Idealismus und Kinderkrankheiten: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:DPAG_2012_Fichte.jpg|thumb|left|Johann Gottlieb Fichte]]
'''Kinderkrankheiten''' werden in der [[Anthroposophische Medizin|Anthroposophischen Medizin]] als wichtige Krisen gesehen, die es dem noch jungen Organismus erlauben, ein gutes Immunsystem aufzubauen. Impfen schadet daher eher, als daß es nutzt. Jede einzelne [[Impfentscheidung]] sollte daher gemeinsam mit dem behandelnden Arzt gründlich überlegt und erst nach Abwägung aller relevanten Informationen getroffen werden.
Der '''Idealismus''' (von [[Wikipedia:Griechische Sprache|griech.]] ιδέα, ''[[Idee]], [[Urbild]]'') ist eine der 12 grundlegenden [[Weltanschauung]]en, von denen [[Rudolf Steiner]] spricht, und vertritt den [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretischen]] Standpunkt, dass die eigentliche [[Wirklichkeit]] in [[Idee]]n und damit zugleich in [[Vernunft]] und [[Bewusstsein]] begründet ist und die [[materiell]]e Welt und die [[sinnlich]]en Erscheinungen nur sekundäre abgeleitete [[Phänomen]]e sind. Die Gegenposition dazu ist der [[Realismus]]. Im [[Tierkreis]] entspricht dem Idealismus das Zeichen des [[Widder (Sternbild)|Widders]].


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Zugleich dienen die durchlebten '''Kinderkrankheiten''' dazu, den erworbenen Leib für das höhere geistig-seelische Gefüge zuzubereiten, damit schließlich ein gesunder Geist einem gesunden Körper einwohnen kann. Erbliche Belastungen werden dabei - soweit möglich - durch Einwirkung des [[Ich]] ausgeglichen.
"Es kann aber noch andere Menschen geben, die etwa folgendes
sagen. Um uns herum ist die Materie und die Welt der materiellen
Erscheinungen. Aber die Welt der materiellen Erscheinungen ist
eigentlich in sich sinnleer. Sie hat keinen rechten Sinn, wenn nicht
in ihr jene Tendenz liegt, die sich eben bewegt nach vorwärts, wenn
nicht aus dieser Welt, die da um uns herum ausgebreitet ist, das
geboren werden kann, wonach die Menschenseele sich richten kann
als nicht in der Welt enthalten, die um uns herum ausgebreitet ist.
Es muß nach der Anschauung solcher Menschen das Ideelle und das
Ideale im Weltprozesse drinnen sein. Solche Menschen geben den
realen Weltprozessen ihr Recht. Sie sind nicht Realisten, trotzdem
sie dem realen Leben recht geben, sondern sie sind der Anschauung,
das reale Leben muß durchtränkt werden von dem Ideellen, nur
dann bekommt es einen Sinn. - In einem Anfluge von solcher Stimmung
hat Fichte einmal gesagt: Alle Welt, die sich um uns herum
ausbreitet, ist das versinnlichte Material für die Pflichterfüllung. -
Die Vertreter solcher Weltanschauung, die alles nur Mittel sein läßt
für Ideen, die den Weltprozeß durchdringen, kann man Idealisten
nennen und ihre Weltanschauung Idealismus. Schönes und Großes
und Herrliches ist für diesen Idealismus vorgebracht worden. Und
auf dem Gebiete, das ich eben charakterisiert habe, wo es darauf ankommt,
zu zeigen, wie die Welt zweck- und sinnlos wäre, wenn die
Ideen nur menschliche Phantasiegebilde wären und nicht im Weltprozesse
drinnen wirklich begründet wären, auf diesem Gebiete hat
der Idealismus seine volle Bedeutung. Aber mit diesem Idealismus
kann man zum Beispiel die äußere Wirklichkeit, die äußere Realität
des Realisten nicht erklären. Daher hat man zu unterscheiden von
den anderen eine Weltanschauung, die Idealismus genannt werden
kann." {{Lit|{{G|151|37}}}}
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== Rudolf Steiners Weltsicht und Erkenntnistheorie im Verhältnis zum Deutschen Idealismus ==
== Der vererbte Leib als Modell, das überwunden werden muss ==
[[Datei:GeorgWilhelmFriedrichHegel.jpg|thumb|Georg Wilhelm Friedrich Hegel]]
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"Ich bin zu meiner Weltansicht nicht allein durch das
Studium Goethes oder etwa gar des Hegelianismus gekommen.
Ich ging von der mechanisch-naturalistischen Weltauffassung
aus, erkannte aber, daß bei intensivem Denken
dabei nicht stehengeblieben werden kann. Ich fand, streng
nach naturwissenschaftlicher Methode verfahrend, in dem
[[objektiver Idealismus|objektiven Idealismus]] die einzig befriedigende Weltansicht.
Die Art, wie ein sich selbst verstehendes, widerspruchsloses
Denken zu dieser Weltansicht gelangt, zeigt meine Erkenntnistheorie<ref>[[Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung mit besonderer Rücksicht auf Schiller]] -  ({{G|002}})</ref>. ({{G|001|129}})
</div>


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{{GZ|Es ist eben tatsächlich der Mensch innerhalb
"Ich muss einen besonderen Wert darauf legen, dass hier an dieser Stelle beachtet werde, dass ich als meinen Ausgangspunkt das Denken bezeichnet habe und nicht Begriffe und Ideen, die erst durch das Denken gewonnen werden. Diese setzen das Denken bereits voraus. Es kann daher, was ich in bezug auf die in sich selbst ruhende, durch nichts bestimmte Natur des Denkens gesagt habe, nicht einfach auf die Begriffe übertragen werden. (Ich bemerke das hier ausdrücklich, weil hier meine Differenz mit [[Hegel]] liegt. Dieser setzt den Begriff als Erstes und Ursprüngliches.)" - [[Philosophie der Freiheit]], S.34 ({{G|004}})
seiner Erdenentwickelung nicht so stark geblieben, als er veranlagt
</div>
war, bevor die luziferischen und ahrimanischen Einflüsse da waren.
Und so ist der Mensch darauf angewiesen, nicht sogleich beim Hereintreten
in die Erdenverhältnisse sich seinen physischen Leib von sich aus
zu bilden, sondern er braucht eben ein Modell, jenes Modell, welches
heranwächst in den ersten sieben Lebensjahren. Da er sich nach diesem
Modell richtet, so ist es natürlich, daß von diesem Modell auch im
späteren Leben etwas an ihm bleibt, mehr oder weniger. Derjenige, der
als Mensch, welcher an sich selber wirkt, ganz und gar vom Modell
abhängig ist, der wird, wenn ich so sagen darf, vergessen, was er eigentlich
heruntergebracht hat, und wird sich ganz nach dem Modell richten.
Derjenige, der stärkere innere Kraft hat, durch seine früheren
Erdenleben erworben, er wird sich weniger nach dem Modell richten,
und man wird dann sehen können, wie er sich sehr bedeutend verändert
gerade im zweiten Lebensalter zwischen dem Zahnwechsel und
der Geschlechtsreife.


Steiner ordnet seine Erkenntnistheorie also dem objektiven Idealismus zu. Was jedoch positiv unter der durch nichts als sich selbst bestimmten Natur des Denkens zu verstehen ist, ist nicht ohne weiteres klar. Später heißt es im Text der Philosophie der Freiheit:
Die Schule wird sogar die Aufgabe haben, wenn sie eine rechte
Schule ist, dasjenige im Menschen zur Entfaltung zu bringen, was er
heruntergetragen hat aus den geistigen Welten in das physische Erdendasein.
So daß also dasjenige, was der Mensch dann weiter im Leben
mit sich trägt, mehr oder weniger die Vererbungsmerkmale enthält,
je nachdem er sie überwinden kann oder nicht überwinden kann.
Nun, sehen Sie, meine lieben Freunde, alle Dinge habe ihre geistige
Seite. Was der Mensch da hat als seinen Körper in den ersten sieben
Lebensjahren, das ist eben einfach ein Modell, nach dem er sich richtet.
Entweder es gehen seine geistigen Kräfte in einem gewissen Grade in
dem unter, was ihm da durch das Modell aufgedrängt wird, und er
bleibt ganz vom Modell abhängig, oder er arbeitet in den ersten sieben
Lebensjahren durch das Modell dasjenige durch, was das Modell verändern
will. Dieses Arbeiten, dieses Durcharbeiten findet seinen äußeren
Ausdruck. Denn es handelt sich ja nicht bloß darum, daß da gearbeitet
wird und daß dieses hier das ursprüngliche Modell ist; sondern
das ursprüngliche Modell löst sich ja los, schuppt sich ab sozusagen,
fällt ab, wie die ersten Zähne abfallen; alles fällt ab. (Siehe Zeichnung,
hell.) Es handelt sich da wirklich darum, daß von der einen Seite die
Formen, die Kräfte das Modell drücken; auf der anderen Seite will
der Mensch ausprägen, was er heruntergebracht hat. Das gibt einen
Kampf in den ersten sieben Lebensjahren. Vom geistigen Gesichtspunkte
aus gesehen, bedeutet dieser Kampf dasjenige, was dann äußerlieh symptomatisch in den Kinderkrankheiten zum Ausdrucke kommt.
Kinderkrankheiten sind der Ausdruck dieses inneren Kampfes.


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[[Datei:GA235 087.gif|center|300px|Zeichnung aus GA 235, S. 87 (Tafel 8)]]
"Nun darf aber nicht übersehen werden, daß wir uns nur mit Hilfe des Denkens als Subjekt bestimmen und uns den Objekten entgegensetzen können. Deshalb darf das Denken niemals als eine bloß subjektive Tätigkeit aufgefaßt werden. Das Denken ist ''jenseits'' von Subjekt und Objekt. Es bildet diese beiden Begriffe ebenso wie alle anderen. Wenn wir als denkendes Subjekt also den Begriff auf ein Objekt beziehen, so dürfen wir diese Beziehung nicht als etwas bloß Subjektives auffassen. Nicht das Subjekt ist es, welches die Beziehung herbeiführt, sondern das Denken. Das Subjekt denkt nicht deshalb, weil es Subjekt ist; sondern es erscheint sich als ein Subjekt, weil es zu denken vermag. Die Tätigkeit, die der Mensch als ''denkendes'' Wesen ausübt, ist also keine bloß subjektive, sondern eine solche, die weder subjektiv noch objektiv ist, eine über diese beiden Begriffe hinausgehende. Ich darf niemals sagen, daß mein individuelles Subjekt denkt; dieses lebt vielmehr selbst von des Denkens Gnaden. Das Denken ist somit ein Element, das mich über mein Selbst hinausführt und mit den Objekten verbindet. Aber es trennt mich zugleich von ihnen, indem es mich ihnen als Subjekt gegenüberstellt." ({{G|004|60}})
</div>
Mit "Denken" ist anscheinend eine Tätigkeit, oder ein Tätigsein noch jenseits von begrifflich erfaßtem als Ergebnis solchen Denkens gemeint. Sie kann vom Menschen als denkendes Wesen ausgeübt werden und bildet (erfaßt) erst die Begriffe, die Hegel schon voraussetzt.


Gegenüber dem [[subjektiven Idealismus]] [[Johann_Gottlieb_Fichte|Fichtes]] hebt Steiner hervor, daß das [[absolute Ich]] Fichtes dem [[Wahrnehmung|unmittelbar Gegebenen]] nicht gerecht wird. Das Denken ist nicht nur tätiges Hervorbringen, sondern zugleich auch sein Inhalt als ein vorgefundener. Diese Vorfindlichkeit des Denkinhaltes, bzw. was zum Denkinhalt wird, liegt auf der [[Wahrnehmung|Wahrnehmungsseite]] des Erkennens. Fichte gelingt es nicht, das Wahrnehmliche aus dem absoluten Ich hervorgehen zu lassen. Darin liegt das "objektive" des Steinerschen Idealismus, daß er dieses Wahrnehmliche in seiner selbstgebenden, nicht durch ein absolutes Ich produzierten, Eigenart anerkennt, obwohl es sich bei diesem wahrnehmlich Vorgegebenen nicht schon gleich um Begriffenes, Vergegenständlichtes handelt<ref>Das dies so ist, zeigt sich z.B. im Falle des Falschdenkens und seiner Korrektur</ref>. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit Fichte findet sich in [[Wahrheit_und_Wissenschaft]] - ({{G|003}})
Es treten natürlich bei den Menschen ähnliche Formen des Erkranktseins
auch später auf. Das ist dann der Fall, wenn die Sache zum Beispiel
so ist, daß jemand in den ersten sieben Lebensjahren es nicht sehr
gut dazu gebracht hat, das Modell zu überwinden. Dann kann in einem
späteren Lebensalter ein innerer Drang auftauchen, nun doch das, was
da karmisch in ihm geblieben ist, herauszubekommen. Er kann in seinem
achtundzwanzigsten, neunundzwanzigsten Lebensjahre plötzlich
innerlich aufgerüttelt werden, gegen das Modell nun erst recht anstoßen,
und bekommt dann eine Kinderkrankheit.


== "Idealismus", ein weites Spektrum von Auffassungen und Bedeutungen==
Nun kann man schon, wenn man einen Blick dafür hat, sehen, wie
Neben dem [[Ethik|ethischen]] Idealismus kann man zwischen einem [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretischen]], einem [[Ontologie|ontologischen]] und einem [[Metaphysik|metaphysischen]] Idealismus unterscheiden.
bei manchen Menschenkindern das stark auftritt, daß sie sich nach
dem siebenten, achten Jahre wesentlich ändern, ändern in der Physiognomie,
ändern in den Gesten. Man weiß nicht, woher gewisse
Dinge kommen. Heute, wo man in der allgemeinen Zivilisationsansicht
so außerordentlich an der Vererbung hängt, ist das schon sogar in die
Redensarten übergegangen. Plötzlich tritt im achten, neunten Lebensjahre
bei einem Kinde etwas auf, was sehr organisch begründet ist. Der
Vater sagt: Na, von mir hat er das nicht. - Die Mutter sagt: Nun, von
mir erst recht nicht! - Das rührt natürlich von dem allgemeinen Glauben
heute her, der in das elterliche Bewußtsein übergegangen ist, daß
die Kinder alles von den Eltern haben müßten.


== Die Gefahr des Idealisten ==
Auf der anderen Seite ist ja auch das, daß dann auch gesehen werden
<div style="margin-left:20px">
kann, wie Kinder unter Umständen in diesem zweiten Lebensalter
"Die Idealisten, die werden immerfort vor der Gefahr stehen, daß sie mit ihren Vorstellungen in luziferische Regionen hineinkommen, daß sie Schwärmer, Phantasten, Schwarmgeister, Lenine, Trotzkijs werden, ohne wirklichen Boden unter den Füßen; mit ihrem Willen können sie leicht ahrimanisch werden, despotisch, tyrannisch." ({{G|190|74}})
sogar ähnlicher werden ihren Eltern, als sie früher waren. Ja, aber da
</div>
müssen Sie nur in ganz vollem Ernste nehmen, wie der Mensch herunterkommt
in die physische Welt.|235|85ff}}


== Einzelnachweise ==
{{GZ|Der Mensch hat einschließlich der
<references/>
sogenannten Milchzähne, wenn er physisch zur Welt kommt, einen
Körper, der ein Ergebnis der Vererbungsentwickelung ist. Er hat einen
Körper bekommen, der das Ergebnis ist desjenigen, was in der ganzen
Reihe der Aszendenten liegt. Daher kommt der physische Körper der
ersten sieben Jahre, wenn wir es in Zahlen ausdrücken. Vom siebenten
bis vierzehnten Jahre hat der Mensch auch einen Körper, der ist aber
nicht hervorgegangen durch eine Umwandlung aus dem ersten, da hat
eingegriffen dasjenige, was der Mensch sich mitgebracht hat auf die
Erde. Nun müssen Sie sich die Sache so vorstellen. Der Mensch hat
seinen Körper gehabt. Dieser Körper, den er aus der Vererbungslinie
heraus hat, der ist ein Modell, den hat er als Modell. Nun nimmt er die
irdische Substanz in diesen Körper hinein. Diese irdische Substanz, die
der Mensch in seinen Körper hineinnimmt in den ersten sieben Jahren,
die würde er zu einer ganz andern Form verarbeiten, wenn er nur
arbeiten würde nach den Kräften, die er sich mitbringt aus dem vorirdischen
Dasein. Er würde eine ganz andere Wesensgestalt hervorrufen.
Er kommt nicht hinein, wenn er geboren wird, mit der Tendenz,
einen solchen Menschen zu gestalten mit Augen, Ohren, Nase, wie der
ist, der auf der Erde steht. Er kommt hinein mit der Tendenz, den
Menschen so zu gestalten, daß er im Grunde genommen sehr wenig
durch seine vorirdische Wesenheit vom Kopf aus gestaltet wird. Gerade
auf das übrige wird die größte Sorgfalt verwendet. Das, was im
Embryonalleben verkümmert ist, wird ausgebildet im Astralischen, in
der Ich-Organisation, so daß man, wenn man den physischen Embryo
hat, sagen muß: Dieses Physische im Embryo, das ist allerdings wunderbar
ausgebildet, aber daran hat der vorirdische Mensch zunächst
den wenigsten Anteil. - Dagegen hat der Mensch, der vorirdische
Mensch den größten Anteil an alldem, was rund herum ist. Dadrinnen
lebt der vorirdische Mensch, in dem, was im Physischen eigentlich
abgebaut wird und als Abgebautes, Chorion, Amnion und so weiter,
weggeht. Dadrinnen lebt der vorirdische Mensch. Nun können Sie,
wenn Sie es sich schematisch vorstellen, es sich so vorstellen, daß
zunächst Kosmisches nachgebildet wird. Das will eigentlich der
Mensch machen, wenn er heruntersteigt aus dem vorirdischen in das
irdische Dasein. Warum macht er es nicht? Weil ein Modell gegeben
ist. Und nach diesem Modell arbeitet er nun mit den aufgenommenen
Substanzen während der ersten sieben Jahre das Vorirdische um. Er
möchte eigentlich ein mehr Kugeliges gestalten und einen kugelig
organisierten Menschen hervorrufen. Das wird umgearbeitet nach dem
Modell. Und so arbeitet das Vorirdische diesen zweiten physischen
Menschen, der dann vom siebenten bis vierzehnten Jahre da ist, heraus
aus den vorirdischen Kräften, zunächst aber, indem er sich an das
Modell hält, das von den Vererbungskräften herkommt.


== Siehe auch ==
Nun sehen Sie, da haben Sie zwei auch wirklich unterscheidbare
Kraftentitäten im Menschen. Wie können Sie diese Kraftentitäten verstehen?
Nehmen Sie sich jetzt zur Hand mit dem Blick und mit dem
Empfinden des Mediziners den Umriß der «Geheimwissenschaft» und
lesen Sie darin da, wo von der Erdentwickelung die Rede ist, wie man
es zuerst zu tun hatte mit einer Saturnentwickelung, dann mit einer
Sonnenentwickelung, dann mit einer Mondentwickelung, mit einer
Erdentwickelung und so weiter. Wenn Sie dort die Beschreibung
dieser Entwickelung verfolgen, werden Sie sich sagen müssen: bis zur
Sonne herüber ist alles eins; da ist Sonne, Mond und Erde eins, sind
zusammen in eins. Eine Trennung von Erde und Sonne, eine Trennung
von Erde und Mond kommt erst da, so daß also bis in die Mitte dieser
Entwickelung der Mensch im Kosmos lebt. Er lebt in Sonne und
Mond sowie in der Erde. Er lebt dann nach der Sonnentrennung
außerhalb der Sonne, nach der Mondentrennung außerhalb des Mondes.
Nun, auf die menschliche Natur wirkten also bis zur Sonnentrennung
die kosmischen Kräfte, auch diejenigen, die heute außerhalb der
Erde sind, im Mond, in der Sonne. Sie wirkten im Menschen, weil der
Mensch angehörte dieser Welt, in der noch Sonne und Mond darinnen
waren. Dann kam eine Entwickelung für den Menschen, die so vor
sich ging, daß eben Sonne und Mond draußen sind.


* [[Wikipedia:Idealismus (Philosophie)|Idealismus]]
Aber nun ist es so: Nehmen Sie an, hier ist eine Entwickelung, die
* [[Wikipedia:Deutscher Idealismus|Deutscher Idealismus]]
unten in sich enthält alles dasjenige, was heute irdisch ist und auch dasjenige,
* {{Kirchner|Idealismus}}
was sonnen- und mondhaft ist; später emanzipiert sich das, was außerirdisch
ist, von dem, was irdisch ist. Das, was irdisch ist, ging nun
weiter in seiner eigenen Linie; es vertrocknete, es verhärtete, verphysizierte,
und das finden Sie heute in der Vererbungsströmung, das ist
grob geworden in der Vererbungsströmung. Das, was er [der Mensch]
angenommen hat nach der Trennung von Sonne und Mond, finden Sie
in dem, was er verdankt dem Hereinwirken der Kräfte aus dem Kosmos
- das ist die Sache -, so daß Sie also ein Modell bekommen für
das Erarbeiten Ihres zweiten Menschen, ein Modell, das eigentlich ein
uraltes Künstlerisches darstellt, was Ihnen Vater und Mutter geben,
das entstehen konnte, als noch Sonne und Mond mit der Erde verbunden
waren. Da bildeten sich die Kräfte heraus, die eigentlich dem
Menschen seine irdische Konfiguration geben, denn Sie werden leicht
begreifen, diese menschliche Konfiguration ist eine irdische. Denken
Sie sich einmal weg von der Erde mit der menschlichen Wesenheit.
Was wollen Sie mit ihr dann anfangen? Sie wären höchst unglücklich,
wenn Sie nach dem Tode so etwas wie Beine gebrauchen sollten. Beine
haben nur einen Sinn, wenn durch sie die Anziehungskräfte der Erde
gehen, wenn wir die Beine hineinbringen in die Anziehungskräfte der
Erde, Beine haben nur für die Erde eine Bedeutung, ebenso Arme und
Hände. Also ein ganzer Teil der Organisation hat nur einen Sinn, so
wie er ausgebildet wird, wenn wir Erdenmenschen sind. Was wir sind
als Erdenmenschen, hat keinen Sinn gegenüber dem Kosmos. Daher,
indem wir ankommen auf der Erde als geistig-seelische Wesen, wollen
wir eben eine ganz andere Organisation bilden. Wir wollen einen
Umkreis bilden, wir wollen in diesem Umkreis allerlei Konfigurationen
hervorrufen, aber wir wollen nicht diesen Menschen, mit dem
man im Kosmos nichts anfangen könnte. Der wird uns nun als
Modell gegeben und wir richten den zweiten Menschen nach diesem
Modell ein.
 
Daher hat man es zu tun in dieser ersten Lebenszeit des Menschen
mit einem fortwährenden Kampf desjenigen, was von uns aus dem
vorigen Leben kommt und demjenigen, was aus der Vererbungsentwickelung
kommt. Das kämpft miteinander. Der Ausdruck dieses
Kampfes sind die Kinderkrankheiten. Und denken Sie nur, wie innig
verbunden das ganze menschliche innere seelisch-geistige Sein während
der ersten Kindheit mit der physischen Organisation ist. So wie
Sie sehen, wenn die zweiten Zähne herauskommen, wie der zweite
Zahn den ersten noch abstößt, wie sie miteinander noch wirtschaften,
so wirtschaftet der ganze zweite Mensch mit dem ersten. Nur im
zweiten Menschen ist der überirdische Mensch darinnen, im ersten ein
fremdartiges irdisches Modell. Die arbeiten ineinander. Und wenn Sie
das Ineinanderarbeiten in der richtigen Weise beobachten, sehen Sie
dann nur einmal, wie der innere Mensch, der als geistig-seelischer im
vorirdischen Dasein da war, wenn der für eine Zeitlang eine zu starke
Oberhand hat, wie der besonders stark ins Physische hineinarbeiten,
nach dem Modell sich stark richten muß und wie er dann dieses verletzt,
indem er überall anschlägt und sagt: ich will diese Form herauskriegen
- dann stellt sich der Kampf als Scharlach heraus. Ist der innere
Mensch so zart, daß er fortwährend zurückweicht, daß er die
Substanzen, die aufgenommen werden, mehr nach sich formen will,
und bekämpft er das Modell, so stellt sich der Kampf als Masern
heraus. Und so drückt sich gerade dasjenige, was ein gegenseitiger
Kampf ist, in den Kinderkrankheiten aus. Und man versteht auch nur
das, was dann später eintritt, in der richtigen Weise, wenn man diese
Dinge entsprechend berücksichtigen kann.
 
Natürlich ist es für den Materialisten furchtbar leicht zu sagen: Ach
was, das ist alles dummes Zeug. Denn man sieht ja, daß die Kinder
nicht nur ähnlich sind ihren Eltern und Voreltern bis zum Zahnwechsel,
sondern später sind sie auch noch ähnlich. Ein Unsinn ist das. Der
eine ist eben schwächer, richtet sich mehr nach den Vererbungskräften,
macht seinen zweiten Menschen dem Modell ähnlicher, und so sieht
das dann natürlich so aus; aber er hat das selber gemacht, indem er sich
mehr nach dem Modell richtet. Dagegen haben wir auch Menschen,
die nach dem Zahnwechsel sehr unähnlich werden dem, was sie vorher
waren. Dann ist das stark, was von dem vorirdischen geistig-seelischen
Leben herrührt, und sie halten sich weniger an das Modell. Und so
handelt es sich darum, diese Dinge einfach im richtigen Zusammenhang
anzuschauen.|316|146ff}}


== Literatur ==
== Literatur ==
#Rudolf Steiner: ''Der menschliche und der kosmische Gedanke'', [[GA 151]] (1990), ISBN 3-7274-1510-X {{Vorträge|151}}
 
#Rudolf Steiner: ''Vergangenheits- und Zukunftsimpulse im sozialen Geschehen'', [[GA 190]] (1980), ISBN 3-7274-1900-8 {{Vorträge|190}}
* Walter Holtzapfel: ''Krankheitsepochen der Kindheit'', Fischer TB Vlg., Frankfurt a.M. 1988
#Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Heft 30: ''Rudolf Steiner und der deutsche Idealismus Zum 200. Geburtstag von Hegel'' {{BE|30}}
* Wolfgang Goebel/Michaela Glöckler/Karin Michael: ''Kindersprechstunde: Ein medizinisch-pädagogischer Ratgeber'', Urachhaus Vlg., Stuttgart 2015
* Michael Stellmann/Georg Soldner: ''Kinderkrankheiten natürlich behandeln'', Gräfe und Unzer Vlg., München 2014
* [[Rudolf Steiner]]: ''Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge. Erster Band'', [[GA 235]] (1994), ISBN 3-7274-2350-1 {{Vorträge|235}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Meditative Betrachtungen und Anleitungen zur Vertiefung der Heikunst'', [[GA 316]] (2003), ISBN 3-7274-3160-1 {{Vorträge|316}}


{{GA}}
{{GA}}


[[Kategorie:Grundbegriffe]] [[Kategorie:Weltanschauung]] [[Kategorie:Philosophie]] [[Kategorie:Erkenntnistheorie]]
[[Kategorie:Medizin]]

Aktuelle Version vom 29. Dezember 2020, 01:04 Uhr

Kinderkrankheiten werden in der Anthroposophischen Medizin als wichtige Krisen gesehen, die es dem noch jungen Organismus erlauben, ein gutes Immunsystem aufzubauen. Impfen schadet daher eher, als daß es nutzt. Jede einzelne Impfentscheidung sollte daher gemeinsam mit dem behandelnden Arzt gründlich überlegt und erst nach Abwägung aller relevanten Informationen getroffen werden.

Zugleich dienen die durchlebten Kinderkrankheiten dazu, den erworbenen Leib für das höhere geistig-seelische Gefüge zuzubereiten, damit schließlich ein gesunder Geist einem gesunden Körper einwohnen kann. Erbliche Belastungen werden dabei - soweit möglich - durch Einwirkung des Ich ausgeglichen.

Der vererbte Leib als Modell, das überwunden werden muss

„Es ist eben tatsächlich der Mensch innerhalb seiner Erdenentwickelung nicht so stark geblieben, als er veranlagt war, bevor die luziferischen und ahrimanischen Einflüsse da waren. Und so ist der Mensch darauf angewiesen, nicht sogleich beim Hereintreten in die Erdenverhältnisse sich seinen physischen Leib von sich aus zu bilden, sondern er braucht eben ein Modell, jenes Modell, welches heranwächst in den ersten sieben Lebensjahren. Da er sich nach diesem Modell richtet, so ist es natürlich, daß von diesem Modell auch im späteren Leben etwas an ihm bleibt, mehr oder weniger. Derjenige, der als Mensch, welcher an sich selber wirkt, ganz und gar vom Modell abhängig ist, der wird, wenn ich so sagen darf, vergessen, was er eigentlich heruntergebracht hat, und wird sich ganz nach dem Modell richten. Derjenige, der stärkere innere Kraft hat, durch seine früheren Erdenleben erworben, er wird sich weniger nach dem Modell richten, und man wird dann sehen können, wie er sich sehr bedeutend verändert gerade im zweiten Lebensalter zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife.

Die Schule wird sogar die Aufgabe haben, wenn sie eine rechte Schule ist, dasjenige im Menschen zur Entfaltung zu bringen, was er heruntergetragen hat aus den geistigen Welten in das physische Erdendasein. So daß also dasjenige, was der Mensch dann weiter im Leben mit sich trägt, mehr oder weniger die Vererbungsmerkmale enthält, je nachdem er sie überwinden kann oder nicht überwinden kann. Nun, sehen Sie, meine lieben Freunde, alle Dinge habe ihre geistige Seite. Was der Mensch da hat als seinen Körper in den ersten sieben Lebensjahren, das ist eben einfach ein Modell, nach dem er sich richtet. Entweder es gehen seine geistigen Kräfte in einem gewissen Grade in dem unter, was ihm da durch das Modell aufgedrängt wird, und er bleibt ganz vom Modell abhängig, oder er arbeitet in den ersten sieben Lebensjahren durch das Modell dasjenige durch, was das Modell verändern will. Dieses Arbeiten, dieses Durcharbeiten findet seinen äußeren Ausdruck. Denn es handelt sich ja nicht bloß darum, daß da gearbeitet wird und daß dieses hier das ursprüngliche Modell ist; sondern das ursprüngliche Modell löst sich ja los, schuppt sich ab sozusagen, fällt ab, wie die ersten Zähne abfallen; alles fällt ab. (Siehe Zeichnung, hell.) Es handelt sich da wirklich darum, daß von der einen Seite die Formen, die Kräfte das Modell drücken; auf der anderen Seite will der Mensch ausprägen, was er heruntergebracht hat. Das gibt einen Kampf in den ersten sieben Lebensjahren. Vom geistigen Gesichtspunkte aus gesehen, bedeutet dieser Kampf dasjenige, was dann äußerlieh symptomatisch in den Kinderkrankheiten zum Ausdrucke kommt. Kinderkrankheiten sind der Ausdruck dieses inneren Kampfes.

Zeichnung aus GA 235, S. 87 (Tafel 8)
Zeichnung aus GA 235, S. 87 (Tafel 8)

Es treten natürlich bei den Menschen ähnliche Formen des Erkranktseins auch später auf. Das ist dann der Fall, wenn die Sache zum Beispiel so ist, daß jemand in den ersten sieben Lebensjahren es nicht sehr gut dazu gebracht hat, das Modell zu überwinden. Dann kann in einem späteren Lebensalter ein innerer Drang auftauchen, nun doch das, was da karmisch in ihm geblieben ist, herauszubekommen. Er kann in seinem achtundzwanzigsten, neunundzwanzigsten Lebensjahre plötzlich innerlich aufgerüttelt werden, gegen das Modell nun erst recht anstoßen, und bekommt dann eine Kinderkrankheit.

Nun kann man schon, wenn man einen Blick dafür hat, sehen, wie bei manchen Menschenkindern das stark auftritt, daß sie sich nach dem siebenten, achten Jahre wesentlich ändern, ändern in der Physiognomie, ändern in den Gesten. Man weiß nicht, woher gewisse Dinge kommen. Heute, wo man in der allgemeinen Zivilisationsansicht so außerordentlich an der Vererbung hängt, ist das schon sogar in die Redensarten übergegangen. Plötzlich tritt im achten, neunten Lebensjahre bei einem Kinde etwas auf, was sehr organisch begründet ist. Der Vater sagt: Na, von mir hat er das nicht. - Die Mutter sagt: Nun, von mir erst recht nicht! - Das rührt natürlich von dem allgemeinen Glauben heute her, der in das elterliche Bewußtsein übergegangen ist, daß die Kinder alles von den Eltern haben müßten.

Auf der anderen Seite ist ja auch das, daß dann auch gesehen werden kann, wie Kinder unter Umständen in diesem zweiten Lebensalter sogar ähnlicher werden ihren Eltern, als sie früher waren. Ja, aber da müssen Sie nur in ganz vollem Ernste nehmen, wie der Mensch herunterkommt in die physische Welt.“ (Lit.:GA 235, S. 85ff)

„Der Mensch hat einschließlich der sogenannten Milchzähne, wenn er physisch zur Welt kommt, einen Körper, der ein Ergebnis der Vererbungsentwickelung ist. Er hat einen Körper bekommen, der das Ergebnis ist desjenigen, was in der ganzen Reihe der Aszendenten liegt. Daher kommt der physische Körper der ersten sieben Jahre, wenn wir es in Zahlen ausdrücken. Vom siebenten bis vierzehnten Jahre hat der Mensch auch einen Körper, der ist aber nicht hervorgegangen durch eine Umwandlung aus dem ersten, da hat eingegriffen dasjenige, was der Mensch sich mitgebracht hat auf die Erde. Nun müssen Sie sich die Sache so vorstellen. Der Mensch hat seinen Körper gehabt. Dieser Körper, den er aus der Vererbungslinie heraus hat, der ist ein Modell, den hat er als Modell. Nun nimmt er die irdische Substanz in diesen Körper hinein. Diese irdische Substanz, die der Mensch in seinen Körper hineinnimmt in den ersten sieben Jahren, die würde er zu einer ganz andern Form verarbeiten, wenn er nur arbeiten würde nach den Kräften, die er sich mitbringt aus dem vorirdischen Dasein. Er würde eine ganz andere Wesensgestalt hervorrufen. Er kommt nicht hinein, wenn er geboren wird, mit der Tendenz, einen solchen Menschen zu gestalten mit Augen, Ohren, Nase, wie der ist, der auf der Erde steht. Er kommt hinein mit der Tendenz, den Menschen so zu gestalten, daß er im Grunde genommen sehr wenig durch seine vorirdische Wesenheit vom Kopf aus gestaltet wird. Gerade auf das übrige wird die größte Sorgfalt verwendet. Das, was im Embryonalleben verkümmert ist, wird ausgebildet im Astralischen, in der Ich-Organisation, so daß man, wenn man den physischen Embryo hat, sagen muß: Dieses Physische im Embryo, das ist allerdings wunderbar ausgebildet, aber daran hat der vorirdische Mensch zunächst den wenigsten Anteil. - Dagegen hat der Mensch, der vorirdische Mensch den größten Anteil an alldem, was rund herum ist. Dadrinnen lebt der vorirdische Mensch, in dem, was im Physischen eigentlich abgebaut wird und als Abgebautes, Chorion, Amnion und so weiter, weggeht. Dadrinnen lebt der vorirdische Mensch. Nun können Sie, wenn Sie es sich schematisch vorstellen, es sich so vorstellen, daß zunächst Kosmisches nachgebildet wird. Das will eigentlich der Mensch machen, wenn er heruntersteigt aus dem vorirdischen in das irdische Dasein. Warum macht er es nicht? Weil ein Modell gegeben ist. Und nach diesem Modell arbeitet er nun mit den aufgenommenen Substanzen während der ersten sieben Jahre das Vorirdische um. Er möchte eigentlich ein mehr Kugeliges gestalten und einen kugelig organisierten Menschen hervorrufen. Das wird umgearbeitet nach dem Modell. Und so arbeitet das Vorirdische diesen zweiten physischen Menschen, der dann vom siebenten bis vierzehnten Jahre da ist, heraus aus den vorirdischen Kräften, zunächst aber, indem er sich an das Modell hält, das von den Vererbungskräften herkommt.

Nun sehen Sie, da haben Sie zwei auch wirklich unterscheidbare Kraftentitäten im Menschen. Wie können Sie diese Kraftentitäten verstehen? Nehmen Sie sich jetzt zur Hand mit dem Blick und mit dem Empfinden des Mediziners den Umriß der «Geheimwissenschaft» und lesen Sie darin da, wo von der Erdentwickelung die Rede ist, wie man es zuerst zu tun hatte mit einer Saturnentwickelung, dann mit einer Sonnenentwickelung, dann mit einer Mondentwickelung, mit einer Erdentwickelung und so weiter. Wenn Sie dort die Beschreibung dieser Entwickelung verfolgen, werden Sie sich sagen müssen: bis zur Sonne herüber ist alles eins; da ist Sonne, Mond und Erde eins, sind zusammen in eins. Eine Trennung von Erde und Sonne, eine Trennung von Erde und Mond kommt erst da, so daß also bis in die Mitte dieser Entwickelung der Mensch im Kosmos lebt. Er lebt in Sonne und Mond sowie in der Erde. Er lebt dann nach der Sonnentrennung außerhalb der Sonne, nach der Mondentrennung außerhalb des Mondes. Nun, auf die menschliche Natur wirkten also bis zur Sonnentrennung die kosmischen Kräfte, auch diejenigen, die heute außerhalb der Erde sind, im Mond, in der Sonne. Sie wirkten im Menschen, weil der Mensch angehörte dieser Welt, in der noch Sonne und Mond darinnen waren. Dann kam eine Entwickelung für den Menschen, die so vor sich ging, daß eben Sonne und Mond draußen sind.

Aber nun ist es so: Nehmen Sie an, hier ist eine Entwickelung, die unten in sich enthält alles dasjenige, was heute irdisch ist und auch dasjenige, was sonnen- und mondhaft ist; später emanzipiert sich das, was außerirdisch ist, von dem, was irdisch ist. Das, was irdisch ist, ging nun weiter in seiner eigenen Linie; es vertrocknete, es verhärtete, verphysizierte, und das finden Sie heute in der Vererbungsströmung, das ist grob geworden in der Vererbungsströmung. Das, was er [der Mensch] angenommen hat nach der Trennung von Sonne und Mond, finden Sie in dem, was er verdankt dem Hereinwirken der Kräfte aus dem Kosmos - das ist die Sache -, so daß Sie also ein Modell bekommen für das Erarbeiten Ihres zweiten Menschen, ein Modell, das eigentlich ein uraltes Künstlerisches darstellt, was Ihnen Vater und Mutter geben, das entstehen konnte, als noch Sonne und Mond mit der Erde verbunden waren. Da bildeten sich die Kräfte heraus, die eigentlich dem Menschen seine irdische Konfiguration geben, denn Sie werden leicht begreifen, diese menschliche Konfiguration ist eine irdische. Denken Sie sich einmal weg von der Erde mit der menschlichen Wesenheit. Was wollen Sie mit ihr dann anfangen? Sie wären höchst unglücklich, wenn Sie nach dem Tode so etwas wie Beine gebrauchen sollten. Beine haben nur einen Sinn, wenn durch sie die Anziehungskräfte der Erde gehen, wenn wir die Beine hineinbringen in die Anziehungskräfte der Erde, Beine haben nur für die Erde eine Bedeutung, ebenso Arme und Hände. Also ein ganzer Teil der Organisation hat nur einen Sinn, so wie er ausgebildet wird, wenn wir Erdenmenschen sind. Was wir sind als Erdenmenschen, hat keinen Sinn gegenüber dem Kosmos. Daher, indem wir ankommen auf der Erde als geistig-seelische Wesen, wollen wir eben eine ganz andere Organisation bilden. Wir wollen einen Umkreis bilden, wir wollen in diesem Umkreis allerlei Konfigurationen hervorrufen, aber wir wollen nicht diesen Menschen, mit dem man im Kosmos nichts anfangen könnte. Der wird uns nun als Modell gegeben und wir richten den zweiten Menschen nach diesem Modell ein.

Daher hat man es zu tun in dieser ersten Lebenszeit des Menschen mit einem fortwährenden Kampf desjenigen, was von uns aus dem vorigen Leben kommt und demjenigen, was aus der Vererbungsentwickelung kommt. Das kämpft miteinander. Der Ausdruck dieses Kampfes sind die Kinderkrankheiten. Und denken Sie nur, wie innig verbunden das ganze menschliche innere seelisch-geistige Sein während der ersten Kindheit mit der physischen Organisation ist. So wie Sie sehen, wenn die zweiten Zähne herauskommen, wie der zweite Zahn den ersten noch abstößt, wie sie miteinander noch wirtschaften, so wirtschaftet der ganze zweite Mensch mit dem ersten. Nur im zweiten Menschen ist der überirdische Mensch darinnen, im ersten ein fremdartiges irdisches Modell. Die arbeiten ineinander. Und wenn Sie das Ineinanderarbeiten in der richtigen Weise beobachten, sehen Sie dann nur einmal, wie der innere Mensch, der als geistig-seelischer im vorirdischen Dasein da war, wenn der für eine Zeitlang eine zu starke Oberhand hat, wie der besonders stark ins Physische hineinarbeiten, nach dem Modell sich stark richten muß und wie er dann dieses verletzt, indem er überall anschlägt und sagt: ich will diese Form herauskriegen - dann stellt sich der Kampf als Scharlach heraus. Ist der innere Mensch so zart, daß er fortwährend zurückweicht, daß er die Substanzen, die aufgenommen werden, mehr nach sich formen will, und bekämpft er das Modell, so stellt sich der Kampf als Masern heraus. Und so drückt sich gerade dasjenige, was ein gegenseitiger Kampf ist, in den Kinderkrankheiten aus. Und man versteht auch nur das, was dann später eintritt, in der richtigen Weise, wenn man diese Dinge entsprechend berücksichtigen kann.

Natürlich ist es für den Materialisten furchtbar leicht zu sagen: Ach was, das ist alles dummes Zeug. Denn man sieht ja, daß die Kinder nicht nur ähnlich sind ihren Eltern und Voreltern bis zum Zahnwechsel, sondern später sind sie auch noch ähnlich. Ein Unsinn ist das. Der eine ist eben schwächer, richtet sich mehr nach den Vererbungskräften, macht seinen zweiten Menschen dem Modell ähnlicher, und so sieht das dann natürlich so aus; aber er hat das selber gemacht, indem er sich mehr nach dem Modell richtet. Dagegen haben wir auch Menschen, die nach dem Zahnwechsel sehr unähnlich werden dem, was sie vorher waren. Dann ist das stark, was von dem vorirdischen geistig-seelischen Leben herrührt, und sie halten sich weniger an das Modell. Und so handelt es sich darum, diese Dinge einfach im richtigen Zusammenhang anzuschauen.“ (Lit.:GA 316, S. 146ff)

Literatur

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Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.