Ernst Haeckel und Tierpflanzenreich: Unterschied zwischen den Seiten

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'''Ernst Heinrich Philipp August Haeckel''' (* [[Wikipedia:16. Februar|16. Februar]] [[Wikipedia:1834|1834]] in [[Wikipedia:Potsdam|Potsdam]]; † [[Wikipedia:9. August|9. August]] [[Wikipedia:1919|1919]] in [[Wikipedia:Jena|Jena]]) war ein [[Wikipedia:Deutschland|deutscher]] [[Wikipedia:Zoologe|Zoologe]], [[Philosoph]] und [[Wikipedia:Freidenker|Freidenker]], der die Arbeiten von [[Charles Darwin]] in Deutschland bekannt machte und zu einer speziellen [[Abstammung]]slehre ausbaute. Im Rahmen seiner Auseinandersetzungen mit der Übertragbarkeit rassischer Kategorien auf die gesellschaftliche Entwicklung des Menschen zählt Haeckel – hier klarer Gegner seines Lehrers Virchow – zu den schließlich entschiedenen Vertretern einer „eugenischen“ Sozialpolitik.<ref>Gunter Mann: ''Biologismus – Vorstufen und Elemente einer Medizin im NS''. In: J. Bleker et al.: (Hg.): ''Medizin im „Dritten Reich“'', Köln 1993, S. 25 ff.</ref>
 
Haeckel war [[Wikipedia:Arzt|Arzt]], später Professor für [[Wikipedia:vergleichende Anatomie|vergleichende Anatomie]]. Er prägte einige heute geläufige Begriffe der [[Wikipedia:Biologie|Biologie]] wie ''[[Wikipedia:Stamm (Systematik)|Stamm]]'' oder ''[[Wikipedia:Ökologie|Ökologie]]''. Auch bezeichnete Haeckel die [[Wikipedia:Politik|Politik]] als angewandte Biologie.<ref>Richard Langton Gregory: ''The Oxford companion to the mind'', Oxford University Press, 2004, S. 385; Heinz Brücher, Karl Astel: ''Ernst Haeckels Bluts- und Geisteserbe: eine kulturbiologische Monographie'', J. F. Lehmann, 1936, S. 9.</ref> Ernst Haeckel vertrat einen [[Monismus]] auf naturwissenschaftlicher Grundlage (''Entwicklungs-Monismus'') und gründete am 11. Januar 1906 den [[Deutscher Monistenbund|Deutschen Monistenbund]] in [[Wikipedia:Jena|Jena]].
 
Haeckel trug durch seine populären Schriften sehr zur Verbreitung des [[Darwinismus]] in Deutschland bei. Darüber hinaus erarbeitete er eine ausführliche [[Embryologie|embryologische]] Argumentation für die Evolutionstheorie und formulierte in diesem Zusammenhang das [[Biogenetische Grundregel|biogenetische Grundgesetz]]. Er gilt als Wegbereiter der [[Eugenik|Eugenik und Rassenhygiene]], weil er fortschrittsoptimistisch von der Evolution eine Höherentwicklung und keine „Degeneration“ erwartete. Der Deutsche Monistenbund wurde wie auch andere [[Wikipedia:Freidenker|Freidenker]]organisationen 1933 von den [[Wikipedia:Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] verboten. Nationalsozialistische Ideologen zogen Ausschnitte seiner Aussagen später als Begründung für ihren [[Rassismus]] und [[Wikipedia:Sozialdarwinismus|Sozialdarwinismus]] heran, erklärten gleichzeitig aber wesentliche Teile von Haeckels Weltbild als unvereinbar mit der [[Wikipedia:Völkische Bewegung|völkisch]]-biologischen Sichtweise des Nationalsozialismus.<ref>R. J. Richards: ''The tragic sense of life: Ernst Haeckel and the struggle over evolutionary thought.'' The University of Chicago Press (2008) S. 446.</ref>
 
== Leben ==
[[Datei:ErnstHaeckel.jpg|miniatur|Ernst Haeckel]]
=== Kindheit und Jugend ===
Ernst Haeckel wurde 1834 als zweiter Sohn des Regierungsrates Philipp August Haeckel und seiner Frau Charlotte, geb. Sethe, die aus einer Juristenfamilie stammte, in Potsdam geboren. Ein Jahr nach Haeckels Geburt zog die Familie nach [[Wikipedia:Merseburg|Merseburg]], einer Regierungsbezirkshauptstadt in der [[Wikipedia:Provinz Sachsen|Provinz Sachsen]], wo er das örtliche Domgymnasium besuchte. Durch die naturwissenschaftlichen Interessen seines Vaters und die gezielte Förderung seines Lehrers Otto Gandters kam Haeckel früh mit den Schriften von [[Wikipedia:Matthias Jacob Schleiden|Matthias Jacob Schleiden]], [[Wikipedia:Alexander von Humboldt|Alexander von Humboldt]] und [[Charles Darwin]] in Kontakt. Einer autobiographischen Skizze zufolge war insbesondere die Reiseliteratur Humboldts und Darwins entscheidend für Haeckels spätere Berufswahl.<ref>''Biographische Notizen'', 3, Haeckel Papers, Haeckel-Haus, Jena</ref>
 
=== Studium ===
Nach dem Abitur 1852 nahm Haeckel das Studium der Medizin in [[Wikipedia:Humboldt-Universität zu Berlin|Berlin]] auf, wechselte jedoch auf Drängen seines Vaters noch im gleichen Jahr an die [[Wikipedia:Julius-Maximilians-Universität Würzburg|Universität Würzburg]], deren medizinische Fakultät aufgrund der Professoren [[Wikipedia:Albert von Kölliker|Albert von Kölliker]], [[Wikipedia:Franz von Leydig|Franz von Leydig]] und [[Wikipedia:Rudolf Virchow|Rudolf Virchow]] einen hervorragenden Ruf besaß. Die von Virchow entworfene [[Wikipedia:Zellularpathologie|Zellularpathologie]] wurde zu einem entscheidenden Element in Haeckels Denken (eine persönliche Freundschaft entwickelte sich zwischen Haeckel und Virchow aber nie). In bewusster Abgrenzung zur [[Idealismus (Philosophie)|idealistischen]] [[Naturphilosophie]] erklärte Virchow, dass sich alle körperlichen Funktionen durch die Interaktion der Zellen erklären ließen. Diesen Ansatz fasste Haeckel als offensiv [[Materialismus|materialistisch]] auf, da er ohne die Annahme einer immateriellen [[Lebenskraft]] auskam und den Körper [[Mechanistisches Weltbild|mechanistisch]] durch seine Zusammensetzung erklärte. Haeckel war begeistert von Virchows empirischen Erklärungsansätzen, sah in ihnen jedoch zugleich eine Gefahr für seinen Glauben. In einem 1856 verfassten Brief an seine Tante Bertha erklärte Haeckel, dass man zwischen den Bereichen des Wissens und des Glaubens unterscheiden müsse, da auch die erfolgreichsten wissenschaftlichen Erklärungen an ihre Grenzen stießen. An dieser Grenze beginne der christliche Glaube.<ref> Ernst Haeckel: ''Briefe an die Eltern''. K. F. Koehler, Leipzig 1921, S. 177 f. </ref>
 
=== Reise nach Italien ===
Nach dem Abschluss seines Medizinstudiums im März 1858 plante Haeckel die Habilitation bei dem Physiologen und Meeresbiologen [[Johannes Peter Müller|Johannes Müller]]. Der überraschende und von Haeckel als [[Wikipedia:Suizid|Suizid]] interpretierte Tod Müllers zwang Haeckel zur Änderung seiner Pläne. [[Wikipedia:Carl Gegenbaur|Carl Gegenbaur]], ein Freund aus Würzburg und neu berufener Professor in Jena, schlug Haeckel eine gemeinsame Italienfahrt vor, die gleichermaßen dem Ideal einer [[Wikipedia:Forschungsreise|Bildungsreise]] und der Vorbereitung der Habilitation dienen sollte. Haeckel sagte zu, musste jedoch letztlich ohne den erkrankten Gegenbaur aufbrechen. Der erste Teil seiner Reise gestaltete sich nicht besonders erfolgreich. Von der religiösen Kunst, den Prozessionen und dem Papsttum abgestoßen, schrieb Haeckel an seine Verlobte Anna Sethe, dass er bei einem längeren Aufenthalt in Rom sicherlich zum Heiden werde.<ref>Ernst Haeckel: Italienfahrt: Briefe an die Braut, K. F. Koehler, Leipzig 1921, S. 8.</ref> Auch der Aufenthalt am [[Wikipedia:Golf von Neapel|Golf von Neapel]] war zunächst von Rückschlägen bestimmt, und Haeckel wandte sich unter dem Einfluss [[Wikipedia:Hermann Allmers|Hermann Allmers]] der Kunst zu. Erst im November 1859 beschloss Haeckel, sich den [[Wikipedia:Strahlentierchen|Radiolarien]] zu widmen, einer Gruppe von einzelligen Tieren, an denen Johannes Müller unmittelbar vor seinem Tod gearbeitet hatte. In kurzer Zeit sammelte Haeckel 101 neue Arten.
 
=== Professur, Reisen, politische Tätigkeit ===
1861 wurde Haeckel mit der Schrift ''De Rizopodum finibus et ordinibus'' habilitiert. 1862 hielt er die erste Vorlesung über die Entstehung der Arten. 1865 erhielt er die Ehrendoktorwürde in Philosophie und eine Professur für Zoologie in Jena, die damals zur Philosophischen Fakultät gehörte.
 
1866 bis 1867 unternahm Haeckel eine Reise zu den [[Wikipedia:Kanarische Inseln|Kanarischen Inseln]] und nahm dort an der winterlichen Erstbesteigung des [[Teide]] teil. In dieser Zeit traf Haeckel mit [[Charles Darwin]], [[Wikipedia:Thomas Huxley|Thomas Huxley]] und [[Wikipedia:Charles Lyell|Charles Lyell]] zusammen.
 
Nach dem Tod seiner Frau Anna im Jahr 1864 heirateten 1867 Haeckel und Agnes Huschke, die Tochter des Anatomen, Zoologen und Embryologen [[Wikipedia:Emil Huschke|Emil Huschke]] (1797–1858). Aus dieser Ehe stammten drei Kinder: Der Sohn [[Wikipedia:Walter Haeckel|Walter]] wurde 1868, die Tochter Elisabeth 1871 und die Tochter Emma 1873 geboren.
 
1869 reiste er nach [[Wikipedia:Norwegen|Norwegen]], 1871 nach [[Wikipedia:Dalmatien|Dalmatien]], 1873 nach [[Wikipedia:Ägypten|Ägypten]], in die [[Wikipedia:Türkei|Türkei]] und nach [[Wikipedia:Griechenland|Griechenland]].
 
Von 1876 an war Haeckel [[Wikipedia:Prorektor|Prorektor]] der [[Wikipedia:Universität Jena|Universität Jena]] und unternahm Vortragsreisen durch Deutschland.
Bis 1879 folgten mehrere Reisen nach England und Schottland, in deren Verlauf es zu weiteren Begegnungen mit [[Charles Darwin]] kam, sowie eine Reise nach [[Wikipedia:Korfu|Korfu]].
 
Von 1881 bis 1882 bereiste Haeckel erstmals die Tropen, unter anderem auch die Insel [[Wikipedia:Sri Lanka|Ceylon]].
[[Datei:Ernst Haeckel, Arbeitszimmer.jpg|miniatur|Das Arbeitszimmer in der Villa Medusa, Jena, 2007]]
1882 war Haeckel am Bau der Villa Medusa und der Einrichtung des Zoologischen Institutes der Universität Jena beteiligt, deren Prorektor er 1884 erneut wurde.
1887 reiste Haeckel nach [[Wikipedia:Palästina (Region)|Palästina]], [[Wikipedia:Syrien|Syrien]] und [[Wikipedia:Kleinasien|Kleinasien]], 1890 nach [[Wikipedia:Algerien|Algerien]], 1897 durch Süd[[Wikipedia:finnland|finnland]] und [[Wikipedia:Russland|Russland]], 1899 nach [[Wikipedia:Korsika|Korsika]] und 1900 zum zweiten Mal in die [[Wikipedia:Tropen|Tropen]]. In dieser Zeit begann auch seine Freundschaft mit [[Wikipedia:Frida von Uslar-Gleichen|Frida von Uslar-Gleichen]] (1864–1903).
 
Haeckel betätigte sich auch politisch: So war er Mitglied des [[Wikipedia:Alldeutscher Verband|Alldeutschen Verbandes]] und wurde 1905 Ehrenmitglied der [[Wikipedia:Gesellschaft für Rassenhygiene|Gesellschaft für Rassenhygiene]], ebenso war er ab 1889 Ehrenmitglied des [[Studentenverbindung|korporativen]] „Medizinischen Vereins“ der Universität Jena (heute [[Wikipedia:Landsmannschaft Rhenania zu Jena und Marburg|Landsmannschaft Rhenania zu Jena und Marburg]]).<ref>CC-Blätter 1/2007, S. 23.</ref>
 
Um seine monistische Weltanschauung zu verbreiten, gründete Haeckel 1906 den Monistenbund am Jenaer Zoologischen Institut. Daneben setzte er sich stark für den Pazifismus ein, etwa indem er 1910 zusammen mit anderen bedeutenden Persönlichkeiten wie [[Wikipedia:Friedrich Naumann|Friedrich Naumann]] und [[Max Weber]] einen in deutschen Zeitungen veröffentlichten „Aufruf zur Begründung eines [[Wikipedia:Verband für internationale Verständigung|Verbandes für internationale Verständigung]]“ unterzeichnete, der Abkommen mit anderen Nationen fördern sollte, um den Weltfrieden zu garantieren.<ref>Roger Chickering: ''A Voice of Moderation in Imperial Germany: The "Verband für internationale Verständigung" 1911–1914.'' In: ''Journal of Contemporary History.'' Vol. 8, No. 1 (1973), S. 147–164.</ref><ref>Siehe auch Bundesarchiv Koblenz. Nachlass Hans Wehberg, „Aufruf zur Begründung eines Verbandes für internationale Verständigung“.</ref>
 
1907 unternahm der Forscher seine letzte große Reise nach [[Wikipedia:Schweden|Schweden]]. 1908 stiftete Haeckel das [[Wikipedia:Phyletisches Museum|Phyletische Museum]] in Jena.
 
1909 endete Haeckels [[Wikipedia:Professur|Lehrtätigkeit]], 1910 trat er aus der [[Wikipedia:Evangelische Kirche|evangelischen Kirche]] aus.
Seine Frau Agnes starb 1915. Haeckels Gebrechlichkeit nahm in dieser Zeit erheblich zu ([[Wikipedia:Schenkelhalsfraktur|Oberschenkelhalsbruch]], Armbruch).
1918 verkaufte er die Villa Medusa an die [[Wikipedia:Carl-Zeiss-Stiftung|Carl-Zeiss-Stiftung]].
Ernst Haeckel starb am 9. August 1919.
 
=== Frühere Inkarnation als Papst Gregor VII. ===
 
Laut [[Rudolf Steiner]] war Ernst Haeckel in einem früheren Erdenleben als Papst [[w:Gregor VII.]] inkarniert:
 
{{GZ|Ernst Haeckel ist bekannt als ein enthusiastischer Vertreter eines gewissen materialistischen Monismus, enthusiastisch, man könnte schon sagen bis zum Fanatismus. Ich brauche auch für ihn nicht, denn er ist ja hinlänglich bekannt, irgendwelche Charakteristiken hier vorzuführen. Wird man aber von dieser Persönlichkeit zurückgetrieben in die vorige Inkarnation, dann findet man jenen Papst, der aus dem Mönch Hildebrand geworden ist als Gregor VII. Das Beispiel führe ich Ihnen aus dem Grunde vor, damit Sie sehen, wie verschieden nach den Kulturverhältnissen eines bestimmten Zeitalters ein und dieselbe Individualität nach außen sich äußern kann. Man würde nicht leicht darauf kommen, in dem Vertreter des materialistischen Monismus im 19. Jahrhundert den wiederverkörperten Papst Gregor VII. zu suchen. Aber auf diese Dinge, wie man mit den äußeren Zivilisationsmitteln des physischen Planes sich darlebt, kommt es ja der geistigen Welt in viel geringerem Grade an, als man denkt. Hinter der Persönlichkeit Haeckels und hinter der Persönlichkeit des Mönches Hildebrand liegt etwas, was viel gleicher, viel ähnlicher ist als das, worinnen sie verschieden sind, wenn der eine den Katholizismus in extremster Art zur Macht bringen will, der andere den Katholizismus in extremster Art bekämpft. Das ist für die geistige Welt keine so große Verschiedenheit. Bei der geistigen Welt kommt es auf ganz andere menschliche Hintergründe an als auf diese Dinge, die im Grunde genommen doch nur eine Bedeutung in der physischen Welt haben.|238|206f}}
 
{{GZ|Denken Sie einmal an eine Persönlichkeit wie Ernst Haeckel. Bei ihm fällt zunächst auf, daß seine Weltanschauung materialistisch gefärbt ist, daß er eine Art von Mechanismus nicht nur der Natur, sondern auch des Seelenlebens vertreten hat, daß er in wuchtigen Hieben auf den Katholizismus loshaut, daß er da manchmal entzückend, manchmal fanatisch, aber manchmal auch geschmacklos ist. Derjenige, der die Zusammenhänge der verschiedenen Erdenleben beim Menschen ins Auge faßt, wird nach diesen Eigenschaften am allerwenigsten hinschauen, sondern er wird hinschauen auf die tieferen Eigenschaften der Seele. Kein Mensch, der sich blenden läßt von dem, was an Haeckel zunächst auffällt, kann, wenn er praktische Karmamethoden entwickeln will, auf Haeckels vorige Inkarnation kommen. Denn wer auf Haeckels vorige Inkarnation kommen will, der muß hinschauen auf die Art, wie Haeckel dasjenige vertrat, was er als Anschauungen hatte. Es ist aus der Zeit zu erklären, in der Haeckel gelebt hat, daß er gerade diese materialistische Bildung hatte. Das aber ist das Unwesentlichste, es kommt auf das innere Seelengefüge an. Und kann man dieses innere Seelengefüge fassen und hat man das okkulte Schauen, dann führt der Blick zurück - zum Beispiel gerade bei Haeckel - zu Papst Gregor VII., dem ehemaligen Mönch Hildebrand, der gerade einer der kräftigsten, intensivsten Vertreter des Katholizismus war. Derjenige, der dann die beiden Gestalten vergleicht und weiß, daß es sich um diese beiden Gestalten handelt, der wird schon das Ähnliche herausfinden, der wird auch den Blick dafür bekommen, was in bezug auf die großen Angelegenheiten der Menschheit das Unbedeutende und was das Bedeutende ist. Die theoretischen Ideen sind gar nicht das Wesentliche. Die theoretischen Ideen sind nur in unserer theoretischen, materialistischen, abstrakten Zeit das Wesentliche. Hinter den Kulissen der Weltgeschichte ist dasjenige, was die Seele in ihrer Artist, das Wesentliche. Wer das durchschaut, wird schon die Ähnlichkeit zwischen Gregor VII. und seiner Wiederverkörperung als Haeckel herausfinden können.|239|54f}}
 
== Haeckel als populärer Forscher ==
[[Datei:Haeckel1866 Deckblatt.jpg|miniatur|hohchkant=0.8|''Generelle Morphologie der Organismen'' (Berlin 1866): In diesem Werk definierte Haeckel den Begriff ''[[Ökologie]]'']]
Haeckels Ideen sind für die Geschichte der [[synthetische Evolutionstheorie|Evolutionstheorie]] von großer Bedeutung. Er definierte unter anderem den Begriff ''[[Ökologie]]'' und erwies seine Kompetenz als Anatom. Haeckel beschrieb Hunderte von neuen Arten. Inspiriert durch den Linguisten [[August Schleicher]], mit dem er in Jena eng befreundet war, führte er [[Stammbaum|Stammbäume]] zur Darstellung des historischen Verlaufes der Evolution in die Biologie ein. Diese Idee gilt heute als überholt; stattdessen verwenden aktuelle Systematiken [[Kladistik|Kladogramme]] und [[Kladistik|Phylogramme]]. Haeckel postulierte zudem erstmals den gemeinsamen Ursprung aller Organismen, wobei er allerdings die Abstammung aus dem Bereich dreier Gruppen für wahrscheinlicher hielt. Die meisten dieser Überlegungen sind mittlerweile jedoch wissenschaftlich falsifiziert.
 
== Die Hauptwerke ==
[[Datei:Haeckel Stephoidea.jpg|miniatur|rechts|Radiolarien ([[Strahlentierchen]]): Bildtafel Nr. 71 aus ''Kunstformen der Natur'', 1899]]
[[Datei:Haeckel Discomedusae 8.jpg|miniatur|links|Discomedusae: Bildtafel Nr. 8 aus ''Kunstformen der Natur'', 1899]]
 
=== Meeresbiologische Monographien ===
Haeckels Werke, die seinen Ruf in der Fachwelt begründeten, sind grundlegende [[Meeresbiologie|meeresbiologische]] Monographien über [[Strahlentierchen|Radiolarien]] (1862, 1887), [[Kalkschwämme]] (1872), [[Medusen]] (1879–1880) und [[Staatsquallen]] (1869, 1888). Diese Arbeiten brachten ihm letztlich die Berufung zum Professor, später zum ersten [[Lehrstuhl|Ordinarius]] für [[Zoologie]] in Jena ein. Bei der Beschreibung der von der britischen [[Challenger-Expedition]] gesammelten Radiolarien benannte Haeckel über 3500 neue Arten. Sein Teil des Challenger-Reports umfasst drei Bände mit 2750 Druckseiten und 140 detaillierten Bildtafeln.
 
Haeckel war nicht nur ein hervorragender Forscher, sondern auch ein begnadeter Zeichner, wie sämtliche aus seiner Hand stammenden Darstellungen und Bildtafeln auch heute noch durch ihre Naturtreue und Plastizität eindrucksvoll belegen. Diese besitzen aufgrund ihrer Materialfülle auch heute noch wissenschaftlichen Wert.
 
=== Generelle Morphologie (1866) ===
Nach 1859 nahm Haeckel die Gedanken von Darwins ''[[Entstehung der Arten]]'' auf. Haeckels ''Generelle Morphologie'' (1866) war epochemachend, Beginn zahlreicher noch folgender Synthesen verschiedener Teilgebiete der Biologie im Rahmen der [[Synthetische Evolutionstheorie|Evolutionstheorie]]. Haeckel verknüpft biologische und weltanschauliche Aspekte dabei. Er leitete jedes Kapitel mit einem Goethezitat ein, das Schlusskapitel, unter dem Titel ''Gott in der Natur ([[Amphitheismus]] und [[Monotheismus]])'' führte bereits in den Monismus als ''reinsten Monotheismus'' ein.
 
Nach der ''Generellen Morphologie'' begann Haeckel, zunehmend gemeinverständliche, also an Laien gerichtete Bücher – oft verschriftlichte Vortragsreihen – zu publizieren. Diese gingen vom Gedanken der Abstammungslehre aus und thematisierten sowohl wissenschaftliche als auch philosophische und theologische Aspekte, was Haeckel unter anderem heftige Attacken unter anderem seitens [[Emil Heinrich Du Bois-Reymond]] eintrug.
 
=== Natürliche Schöpfungsgeschichte (1868) ===
[[Datei:Erstausgaben für Wikipedia I 135.jpg|miniatur|400px|Erstdruck]]
Mit der ''Natürlichen Schöpfungsgeschichte'' (1868) unternahm Haeckel den ersten Versuch, seine in der ''Generellen Morphologie'' entwickelten Gedanken auch für Laien verständlich zusammenzufassen. Trotz der großen Mängel, die Haeckel später bemerkte, erlebte die ''Natürliche Schöpfungsgeschichte'' bis zur Publikation der ''Welträthsel'' (1899) neun Auflagen und wurde in zwölf Sprachen übersetzt. Die ''Welträthsel'' und die ''Lebenswunder'' (1904) setzten diese Linie fort, überschritten jedoch zunehmend den Rahmen der Deutung biologischer Tatsachen im Kontext der Evolutionstheorie.
 
Unter anderem spekulierte er in diesem Werk über den Erdteil, in dem sich der Mensch entwickelt hatte. Haeckel ging davon aus, dass „die meisten Anzeichen auf das südliche Asien“ hindeuteten, räumte aber zugleich ein: „Vielleicht war aber auch das östliche Afrika der Ort, an welchem zuerst die Entstehung des Urmenschen aus den menschenähnlichen Affen erfolgte; vielleicht auch ein jetzt unter den Spiegel des indischen Oceans versunkener Kontinent [→ „[[Lemuria]]“], welcher sich im Süden des jetzigen Asiens einerseits östlich bis nach den Sunda-Inseln, andrerseits westlich bis nach Madagaskar und Afrika erstreckte.“ Den hypothetischen Urmenschen nannte Haeckel „[[Archaischer Homo sapiens|''Homo primigenius'']] oder ''Pithecanthropus primigenius''“.<ref>Ernst Haeckel: ''Natürliche Schöpfungsgeschichte. Gemeinverständliche wissenschaftliche Vorträge über die Entwickelungslehre im Allgemeinen und diejenige von Darwin, Goethe und Lamarck im Besonderen, über die Anwendung derselben auf den Ursprung des Menschen und andere damit zusammenhängende Grundfragen der Naturwissenschaft. '' Georg Reimer, Berlin 1868, Kapitel 19 ({{Biolib|1=haeckel/natuerliche/kapitel_19.html|2=Volltext}})</ref>
 
=== Anthropogenie (1874) ===
[[Datei:Pedigree of man (Haeckel 1874).jpg|miniatur|links|Stammbaum des Menschen nach Haeckel (1874)]]
Haeckel wendet in seiner Schrift ''Anthropogenie'' (1874, rund 730 Seiten) die in der ''Generellen Morphologie'' entwickelten Methoden auf den [[Mensch]]en an. Nach einer historischen Einleitung in die Geschichte der Evolutionstheorien untersucht er die [[Ontogenese|Keimesgeschichte]] des Menschen, indem er die [[Eizelle]], [[Befruchtung]], die Anlage der [[Keimblatt|Keimblätter]] und des [[Blutkreislauf]]es im Sinne der [[Ontogenese]] darstellt. Der dritte Abschnitt umfasst die Stammesgeschichte oder [[Phylogenie]]. Hier stellt Haeckel zunächst einfache Wirbeltiere vor, dann verschiedene Stufen der Ahnenreihe des Menschen:
 
: I. vom Moner zur Gastraea,<ref>vgl. [[s:Ernst Haeckel’s Gasträa-Theorie|Ernst Haeckel’s Gasträa-Theorie]]</ref>
: II. vom Urwurm bis zum Schädelthier,
: III. vom Urfisch bis zum Amnionthier (Gruppe aus Reptilien, Vögeln und Säugern) und
: IV. vom [[Kloakentiere|Ursäuger]] bis zum [[Affen]].
 
Der vierte Abschnitt behandelt die Entwicklungsgeschichte einzelner Organsysteme: [[Haut]]decke und [[Nervensystem]], [[Sinnesorgan]]e, Bewegungsorgane, [[Darm]]system, Gefäßsystem und [[Urogenitalsystem]]. Es folgt ein zusammenfassendes Kapitel, in welchem Haeckel die dualistische Auffassung, besonders den [[Kreationismus|Schöpfungsglauben]] und die Auffassung von einer von den Hirnfunktionen unabhängigen [[Seele]], für widerlegt erklärt und seinen [[Monismus]] in kurzen Zügen umreißt. (Nahezu zeitgleich zu Haeckels Buch erschien Darwins Schrift ''[[Wikipedia:Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl|Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl]]'', die sich methodisch allerdings völlig anders ausrichtete.)
 
{{GZ|Studieren Sie heute, indem Sie von
dem hier gemeinten rosenkreuzerischen Initiationsprinzip berührt
worden sind, den Haeckelismus mit all seinem Materialismus, studieren
Sie ihn, und lassen Sie sich durchdringen von dem, was Erkenntnismethoden
sind nach «[[Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?]]»: Was Sie in Haeckels «Anthropogenie» über die
menschlichen Vorfahren in einer Sie vielleicht abstoßenden Weise
lernen, lernen Sie es in dieser abstoßenden Weise, lernen Sie alles
dasjenige darüber, was man durch äußere Naturwissenschaft lernen
kann, und tragen Sie das dann den Göttern entgegen, und Sie bekommen
dasjenige, was in meinem Buche «[[Geheimwissenschaft]]»
über die Evolution erzählt ist.|233a|89f}}
 
=== Die Welträthsel (1899)===
Im Gegensatz zu den vorherigen Schriften mit rein naturwissenschaftlichem Fokus bietet Haeckel mit seinem gemeinverständlichen Werk Die Welträthsel neben der breit angelegten Darstellung des zeitgenössischen Forschungssstandes in vielen Einzelwissenschaften eine philosophisch-weltanschauliche Deutung desselben.  In vier Kapiteln behandelt er die Gegenstände Mensch, Seele, Welt und Gott. Das Buch ist in insgesamt 20 Unterkapitel gegliedert, welche die vier Hauptteile in analoger Weise strukturieren. Dabei erscheinen Hierarchie, Deszendenz und die evolutionäre Entwicklung als Strukturprinzipien der einzelnen Kapitel.
 
Der erste Teil beginnt mit einer Reflexion auf Wissenschafts – und Gesellschaftstrends. Gegenüber Missständen in der Wissenskultur und der Gesellschaft plädiert er für einen philosophischen Monismus als zu favorisierender Weltanschauung. Im weiteren Verlauf wird eine anatomische, physiologische, ontogenetische und phylogenetische Bestimmung des Menschen vorgenommen.
Der zweite Teil bietet eine Betrachtung der Seele sowie eine Darstellung psychologischer Methoden und Konzepte. Gegenüber der etablierten Dualistischen Psychologie positioniert er sich aufseiten des psychologischen Monismus und stellt die Vergleichende Psychologie als überlegenen methodischen Ansatz vor. Dann folgt eine Bestimmung einzelner Seelenfunktionen und des Bewusstseins und ein Vergleich von Mensch – und Tierseele. Grundsätzlich verfolgt er eine reduktionistische Interpretation der Seele.
Im dritten Teil beschreibt Haeckel zunächst das Substanzgesetz als monistisches Erklärungsmodell gegenüber dualistischen Theorien von Materie und Geist. Der gesamte Kosmos bestehe aus einer Substanz, welche sich aus Masse und Äther zusammensetzen, die alle in den Naturwissenschaften beobachtbaren Phänomene verursache. Seiner Auffassung zufolge ist der Kosmos unendlich und hat keinen Anfang. Gegenüber dem Kantschen Idealismus vertritt er die vom Beobachter unabhängige Realität von Raum und Zeit. Gemäß dem Darwinschen Evolutionsparadigma vertritt er die Meinung, dass teleologische Prozesse die biologische Materie konfigurieren.
Der vierte Teil handelt von seinem modifizierten Religionskonzept. Aus der Evaluierung der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse folge der Pantheismus als überzeugende religiöse Anschauung. Die moderne Religiosität sei naturalistisch und ethische Werte wie Altruismus aus biologischen Erkenntnissen ableitbar.
 
Das Werk wird in die Gattung der Weltanschauungsliteratur eingeordnet. Es zeichnet sich dadurch aus, dass separate Wissenschaftsbereiche durch komplexe Darstellungsformen zu einer einheitlichen Wirklichkeitsdeutung zusammengeführt werden. In dieser Gattung werden Weltanschauungen literarisch vermittelt, weswegen das textliche Ich zur Rechtfertigungsinstanz wird. Durch Strukturierungsverfahren, rhetorische Mittel und exzessiven Gebrauch von Fachtermini gelingt es Haeckel den teilweise spekulativen Charakter seines Werkes zu verschleiern und Wissenschaftlichkeit zu suggerieren.
 
=== Kunstformen der Natur (1899–1904) ===
[[Datei:Haeckel Actiniae.jpg|miniatur|links|[[Seeanemonen]]: Bildtafel Nr. 49 aus ''Kunstformen der Natur'', 1899]]
[[Datei:Haeckel Ascidiae.jpg|miniatur|rechts|[[Seescheiden|Ascidiacea]]: Bildtafel Nr. 85 aus ''Kunstformen der Natur'', 1904]]
 
Haeckel sah die Biologie in vielem mit der [[Kunst]] verwandt. Seine künstlerische Begabung wurde durch [[Symmetrie (Geometrie)|Symmetrien]] in der Natur stark angesprochen, unter anderem der von [[Einzeller]]n wie den [[Radiolarien]]. Besondere Berühmtheit erlangten seine Abbildungen von [[Plankton]]organismen und [[Quallen]], die die biologische Welt in eindrucksvoller Schönheit darstellten. Dies war schon in seinen wissenschaftlichen Monographien der Fall, besonders aber seine populären ''[[Kunstformen der Natur]]'', die er von 1899 bis 1904 in mehreren Heften veröffentlichte, gehörten – wie [[Alfred Edmund Brehm|Brehms]] [[Brehms Tierleben|Tierleben]] – in den Haushalt eines jeden Bildungsbürgers.
Seine Darstellungen beeinflussten die Kunst des beginnenden 20. Jahrhunderts. So beruhen die Glaslüster im Ozeanischen Museum [[Monaco]] von [[Constant Roux]] ebenso auf Vorlagen Haeckels wie das monumentale Tor des französischen Architekten [[René Binet]] auf der [[Pariser Weltausstellung]] 1900. Binets von Haeckel inspiriertes Tafelwerk ''Esquisses décoratives'' wurde zu einer Grundlage des [[Art nouveau]] ([[Jugendstil]]).
 
Auch Haeckels Wohnhaus (Villa Medusa, heute das Ernst-Haeckel-Museum) und das von ihm gestiftete Gebäude des [[Phyletisches Museum|Phyletischen Museums]], beides in Jena, führen Kunst und Wissenschaft zusammen, in dem z.&nbsp;B. Ornamente der Fassade und Innenausstattung Tafelwerke zu den [[Medusen]] zitieren. Haeckel war unglaublich arbeitsam. So beschrieb er allein von der britischen Challenger-Expedition über 3500 neue [[Radiolarien]]-[[Art (Biologie)|Arten]]. Haeckels Challenger-Report umfasst drei Bände mit 2750 Druckseiten und 140 detailliert gestochenen Tafeln dieser fragilen Organismen. Insbesondere nach dem Tod seiner ersten Frau arbeitete er vielfach mehr als 18 Stunden am Tag.
 
== Wissenschaftliche und weltanschauliche Positionen ==
 
=== Biogenetische Grundregel ===
 
{{Hauptartikel|Biogenetisches Grundgesetz}}
 
Haeckels Beobachtungen der Parallelen zwischen [[Ontogenese]] und [[Phylogenese]] waren Grundlage für die Postulierung eines kausalen Zusammenhangs zwischen ontogenetischen und evolutionären Prozessen; seine Theorie lässt sich in dem Satz „[[Biogenetische Grundregel|Die Ontogenese rekapituliert die Phylogenese]]“ zusammenfassen. In der Folge postulierte Haeckel die [[Gastraea]], ein hypothetisches Urdarmtier, als gemeinsamen Vorfahren aller vielzelligen Lebewesen.
 
{{Zitat|''Die Phylogenesis ist die mechanische Ursache der Ontogenesis.'' Mit diesem einen Satze ist unsere principielle
monistische Auflassung der organischen Entwickelung klar bezeichnet,
und von der Wahrheit dieses Grundsatzes hängt in erster
Linie die Wahrheit der Gastraea-Theorie ab, deren Bedeutung
nachstehend entwickelt werden soll. Für oder wider diesen Satz
wird in Zukunft jeder Naturforscher sich entscheiden müssen, der
in der Biogenie sich nicht mit der blossen Bewunderung merkwürdiger
Erscheinungen begnügt, sondern darüber hinaus nach dem
Verständniss ihrer Bedeutung strebt. Mit diesem Satze ist zugleich
die unausfüllbare Kluft bezeichnet, welche die ältere, teleologische
und dualistische Morphologie von den neueren, mechanischen
und monistischen trennt. Wenn die physiologischen Functionen
der Vererbung und Anpassung als die alleinigen Ursachen der
organischen Formbildung nachgewiesen sind, so ist damit zugleich
jede Art von Teleologie, von dualistischer und metaphysischer
Betrachtungsweise aus dem Gebiete der Biogenie entfernt; der
scharfe Gegensatz zwischen den leitenden Principien ist damit klar
bezeichnet. Entweder existirt ein directer und causaler
Zusammenhang zwischen Ontogenie und Phylogenie
oder er existirt nicht. Entweder ist die Ontogenese ein
gedrängter Auszug der Phylogenese oder sie ist dies nicht. Zwischen
diesen beiden Annahmen giebt es keine dritte! Entweder
Epigenesis und Descendenz — oder Präformation und Schöpfung!|Ernst Haeckel|''Biologische Studien. Studien zur Gastraea-Theorie'', Jena 1877, S. 7f|ref=[https://archive.org/download/studienzurgastra00haec/studienzurgastra00haec_bw.pdf#page=7&view=Fit]}}
 
Die bereits von [[Wikipedia:Karl Ernst von Baer|Karl Ernst von Baer]] gemachte Beobachtung, dass sich frühe Ontogenese-Stadien nahe verwandter Organismen stärker ähneln als die späteren Adultformen, ist nach wie vor gültig. Die von Haeckel daraus gezogene Schlussfolgerung eines kausalen Zusammenhangs ist jedoch lange umstritten gewesen und wird von Biologen inzwischen weitgehend abgelehnt.
 
Die übereinstimmenden Grundmerkmale phylogenetisch verwandter Organismen lassen sich im Rahmen der Evolutionstheorie verstehen, da neue Merkmale in der Regel auf bereits existierenden Merkmalen aufbauen. Ein modernes Verständnis der biogenetischen Grundregel setzt das Verständnis des Organismus als sich kontinuierlich anpassendes, stets im Umbau befindliches System voraus.
 
{{GZ|Bei
allen Tieren, mit Ausnahme der Protisten, die zeitlebens
nur aus einer Zelle bestehen, bildet sich aus der Eizelle,
mit der das Wesen seine Keimesentwickelung beginnt, ein
becherförmiger oder krugförmiger Körper, der sogenannte
Becherkeim oder die Gastrula. Dieser Becherkeim ist eine
tierische Form, die alle Tiere, von den Schwämmen bis herauf
zum Menschen, in ihrem ersten Entwickelungsstadium
annehmen. Diese Form hat nur Haut, Mund und Magen.
Nun gibt es niedere Pflanzentiere, die während ihres ganzen
Lebens nur diese Organe haben, die also dem Becherkeim
ähnlich sind. Diese Tatsache deutete Haeckel im Sinne der
Entwickelungstheorie. Die Gastrulaform ist ein Erbstück,
das die Tiere von ihrer gemeinsamen Ahnenform überkommen
haben. Es hat eine wahrscheinlich vor Jahrmillionen
ausgestorbene Tierart gegeben, die Gastraea, die
ähnlich gebaut war wie die heute noch lebenden niederen
Pflanzentiere: die Spongien, Polypen usw. Aus dieser Tierart
hat sich alles entwickelt, was heute an mannigfaltigen
Formen zwischen den Polypen, Schwämmen und Menschen
lebt. Alle diese Tiere wiederholen im Verlaufe ihrer Keimesgeschichte
diese ihre Stammform.
 
Eine Idee von ungeheurer Tragweite war damit gewonnen.
Der Weg vom Einfachen zum Zusammengesetzten,
zum Vollkommenen in der Organismenwelt war vorgezeichnet.
Eine einfache Tierform entwickelt sich unter gewissen
Umständen. Eines oder mehrere Individuen dieser
Form verwandeln sich nach Maßgabe der Lebensverhältnisse,
in die sie kommen, in eine andere Form. Was durch
Verwandlung entstanden ist, vererbt sich wieder auf
Nachkommen. Es leben bereits zweierlei Formen. Die alte,
die auf der ersten Stufe stehen geblieben ist, und eine
neue. Beide Formen können sich nach verschiedenen Richtungen
und Vollkommenheitsgraden weiterbilden. Nach
großen Zeiträumen entsteht durch Vererbung der entstandenen
Formen und durch Neubildungen auf dem Wege
der Anpassung an die Lebensbedingungen eine Fülle von
Arten.
 
So schließt sich für Haeckel zusammen, was heute in
der Organismenwelt geschieht, mit dem, was in Urzeiten
geschehen ist. Wollen wir irgendein Organ an einem Tiere
unserer Gegenwart erklären, so blicken wir zurück auf
die Ahnen, die bei sich dieses Organ unter den Verhältnissen,
in denen sie lebten, ausgebildet haben. Was in früheren
Zeiten aus natürlichen Ursachen entstanden ist, hat
sich bis heute vererbt. Durch die Geschichte des Stammes
klärt sich die Entwickelung des Individuums auf. In der
Stammesentwickelung (Phylogenesis) liegen somit die Ursachen
der Individualentwickelung (Ontogenesis). Haeckel
drückt diese Tatsache in seinem biogenetischen Grundgesetze
mit den Worten aus: «Die kurze Ontogenese oder
die Entwickelung des Individuums ist eine schnelle und
zusammengezogene Wiederholung, eine gedrängte Rekapitulation
der langen Phylogenese oder Entwickelung der
Art.»
 
Damit ist aus dem Reiche des Organischen alle Erklärung
im Sinne besonderer Zwecke, alle Teleologie im alten
Sinne, entfernt. Man sucht nicht mehr nach dem Zweck
eines Organes, man sucht nach den Ursachen, aus denen
es sich entwickelt hat; eine Form weist nicht nach dem Ziel
hin, dem sie zustrebt, sondern nach dem Ursprünge, aus
dem sie hervorgegangen ist. Die Erklärungsweise des Organischen
ist der des Unorganischen gleich geworden. Man
sucht das Wasser nicht als Ziel im Sauerstoff und man
sucht auch nicht den Menschen als Zweck in der Schöpfung.
Man forscht nach dem Ursprünge, nach den tatsächlichen
Ursachen der Wesen. Die dualistische Anschauungsweise,
die erklärt, daß Unorganisches und Organisches
nach zwei verschiedenen Prinzipien erklärt werden müssen,
verwandelt sich in eine monistische Vorstellungsart,
in den Monismus, der für die ganze Natur nur eine einheitliche
Erklärungsweise hat.|18|403ff}}
 
=== Evolution und Monismus ===
[[Philosophie|Philosophisch]] verfocht Haeckel eine [[Monismus|monistische Naturphilosophie]], unter der er eine „Einheit von Materie und Geist“ verstand. So schrieb er in ''[[Die Welträtsel]]'':<!--sic!-->
: „Die Verschmelzung der anscheinenden Gegensätze, und damit der Fortschritt zur Lösung des fundamentalen Welträthsels, wird uns aber durch das stetig zunehmende Wachsthum der Natur-Erkenntniß mit jedem Jahre näher gelegt. So dürfen wir uns denn der frohen Hoffnung hingeben, daß<!--sic!--> das anbrechende zwanzigste Jahrhundert immer mehr jene Gegensätze ausgleichen und durch Ausbildung des reinen Monismus die ersehnte Einheit der Weltanschauung in weiten Kreisen verbreiten wird.“
 
Dabei war Haeckel kein strenger [[Atheismus|Atheist]]. Zwar lehnte er jeden [[Schöpfung]]sakt strikt ab (daher die Schärfe seiner Auseinandersetzung mit den [[Kreationisten]], etwa mit [[Arnold Braß]] und dem [[Keplerbund]]), er kam jedoch aus einem christlichen Elternhaus und sah die Natur – bis hin zu [[anorganisch]]en [[Kristall]]en – als beseelt an. Sein Monismus war der einer durch[[geist]]igten Materie; er sah [[Gott]] als identisch mit dem allgemeinen [[Physikalisches Gesetz|Naturgesetz]] und vertrat einen durch [[Johann Wolfgang von Goethe]] und [[Spinoza]] inspirierten [[Pantheismus]]. In diesem Zusammenhang sprach er uner anderem von einem „Zellgedächtnis“ ([[Mneme]]) und „Kristallseelen“.
 
In ''Die Welträtsel'' zitiert Ernst Haeckel mehrmals seinen (heute wesentlich weniger bekannten) Kollegen [[Johann Gustav Vogt]], vor allem bezüglich seiner Vorstellungen über [[Elektromagnetismus]] und einen universellen [[Äther (Physik)|Äther]].<ref>Ernst Haeckel: [http://www.zeno.org/Philosophie/M/Haeckel,+Ernst/Die+Welträtsel/12.+Das+Substanzgesetz ''zeno.org'': Die Welträtsel (1899)], Kapitel 12: Das Substanzgesetz</ref> Gemäß Haeckel und Vogt besitzen Masse und Äther sowohl [[Empfindung]] als auch [[Wille]]n, sie „empfinden [[Lust]] bei [[Kompressionsmodul|Verdichtung]], Unlust bei [[Spannung (Mechanik)|Spannung]]; sie streben nach der ersteren und kämpfen gegen letztere“. Wegen dieses [[Weltbild]]es werden die beiden auch als [[Hylozoismus|hylozoistische]] Naturphilosophen bezeichnet.<ref>siehe [http://www.textlog.de/1213.html ''textlog.de'']</ref>
 
Haeckel nahm im September 1904 am Internationalen Freidenker-Kongress in Rom teil, den 2000 Menschen besuchten. Dort wurde er anlässlich eines gemeinsamen Frühstücks feierlich zum „[[Gegenpapst]]“ ausgerufen. Bei einer folgenden Demonstration der Teilnehmer auf dem Campo de’ Fiori vor dem Denkmal [[Giordano Bruno]]s befestigte Haeckel einen Lorbeerkranz am Denkmal. Haeckel nahm diese Ehrungen gerne an: „Noch nie sind mir so viele persönliche Ehrungen erwiesen worden, wie auf diesem internationalen Kongreß.“ Diese Provokation am Sitz des Papstes löste eine massive Kampagne und Anfeindungen von kirchlicher Seite aus. Insbesondere wurde seine wissenschaftliche Integrität in Frage gestellt, und er wurde als Fälscher und Betrüger dargestellt sowie als „Affen-Professor“ verhöhnt. Allerdings gaben 46 bekannte Professoren eine Ehrenerklärung für Haeckel ab.
 
Am 11. Januar 1906 wurde auf Haeckels Initiative der [[Deutscher Monistenbund|Deutsche Monistenbund]] in Jena gegründet, den Ernst Haeckel schon im September 1904 in Rom vorgeschlagen hatte. Mit dem Monistenbund fanden die bereits seit kurzer Zeit bestehenden, sehr heterogenen monistischen Bestrebungen einen übergreifenden organisatorischen Rahmen, der sich dezidiert auf eine naturwissenschaftliche Basis im Sinne Haeckels stellte, in den aber nicht alle Vertreter des Monismus eingebunden wurden. Haeckel wurde Ehrenpräsident des Deutschen Monistenbundes.
 
Ernst Haeckel gehörte zu den führenden Freidenkern und Vertretern eines naturwissenschaftlich orientierten Fortschrittsgedankens, wodurch seine Ideen nicht nur für rechte und national gesinnte, sondern auch für bürgerlich-liberale sowie linke Kreise attraktiv waren. Die Monisten um Haeckel hatten damals viele Anhänger; so zählten beispielsweise [[Ferdinand Tönnies]], [[Henry van de Velde]], [[Alfred Hermann Fried]], [[Otto Lehmann-Rußbüldt]], [[Helene Stöcker]], [[Magnus Hirschfeld]] und [[Carl von Ossietzky]] dazu. Teile seiner Ideen wurden von Nationalsozialisten übernommen, die zwar den Monismus ablehnten, die sozialdarwinistischen Aspekte Haeckels jedoch gut für ihre Ideologie verwenden konnten.
 
=== Pazifismus und Friedensbewegung ===
Ernst Haeckel vertrat [[Pazifismus|pazifistische]] Ideen. So unterstützte er die [[Friedensbewegung]] [[Bertha von Suttner]]s (die die Werke Haeckels und Darwins las und die Evolutionslehre vertrat) durch Glückwunschadressen und Briefe.<ref name="Hamann, 1987">Brigitte Hamann: ''Berta von Suttner. Ein Leben für den Frieden.'' 2. Auflage. München 1987, S. 71, 140, 158, 165, ISBN 3-492-03037-8.</ref> Im Jahr 1913 gründete Haeckel zusammen mit der französischen Sozialistin [[Henriette Meyer]] die internationale Friedensvereinigung [[L'Institut Franco-Allemand de la Réconciliation]] und die Zeitschrift ''La Réconciliation'', welche für einen andauernden Frieden zwischen Deutschland und Frankreich eintreten sollte. In einem Leitartikel „Vernunft und Krieg“ in ''La Réconciliation'' identifizierte er das Wettrüsten als Problem, das unaufhaltsam zu einem Krieg führen könne, und verurteilte den nationalen [[Chauvinismus]], der Deutschland, Frankreich und Großbritannien erfasst hatte.
 
Zu Beginn des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] verteidigte Haeckel jedoch die deutsche Beteiligung am Krieg und äußerte sich zunehmend [[Nationalismus|nationalistisch]]. In Haeckels Sichtweise<ref>siehe beispielsweise Ernst Haeckel: ''Englands Blutschuld am Weltkriege'' in Victor Franz (Hrsg.): ''Ernst Haeckel: Sein Leben, Denken und Wirken. Eine Schriftenfolge für seine zahlreichen Freunde und Anhänger''</ref> war vor allem England für den Ausbruch des Krieges verantwortlich, den Haeckel 1916 in einem Brief an seinen Neffen Konrad Huschke<ref>K. Huschke (Hrsg.): ''Ernst und Agnes Haeckel: ein Briefwechsel'', S. 215.</ref> einen „schrecklichen Weltkrieg“ mit „furchtbaren Verlusten“ nannte. Haeckel unterzeichnete am 2. Oktober 1914 den kriegsbejahenden Aufruf „[[Manifest der 93|An die Kulturwelt]]“, der von weiteren 92 Intellektuellen, darunter dem Physiker [[Max Planck]] und dem Schriftsteller [[Gerhart Hauptmann]], unterschrieben wurde.<ref name="Horst Groschopp, 1997, S. 393">Rolf Groschopp, ''Dissidenten'', 1997, S. 393.</ref>
 
=== Ethik und Zukunft ===
Die in den Welträtseln beschriebene monistische Ethik bleibt bei allem revolutionären Anspruch, wie [[Iring Fetscher]] anmerkt, im Umkreis erfüllbarer bürgerlicher Alltagstugenden stecken. Haeckel leitet aus dieser Ethik allerdings eine Utopie ab, die die Fortschritte von Wissenschaft und Technik auch gesellschaftlich nutzen möchte. Haeckel schreibt:
: „Die höhere Kultur, der wir erst jetzt entgegen zu gehen anfangen, wird voraussichtlich die Aufgabe stets im Auge behalten müssen, allen Menschen eine möglichst glückliche, d.h. zufriedene Existenz zu verschaffen. Die vervollkommnete Moral, frei von allem religiösen Dogma und auf die klare Erkenntnis der Naturgesetze gegründet, lehrt uns die alte Weisheit der goldenen Regel (''Die Welträthsel'', Kap. 19), mit den Worten des Evangeliums: ‚Liebe deinen nächsten als dich selbst.‘ Die Vernunft führt uns zu der Einsicht, daß ein möglichst vollkommenes Staatswesen zugleich die möglichst große Summe von Glück für jedes Einzelwesen, das ihm angehört, schaffen muß. Das vernünftige Gleichgewicht zwischen Eigenliebe und Nächstenliebe, zwischen Egoismus und Altruismus, wird das Ziel unserer monistischen Ethik. Viele barbarische Sitten und alte Gewohnheiten, die jetzt noch als unentbehrlich gelten: Krieg, Duell, Kirchenzwang usw. werden verschwinden. Schiedsgerichte werden hinreichen, um in allen Rechtsstreitigkeiten der Völker und Personen den Ausgleich herbeizuführen. Das Hauptinteresse des Staates wird nicht, wie jetzt, in der Ausbildung einer möglichst starken Militärmacht liegen, sondern in einer möglichst vollkommenen Jugenderziehung auf Grund der ausgedehntesten Pflege von Kunst und Wissenschaft. Die Vervollkommnung der Technik, aufgrund der Erfindungen in der Physik und Chemie, wird die Lebensbedürfnisse allgemein befriedigen; die künstliche Synthese vom Eiweiß wird reiche Nahrung für alle liefern. Eine vernünftige Reform der Eheverhältnisse wird das Familienleben glücklich gestalten.“ (''Die Lebenswunder'', 1904, Kap. 17, Abschnitt IV c, vollständig)
 
Haeckel zählt [[Mitleid]] und Sympathie zu den edelsten Gehirnfunktionen, welche zu den wichtigsten Bedingungen des sozialen Zusammenlebens sowohl bei Menschen als auch bei höheren Tieren gehören (''Die Lebenswunder'', 1904, S. 131). Er sieht das Gebot der [[Nächstenliebe]], wenn auch nicht von [[Jesus Christus|Christus]] zuerst entdeckt, so doch zu Recht vom Christentum in den Vordergrund gestellt. Darin liegt nach ihm der hohe ethische Wert des Christentums, der auch dann noch fortdauern werde, wenn dessen übrige „morsche Dogmen“ längst in Trümmern zerfallen seien. Insbesondere wendet er sich gegen einen reinen [[Egoismus]]:
 
:„Daher sind die Propheten des&nbsp; r e i n e n&nbsp; E g o i s m u s,&nbsp; [[Friedrich Nietzsche|F r i e d r i c h&nbsp; N i e t z s c h e]],&nbsp; [[Max Stirner|M a x&nbsp;  S t i r n e r&nbsp;]] u. s. w.&nbsp; [Hervorhebung im Original] in biologischem Irrthum, wenn sie allein ihre ‚Herrenmoral‘ an Stelle der allgemeinen Menschenliebe setzen wollen und wenn sie das Mitleid als eine Schwäche des Charakters oder als einen moralischen Irrthum des Christenthums verspotten.“ (''Die Lebenswunder'', 1904, [http://archive.org/stream/dielebenswunder01haecgoog#page/n149/mode/2up S. 131 f.])
 
=== Eugenik und Sozialdarwinismus ===
Weil sich Ernst Haeckel sehr dezidiert zu eugenischen Fragestellungen äußerte und dabei Selektionsmechanismen und Züchtungsgedanken ansprach, wird er von verschiedenen Historikern als einer der wichtigsten Wegbereiter der Rassenhygiene und Eugenik in Deutschland betrachtet.<ref>Helmut Zander, ''Biologie des vollkommenen Menschen – Wissenschaft und Ethik im Monistenbund um 1900'', in Neue Zürcher Zeitung, Nr. 167, 21. Juli 2001, S. 73.</ref><ref>Rolf Winau, ''100 Jahre Sozialhygiene, Sozialmedizin und Public Health in Deutschland'', auf CD-ROM Hrsg. v. Udo Schagen u. Sabine Schleiermacher, Berlin 2005</ref><ref>William H. Tucker, ''The Science and Politics of Racial Research'', University of Illinois Press 1996, S. 111.</ref>
 
Auch [[Wilhelm Schallmayer]], ein Schüler Haeckels, bescheinigte seinem ehemaligen Lehrer, wesentliche Grundgedanken der Eugenik ausgesprochen zu haben.<ref>Wilhelm Schallmayer: ''Ernst Haeckel und die Eugenik'', in: ''Was wir Ernst Haeckel verdanken: Ein Buch der Verehrung und Dankbarkeit.'' Hrsg. Heinrich Schmidt, Jena 1914, S. 368.</ref>
 
In Haeckels Buch ''Die Lebenswunder'' (1904) heißt es etwa:
 
: „Es kann daher auch die Tötung von neugeborenen verkrüppelten Kindern, wie sie z.&nbsp;B. die Spartaner behufs der Selection des Tüchtigsten übten, vernünftiger Weise gar nicht unter den Begriff des ‚''Mordes''‘ fallen, wie es noch in unseren modernen Gesetzbüchern geschieht. Vielmehr müssen wir dieselbe als eine zweckmäßige, sowohl für die Betheiligten wie für die Gesellschaft nützliche Maßregel billigen.“ (''Die Lebenswunder'', 1904, S. 23)
 
Oder:
 
: „Hunderttausende von unheilbaren Kranken, namentlich Geisteskranke, Aussätzige, Krebskranke u.s.w. werden in unseren modernen Culturstaaten künstlich am Leben erhalten und ihre beständigen Qualen sorgfältig verlängert, ohne irgend einen Nutzen für sie selbst oder für die Gesammtheit.“ (''Die Lebenswunder'', 1904, S. 134)
 
Haeckel griff die Idee auf, die Ausschaltung der Selektion durch die Medizin würde zu degenerativen Erscheinungen führen, und popularisierte sie in Deutschland. Dabei entwickelte er diese Überlegungen jedoch nicht wie Francis Galton in systematischer Weise. Vor allem vollzog er nicht wie sein Schüler Wilhelm Schallmayer und sein Freund [[Alfred Ploetz]] die „entscheidende Wende von der bloßen Diagnostik degenerativer Tendenzen zu einer therapeutischen Programmatik“.<ref>Peter Weingart, Jürgen Kroll, Kurt Bayertz: ''Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland.'' Suhrkamp Taschenbuch, Frankfurt am Main 1992, S. 77.</ref> Haeckel blieb auf der Basis der Theorie Darwins bei der [[Deduktion|deduktiven]] Feststellung angeblicher degenerativer Tendenzen in den zivilisierten Gesellschaften und stellte noch keine Überlegungen über eine Gegenstrategie an. Zu stark war bei Haeckel der Glaube an die natürlichen Regulationsmechanismen im Evolutionsprozess ausgeprägt. Die Furcht vor einer längerfristigen „Entartung“ war bei späteren Eugenikern, vor allem im Dritten Reich, als Hauptmotiv viel stärker vorherrschend. Das von Haeckel vielzitierte Beispiel von [[Sparta]] und die von ihm bewunderte spartanische Praxis der „Beseitigung anormal geborener Säuglinge“ ordnen die Historiker Peter Weingart, Jürgen Kroll und Kurt Bayertz wie folgt ein:
 
: „Haeckels Interesse etwa war rein theoretischer Art. Er führte die spartanische Menschenzüchtung als ein Beispiel für die Wirksamkeit des Selektionsprinzips in der menschlichen Gesellschaft an. Den so naheliegenden, sich aufdrängenden Schritt von der Theorie zur Praxis ging er nicht; obwohl er auf die kontraselektorischen Wirkungen der Zivilisation verwies, kam ihm nicht die Idee, die spartanische Menschenzüchtung als ein nachahmenswertes Vorbild zu nehmen, dem es auf der Basis und mit den Mitteln der modernen Selektionstheorie nachzueifern gelte.“<ref>Peter Weingart, Jürgen Kroll und Kurt Bayertz: ''Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland.'' Suhrkamp Taschenbuch, Frankfurt am Main 1992, S. 89&nbsp;f.</ref>
 
Der Historiker R. J. Richards bescheinigt Haeckel darüber hinaus, die Position vertreten zu haben, dass die Evolutionstheorie keine praktischen politischen Implikationen habe.<ref>R. J. Richards: The Tragic Sense of Life: Ernst Haeckel and the Struggle over Evolutionary Thought. The University of Chicago Press (2008) S. 327.</ref> So antwortet Haeckel etwa auf einen Angriff von Rudolf Virchow, welcher der Abstammungslehre sozialistische Tendenzen vorwirft:
: „Übrigens möchten wir bei dieser Gelegenheit nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, wie gefährlich eine derartige unmittelbare Übertragung naturwissenschaftlicher Theorien auf das Gebiet der praktischen Politik ist. Die höchst verwickelten Verhältnisse unseres heutigen Kulturlebens erfordern von dem praktischen Politiker eine so umsichtige und unbefangene Berücksichtigung, eine so gründliche historische Vorbildung und kritische Vergleichung, dass derselbe immer nur mit grösster Vorsicht und Zurückhaltung eine derartige Nutzanwendung eines 'Naturgesetzes' auf die Praxis des Kulturlebens wagen wird.“ (''Freie Wissenschaft und freie Lehre'', 2. Auflage. 1908, S. 69)
 
[[Otto Speck]] vertritt dagegen die Auffassung, dass Ernst Haeckel 1911 in Dresden eine eugenische Beratungsstelle eröffnete und sich sehr wohl um eine praktische Umsetzung der Rassenhygiene und Eugenik in der Politik bemühte. Er schreibt:
„Konkrete Ziele waren eine rassenhygienische Eheberatung und in politischer Hinsicht die Durchsetzung gesetzlicher Regelungen zur Sterilisierung fortpflanzungsunwürdiger Personen aus den unteren sozialen Schichten.“<ref>Otto Speck (em. Ordinarius für Sonderpädagogik an der Ludwig-Maximilians-Universität München): Soll der Mensch biotechnisch machbar werden? Eugenik, Behinderung und Pädagogik. Reinhardt Verlag, München 2005, S. 22</ref>
 
Durch die Übertragung des darwinistischen Evolutions- und Selektionsprinzips auf menschliche Gesellschaften bereitete Ernst Haeckel in Deutschland, so verschiedene Wissenschaftler, den Boden für den [[Sozialdarwinismus]].<ref>Manuela Lenzen, ''Evolutionstheorien in den Natur- und Sozialwissenschaften'', Campus 2003, S. 138.</ref><ref>Andreas Frewer, ''Medizin und Moral in der Weimarer Republik und Nationalsozialismus.'' Campus Verlag 2000, S. 30.</ref><ref>Paul Weindling, ''Health, Race and German Politics Between National Unification and Nazism, 1870–1945'', Cambridge University Press 1989, S. 41.</ref> Der Soziologe [[Fritz Corner]] bezeichnete ihn 1975 als Vater des deutschen Sozialdarwinismus.<ref name="Iwand, Wolf Michael, 1997, S. 330">Wolf Michael Iwand, ''Paradigma Politische Kultur'', Leske und Budrich VS Verlag, 1997, S. 330.</ref>
 
Im Jahre 1900 fungierte Haeckel als Vorsitzender eines Gremiums in einem von der Familie [[Krupp (Familie)|Krupp]] finanzierten Wettbewerb. Dort wurden Aufsätze bewertet, in denen das Thema „Rassenhygiene“ im Hinblick auf innenpolitische und gesetzgeberische Konsequenzen abgehandelt wurde. Das Gremium behauptete, dass die Idee von der [[Gleichheit]] aller Menschen eine „Entartung“ und Degeneration der „[[Zivilisation]]“ nach sich zöge.<ref>John Weiss, ''Der lange Weg zum Holocaust. Die Geschichte der Judenfeindschaft in Deutschland und Österreich'', Ullstein, Berlin 1998, S. 185&nbsp;f.</ref> Das Preisausschreiben gewann Wilhelm Schallmayer mit seiner Arbeit ''Was lernen wir aus den Prinzipien der Descendenztheorie in Beziehung auf die innerpolitische Entwickelung und Gesetzgebung der Staaten?''. Diese Arbeit spielte für die Verbreitung der sozialdarwinistischen Ideen in Deutschland eine besondere Rolle, weil sie in großem Maße zu einer Politisierung anthropologischer Themen beitrug.<ref>Uwe Hoßfeld, ''Rasse-Bilder in Thüringen 1863–1945.'' In: Blätter zur Landeskunde,Nr. 63, Thüringer Landeszentrale für Politische Bildung, Erfurt 2006, S. 4.</ref>
 
1905 wurde Haeckel Mitglied in der von Alfred Ploetz gegründeten [[Gesellschaft für Rassenhygiene]]. Satzung und Ziel der Gesellschaft sahen die Förderung der „Theorie und Praxis der Rassenhygiene unter den weißen Völkern“ vor. Die Gesellschaft trug in Deutschland wesentlich zur Institutionalisierung der Rassenhygiene als wissenschaftliches Fach bei.
 
=== Euthanasie ===
Als einer der ersten deutschsprachigen Autoren, der die Tötung Schwerkranker – auf ihren Wunsch – und Schwerbehinderter – ohne ihre Zustimmung – forderte, wurde Haeckel auch zum Vordenker und Wegbereiter der freiwilligen und unfreiwilligen „[[Nationalsozialistische Rassenhygiene|Euthanasie]]“ in Deutschland. Schon drei Jahre vor der Programmschrift ''Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens'' von [[Alfred Hoche]] und [[Karl Binding]] (1920) hatte er in ''Ewigkeit'' (1917) über „die unheilbar an Geisteskrankheit, an Krebs oder Aussatz Leidenden, die selbst ihre Erlösung wünschen“, „neugeborene Kinder mit Defekten“ und „Mißgeburten“ unmissverständlich geschrieben: „Eine kleine Dosis [[Morphium]] oder [[Cyankali]] würde nicht nur diese bedauernswerten Geschöpfe selbst, sondern auch ihre Angehörigen von der Last eines langjährigen, wertlosen und qualvollen Daseins befreien“ (S. 35). Darin klingt Hoches Begriff der „Ballastexistenzen“ bereits an, und mit seinen Ausführungen über den angeblich geringeren „Lebenswert“ verschiedener Menschengruppen (''Lebenswunder'', 1904, S. 291–315) hatte Haeckel schon zuvor maßgeblich zur Idee von „lebensunwertem Leben“ beigetragen.
 
=== Kritik ===
Haeckel wird vorgeworfen, immer wieder seine [[Autorität]] als Naturwissenschaftler missbraucht zu haben, um seine politischen Ideen zu legitimieren. Allerdings verneinte Haeckel eine politische Rolle: „Ich selbst bin nichts weniger als Politiker. .. Ich werde daher weder in Zukunft eine Rolle spielen, noch habe ich früher jemals einen Versuch dazu gemacht.“ (''Freie Wissenschaft und freie Lehre'', 2. Auflage. 1908, S. 69)
 
Sein [[biogenetisches Grundgesetz]] von 1866 wird von der modernen Biologie in seiner Schlussfolgerung als widerlegt betrachtet. Es ist keinesfalls ein Naturgesetz, wie zunächst von [[Karl Ernst von Baer|Baer]] und Haeckel postuliert wurde. Dennoch hat die Beobachtung einer scheinbaren Rekapitulation der Entwicklungsstadien der Organismen nach wie vor eine Bedeutung. Sie zeigt eine Verwandtschaft der betrachteten Arten auf und ist, wenn auch kein Gesetz, so doch eine wiederholbare und belegbare morphologische Beobachtung. Auch die bekannten Lehrbuchautoren [[Rüdiger Wehner]] und [[Walter Gehring]] schreiben in ihrem Lehrbuch ''Zoologie'':
: „Die Form freilich, die Haeckel (1834–1919) in seiner ‚biogenetischen Grundregel‘ (1866) diesem Sachverhalt prägnant, aber stark vergröbernd gegeben hat, daß nämlich die Ontogenese eines Organismus die Rekapitulation seiner Phylogenese bedeute, beschreibt die Verhältnisse zu einseitig. Die Embryonalentwicklung jedes Organismus ist reich an Eigenanpassungen (Caenogenesen), die – wie die Keimhülle der Amnioten (Abb.&nbsp;3.20) – den spezifischen Bedingungen des sich entwickelnden Embryos Rechnung tragen.“
 
Die Haeckel zugeschriebene Neigung zur philosophischen Bewertung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse soll mit dafür verantwortlich sein, dass seine Abbildungen biologischer Objekte teilweise bewusst verfälscht sind. In der [[Embryonenkontroverse]] unterstellte ihm daher unter anderem [[Wilhelm His (Anatom)|Wilhelm His]] bewussten Wissenschaftsbetrug. Andere Beobachter vermuten dagegen, dass die tendenzielle Deutung seiner embryologischen Beobachtungen als zu starke Schematisierung verstanden werden kann.
 
Haeckel entwickelte im hohen Alter während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] zudem einen polemischen deutschnationalen [[Chauvinismus]], der sich besonders deutlich in seinem Text ''Ewigkeit'' äußert: „Ein einziger feingebildeter deutscher Krieger […] hat einen höheren intellektuellen und moralischen Lebenswert als hunderte von den rohen Naturmenschen, welche England und Frankreich, Russland und Italien ihnen gegenüberstellen.“<ref name="Haeckel, 1915">Ernst Haeckel: ''Ewigkeit. Weltkriegsgedanken über Leben und Tod, Religion und Entwicklungslehre.'' Berlin 1915, S. 36.</ref> 1917 war er an der Gründung der [[Deutsche Vaterlandspartei|Deutschen Vaterlandspartei]] beteiligt, die einen [[Siegfrieden]] propagierte. In der ''Generellen Morphologie'' heißt es zudem: „Die Unterschiede zwischen den höchsten und den niedersten Menschen [sind] grösser, als diejenigen zwischen den niedersten Menschen und den höchsten Thieren.“ Dies folgerte er allerdings ausdrücklich nicht aus der Genetik, sondern aus der sozialdarwinistischen Theorie.
 
== Wirkungsgeschichte: weltanschauliche Bedeutung und Ausbeutung ==
In der Historiographie bestehen zwei Extrempositionen zur politischen Einordnung des Darwinismus bzw. Sozialdarwinismus. Hans-Günther Zmarzlik (1963)<ref>Zmarzlik, Hans-Günter (1963): ''Der Sozialdarwinismus in Deutschland als geschichtliches Problem.'' In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 11, 1963, S. 246–273 zu finden unter: http://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1963_3_3_zmarzlik.pdf</ref> zieht eine Linie von sozialdarwinistischen Entwürfen zu rechtsradikalen Ideologien. Der US-amerikanische Historiker [[Wikipedia:Daniel Gasman|Daniel Gasman]]<ref>Daniel Gasman: ''The Scientific Origins of National Socialism'', 1971, erweiterte Neuausgabe 2004.</ref> und unabhängig davon Richard Weikart sehen in Haeckel gar einen Vordenker des Nationalsozialismus. In Bezug auf den Darwinismus kommt dagegen etwa Gunter Mann (1973) zu dem Urteil, der Darwinismus sei ein integraler Bestandteil der „marxistisch-kommunistisch-materialistischen Weltanschauung“ (Mann). Diese unterschiedlichen Zuschreibungen finden sich vereinnahmend oder ablehnend auch bei Gegnern und Befürwortern Haeckels.
 
[[Wikipedia:Günter Altner|Günter Altner]] (1981) schlägt ein Stufenmodell eines nicht zwangsläufigen Weges von Darwinismus zum Nationalsozialismus vor, das auch geeignet ist, Haeckels Beitrag zu bestimmen. Nach dem wissenschaftlichen Darwinismus bilden danach Sozialdarwinismus, Rassenhygiene und Rassenanthropologie die entscheidenden und zeitlich und logisch aufeinander folgenden Schritte. Rasse ist in der ursprünglichen Bedeutung von Rassenhygiene kein Begriff des [[Wikipedia:Rassenkampf|Rassenkampf]]es, sondern wird im Sinne der englischen Sprache als Synonym für die gesamte Menschheit gebraucht. Haeckel liefert in diesem Modell relevante Beiträge zu den ersten drei Stufen: Im Rahmen des wissenschaftlichen Darwinismus bestimmt er die Stellung des Menschen innerhalb der Primaten; auf der Stufe des Sozialdarwinismus überträgt er biologische Vorstellungen auf gesellschaftliche Verhältnisse, wobei oftmals seine antiklerikale bzw. antikatholische Haltung den Ausschlag gibt. In der Rassenhygiene bleibe Haeckel im 19. Jahrhundert verfangen. Er fördere vor allem die Arbeit anderer Autoren.<ref>Conrad-Martius, Hedwig: ''Utopien der Menschenzüchtung.'' Kösel-Verlag München, 1955, S. 74.</ref> Bei dem Preisausschreiben „Was lernen wir von den Prinzipien der Deszendenztheorie?“ (1900) etwa förderte er den Arzt [[Wikipedia:Wilhelm Schallmayer|Wilhelm Schallmayer]], der Haeckels eigene Thesen radikalisierte und dessen Schriften zu einem Grundpfeiler der angewandten Rassenhygiene in der Zeit des Nationalsozialismus wurden.
 
=== Die sozialistische Rezeption bis 1933 ===
Haeckel wurde von verschiedenen Sozialdemokraten, Sozialisten und Anarchisten<ref>„Verwunderlicher ist die Begeisterung der Linken für den ‚General-Feldmarschall des Darwinismus‘ (Haeckel über sich selbst). August Bebel, Carl v. Ossietzky, Kropotkin und W.I. Lenin waren nicht die einzigen, die Haeckels Thesen begierig aufgriffen und glaubten, mit ihnen eine Waffe für den Klassenkampf in der Hand zu halten. Dies gelang nur, indem sie – im Gegensatz zu den Nazis, die die Selektionsaspekte und den ‚Kampf ums Dasein‘ der Evolutionstheorie überbetonten – das Prinzip der ständigen Fortentwicklung im Tier- und Pflanzenreich auf die Menschen übertrugen, und zwar zum einen auf die Menschen als biologische Wesen (die Eugenik als Verbesserung des Menschen war auch unter Sozialisten vor 100 Jahren sehr beliebt und das nicht nur in der politischen Polemik, wie bei Bebel, der sich gegen den Krieg mit dem Argument aussprach, dass dabei die stärksten, wehrtüchtigen Männer sterben würden und somit das eigene Volk degenerieren), zum anderen auf die menschlichen Gesellschaftsformation: Es schien ein natürliches Gesetz der Evolution zu sein, dass der Kapitalismus quasi von alleine vom Kommunismus abgelöst würde.“ Martin Vogt: ''Der Rassismus-Papst. Ernst Haeckel und die Etablierung des wissenschaftlichen Rassismus‘ in Deutschland.'' In: ''ZAG.'' Nr. 41 (elektronisch bei [http://www.nadir.org/nadir/initiativ/antira-leipzig/archiv/a26.htm Nadir.org])</ref> wie etwa [[Wikipedia:Alfred Hermann Fried|Alfred Hermann Fried]], [[Wikipedia:Friedrich Albert Lange|Friedrich Albert Lange]], [[Wikipedia:August Bebel|August Bebel]], [[Wikipedia:Lenin|Lenin]], [[Wikipedia:Otto Lehmann-Rußbüldt|Otto Lehmann-Rußbüldt]], [[Wikipedia:Julius Schaxel|Julius Schaxel]], [[Wikipedia:Helene Stöcker|Helene Stöcker]], [[Wikipedia:Ferdinand Tönnies|Ferdinand Tönnies]] oder [[Wikipedia:Henry van de Velde|Henry van de Velde]] gelesen und diskutiert.<ref>Unter anderem eine Auswahl von Autoren des Buches ''Was wir Ernst Haeckel verdanken'', herausgegeben von Heinrich Schmidt, Jena 1914</ref>
[[Wikipedia:Karl Kautsky|Karl Kautsky]] arbeitete programmatisch zu Rassenfragen, wobei er sich auf Haeckel bezog.<ref>Karl Kautsky, ''Rasse und Judentum'' (1914). Siehe auch die Übersetzung ''Are the Jews a Race?'' (1926) bei [http://www.marxists.org/archive/kautsky/1914/jewsrace/ch04.htm Marxists.org], hier Kapitel 4 mit Bezugnahme auf Haeckel</ref>
 
In der politischen Linken war man sich in Bezug auf die Einschätzung Haeckels keineswegs einig. So finden sich etwa im ersten Jahrgang der populärwissenschaftlich-sozialistischen Zeitschrift ''[[Wikipedia:Urania-Verlag|Urania]]'' (1925) bei drei Bezugnahmen auf Haeckel drei unterschiedliche Positionen. [[Robert Niemann]] würdigt Haeckel als nachbürgerlichen, entwicklungsgeschichtlich orientierten Freigeist, für [[Wikipedia:Karl August Wittfogel|Karl August Wittfogel]] ist Haeckel ein Ahnherr zur Zerstörung der alten Ideologie, „die das geistige Bollwerk der kapitalistischen Besitzverhältnisse bildet“. [[Wikipedia:K. Schäfer|K. Schäfer]] kritisiert den Sozialdarwinismus bei der Rückführung der Ethik auf die Naturwissenschaft. Es könne nichts anderes als „waschechte kapitalistische Ethik“ herauskommen, und er belegt dieses mit einem Zitat von Haeckel. „Der Darwinismus ist alles andere eher als sozialistisch“ (S. 258). Allerdings stammt dieses Zitat Haeckels aus einer Verteidigungsschrift Haeckels<ref>[http://openlibrary.org/b/OL17598723M/Freie-Wissenschaft-und-freie-Lehre Ernst Haeckel: ''Freie Wissenschaft und freie Lehre, eine Entgegnung auf Rudolf Virchows Münchener Rede über „Die Freiheit der Wissenschaft im modernen Staat“'' (1878)]</ref> gegen die heftigen Angriffe Rudolf Virchows.<ref>Rudolf Virchow: [http://www.archive.org/details/diefreiheitderw01vircgoog ''Die Freiheit der Wissenschaft im modernen Staat.'' 1877]</ref> Virchow wandte sich, entgegen dem Bestreben Haeckels, gegen die Einführung darwinistischer Inhalte in Lehrpläne für höhere Schulen und Universitäten und versuchte den Darwinismus dadurch zu diskreditieren, indem er ihn mit Sozialismus und Kommunismus in Verbindung brachte, ein in der unter dem Eindruck der chaotischen Geschehnisse während der [[Wikipedia:Pariser Kommune|Pariser Kommune]] stehenden Zeit schwerwiegender Vorwurf.<ref>R. J. Richards: ''The Tragic Sense of Life: Ernst Haeckel and the Struggle over Evolutionary Thought.'' The University of Chicago Press, 2008, S. 318&nbsp;ff.</ref>
 
Für Lenin spielte Haeckel keine große Rolle, er findet lediglich in seiner Schrift ''Empiriokritizismus und historischer Materialismus'' ausführlicher Erwähnung, in Bezug auf Haeckels Buch ''Welträtsel''. Dabei schließt sich Lenin der Kritik [[Wikipedia:Franz Mehring|Franz Mehring]]s an, nach der die Unzulänglichkeit Haeckels darin bestehe, „daß er keine Ahnung vom historischen Materialismus hat und sich so zu einer Reihe haarsträubender Absurditäten sowohl über Politik als auch über eine monistische Religion usw. usf. versteigt“. Das Buch dient als Beweis für die Unfähigkeit des „naturwissenschaftlichen Materialismus, bei gesellschaftlichen Fragen mitzureden“. Die „starke Seite“ des Buches sei die Darstellung, die Haeckel „vom Siegeszug des naturwissenschaftlichen Materialismus gibt“.<ref>W. I. Lenin, Werke, Bd. 14 (Materialismus und Empiriokritizismus), S. 351–361, Berlin 1987</ref>
 
[[Wikipedia:Magnus Hirschfeld|Magnus Hirschfeld]] gewann Haeckel nach einem Besuch als Autor seiner ''[[Wikipedia:Zeitschrift für Sexualwissenschaft|Zeitschrift für Sexualwissenschaft]]'' zum Thema menschliche [[Wikipedia:Hermaphroditismus|Hermaphroditen]].<ref>Beitrag in: ''Was wir Ernst Haeckel verdanken'', Hrsg. Heinrich Schmidt, Jena 1914</ref>
 
Bedeutend sind auch die Beiträge, die Haeckels Nachlassverwalter [[Heinrich Schmidt (Philosoph)|Heinrich Schmidt]] für die Buchreihen des marxistischen Urania Verlages zum Thema Affenabstammung des Menschen, Kampf ums Dasein oder Fortpflanzung schrieb.
 
=== Die nationalsozialistische Rezeption ===
Haeckels Privatsekretär [[Wikipedia:Heinrich Schmidt (Philosoph)|Heinrich Schmidt]] wurde nach dem Tod Haeckels [[Wikipedia:1920|1920]] dessen Nachlassverwalter und Direktor des Ernst-Haeckel-Hauses der [[Wikipedia:Friedrich-Schiller-Universität Jena|Friedrich-Schiller-Universität Jena]] sowie Herausgeber der „Monistischen Monatshefte“. Nach dem Verbot dieser Zeitschrift 1933 aus politisch-inhaltlichen Motiven gründete Schmidt die Zeitschrift „Natur und Geist, Monatshefte für Wissenschaft, Weltanschauung und Weltgestaltung“. Schmidt entwickelte sich zunehmend radikal-nationalistisch.<ref name="Hoßfeld, Uwe, 2005, S. 282">Uwe Hoßfeld, ''Haeckels „Eckermann“: Heinrich Schmidt (1874–1935).'' In: [[Wikipedia:Matthias Steinbach|Matthias Steinbach]], Stefan Gerber (Hrsg.): ''Klassische Universität und akademische Provinz: Die Universität Jena von der Mitte des 19. bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts.'' Jena: Bussert & Stadeler, 2005, S. 282.</ref> In diesem Zusammenhang griff er auf zum Teil [[Rassismus|rassistische]] und [[Nationalismus|nationalistische]] Argumente zurück, welche in ihrer Radikalität die Meinungen seiner Kollegen [[Wikipedia:Ludwig Plate (Zoologe)|Ludwig Plate]] oder [[Hans F. K. Günther]] bei weitem übertrafen.<ref name="Hoßfeld, Uwe, 2005, S. 284">Uwe Hoßfeld, ''Haeckels „Eckermann“: Heinrich Schmidt (1874–1935).'' In: Matthias Steinbach, Stefan Gerber (Hrsg.): ''Klassische Universität und akademische Provinz: Die Universität Jena von der Mitte des 19. bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts.'' Jena: Bussert & Stadeler, 2005, S. 284.</ref> Sein Versuch, das Ernst-Haeckel-Haus sowie die Person Haeckels im [[Wikipedia:Nationalsozialismus|nationalsozialistischen]] Sinne umzugestalten beziehungsweise umzudeuten, scheiterte letztendlich.<ref name="Hoßfeld, Uwe, 2005, S. 284" /> Über den Umweg der Zeitschrift ''Natur und Geist'' fanden weltanschauliche Argumente Einzug in das ''Standardwerk zur menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene'' von [[Wikipedia:Erwin Baur|Erwin Baur]], [[Wikipedia:Eugen Fischer (Mediziner)|Eugen Fischer]] und [[Wikipedia:Fritz Lenz|Fritz Lenz]].<ref name="Fangerau, Heiner, 2000">Heiner Fangerau, ''Das Standardwerk zur menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene von Erwin Baur, Eugen Fischer und Fritz Lenz im Spiegel der zeitgenössischen Rezensionsliteratur 1921–1941,'' Dissertation, Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Medizin, 2000, S. 66.</ref>
 
Weitere Wissenschaftler, die Haeckels Werk und dessen Popularität nach 1933 im nationalsozialistischen Sinne zu verwerten versuchten, waren beispielsweise [[Wikipedia:Karl Astel|Karl Astel]] (1898–1945), [[Wikipedia:Lothar Stengel von Rutkowski|Lothar Stengel von Rutkowski]] (1908–1991), [[Wikipedia:Heinz Brücher|Heinz Brücher]] (1915–1991), [[Wikipedia:Victor Julius Franz|Victor Julius Franz]] (1883–1950) oder der nach dem Dritten Reich bedeutende Evolutionsbiologe [[Wikipedia:Gerhard Heberer|Gerhard Heberer]] (1901–1973). Sie sammelten und publizierten nationalistische Texte und Bücher oder verwerteten antisozialistische, rassenkundliche oder eugenische Textstellen aus dem Gesamtwerk Haeckels. Den für die NS-Ideologie zentralen [[Judenfeindlichkeit|Antisemitismus]] konnte Brücher, der Haeckel attestierte, „engstirniger Judenhaß sei ihm fremd“,<ref>Brücher 1936, S. 117.</ref> in einem Gespräch Haeckels mit [[Wikipedia:Hermann Bahr|Hermann Bahr]] finden. Haeckel habe sich gegen die Einwanderung russischer Juden gewandt, die „unserer Gesittung unverträglich“ seien. Dagegen befürwortete Haeckel aber grundsätzlich eine „rassische Vermischung von Juden und [[Arier]]n“ und hielt die deutschen Juden für ein wichtiges Element der deutschen Kultur, welche immer tapfer für [[Aufklärung]] und Freiheit und gegen [[Wikipedia:Reaktion (Politik)|reaktionäre]] und [[Okkultismus|okkulte]] Kräfte eingestanden seien.<ref>Hermann Bahr: ''Der Antisemitismus. Ein internationales Interview.'' In: ''Deutsche Zeitung.'' Wien, 23, 1893, #7664, 1-2. (30. April 1893) Buchausgabe: S. Fischer 1894, S. 62–69. Häufige Neuauflagen, zuletzt 2010, ISBN 978-1-149-17667-2 [http://books.google.com/books?id=8BQRAAAAIAAJ&dq=Der+Antisemitismus:+Ein+internationales+Interview&printsec=frontcover&source=bl&ots=vkVPPXFFiv&sig=4MbfGsUbXN0Hfj2DfpUfSaJ8Q2g&hl=en&ei=CYjiSaLkH8vtlQeKgI3gDg&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=1 Link]</ref><ref>Ernst Haeckel: [http://www.zum.de/stueber/haeckel/weltraethsel/die_weltraethsel.html ''Die Welträthsel. Gemeinverständliche Studien über monistische Philosophie.''] 1. Auflage. Strauß, Bonn 1899.<sup style="background:#FCC">[[Vorlage:Quelle|genauer Beleg?]]</sup></ref>
 
Für Brücher ist Haeckels Spätwerk „Die Kristallseelen“ ein Musterbeispiel germanischer ganzheitlicher Forscherkunst, daher sei Haeckel nicht [[Materialismus|materialistisch]]. Er legte daneben eine umfangreiche Sippenforschung vor, in der er Haeckel auch rassenkundlich begutachtete.<ref>Heinz Brücher: ''Ernst Haeckels Bluts- und Geisteserbe. Eine kulturbiologische Monographie.'' [[Wikipedia:Lehmanns Fachbuchhandlung|J. F. Lehmanns]], München 1936.</ref> Haeckel sei vom Wesen her nordisch. Allerdings sieht er Probleme bei der 'Erbgesundheit' von dessen Familie (Haeckel war Vater einer [[Wikipedia:Behinderung (Sozialrecht)|behinderten]] Tochter).
 
Ganz anders der NS-Funktionär Günter Hecht, Repräsentant des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP. Dieser erklärt den materialistischen Monismus Haeckels als unvereinbar mit dem Nationalsozialismus und durch die völkisch-biologische Sichtweise des Nationalsozialismus widerlegt,<ref>Günter Hecht, ''Biologie und Nationalsozialismus'' Zeitschrift für die gesammte Naturwissenschaft 3, (1937-38), 285</ref> ähnlich auch [[Wikipedia:Kurt Hildebrandt|Kurt Hildebrandt]], ein der NS-Ideologie nahestehender Theoretiker der [[Wikipedia:Nationalsozialistische Rassenhygiene#Der Begriff Rassenhygiene|Rassenhygiene]], der einen „ästhetischen Fundamentalismus“ in Engführung von Ideen des [[Wikipedia:George-Kreis|George-Kreis]]es vertrat und eine „deutsche Kultur als Erfüllung des arischen Wesens“ heranzüchten wollte, um einem „westlichen Mechanismus“ zu begegnen.<ref>Vgl. [[Wikipedia:Stefan Breuer|Stefan Breuer]]: ''Ästhetischer Fundamentalismus und Eugenik bei Kurt Hildebrandt.'' In: Bernhard Böschenstein u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Wissenschaftler im George-Kreis''. Die Welt des Dichters und der Beruf der Wissenschaft, de Gruyter, Berlin 2005, S. 291–310, hier 306.</ref> Hildebrandt nannte es eine „Illusion“ Haeckels, dass dieser an die „mechanistische Lösung“ der Welträtsel durch Darwins Abstammungslehre glaubte.<ref>Kurt Hildebrandt, ''Die Bedeutung der Abstammungslehre für die Weltanschauung'' Zeitschrift für die gesammte Naturwissenschaft 3, (1937-38), 17</ref> Die weltanschaulichen Artikel Heberers etwa in „Volk und Rasse“ oder den „Nationalsozialistischen Monatsheften“ versuchen diesen Vorwurf abzuwehren und erinnern vor allem an die antiklerikale Position Haeckels, um diese im nationalsozialistischen Kirchenkampf zu nutzen. Letztlich kam es im Nationalsozialismus nicht zu einer einheitlichen von der NSDAP festgelegten Einschätzung des Werkes Haeckels.
 
Die Nationalsozialisten beriefen sich immer wieder auf vermeintlich wissenschaftliche Grundlagen, wobei insbesondere auch der „Sozialdarwinismus“ Haeckels vereinnahmt wurde. Haeckel setzte die Kulturgeschichte mit der Naturgeschichte gleich, da beide seiner Meinung nach den gleichen Naturgesetzen gehorchten. Diese Vorstellung soll [[Adolf Hitler|Hitler]] stark beeindruckt haben — so jedenfalls die These von Daniel Gasman, The Scientific Origins of National Socialism, 1971:
: „Hitler's views on [...] nature, eugenics [...] and evolution [...] coincide for the most part with those of Haeckel and are more than occasionally expressed in very much the same language.“
 
Die Thesen D. Gasmans sind allerdings in den letzten Jahren stark in Kritik geraten, so beispielsweise durch den Wissenschaftshistoriker R.&nbsp;J. Richards.<ref>Robert J. Richards: ''Myth: That Darwin and Haeckel were Complicit in Nazi Biology'', in: Ronald L. Numbers (ed.): ''Galileo Goes to Jail and Other Myths about Science and Religion'', Cambridge: Harvard University Press, 2009. [http://home.uchicago.edu/~rjr6/articles/Myth.pdf (online)] (PDF; 50&nbsp;kB)</ref> Richards weist unter anderem auf eine Richtlinie für Bibliotheken und Büchereien der sächsischen Regierung im Jahr 1935 hin,<ref>[http://www.library.arizona.edu/exhibits/burnedbooks/documents.htm „Richtlinien für die Bestandsprüfung in den Volksbüchereien Sachsens“ Die Bücherei 2 (1935): 279–80.]</ref> in der Schriften, welche die „oberflächliche wissenschaftliche Aufklärung eines primitiven Darwinismus und Monismus“ verteidigen, „wie diejenigen Ernst Haeckels“, verurteilt und als untauglich für die nationalsozialistische Bildung im Dritten Reich bezeichnet werden.
 
=== Haeckel in der DDR ===
[[Datei:Stralsund, Meeresmuseum, Model ERNST HAECKEL (2012-04-10), by Klugschnacker in Wikipedia.jpg|mini|Modell des Schiffs ''Ernst Haeckel'' im [[Wikipedia:Meeresmuseum Stralsund|Meeresmuseum Stralsund]]]]
[[Datei:Ernst Haeckel statue (aka).jpg|mini|Haeckel-Statue im [[Wikipedia:Botanischer Garten Chemnitz|Botanischen Garten Chemnitz]]]]
Das [[Wikipedia:Ernst-Haeckel-Haus|Ernst-Haeckel-Haus]] wurde in der DDR als wissenschaftshistorische Forschungsstätte weiterbetrieben und überstand auch die Wiedervereinigung.
In ideologischer Hinsicht wurde bei der Rezeption Haeckels versucht, das revolutionäre Element seiner Biographie zu betonen. So interpretierte [[Wikipedia:Georg Schneider (Funktionär)|Georg Schneider]] 1950 eine Zeichnung des 16-jährigen Haeckel von 1850 mit dem Titel „Nationalversammlung der Vögel“ als Anteilnahme Haeckels an der innerpolitischen revolutionären Entwicklung Deutschlands, Erika Krauße (1987) wiederum stellte z.&nbsp;B. eine Verbindung der Schullehrer Haeckels mit der [[Wikipedia:Deutsche Revolution 1848/1849|Revolution von 1848]] her. Am 17. Mai 1963 stellte die DDR das Fischereiforschungsschiff ''[[Wikipedia:Ernst Haeckel (1963)|Ernst Haeckel]]'' in Dienst, das 1987 durch einen Neubau gleichen Namens ersetzt wurde.
 
== Auszeichnungen ==
Die [[Royal Society]] verlieh ihm 1900 die [[Darwin-Medaille]] „für seine langanhaltende und hochbedeutsame Arbeit in der Zoologie, die stets vom Geist des Darwinismus inspiriert war“ (Original: ''{{lang|en|For his long-continued and and highly important work in zoology all of which has been inspired by the spirit of Darwinism}}'').<ref>[http://royalsociety.org/page.asp?id=1761 Verleihungsbegründungen bei der Royal Society]</ref>
 
1894 wurde Haeckel zum Ehrenmitglied des [[Nassauischer Verein für Naturkunde|Nassauischen Vereins für Naturkunde]] ernannt. Die [[Accademia dei Lincei]] führte ihn seit 1899 als auswärtiges Mitglied.
 
== Werke ==
* ''Über die Eier Scomberesoces.'' In: ''J. Müllers Archiv für Anatomie und Physiologie.'' 1855, S. 23–32 Tafel IV, V.
* {{ANNO|wmw|00|00|1856|09|AUTOR=|Aus dem pathologisch-anatomischen Curse des Prof(essor) Virchow in Würzburg. Ueber die Beziehungen des Typhus zur Tuberculose (Teil 1/2)|ZUSATZ=(VI. Jahrgang), 5. Jänner 1856, Nr. 1/1856|ALTSEITE=1/2–5/6|anno-plus=ja}},
** {{ANNO|wmw|00|00|1856|17|AUTOR=|— (Teil 2/2)|ZUSATZ=(VI. Jahrgang), 12. Jänner 1856, Nr. 2/1856|ALTSEITE=17/18–19/20|anno-plus=ja}}.
* {{ANNO|wmw|00|00|1856|57|AUTOR=|Aus dem pathologisch-anatomischen Curse des Prof(essor) Virchow in Würzburg. Fibroid des Uterus|ZUSATZ=(VI. Jahrgang), 16. Februar 1856, Nr. 7/1856|ALTSEITE=97/98–101/102.|anno-plus=ja}}.
* ''De telis quibusdam Astaci fluviatilis.'' Dissertio inauguralis histologica, die VII M. Martini A. Berolini, 1857.
* ''Über die Gewebe des Flußkrebses.'' In: ''Müllers Archiv für Anatomie und Physiologie.'' 1857, S. 469–568 Tafel XVIII, XIX.
* ''Beiträge zur normalen und pathologischen Anatomie der Plexus chlorioides.'' In: ''Vierchows Archiv für pathologische Anatomie.'' Bd. XVI, 1858, S. 253–289, Tafel VIII.
* ''Über Augen und Nerven der Sterntiere.'' In: ''Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie.'' Band 1859, 1859, S. 183–190 Tafel XI.
* ''Reiseskitzen aus Sizilien.'' In: ''Zeitschrift für allgemeine Erdkunde.'' Bd. VIII, 1860, S. 433–486.
* ''Über neue lebende Radiolarien des Mittelmeers.'' In: ''Monatsbericht der Königlichen Akademie der Wissenschaften Berlin.'' 13. Dezember 1860, S. 794–817.
* ''Abbildung und Diagnosen neuer Gattungen und Arten von lebenden Radiolarien des Mittelmeers.'' In: ''Monatsbericht der Königlichen Akademie der Wissenschaften Berlin.'' 20. Dezember 1860, S. 835–845.
* ''De Rizopodum finibus et ordinibus. Dissertio pro venia legendi impetranda in litterarum universitate Jenensi.'' Die IV. M. Martini 1861, Berlin 1861.
* ''Die Radiolarien (Rhizopoda radiata). Eine Monographie.'' Bd. 1 (Text) XVI und Bd. 2 (Atlas), Berlin 1862.
* ''Über die Entwicklungstheorie Darwins.'' Öffentlicher Vortrag in der Allgemeinen Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte zu Stettin, am 19. September 1862 (Amtlicher Bericht über die 37. Versammlung S. 17), 1863.
* ''Beiträge zur Kenntnis der Corycaeiden (Copepoden).'' In: ''Jenaische Zeitschrift für Medizin und Naturwissenschaft.'' Band 1, 1864, S. 61–112, Tafel I–III.
* ''Beschreibung neuer craspedoter Medusen aus dem Golf von Nizza.'' ''Jenaische Zeitschrift für Medizin und Naturwissenschaft.'' Band 1, 1864, S. 325–342.
* ''Die Familie der Rüsselquallen (Medusae Geryonidae).'' In: ''Jenaische Zeitschrift für Medizin und Naturwissenschaft.'' Band 1. 1864, S. 435–469 Tafel XI, XII.
* ''Über eine neue Form des Generationswechsels bei Medusen und über die Verwandtschaft der Geryoiniden und Äginiden.'' In: ''Monatsbericht der Berliner Akademie.'' 1865, S. 85–94.
* ''Über den Sarcodekörper der Rhizopoden.'' In: ''Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie.'' Band XV. 1865, S. 342–370.
* ''Über fossile Medusen.'' In: ''Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie.'' Band XV. 1865, S. 504–514.
* ''Die Familie der Rüsselquallen (Medusae Geryonidae).'' In: ''Jenaische Zeitschrift für Medizin und Naturwissenschaft.'' Band 2. 1865, S. 93–322 (Fortsetzung und Schluss).
* ''Beiträge zur Naturgeschichte der Hydromedusen.'' Heft I. ''Die Familie der Rüsselquallen (Medusae Geryonidae).'' Eine Monographie. Leipzig 1865.
* ''Generelle Morphologie der Organismen.'' 2 Bände. Berlin 1866 (Digitalisate: [http://archive.org/details/generellemorphol01haec Bd. 1], [http://archive.org/details/generellemorphol02haec Bd. 2]).
*''Natürliche Schöpfungsgeschichte.'' Berlin: G. Reimer 1868 ([https://archive.org/details/natrlichesch1868haec Digitalisat]).
*''Anthropogenie oder Entwicklungsgeschichte des Menschen.'' Leipzig: W. Engelmann 1874.
* ''Arabische Korallen. ein Ausflug nach den Korallenbänken des Rothen Meeres und ein Blick in das Leben der Korallenthiere.'' Berlin 1876, {{doi|10.5962/bhl.title.10156}}.
* ''Die Perigenesis der Plastidule oder die Wellenerzeugung der Lebenstheilchen.'' Berlin 1876 ({{DTAW|haeckel_plastidule_1876}}).
* ''Indische Reisebriefe.'' Berlin, Paetel, 1883.
* ''Systematische Phylogenie.'' 3 Bände. Berlin 1894–1896 (Digitalisate: [http://archive.org/details/systematischephy01haec Bd. 1], [http://archive.org/details/systematischephy02haec Bd. 2], [http://archive.org/details/systematischephy03haec Bd. 3]).
* ''[[Die Welträtsel|Die Welträthsel]]. Gemeinverständliche Studien über Monistische Philosophie.'' Bonn 1899 ({{DTAW|haeckel_weltraethsel_1899}}).
* ''Kunstformen der Natur.'' Bibliographisches Institut, Leipzig 1899–1904; 2., verkürzte Auflage 1924 ([http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hbz:061:2-170858 Digitalisat] der [[Wikipedia:Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf|Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf]]).
* ''Aus Insulinde. Malayische Reisebriefe.'' Bonn, Strauß, 1901.
* ''Die Lebenswunder. Gemeinverständliche Studien über Biologische Philosophie. Ergänzungsband zu dem Buche über die Welträthsel.'' Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 1904.
* ''Der Kampf um den Entwickelungs-Gedanken. Drei Vorträge, gehalten am 14., 16. und 19. April 1905 im Saale der Sing-Akademie zu Berlin.'' Reimer, Berlin 1905.
* ''Wanderbilder. Nach eigenen Aquarellen und Ölgemälden.'' Erste, zweite und dritte Serie. Die Naturwunder der Tropenwelt. Ceylon und Insulinde. Gera-Untermhaus, W. Koehler'sche Verlagsbuchhandlung (1905).
* ''Kristallseelen: Studien über das anorganische Leben.'' Alfred Kröner Verlag, Leipzig 1917.
* ''Kunstformen der Natur.'' Marix, Wiesbaden 2004, ISBN 3-937715-17-7 (nach der Originalausgabe von 1904, neu gesetzt, überarbeitet und eingeleitet).
 
== Literatur ==
<!--chronologisch, Neueste zuerst-->
* Winfried Krakau: ''Ernst Haeckel. Der naturwissenschaftliche Monist und Philosoph, evolutionäre Humanist und Kirchenkritiker im »Gespräch« mit Winfried Krakau zu Fragen unserer Zeit.'' Karin Fischer Verlag, Aachen 2011, ISBN 978-3-8422-3916-6.
* Birk Engmann: ''Ernst Haeckel zum neunzigsten Todestag. Seine Überlegungen zu Theophysis, Kristallseele und Bewusstsein und deren heutige Bedeutung.'' In: ''Ärzteblatt Thüringen.'' 11/2009, {{ISSN|0863-5412}}, S. 681–684. [http://www.aerzteblatt-thueringen.de/pdf/thu09_681.pdf (online)] (PDF; 988&nbsp;kB)
* Robert J. Richards: ''The Tragic Sense of Life, Ernst Haeckel and the Struggle over Evolutionary Thought.'' The University of Chicago Press, Chicago/ London 2008, ISBN 978-0-226-71214-7.
* Volker Mueller, Arnher E. Lenz: ''Darwin, Haeckel und die Folgen. Monismus in Vergangenheit und Gegenwart.'' Angelika Lenz Verlag, Neustadt am Rübenberge 2006, ISBN 3-933037-56-5.
* Bernhard Kleeberg: ''Theophysis. Ernst Haeckels Philosophie des Naturganzen.'' Böhlau, Köln/Weimar 2005, ISBN 3-412-17304-5.
* Mario DiGregorio: ''From Here to Eternity. Ernst Haeckel and Scientific Faith.'' Göttingen 2005, ISBN 3-535-56972-9.
* Daniel Gasman: ''Haeckel's Monism and the Birth of Fascist Ideology''. Peter Lang, New York 1998, ISBN 0-8204-4108-2.
* Rüdiger Wehner, Walter Gehring: ''Zoologie.'' 23. Auflage. Thieme Verlag, Stuttgart 1995, ISBN 3-13-367423-4, Kap. 11.1.4, S. 573–575.
* {{NDB|7|423|425|Haeckel, Ernst Heinrich Philipp August|Georg Uschmann|118544381}}
* Johannes Hemleben: ''Rudolf Steiner und Ernst Haeckel'', Vlg. Freies Geistesleben, Stuttgart 1965
* [[Rudolf Steiner]]: ''Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt'', [[GA 18]] (1985), ISBN 3-7274-0180-X {{Schriften|018}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Mysterienstätten des Mittelalters'', [[GA 233a]] (1991), ISBN 3-7274-2335-8 {{Vorträge|233a}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge. Vierter Band'', [[GA 238]] (1991), ISBN 3-7274-2380-3 {{Vorträge|238}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge. Fünfter Band'', [[GA 239]] (1985), ISBN 3-7274-2390-0 {{Vorträge|239}}
 
{{GA}}
 
== Zitate über Ernst Haeckel ==
* [[Charles Darwin]]: „Wäre die ''Natürliche Schöpfungsgeschichte'' erschienen, bevor meine Arbeit niedergeschrieben war, dann würde ich sie wahrscheinlich nie zu Ende geführt haben. Fast alle Schlüsse, zu denen ich gekommen, finde ich durch diesen Naturforscher bestätigt, dessen Kenntnisse in vielen Punkten viel vollkommener sind als die meinen.“ (Einleitung zu ''Die Abstammung des Menschen'', Auflage 1870)
* [[Wikipedia:Franz Mehring|Franz Mehring]]: „Uns scheint das Buch von sehr aktuellem Interesse auch für die sozialdemokratische Partei zu sein“ (zu Haeckels Buch ''Die Welträthsel'', 1899/1900)
* [[Wikipedia:Thomas Alva Edison|Thomas Alva Edison]]: „Haeckel ist der größte unter den lebenden Menschen. Ich glaube absolut an seine Theorie.“
* [[Rudolf Steiner]]: „In ... widerspruchsvoller Art leben zwei Wesen in Haeckel. Ein Mensch mit mildem, liebeerfülltem Natursinn, und dahinter etwas wie ein Schattenwesen mit unvollendet gedachten, engumgrenzten Ideen, die Fanatismus atmeten ... Ein Menschenrätsel, das man nur lieben konnte, wenn man es sah; über das man oft in Zorn geraten konnte, wenn es urteilte.“ (''Mein Lebensgang'', 1925)
 
== Weblinks ==
{{Commonscat|Ernst Haeckel|Ernst Haeckel}}
{{Wikisource}}
{{Wikiversity|Haeckel, Ernst (1868)|Abb. Titelblatt und Frontispiz Ernst Haeckel: Natürliche Schöpfungsgeschichte (1868)}}
{{Wikiversity|Haeckel, Ernst (1899)|Abb. Titelblatt und zeitgenössischer Einband Ernst Haeckel: Die Welträthsel (1899)}}
* {{DNB-Portal|118544381}}
* [http://www.vifabio.de/vifabio-search.html?searchID=vKBio&lang=de&query=haeckel,%20ernst* Literatur von und über Ernst Haeckel] im Katalog der [http://www.vifabio.de/ Virtuellen Fachbibliothek Biologie (vifabio)]
* {{Zeno-Künstler|Kunstwerke/A/Haeckel,+Ernst}}
 
'''Von Ernst Haeckel:'''
* [http://www.zum.de/stueber/haeckel/weltraethsel/die_weltraethsel.html Die Welträthsel]
* [http://www.zum.de/stueber/haeckel/natuerliche/ Natürliche Schöpfungsgeschichte (Menschenaffen, Menschwerdung)]
* [http://www.zum.de/stueber/haeckel/anthropogenie/index.html Anthropogenie oder Entwicklungsgeschichte des Menschen. Keimes- und Stammes-Geschichte des Menschen. Prometheus, 1874] <ref>Bis Kapitel 10; damit unvollständig, seit 2008 nicht mehr bearbeitet</ref>
* [http://www.zum.de/stueber/haeckel/kunstformen/natur.html „Kunstformen der Natur“. Kunstbände, Volltext] (sehenswert!)
* [http://www.zum.de/stueber/haeckel/insulinde/capitel_01.html Volltext: Malayische Reisebriefe,] oder ''Indische Reisebriefe aus Insulinde.'' 1901<ref>Kapitel 1. Die folgenden Kapitel: durch Änderung der Zahl in der URL. Mit den Abb. der Printausgabe, Ges. Werke 6, 1924</ref>
 
'''Über Ernst Haeckel:'''
* [http://www.bnv-bamberg.de/home/ba2282/main/faecher/biologie/haeckel.htm Dr. Angelika Weiß-Merklein: Ernst Haeckel]
* [http://www/<!--sic!-->.gkpn.de/hofmann.htm Dr. Klaus Hofmann: Der Naturforscher, Philosoph und Aufklärer Ernst Haeckel]
* [http://www.wdr.de/radio/wdr3/bilder/sendung/lebenszeichen/060507ms-findeisen.pdf „Gegenpapst und Designer des Darwinismus“ – Wer kennt heute eigentlich noch Ernst Haeckel?] von Hans-Volkmar Findeisen, Sendemanuskript des [[WDR]]
* [http://www.thueringen.de/imperia/md/content/lzt/haeckel_.pdf Hoßfeld & Breidbach] [[Uwe Hoßfeld]] und [[Olaf Breidbach]]: ''Ernst Haeckels Politisierung der Biologie.'' Thüringen, LZpB, Blätter zur Landeskunde Nr. 54, 2005<ref>Nur noch online verfügbar</ref>
 
'''Ernst-Haeckel-Haus und Museum in Jena:'''
* [http://www2.uni-jena.de/biologie/ehh/museum/fuehrungen.htm Ernst-Haeckel-Haus] – Institut für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
* [http://www.phyletisches-museum.uni-jena.de/ Phyletisches Museum Jena]
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
{{SORTIERUNG:Haeckel, Ernst}}
[[Kategorie:Zoologe]]
[[Kategorie:Evolutionsbiologe]]
[[Kategorie:Ökologe]]
[[Kategorie:Philosoph (19. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Philosoph (20. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Autor (Biologie)]]
[[Kategorie:Autor (Philosophie)]]
[[Kategorie:Deutscher]]
[[Kategorie:Geboren 1834]]
[[Kategorie:Gestorben 1919]]
[[Kategorie:Mann]]
 
{{Wikipedia}}

Aktuelle Version vom 21. Januar 2014, 09:16 Uhr