorgänge im ganzen Organismus
in Betracht kommt. Wie dann, wenn etwas «vorgestellt» wird, sich ein Nerven Vorgang abspielt, auf Grund
dessen die Seele sich ihres Vorgestellten bewußt wird, wie
ferner dann, wenn etwas «gefühlt» wird, eine Modifikation
des Atmungsrhythmus verläuft, durch die der Seele ein Gefühl
auflebt: so geht, wenn etwas «gewollt» wird, ein Stoffwechselvorgang vor sich, der die leibliche Grundlage ist für
das als Wollen in der Seele Erlebte. - Nun ist in der Seele ein
vollbewußtes waches Erleben nur für das vom Nervensystem
vermittelte Vorstellen vorhanden. Was durch den Atmungsrhythmus
vermittelt wird, das lebt im gewöhnlichen
Bewußtsein in jener Stärke, welche die Traumvorstellungen
haben. Dazu gehört alles Gefühlsartige, auch alle Affekte,
alle Leidenschaften und so weiter. Das Wollen, das auf StofTwechselvorgänge
gestützt ist, wird in keinem höheren
Grade bewußt erlebt als in jenem ganz dumpfen, der im
Schlafe vorhanden ist. Man wird bei genauer Betrachtung
des hier in Frage Kommenden bemerken, daß man das Wollen
ganz anders erlebt als das Vorstellen. Das letztere erlebt
man wie man etwa eine von Farbe bestrichene Fläche sieht;
das Wollen so, wie eine schwarze Fläche innerhalb eines farbigen
Feldes. Man «sieht» innerhalb der Fläche, auf der
keine Farbe ist, eben deshalb etwas, weil im Gegensatz zu
der Umgebung, von der Farben-Eindrücke ausgehen, von
dieser Fläche keine solchen Eindrücke kommen: man «stellt
das Wollen vor», weil innerhalb der Vorstellungs-Erlebnisse
der Seele an gewissen Stellen sich ein Nicht-Vorstellen
einfügt, das sich in das vollbewußte Erleben hineinstellt
ähnlich wie die im Schlafe zugebrachten Unterbrechungen
des Bewußtseins in den bewußten Lebenslauf. Aus diesen
verschiedenen Arten des bewußten Erlebens ergibt sich die
Mannigfaltigkeit des seelischen Erfahrens in Vorstellen,
Fühlen und Wollen.|21|150ff}}


== Dreigliederung, nicht Dreiteilung ==
Der Tanz fordert den befreiten,  
Da es sich um eine [[ganzheit]]liche Drei''gliederung'' und ''nicht'' um eine Drei''teilung'' des Organismus handelt, trägt jedes System auch die jeweils anderen in modifizierter Form in sich. [[Kopf]] und [[Gliedmaßen]] stehen dabei in einem polaren Verhältnis zueinander und der [[Rumpf]] vermittelt zwischen den beiden.
den schwingenden Menschen
im Gleichgewicht aller Kräfte.


=== Kopf ===
Ich lobe den Tanz.
{{GZ|Wenn wir diese Dreigliederung des menschlichen Leibes ins Auge
fassen, dann wird es uns ganz besonders deutlich werden, wie das
Haupt, der Kopf des Menschen, ein ganzer Mensch schon ist, ein aus
der Tierreihe heraufgehobener ganzer Mensch.


Wir haben am Kopfe den eigentlichen Kopf. Wir haben am Kopf
O Mensch lerne tanzen
den Rumpf: das ist alles dasjenige, was zur Nase gehört. Und wir haben
sonst wissen die Engel
am Kopf den Gliedmaßenteil, der sich in die Leibeshöhle fortsetzt:
im Himmel mit dir
das ist alles dasjenige, was den Mund umschließt. So daß wir
nichts anzufangen.</poem>|[[Augustinus]]}}
am menschlichen Haupte sehen können, wie da der ganze Mensch
leiblich vorhanden ist. Nur ist die Brust des Kopfes schon verkümmert.
Sie ist so verkümmert, daß gewissermaßen alles, was zur Nase gehört,
nur noch undeutlich erkennen läßt, wie es mit dem Lungenartigen
zusammenhängt. Aber es hängt dasjenige, was zur Nase gehört,
mit dem Lungenartigen zusammen. Es ist gewissermaßen diese menschliche
Nase etwas wie eine metamorphosierte Lunge. Sie gestaltet daher
auch den Atmungsprozeß so um, daß sie ihn mehr nach dem Physischen
hin ausbildet. Daß Sie die Lunge vielleicht als weniger geistig
ansehen als die Nase, das ist ein Irrtum. Die Lunge ist kunstvoller gebaut.
Sie ist mehr vom Geistigen, wenigstens vom Seelischen durchdrungen
als die Nase, die eigentlich, wenn man die Sache wirklich
richtig auffaßt, mit einer großen Unverschämtheit sich nach außen hin
in das menschliche Antlitz stellt, während die Lunge ihr Dasein, trotzdem
sie seelischer ist als die Nase, viel keuscher verbirgt.


Verwandt mit allem, was dem Stoffwechsel, was der Verdauung
Augustinus trug in seinem [[Ätherleib]] ein Abbild des Ätherleibs des [[Jesus von Nazareth]].
und Ernährung angehört und sich aus den Gliedmaßenkräften in den
Menschen herein fortsetzt, verwandt mit alledem ist dasjenige, was
zum menschlichen Munde gehört, der ja auch seine Verwandtschaft mit
der Ernährung und mit alledem, was zu den menschlichen Gliedmaßen
gehört, nicht verleugnen kann. So ist das Haupt, der Kopf des Menschen
ein ganzer Mensch, bei dem nur das Nichtkopfliche verkümmert
ist. Brust und Unterleib sind am Kopfe, aber sie sind am Kopfe verkümmert.|293|195f|196}}


===Brust ===
{{GZ|In den ersten Jahrhunderten nach dem Christus-Ereignis sehen
wir, wie die christlichen Schriftsteller noch auf Grund mündlich
überlieferter Tradition der Apostelschüler arbeiten. Sie legten Wert
auf physische Überlieferung. Auf diese allein hätten aber spätere
Jahrhunderte nicht bauen können. Vom 6. und 7. Jahrhundert an
geschieht es nun, daß besonders hervorragenden christlichen Verkündern
einverwoben wurde ein Abbild des Ätherleibes des Jesus
von Nazareth. Ein solcher Mensch war Augustinus. Er hatte gewaltige
Kämpfe durchzumachen in seiner Jugend. Dann aber wurde in
bedeutsamer Weise in ihm wirksam der Impuls des Ätherleibes des
Jesus von Nazareth, und da beginnt er erst, aus sich selbst heraus
christliche Mystik zu treiben. Wir können seine Schriften eben nur in
diesem Lichte verstehen.|104a|102}}


{{GGZ|In der Brust des Menschen ist in der Tat ebensoviel Kopf- wie Gliedmaßennatur.
{{GZ|Einer der ersten, dem die große Wohltat wurde, die dadurch der
Gliedmaßennatur und Kopfnatur vermischen sich miteinander
Menschheit möglich geworden ist, daß der Ätherleib des Jesus in
in der Brustnatur. Die Brust hat nach oben hin fortwährend
vielen, vielen Abbildern in der geistigen Welt vorhanden war, einer
die Anlage, Kopf zu werden und nach unten hin fortwährend die
der ersten war der, den man den Augustinus nennt. Als Augustinus
Anlage, den entgegengestreckten Gliedmaßen, der Außenwelt, sich
nach seiner früheren Verkörperung wieder herunterstieg auf die Erde,
anzuorganisieren, sich anzupassen, also, mit anderen Worten, Gliedmaßennatur
da wurde ihm nicht ein beliebiger Ätherleib einverwoben, sondern in
zu werden. Der obere Teil der Brustnatur hat fortwährend
seinen Ätherleib wurde hineinverwoben ein Abbild des Ätherleibes
die Tendenz, Kopf zu werden, der untere Teil hat fortwährend
des Jesus von Nazareth. Den Astralleib und das Ich hatte er für sich.
die Tendenz, Gliedmaßenmensch zu werden. Also der obere Teil des
In seinem Ätherleib hatte er ein Abbild des Jesus von Nazareth. Er
menschlichen Rumpfes will fortwährend Kopf werden, er kann es nur
mußte sich hindurcharbeiten durch die Kultur seines Ich und Astralleibes.
nicht. Der andere Kopf verhindert ihn daran. Daher bringt er nur fortwährend
Als er an den Ätherleib drang, da kamen ihm die großen Wahrheiten,
ein Abhild des Kopfes hervor, man möchte sagen, etwas, was
die uns in seiner Mystik entgegentreten. Und viele Menschen
ausmacht den Beginn der Kopfbildung. Können wir nicht deutlich erkennen,
des 6., 7., 8. und 9. Jahrhunderts bekamen in ihren eigenen Ätherleib
wie im oberen Teil der Brustbildung der Ansatz gemacht wird
einverwoben Nachbilder des Ätherleibes des Jesus von Nazareth.|109|87}}
zur Kopfbildung? Ja, da ist der Kehlkopf da, der ja aus der naiven
Sprache heraus sogar Kehlkopf genannt wird. Der Kehlkopf des Menschen
ist ganz und gar ein verkümmertes Haupt des Menschen, ein
Kopf, der nicht ganz Kopf werden kann und der daher seine Kopfesnatur
auslebt in der menschlichen Sprache. Die menschliche Sprache
ist der fortwährend vom Kehlkopf in der Luft unternommene Versuch,
Kopf zu werden. Wenn der Kehlkopf versucht, der oberste Teil
des Kopfes zu werden, da kommen zum Vorschein diejenigen Laute,
welche deutlich zeigen, daß sie am stärksten von der menschlichen
Natur zurückgehalten werden. Wenn der menschliche Kehlkopf versucht,
Nase zu werden, da kann er nicht Nase werden, weil ihn die
wirklich vorhandene Nase daran verhindert. Aber er bringt hervor
in der Luft den Versuch, Nase zu werden, in den Nasenlauten. Die
vorhandene Nase staut also die Luftnase, die da entstehen will, in den
Nasenlauten. Es ist außerordentlich bedeutungsvoll, wie der Mensch,
indem er spricht, fortwährend in der Luft den Versuch macht, Stücke
von einem Kopf hervorzubringen, und wie sich wiederum diese Stücke
von dem Kopf in welligen Bewegungen fortsetzen, die sich dann stauen
an dem leiblich ausgebildeten Kopf. Da haben Sie dajenige, was die
menschliche Sprache ist.|197f|198}}


=== Gliedmaßen ===
Augustinus erkannte, dass in den vorchristlichen [[Religion]]en und [[Mysterien]] bereits das [[Christentum]] vorbereitet wurde.


{{GZ|Wenn wir im Gegensatz dazu den Gliedmaßenmenschen ansehen,
{{GZ|Um zu verstehen, was das Christentum ist, und was es in der
so ist der in alledem, was er uns äußerlich darbietet, in seiner äußerlichen
Seele des heutigen Menschen sein kann und sein muß, wenn die Seele
gestaltlichen Bildung im wesentlichen die Umgestaltung der
sich recht versteht, muß ein wenig darauf hingewiesen werden, wie
beiden Kinnladen des Menschen, der oberen und unteren Kinnlade.
tief in den geistigen Tatsachen der Menschheitsentwickelung die Worte
Was unten und oben Ihren Mund einschließt, das ist, nur verkümmert,
eines so guten Christen begründet sind wie des Augustinus, wenn er
dasjenige, was Ihre Beine und Füße und Ihre Arme und Hände sind.|293|196|197}}
sagt: «Was man gegenwärtig die christliche Religion nennt, bestand
schon bei den Alten und fehlte nicht in den Anfängen des Menschengeschlechtes
und als Christus im Fleische erschien, erhielt die wahre
Religion, die schon vorher vorhanden war, den Namen der christlichen.»|131|13}}


{{GGZ|Während der richtige
{{GZ|Schon bei Augustinus,
Kopf des Menschen ein leiblich-materieller Kopf ist, ist der Kopf, der
indem er so empfand, wie ich es gestern und heute charakterisiert
zu den Gliedmaßen dazugehört, der geistige Kopf. Aber er wird ein
habe, entstand die Seelenempfindung: O, was wird es dann
Stückchen materiell, damit er fortwährend den Menschen verzehren
sein, wenn nun dasjenige die ganze Welt ergreift, was aus dem
kann. Und im Tode, wenn der Mensch stirbt, hat er ihn ganz aufgezehrt.
entgöttlichten Intellektualismus, aus dem entgöttlichten Römertum,
Das ist in der Tat der wunderbare Prozeß, daß unsere Gliedmaßen
in die Welt hineinströmt? Die Civitas wird eine furchtbare werden;
so gebaut sind, daß sie uns fortwährend aufessen. Wir schlüpfen
dieser Civitas der Menschen muß entgegengestellt werden die Civitas
fortwährend mit unserem Organismus in den aufgesperrten Mund
Dei, der Gottesstaat. - Und so sehen wir auftauchen - vorher
unserer Geistigkeit hinein. Das Geistige verlangt von uns fortwährend
waren die Anzeichen schon da, meine lieben Freunde -, so sehen
das Opfer unserer Hingabe. Und auch in unserer Leibesgestaltung ist
wir auftauchen ein Interesse, das gerade von den folgenden Zeiten
dieses Opfer unserer Hingabe ausgedrückt. Wir verstehen die menschliche
auf religiösem Gebiete mit voller Macht ergriffen wurde, und das
Gestalt nicht, wenn wir nicht dieses Opfer der Hingabe an den
ein Licht wirft auf alle späteren religiösen Kämpfe in den Seelen, die
Geist schon ausgedrückt finden in der Beziehung der menschlichen
gerade diese religiösen Kämpfe am tiefsten erfühlt haben. Es taucht
Glieder zu dem übrigen menschlichen Leib. So daß wir sagen können:
bereits bei Augustinus die Frage auf: Wie retten wir das Moralische
Kopf- und Gliedmaßennatur des Menschen sind entgegengesetzt, und
gegenüber dem äußerlichen Gesetzeshaften? Wie retten wir die Moral,
die Brust- oder Rumpfnatur des Menschen, die in der Mitte liegt, ist
die gottdurchtränkte Moral, wie retten wir sie? Im Römertum
in gewisser Beziehung dasjenige, was zwischen diesen beiden Gegensätzen
kann sie sich nicht ausbreiten. - Das ist das Streben nach Verinnerlichung,
die Waage hält.|293|197|198}}
das wir in den Bekenntnissen, den Konfessionen des Augustinus
finden, wenn wir sie richtig durchdringen.|343a|280f}}


== Die polare Anordnung der Wesensglieder im dreigliedrigen Organismus ==
[[Friedrich Rittelmeyer]] hatte nach einer von Madlen Hauser überlieferten Aussage während eines Vortrags von [[Rudolf Steiner]] am 3. April 1917 in Berlin {{Lit|{{G|175|182ff}}}} ein inneres Erlebnis, das ihm einen karmischen Zusammenhang von [[Judas Iskariot]] mit Augustinus und mit [[Leonardo da Vinci]] offenbarte. Rudolf Steiner habe ihm die Richtigkeit dieses Erlebnisses bestätigt<ref>vgl. [http://www.perseus.ch/PDF-Europaer/JG_17/JG17_2013_04_Europaer.pdf#page=9&view=Fit Der Europäer, Februar 2013 (Jg. 17 / Nr. 4), S. 9] und [http://www.perseus.ch/PDF-Europaer/JG_06/Europaer_06_2002.pdf#page=8&view=Fit Der Europäer, April 2002 (Jg. 6 / Nr. 6), S. 8] (Anm. 4)</ref>.


{{Siehe auch|Wesensglieder}}
== si enim fallor, sum ==
Augustinus bereitete schon das [[Bewusstseinsseelenzeitalter]] vor.


[[Datei:GA 317 30.6.1924.jpg|thumb|400px|Die polare Anordnung der Wesensglieder im dreigliedrigen Organismus (Tafel 7 zum Vortrag vom 30.6.1924 in Dornach)]]
<div style="margin-left:20px">
"Augustinus lebt lange vor dem Hereinbrechen
unseres Zeitalters; aber er bereitet es vor; er ist der Geist, in dessen
Schriften wir, lange vor dem Sonnenaufgang, die erste Morgenröte
des Zeitalters finden, das ganz auf die Bewußtseinsseele zugeschnitten
ist. In jeder Zeile des Augustinus ist das wahrzunehmen, und jede
Zeile des Augustinus unterscheidet sich für ein feineres Fühlen von
alledem, was im alten Griechentum möglich war." {{Lit|{{G|145|130}}}}
</div>


Die Anordnung der Wesensglieder im [[Kopf]]bereich ist gegensätzlich zur Anordnung im Stoffwechselbereich. Im [[Nerven-Sinnes-System]] liegt das [[Ich]] ganz innen, dann folgt der [[Astralleib]] und die äußere Hülle bilden der [[Ätherleib]] und der [[Physischer Leib|physische Leib]]. Im [[Stoffwechsel-Gliedmaßen-System]] ist es genau umgekehrt - da wendet sich das Ich ganz nach außen und der physische Leib bildet den innersten Kern. Das [[Rhythmisches System|rhythmische System]] vermittelt zwischen diesen beiden polaren Gegensätzen {{Lit|{{G|317|76ff}}}} ([[Heilpädagogischer Kurs]]).
Mit seinem Ausspruch „'''si enim fallor, sum'''“ ([[lat.]] ''„Wenn ich mich nämlich täusche, dann bin ich“'', [[Wikipedia:De civitate dei|De civitate dei]], XI, 26) argumentiert Augustinus, dass wenn jemand zweifelt, er ist - und nahm damit bereits das berühmte ''„[[cogito ergo sum|cogito, ergo sum]]“'' [[Descartes]] voraus.


{{GZ|Ich möchte, damit
{{Zitat|''Wenn ich mich nämlich täusche, dann bin ich.''<ref>Die berühmte Stelle, die an Descartes' „Cogito, ergo sum“ anklingt. Vgl. dazu J. Storz, Die Philosophie des hl. Augustinus [1882], 34—38, wo auch Parallelstellen angegeben sind; und H. Scholz, Glaube und Unglaube in der „Weltgeschichte [1911], 36f.</ref> Denn wer nicht ist, kann sich natürlich auch nicht täuschen; und demnach bin ich, wenn ich mich täusche. Weil ich also bin, wenn ich mich täusche, wie sollte ich mich über mein Sein irren, da es doch gewiß ist, gerade wenn ich mich irre. Also selbst wenn ich mich irrte, so müßte ich doch eben sein, um mich irren zu können, und demnach irre ich mich ohne Zweifel nicht in dem Bewußtsein, daß ich bin. Folglich täusche ich mich auch darin nicht, daß ich um dieses mein Bewußtsein weiß. Denn so gut ich weiß, daß ich bin, weiß ich eben auch, daß ich weiß.<ref>im lateinischen Original: „si enim fallor, sum. nam qui non est, utique nec falli potest: ac per hoc sum, si fallor. quia sum ergo, si fallor, quomodo esse me fallor, quando certum est me esse, si fallor? quia igitur essem qui fallerer, etiamsi fallerer, procul dubio in eo, quod me noui esse, non fallor. consequens est autem, ut etiam in eo, quod me noui nosse, non fallar. sicut enim noui esse me, ita noui etiam hoc ipsum, nosse me.“</ref>|Augustinus|''Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (De civitate dei)'', [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1929-25.htm XI, 26]}}
das alles deutlich wird, in der folgenden Zeichnung die Ich-Organisation
immer rot zeichnen. Ich möchte dann die astralische Organisation
mit diesem Violett zeichnen, möchte dann die Ätherorganisation
in diesem Gelb zeichnen, und möchte die physische Organisation
in diesem Weiß zeichnen. Wollen wir also heute dasjenige, was für uns
in Betracht kommt, ganz genau einmal festhalten, wollen wir uns bemühen,
die Sache genau ins Auge zu fassen. Es ist nämlich nicht so in
der menschlichen Organisation, daß wir sagen können: Da ist die Ich-Organisation, da ist die astralische Organisation, da ist die Ätherorganisation
und so weiter -, sondern die Sache ist so: Stellen Sie sich
einmal vor eine Wesenheit, welche so organisiert ist, daß die Ich-Organisation zunächst außen liegt; daß dann weiter nach innen die
Astralorganisation liegt, dann die Ätherorganisation kommt, und dann
die physische Organisation. So daß wir also gewissermaßen hier ein
Wesen haben, das seine Ich-Organisation nach außen präsentiert, weiter
nach innen drängt die Astralorganisation, weiter nach innen die
Ätherorganisation und am weitesten nach innen drängt die physische
Organisation (siehe Tafel 7, Mitte).


Stellen wir daneben eine andere Anordnung, wo wir hatten die Ich-
Ähnlich argumentierte Augustinus auch in [[Wikipedia:De Trinitate|De Trinitate]] X, 10.
Organisation ganz im Innern, nach außen gewissermaßen strahlend die
Astralorganisation, noch weiter nach außen die Ätherorganisation, und
noch weiter nach außen die physische Organisation (siehe Tafel 7, oben links). Sehen Sie, jetzt haben wir zwei polarisch sozusagen entgegengesetzte
Wesenheiten. Wenn Sie ansehen diese zwei polarisch einander
entgegengesetzten Wesenheiten, so können Sie sich sagen: Die zweite
Wesenheit wird nach außen eine starke physische Organisation zeigen,
in die noch die ätherische Organisation hineinspielt, dann wird mehr
nach innen verschwinden die Astral- und Ich-Organisation. - Nun
kann aber dadurch, daß das so ist, die Konfiguration etwas sich ändern.
Die Konfiguration desjenigen, was ich hier an zweiter Stelle hergezeichnet
habe, kann so sein: wir können die physische Organisation gewissermaßen
nach oben voll ausgebildet haben und nach unten offen, verkümmert.
Wir können dann die ätherische Organisation wiederum
nach unten etwas stärker als die physische Organisation ausgebildet,
aber doch noch verkümmert haben. Wir können die Astralorganisation
schon mehr nach unten ausschweifend haben und die Ich-Organisation
gewissermaßen wie eine Art von Faden nach unten gehend. Denn dasjenige,
was schematisch hier in Kugelform angeordnet ist, kann nämlich
durchaus so erscheinen (siehe Tafel 7, unten links).


Nun will ich aber die Sache noch etwas anschaulicher machen, indem
{{Zitat|Wer möchte jedoch zweifeln, daß er lebe, sich erinnere, einsehe, wolle, denke, wisse und urteile? Auch wenn man nämlich zweifelt, lebt man; wenn man zweifelt, erinnert man sich, woran man zweifelt; wenn man zweifelt, sieht man ein, daß man zweifelt; wenn man zweifelt, will man Sicherheit haben; wenn man zweifelt, denkt man; wenn man zweifelt, weiß man, daß man nicht weiß; wenn man zweifelt, urteilt man, daß man nicht voreilig seine Zustimmung geben dürfe. Wenn also jemand an allem anderen zweifelt, an all dem darf er nicht zweifeln. Wenn es diese Vorgänge nicht gäbe, könnte er überhaupt über nichts zweifeln.<ref>Jedermann sieht die Verwandtschaft mit Gedankengängen Descartes’. Vgl. Gilson a. a. O. 427―445.</ref>|Augustinus|''Fünfzehn Bücher über die Dreieinigkeit (De Trinitate)'' [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel2676-9.htm X, 10]}}
ich diese Ich-Organisation hier Ihnen so zeichne, darauf die Astralorganisation,
die Ätherorganisation und die physische Organisation.
Und jetzt wollen wir anschließen das andere Wesen. Dieses andere
Wesen wollen wir so anschließen, daß wir zunächst die Ich-Organisation,
die hier außen ist, etwas konfiguriert sein lassen; also statt daß
ich einen Kreis gezogen habe, habe ich den Kreis etwas konfiguriert
sein lassen. So ist es ja immer in den Bildsamkeiten des Naturwesens,
des Weltwesens überhaupt, daß dasjenige, was kugelig, was kreisig ist,
sich in verschiedener Weise konfiguriert. Weiter nach innen habe ich
jetzt an die Ich-Organisation anzuschließen die Astralorganisation,
noch weiter nach innen die Ätherorganisation und endlich ganz nach
innen geschlagen die physische Organisation (siehe Tafel 7, rechts).
Und Sie haben das eine, erste Wesen, in den Kopf des Menschen
verwandelt. Sie haben das zweite Wesen in das Stoffwechsel-Gliedmaßenwesen
des Menschen verwandelt. Und, in der Tat, in Wirklichkeit
ist es so, daß wir in der Kopforganisation des Menschen dasjenige
haben, wo das Ich sich im Innern verbirgt, der Astralleib auch noch
verhältnismäßig sich im Innern verbirgt, und nach außen konfiguriert
der physische Leib und der Ätherleib auftreten und die Form geben des
Antlitzes.


Dagegen im Stoffwechsel-Gliedmaßensystem haben Sie die Sache
{{GZ|Bei Augustinus ist das Neue wie eine Rückerinnerung
so, daß eigentlich überall außen in der Wärme- und Drucksinnlichkeit
an das griechische Gedankenleben. Er blickt
des Organismus, überall außen vibriert das Ich, und vom Ich ausgehend
um sich und in sich und sagt sich: Mag alles nur Ungewisses
vibriert nach innen der Astralleib, dann weiter drinnen wird es ätherisch,
und Täuschung geben, was sonst die Welt offenbart, -
und in den Röhrenknochen wird es physisch nach innen.
an einem ist nicht zu zweifeln: an der Gewißheit des seelischen
So daß wir zentrifugal, vom Ich zum physischen Leibe nach außen,
Erlebens selbst. Das wird mir durch keine Wahrnehmung
die Anordnung in der Kopforganisation haben, zentripetal, von außen
zuteil, die mich täuschen kann; in diesem bin
nach innen, vom Ich bis zum Physischen, die Stoffwechsel-Gliedmaßenorganisation
ich selbst darinnen; es ist, denn ich bin dabei, indem ihm
angeordnet haben. Und fortwährend durcheinanderflutend,
sein Sein zugeschrieben wird.
so daß man gar nicht weiß: ist das von außen nach innen oder
von innen nach außen, so ist die Anordnung im rhythmischen System
dazwischen. Das rhythmische System ist halb Kopf, halb Stoffwechsel-Gliedmaßensystem. Wenn wir einatmen, ist es mehr Stoffwechsel-Gliedmaßensystem, wenn wir ausatmen ist es mehr Kopfsystem. So
daß zwischen Systole und Diastole die Sache so verläuft, daß man
sagen kann: Kopfsystem-Gliedmaßensystem &#61; Ausatmung-Einatmung.
Nun sehen Sie also, daß wir, vermittelt durch den mittleren Teil
des rhythmischen Organismus, eigentlich zwei vollständig polarisch
entgegengesetzte Wesenheiten in uns tragen. Was folgt daraus? Daraus
folgt etwas außerordentlich wichtiges.


Denken Sie sich, wir nehmen etwas auf durch unseren Kopf, wie bei
Man kann in diesen Vorstellungen etwas Neues gegenüber
der Vermittlung durch die Sprache des andern, nehmen etwas auf mit
dem griechischen Gedankenleben erblicken, trotzdem
dem Kopf, so geht das zunächst in das Ich hinein, in den Astralleib.
sie zunächst einer Rückerinnerung an dasselbe gleichen.
Aber die Dinge stehen im Organismus in Wechselwirkung, und in dem
Das griechische Denken deutet auf die Seele; bei
Augenblicke, wo etwas hier angeschlagen wird, durch einen Eindruck
Augustinus wird auf den Mittelpunkt des Seelenlebens
in der einen Ich-Organisation, vibriert das auch in die andere Ich-Organisation, und in dem Augenblick, wo etwas in die eine astralische
gewiesen. Die griechischen Denker betrachten die Seele
Organisation einschlägt, vibriert das auch durch in die andere astralische
in ihrem Verhältnis zur Welt; bei Augustinus stellt sich
Organisation. Wenn das nicht wäre, meine lieben Freunde,
dem Seelenleben etwas in demselben gegenüber und betrachtet
hätten wir kein Gedächtnis, denn alle Eindrücke, die wir von der
dieses Seelenleben als eine besondere, in sich geschlossene
Außenwelt bekommen, haben ihre Spiegelbilder in der Stoffwechsel-Gliedmaßenorganisation; und habe ich einen Eindruck von außen, so
Welt. Man kann den Mittelpunkt des Seelenlebens
verschwindet er von der Kopforganisation, die vom Physischen nach
das «Ich» des Menschen nennen. Den griechischen
dem Ich hinein zentripetal angeordnet ist. Das Ich muß sich aufrecht
Denkern wird das Verhältnis der Seele zur Welt zum
erhalten, das kann nicht einen einzigen Eindruck stundenlang haben,
Rätsel; den neueren Denkern das Verhältnis des «Ich»
sonst würde es identisch werden mit dem Eindruck. Aber unten bleiben
zur Seele. Bei Augustinus kündigt sich das erst an; die
die Eindrücke, und da müssen sie wieder herauf, wenn erinnert wird.|317|76ff}}
folgenden Weltanschauungsbestrebungen haben noch zu
viel zu tun, um Weltanschauung und Religion in Einklang zu bringen, als daß das Neue, das jetzt in das Geistesleben
hereingetreten ist, ihnen schon deutlich zum Bewußtsein
käme. Und doch lebt in der Folgezeit, den Seelen
mehr oder weniger unbewußt, das Bestreben, die Welträtsel
so zu betrachten, wie es das neue Element fordert.|18|91}}


==Literatur==
Gerade in der Tatsache, ''dass wir existieren, dass wir von unserem Sein wissen und dieses Sein und Wissen lieben'', sah Augustinus den Menschen als - zwar nicht als ebenbürtiges und gleich ewiges - [[Abbild Gottes]] in seiner [[Trinität|dreifältigen Gestalt]]. Entsprechend heißt es in ''[[Wikipedia:De civitate dei|De civitate dei]]'', XI, 26 auch einleitend:
* [[Rudolf Steiner]]: ''Von Seelenrätseln'', [[GA 21]] (1983), ISBN 3-7274-0210-5; '''Tb 637''', ISBN 978-3-7274-6370-9 {{Schriften|021}}
 
* [[Rudolf Steiner]]: ''Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik'', [[GA 293]] (1992), ISBN 3-7274-2930-5 {{Vorträge|293}}
{{Zitat|Und auch in uns selbst erkennen wir ein Abbild Gottes, d. h. jener höchsten Dreifaltigkeit, freilich nicht ein ebenbürtiges, vielmehr eines, das sehr weit zurückbleibt, auch nicht ein gleichewiges und — womit in Kürze alles gesagt ist — nicht ein Abbild, das von gleicher Wesenheit wäre wie Gott, doch immerhin eines von der Art, daß unter den von Gott geschaffenen Dingen ihm nichts der Natur nach näher steht, wie es denn durch Verbesserung noch vervollkommnet werden soll, damit es ihm an Ähnlichkeit ganz nahe komme. Nämlich wir existieren, wir wissen um unser Sein, und wir lieben dieses Sein und Wissen. Und in diesen drei Stücken beunruhigt uns keine Möglichkeit einer Täuschung durch den bloßen Schein der Wahrheit. Denn wir erfassen sie nicht wie die Dinge außer uns mit irgendeinem leiblichen Sinn, wie wir die Farben durch Schauen, die Töne durch Hören, die Düfte durch Riechen, die Gegenstände des Geschmackssinnes durch Schmecken, Hartes und Weiches durch Befühlen sinnlich wahrnehmen, von welchen Sinnesobjekten wir auch Bilder<ref>Eindrücke</ref>, die ihnen ganz ähnlich, aber nicht mehr körperhaft sind, in Gedanken herumtragen, in der Erinnerung festhalten und durch sie zum Verlangen danach angereizt werden; sondern ohne daß sich irgendwie eine trügerische Vorspiegelung der Phantasie und ihrer Gebilde geltend machen könnte, steht mir durchaus fest, daß ich bin, daß ich das weiß und es liebe. In diesen Stücken fürchte ich durchaus nicht die Einwendungen der Akademiker<ref>d. i. der Anhänger der sog. mittleren Akademie [3. und 2. Jahrh. v. Chr.], die dem Skeptizismus huldigte, ausgehend von der Tatsache, daß es Sinnestäuschungen gibt; das Selbstbewußtsein beruht nicht auf äußerer Wahrnehmung wie die durch die Sinne vermittelten Erkenntnisse, sondern auf unmittelbarem Erfassen des eigenen Seins, Erkennens und Strebens.</ref>, die da entgegenhalten: Wie aber, wenn du dich täuschest? ''Wenn ich mich nämlich täusche, dann bin ich.''|Augustinus|''De civitate dei'', [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1929-25.htm XI, 26]}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Heilpädagogischer Kurs'', [[GA 317]] (1995), ISBN 3-7274-3171-7 {{Vorträge|317}}
 
* [[Wolfgang Schad]]: ''Säugetiere und Mensch: Ihre Gestaltbiologie in Raum und Zeit'', Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2012, ISBN 978-3772511509
== Illiuminationslehre ==
* [[Joachim Stiller]]: [http://joachimstiller.de/download/zahlenmystik_dreigliederung_menschlicher_organismus.pdf Die Dreigliederung des menschen Organismus] PDF
 
* Lothar Vogel: ''Der dreigliedrige Mensch: Morphologische Grundlagen einer allgemeinen Menschenkunde'', 4. Auflage, Verlag am Goetheanum, Dornach 2005, ISBN 978-3723512302
{{Hauptartikel|Illuminationslehre}}
 
Die von [[Augustinus]] vertretene Illuminationslehre, die später in der [[Scholastik]] von [[Bonaventura]] systematisch ausgearbeitet wurde, hat ihren Ursprung in der [[Ideenlehre]] [[Platon]]s, wie sie dieser in seiner [[Wikipedia:Politeia|Politeia]] in dem berühmten [[Höhlengleichnis]] und vorbereitend schon in dem [[Sonnengleichnis]] veranschaulicht hat. Die [[Erkenntnis]] der [[Wahrheit]] ist demnach nur möglich durch das höchste geistige Licht des [[Das Gute|Guten]], das die Seele erleuchtet, so wie die sinnlichen [[Ding]]e nur durch das [[Licht]] der [[Sonne]] sichtbar werden. Für [[Plotin]] und den an ihn anknüpfenden [[Neuplatonismus]] war die Quelle dieses geistigen Lichts „[[Das Eine]]“, das Augustinus im [[christlich]]en Sinn mit [[Gott]] gleichsetzte. Gott selbst ist die ewige Wahrheit, in dessen [[Geist]] die [[Ewigkeit|ewigen]] [[Idee]]n leben, aus denen er die sichtbare und unsichtbare [[Welt]] geschaffen hat. Der göttliche Weltgeist (''mundus intelligibilis'') strahlt diese Ideen aus und erleuchtet dadurch unmittelbar die menschliche [[Seele]], die, anders als sein [[Materie|materieller]] [[Leib]], als Ebenbild Gottes  ([[imago dei]]) geschaffen sei.
 
Nicht nur die Gotteserkenntnis, sondern auch die [[Allgemeinbegriff]]e werden dem Menschen durch eine höhere, über die [[Seele]] und den [[Intellekt]] hinausreichende Instanz (''„intus ipsi menti praesidentem“'') vermittelt. Der im Menschen wohnende [[Christus]] selbst ist der ''innere Lehrer'' (''„magister interior“''), der dem fragenden Menschen antwortet.
 
{{Zitat|Derjenige aber, der befragt wird, ist es, der lehrt; von ihm wird gesagt, dass er im Inneren des Menschen wohne: Christus, das ist die unveränderliche Kraft Gottes und die ewige Weisheit, die jede Vernunftseele befragt.|Augustinus|''De Magistro'' 11,38}}
 
[[Thomas von Aquin]], der sich stärker an [[Aristoteles]] orientierte, lehnte die Illuminationslehre zwar nicht vollständig ab, stand ihr aber sehr zurückhaltend gegenüber. Diese für die [[Engelhierarchien]] vollgültige Erkenntnisart sei dem [[Mensch]]en nur mehr in geringem Maß möglich, da er als unterstes aller [[Geistige Wesen|geistigen Wesen]] bereits so weit von der Quelle des göttlichen Lichts entfernt sei, dass er dadurch die Wahrheit nur mehr in ihren allgemeinsten Zügen erkennen könne. Gott habe dafür aber dem Menschen einen [[Leib]] verliehen, um aus den sinnlich wahrnehmbaren Dingen mit Hilfe der [[Vernunft]] die [[Idee]]n  herauszulösen und diese dadurch in ihrem göttlichen Ursprung zu erkennen.
 
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|Kategorie:Augustinus von Hippo}}
* {{WikipediaDE|Augustinus von Hippo}}
* {{Eisler-1912|Augustinus, Aurelius}}
 
== Literatur ==
* [[Rudolf Steiner]]: ''Aus der Bilderschrift der Apokalypse des Johannes'', [[GA 104a]] (1991), ISBN 3-7274-1045-0 {{Vorträge|104a}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Das Prinzip der spirituellen Ökonomie im Zusammenhang mit Wiederverkörperungsfragen'', [[GA 109]] (2000), ISBN 3-7274-1090-6 {{Vorträge|109}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Von Jesus zu Christus'', [[GA 131]] (1988), ISBN 3-7274-1310-7 {{Vorträge|131}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Welche Bedeutung hat die okkulte Entwicklung des Menschen für seine Hüllen (physischer Leib, Ätherleib, Astralleib) und sein Selbst?'', [[GA 145]] (2005), ISBN 3-7274-1450-2 {{Vorträge|145}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, II'', [[GA 343]] (1993), ISBN 3-7274-3430-9 {{Vorträge|343a}}


{{GA}}
{{GA}}
 
[[Kategorie:Mensch|201]]
== Einzelanchweise ==
[[Kategorie:Grundbegriffe]]  
<references/>
[[Kategorie:Soziale Dreigliederung|!]]
 
[[Kategorie:Menschlicher und sozialer Organismus im Vergleich|!]]
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[[Kategorie:Dreigliederung des menschlichen Organismus|!]]  
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[[Kategorie:Rhetoriker]]
[[Kategorie:Mystiker]]
[[Kategorie:Heiliger]]
[[Kategorie:Spätantike]]
[[Kategorie:Katholischer Theologe]]
[[Kategorie:Autor (Philosophie)]]
[[Kategorie:Augustinus|!]]
[[Kategorie:Geboren 354]]
[[Kategorie:Gestorben 430]]
[[Kategorie:Mystiker der Zeit]]
[[Kategorie:Mann]]

Version vom 23. März 2021, 20:57 Uhr

Die älteste bekannte Darstellung von Augustinus (Lateranbasilika, 6. Jahrhundert)
Sandro Botticelli, Augustinus am Schreibpult, um 1480, Florenz

Augustinus von Hippo, auch Augustinus von Thagaste, Augustin oder fälschlich Aurelius Augustinus genannt (* 13. November 354 in Thagaste, auch: Tagaste, in Numidien, heute Souk Ahras in Algerien; † 28. August 430 in Hippo Regius in Numidien, heute Annaba in Algerien) war ein christlicher Philosoph und einer der vier lateinischen Kirchenlehrer der Spätantike.

Leben

Augustinus Mutter Monica war Christin, sein Vater Patricius, ein kleiner Landeigentümer, ließ sich erst kurz vor seinem Tod 372 taufen. Von der Mutter wurde Augustinus christlich erzogen, sie ließ ihn aber nicht taufen, da die Kindertaufe damals noch nicht üblich war. Bis 370 ging Augustinus in Thagaste zur Schule und studierte ab 371 Rhetorik in Karthago. 372 gebar seine Lebensgefährtin, mit der er im ehelosen Stand zusammen lebte, den gemeinsamen Sohn Adeodatus („Der von Gott Gegebene“).

373 wandte sich Augustinus zunächst dem Manichäismus zu und wirkte ab 375 als Rhetor in Thagaste, später in Karthago, Rom und Mailand und pflegte, wie er in seinen Confessiones bekannte, einen ausschweifenden Lebenswandel. 380 wurde das Christentum von Theodosius I. als Staatsreligion proklamiert. 383 verlief Augustinus Begegnung mit dem Manichäerbischof Faustus von Mileve enttäuschend. 384 wurde Augustinus als Rhetoriklehrer nach Mailand berufen. Dort lernte er durch Bischof Ambrosius von Mailand die platonische Bibelauslegung kennen. Auf Drängen seiner Mutter, die eine standesgemäße Verlobung mit einem christlichen Mädchen aus wohlhabender Familie arrangiert hatte, verließ Augustinus 385 seine langjährige Lebensgefährtin, die nach Afrika zurückkehrte, während der gemeinsame Sohn Adeodatus bei Augustinus verblieb. Nach seinem Bekehrungserlebnis unter einem Feigenbaum ließ sich Augustinus 387 taufen.

„Als aber eine tiefe Betrachtung aus geheimem Grunde all mein Elend hervorzog und vor dem Angesichte meines Herzens sammelte, da brach ein gewaltiger Gewittersturm, den Tränen in Strömen begleiteten, in mir los. Ihm freien Lauf zu lassen, erhob ich mich und ging hinweg von Alypius; denn die Einsamkeit erschien mir geeigneter, um mich ausweinen zu können; ich ging hinweg, so weit, daß mich seine Gegenwart nicht mehr zu stören vermochte. So war ich damals und jener fühlte mit mir. Ich glaube auch, daß ich schon etwas gesagt hatte, wobei der tränenschwere Ton meiner Stimme stockte, und so erhob ich mich denn. Er blieb, wo wir uns niedergesetzt hatten, zurück, von Staunen erfüllt. Ich aber warf mich am Stamme eines Feigenbaumes nieder und ließ meinen Tränen freien Lauf, und der Quell des Auges strömte hervor, ein Opfer, das du gern empfingst, und ich sprach, zwar nicht mit denselben Worten, aber doch in dein Sinne, vieles zu dir: Du, o Herr, wie so lange? Wie lange, Herr, wirst du zürnen? Sei nicht eingedenk unserer vorigen Missetat. Denn von ihr fühlte ich mich gefesselt und stöhnte laut in kläglichem Jammer. Wie lange? Wie lange? Morgen und immer wieder morgen? Warum nicht jetzt, weshalb setzt nicht diese Stunde meiner Schande ihr Ziel?

So sprach ich und weinte bitterlich in der Zerknirschung meines Herzens. Und siehe, da hörte ich eine Stimme aus einem benachbarten Hause in singendem Tone sagen, ein Knabe oder ein Mädchen war es: Nimm und lies! Nimm und lies! Ich entfärbte mich und sann nach, ob vielleicht Kinder in irgendeinem Spiele dergleichen Worte zu singen pflegen, konnte mich aber nicht erinnern, jemals davon gehört zu haben. Da drängte ich meine Tränen zurück, stand auf und legte die gehörten Worte nicht anders, als daß ein göttlicher Befehl mir die heilige Schrift zu öffnen heiße und daß ich das erste Kapitel, auf welches mein Auge fallen würde, lesen sollte. Denn ich hatte von Antonius gehört, daß er beim Vorlesen des Evangeliums in der Kirche, zu dem er zufällig gekommen war, das Wort, das da vorgelesen wurde, als eine Ermahnung auf sich bezog: Gehe hin und verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach. Durch solche Gottesstimme sei er sogleich bekehrt worden. Und so kehrte ich eiligst zu dem Orte zurück, wo Alypius saß und wo ich bei meinem Weggehen die Schriften des Apostels Paulus zurückgelassen hatte. ich ergriff das Buch, öffnete es und las still für mich den Abschnitt, der mir zuerst in die Augen fiel: Nicht in Fressen und Saufen, nicht in Kammern und Unzucht, nicht in Hader und Neid, sondern ziehet an den Herrn Jesum Christum und wartet des Leibes, doch also, daß er nicht geil werde. Ich las nicht weiter, es war wahrlich nicht nötig, denn alsbald am Ende dieser Worte kam das Licht des Friedens über mein Herz und die Nacht des Zweifels entfloh.“

Augustinus: Confessiones 8,12[1]

395 wurde Augustinus zum Bischof von Hippo Regius bestellt und übte dieses Amt bis zu seinem Tod aus.

Rudolf Steiner über Augustinus

Ich lobe den Tanz
denn er befreit den Menschen
von der Schwere der Dinge
bindet den Vereinzelten
zu Gemeinschaft.

Ich lobe den Tanz
der alles fordert und fördert
Gesundheit und klaren Geist
und eine beschwingte Seele.

Tanz ist Verwandlung
des Raumes, der Zeit, des Menschen
der dauernd in Gefahr ist
zu zerfallen ganz Hirn
Wille oder Gefühl zu werden

Der Tanz dagegen fordert
den ganzen Menschen
der in seiner Mitte verankert ist
der nicht besessen ist
von der Begehrlichkeit
nach Menschen und Dingen
und von der Dämonie
der Verlassenheit im eigenen Ich.

Der Tanz fordert den befreiten,
den schwingenden Menschen
im Gleichgewicht aller Kräfte.

Ich lobe den Tanz.

O Mensch lerne tanzen
sonst wissen die Engel
im Himmel mit dir
nichts anzufangen.

Augustinus trug in seinem Ätherleib ein Abbild des Ätherleibs des Jesus von Nazareth.

„In den ersten Jahrhunderten nach dem Christus-Ereignis sehen wir, wie die christlichen Schriftsteller noch auf Grund mündlich überlieferter Tradition der Apostelschüler arbeiten. Sie legten Wert auf physische Überlieferung. Auf diese allein hätten aber spätere Jahrhunderte nicht bauen können. Vom 6. und 7. Jahrhundert an geschieht es nun, daß besonders hervorragenden christlichen Verkündern einverwoben wurde ein Abbild des Ätherleibes des Jesus von Nazareth. Ein solcher Mensch war Augustinus. Er hatte gewaltige Kämpfe durchzumachen in seiner Jugend. Dann aber wurde in bedeutsamer Weise in ihm wirksam der Impuls des Ätherleibes des Jesus von Nazareth, und da beginnt er erst, aus sich selbst heraus christliche Mystik zu treiben. Wir können seine Schriften eben nur in diesem Lichte verstehen.“ (Lit.:GA 104a, S. 102)

„Einer der ersten, dem die große Wohltat wurde, die dadurch der Menschheit möglich geworden ist, daß der Ätherleib des Jesus in vielen, vielen Abbildern in der geistigen Welt vorhanden war, einer der ersten war der, den man den Augustinus nennt. Als Augustinus nach seiner früheren Verkörperung wieder herunterstieg auf die Erde, da wurde ihm nicht ein beliebiger Ätherleib einverwoben, sondern in seinen Ätherleib wurde hineinverwoben ein Abbild des Ätherleibes des Jesus von Nazareth. Den Astralleib und das Ich hatte er für sich. In seinem Ätherleib hatte er ein Abbild des Jesus von Nazareth. Er mußte sich hindurcharbeiten durch die Kultur seines Ich und Astralleibes. Als er an den Ätherleib drang, da kamen ihm die großen Wahrheiten, die uns in seiner Mystik entgegentreten. Und viele Menschen des 6., 7., 8. und 9. Jahrhunderts bekamen in ihren eigenen Ätherleib einverwoben Nachbilder des Ätherleibes des Jesus von Nazareth.“ (Lit.:GA 109, S. 87)

Augustinus erkannte, dass in den vorchristlichen Religionen und Mysterien bereits das Christentum vorbereitet wurde.

„Um zu verstehen, was das Christentum ist, und was es in der Seele des heutigen Menschen sein kann und sein muß, wenn die Seele sich recht versteht, muß ein wenig darauf hingewiesen werden, wie tief in den geistigen Tatsachen der Menschheitsentwickelung die Worte eines so guten Christen begründet sind wie des Augustinus, wenn er sagt: «Was man gegenwärtig die christliche Religion nennt, bestand schon bei den Alten und fehlte nicht in den Anfängen des Menschengeschlechtes und als Christus im Fleische erschien, erhielt die wahre Religion, die schon vorher vorhanden war, den Namen der christlichen.»“ (Lit.:GA 131, S. 13)

„Schon bei Augustinus, indem er so empfand, wie ich es gestern und heute charakterisiert habe, entstand die Seelenempfindung: O, was wird es dann sein, wenn nun dasjenige die ganze Welt ergreift, was aus dem entgöttlichten Intellektualismus, aus dem entgöttlichten Römertum, in die Welt hineinströmt? Die Civitas wird eine furchtbare werden; dieser Civitas der Menschen muß entgegengestellt werden die Civitas Dei, der Gottesstaat. - Und so sehen wir auftauchen - vorher waren die Anzeichen schon da, meine lieben Freunde -, so sehen wir auftauchen ein Interesse, das gerade von den folgenden Zeiten auf religiösem Gebiete mit voller Macht ergriffen wurde, und das ein Licht wirft auf alle späteren religiösen Kämpfe in den Seelen, die gerade diese religiösen Kämpfe am tiefsten erfühlt haben. Es taucht bereits bei Augustinus die Frage auf: Wie retten wir das Moralische gegenüber dem äußerlichen Gesetzeshaften? Wie retten wir die Moral, die gottdurchtränkte Moral, wie retten wir sie? Im Römertum kann sie sich nicht ausbreiten. - Das ist das Streben nach Verinnerlichung, das wir in den Bekenntnissen, den Konfessionen des Augustinus finden, wenn wir sie richtig durchdringen.“ (Lit.:GA 343a, S. 280f)

Friedrich Rittelmeyer hatte nach einer von Madlen Hauser überlieferten Aussage während eines Vortrags von Rudolf Steiner am 3. April 1917 in Berlin (Lit.: GA 175, S. 182ff) ein inneres Erlebnis, das ihm einen karmischen Zusammenhang von Judas Iskariot mit Augustinus und mit Leonardo da Vinci offenbarte. Rudolf Steiner habe ihm die Richtigkeit dieses Erlebnisses bestätigt[2].

si enim fallor, sum

Augustinus bereitete schon das Bewusstseinsseelenzeitalter vor.

"Augustinus lebt lange vor dem Hereinbrechen unseres Zeitalters; aber er bereitet es vor; er ist der Geist, in dessen Schriften wir, lange vor dem Sonnenaufgang, die erste Morgenröte des Zeitalters finden, das ganz auf die Bewußtseinsseele zugeschnitten ist. In jeder Zeile des Augustinus ist das wahrzunehmen, und jede Zeile des Augustinus unterscheidet sich für ein feineres Fühlen von alledem, was im alten Griechentum möglich war." (Lit.: GA 145, S. 130)

Mit seinem Ausspruch „si enim fallor, sum“ (lat. „Wenn ich mich nämlich täusche, dann bin ich“, De civitate dei, XI, 26) argumentiert Augustinus, dass wenn jemand zweifelt, er ist - und nahm damit bereits das berühmte cogito, ergo sum Descartes voraus.

Wenn ich mich nämlich täusche, dann bin ich.[3] Denn wer nicht ist, kann sich natürlich auch nicht täuschen; und demnach bin ich, wenn ich mich täusche. Weil ich also bin, wenn ich mich täusche, wie sollte ich mich über mein Sein irren, da es doch gewiß ist, gerade wenn ich mich irre. Also selbst wenn ich mich irrte, so müßte ich doch eben sein, um mich irren zu können, und demnach irre ich mich ohne Zweifel nicht in dem Bewußtsein, daß ich bin. Folglich täusche ich mich auch darin nicht, daß ich um dieses mein Bewußtsein weiß. Denn so gut ich weiß, daß ich bin, weiß ich eben auch, daß ich weiß.[4]

Augustinus: Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (De civitate dei), XI, 26

Ähnlich argumentierte Augustinus auch in De Trinitate X, 10.

„Wer möchte jedoch zweifeln, daß er lebe, sich erinnere, einsehe, wolle, denke, wisse und urteile? Auch wenn man nämlich zweifelt, lebt man; wenn man zweifelt, erinnert man sich, woran man zweifelt; wenn man zweifelt, sieht man ein, daß man zweifelt; wenn man zweifelt, will man Sicherheit haben; wenn man zweifelt, denkt man; wenn man zweifelt, weiß man, daß man nicht weiß; wenn man zweifelt, urteilt man, daß man nicht voreilig seine Zustimmung geben dürfe. Wenn also jemand an allem anderen zweifelt, an all dem darf er nicht zweifeln. Wenn es diese Vorgänge nicht gäbe, könnte er überhaupt über nichts zweifeln.[5]

Augustinus: Fünfzehn Bücher über die Dreieinigkeit (De Trinitate) X, 10

„Bei Augustinus ist das Neue wie eine Rückerinnerung an das griechische Gedankenleben. Er blickt um sich und in sich und sagt sich: Mag alles nur Ungewisses und Täuschung geben, was sonst die Welt offenbart, - an einem ist nicht zu zweifeln: an der Gewißheit des seelischen Erlebens selbst. Das wird mir durch keine Wahrnehmung zuteil, die mich täuschen kann; in diesem bin ich selbst darinnen; es ist, denn ich bin dabei, indem ihm sein Sein zugeschrieben wird.

Man kann in diesen Vorstellungen etwas Neues gegenüber dem griechischen Gedankenleben erblicken, trotzdem sie zunächst einer Rückerinnerung an dasselbe gleichen. Das griechische Denken deutet auf die Seele; bei Augustinus wird auf den Mittelpunkt des Seelenlebens gewiesen. Die griechischen Denker betrachten die Seele in ihrem Verhältnis zur Welt; bei Augustinus stellt sich dem Seelenleben etwas in demselben gegenüber und betrachtet dieses Seelenleben als eine besondere, in sich geschlossene Welt. Man kann den Mittelpunkt des Seelenlebens das «Ich» des Menschen nennen. Den griechischen Denkern wird das Verhältnis der Seele zur Welt zum Rätsel; den neueren Denkern das Verhältnis des «Ich» zur Seele. Bei Augustinus kündigt sich das erst an; die folgenden Weltanschauungsbestrebungen haben noch zu viel zu tun, um Weltanschauung und Religion in Einklang zu bringen, als daß das Neue, das jetzt in das Geistesleben hereingetreten ist, ihnen schon deutlich zum Bewußtsein käme. Und doch lebt in der Folgezeit, den Seelen mehr oder weniger unbewußt, das Bestreben, die Welträtsel so zu betrachten, wie es das neue Element fordert.“ (Lit.:GA 18, S. 91)

Gerade in der Tatsache, dass wir existieren, dass wir von unserem Sein wissen und dieses Sein und Wissen lieben, sah Augustinus den Menschen als - zwar nicht als ebenbürtiges und gleich ewiges - Abbild Gottes in seiner dreifältigen Gestalt. Entsprechend heißt es in De civitate dei, XI, 26 auch einleitend:

„Und auch in uns selbst erkennen wir ein Abbild Gottes, d. h. jener höchsten Dreifaltigkeit, freilich nicht ein ebenbürtiges, vielmehr eines, das sehr weit zurückbleibt, auch nicht ein gleichewiges und — womit in Kürze alles gesagt ist — nicht ein Abbild, das von gleicher Wesenheit wäre wie Gott, doch immerhin eines von der Art, daß unter den von Gott geschaffenen Dingen ihm nichts der Natur nach näher steht, wie es denn durch Verbesserung noch vervollkommnet werden soll, damit es ihm an Ähnlichkeit ganz nahe komme. Nämlich wir existieren, wir wissen um unser Sein, und wir lieben dieses Sein und Wissen. Und in diesen drei Stücken beunruhigt uns keine Möglichkeit einer Täuschung durch den bloßen Schein der Wahrheit. Denn wir erfassen sie nicht wie die Dinge außer uns mit irgendeinem leiblichen Sinn, wie wir die Farben durch Schauen, die Töne durch Hören, die Düfte durch Riechen, die Gegenstände des Geschmackssinnes durch Schmecken, Hartes und Weiches durch Befühlen sinnlich wahrnehmen, von welchen Sinnesobjekten wir auch Bilder[6], die ihnen ganz ähnlich, aber nicht mehr körperhaft sind, in Gedanken herumtragen, in der Erinnerung festhalten und durch sie zum Verlangen danach angereizt werden; sondern ohne daß sich irgendwie eine trügerische Vorspiegelung der Phantasie und ihrer Gebilde geltend machen könnte, steht mir durchaus fest, daß ich bin, daß ich das weiß und es liebe. In diesen Stücken fürchte ich durchaus nicht die Einwendungen der Akademiker[7], die da entgegenhalten: Wie aber, wenn du dich täuschest? Wenn ich mich nämlich täusche, dann bin ich.

Augustinus: De civitate dei, XI, 26

Illiuminationslehre

Hauptartikel: Illuminationslehre

Die von Augustinus vertretene Illuminationslehre, die später in der Scholastik von Bonaventura systematisch ausgearbeitet wurde, hat ihren Ursprung in der Ideenlehre Platons, wie sie dieser in seiner Politeia in dem berühmten Höhlengleichnis und vorbereitend schon in dem Sonnengleichnis veranschaulicht hat. Die Erkenntnis der Wahrheit ist demnach nur möglich durch das höchste geistige Licht des Guten, das die Seele erleuchtet, so wie die sinnlichen Dinge nur durch das Licht der Sonne sichtbar werden. Für Plotin und den an ihn anknüpfenden Neuplatonismus war die Quelle dieses geistigen Lichts „Das Eine“, das Augustinus im christlichen Sinn mit Gott gleichsetzte. Gott selbst ist die ewige Wahrheit, in dessen Geist die ewigen Ideen leben, aus denen er die sichtbare und unsichtbare Welt geschaffen hat. Der göttliche Weltgeist (mundus intelligibilis) strahlt diese Ideen aus und erleuchtet dadurch unmittelbar die menschliche Seele, die, anders als sein materieller Leib, als Ebenbild Gottes (imago dei) geschaffen sei.

Nicht nur die Gotteserkenntnis, sondern auch die Allgemeinbegriffe werden dem Menschen durch eine höhere, über die Seele und den Intellekt hinausreichende Instanz („intus ipsi menti praesidentem“) vermittelt. Der im Menschen wohnende Christus selbst ist der innere Lehrer („magister interior“), der dem fragenden Menschen antwortet.

„Derjenige aber, der befragt wird, ist es, der lehrt; von ihm wird gesagt, dass er im Inneren des Menschen wohne: Christus, das ist die unveränderliche Kraft Gottes und die ewige Weisheit, die jede Vernunftseele befragt.“

Augustinus: De Magistro 11,38

Thomas von Aquin, der sich stärker an Aristoteles orientierte, lehnte die Illuminationslehre zwar nicht vollständig ab, stand ihr aber sehr zurückhaltend gegenüber. Diese für die Engelhierarchien vollgültige Erkenntnisart sei dem Menschen nur mehr in geringem Maß möglich, da er als unterstes aller geistigen Wesen bereits so weit von der Quelle des göttlichen Lichts entfernt sei, dass er dadurch die Wahrheit nur mehr in ihren allgemeinsten Zügen erkennen könne. Gott habe dafür aber dem Menschen einen Leib verliehen, um aus den sinnlich wahrnehmbaren Dingen mit Hilfe der Vernunft die Ideen herauszulösen und diese dadurch in ihrem göttlichen Ursprung zu erkennen.

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelanchweise

  1. Augustinus, Otto F. Lachmann (Übers.): Die Bekenntnisse des heiligen Augustinus, Reclam Verlag, Leipzig 1920
  2. vgl. Der Europäer, Februar 2013 (Jg. 17 / Nr. 4), S. 9 und Der Europäer, April 2002 (Jg. 6 / Nr. 6), S. 8 (Anm. 4)
  3. Die berühmte Stelle, die an Descartes' „Cogito, ergo sum“ anklingt. Vgl. dazu J. Storz, Die Philosophie des hl. Augustinus [1882], 34—38, wo auch Parallelstellen angegeben sind; und H. Scholz, Glaube und Unglaube in der „Weltgeschichte [1911], 36f.
  4. im lateinischen Original: „si enim fallor, sum. nam qui non est, utique nec falli potest: ac per hoc sum, si fallor. quia sum ergo, si fallor, quomodo esse me fallor, quando certum est me esse, si fallor? quia igitur essem qui fallerer, etiamsi fallerer, procul dubio in eo, quod me noui esse, non fallor. consequens est autem, ut etiam in eo, quod me noui nosse, non fallar. sicut enim noui esse me, ita noui etiam hoc ipsum, nosse me.“
  5. Jedermann sieht die Verwandtschaft mit Gedankengängen Descartes’. Vgl. Gilson a. a. O. 427―445.
  6. Eindrücke
  7. d. i. der Anhänger der sog. mittleren Akademie [3. und 2. Jahrh. v. Chr.], die dem Skeptizismus huldigte, ausgehend von der Tatsache, daß es Sinnestäuschungen gibt; das Selbstbewußtsein beruht nicht auf äußerer Wahrnehmung wie die durch die Sinne vermittelten Erkenntnisse, sondern auf unmittelbarem Erfassen des eigenen Seins, Erkennens und Strebens.