Julius Baumann

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Julius Baumann (* 1837; † 1916[1]) war ein deutscher Gymnasiallehrer und ab 1869 Professor für Philosophie an der Georg-August-Universität Göttingen[2] und Geheimer Regierungsrat.

Baumann war ein Schüler von Hermann Lotze (1817-1881)[3], der damals als wichtigster deutscher Metaphysiker nach Hegel und als bahnbrechender Naturforscher galt, und vertrat selbst einen naturwissenschaftlich orientierten Realismus. Baumann geht in seiner Schrift «Die Grundfrage der Religion» (1895) methodisch davon aus,

„... dass die Ergebnisse der Naturwissenschaften wohl noch Raum für eine wissenschaftliche Gottesvorstellung lassen. Den Versuch einer solchen wissenschaftlichen Gotteslehre lege ich nunmehr vor. Dass eine solche mir nicht früher gelingen wollte, kommt davon, dass wir in der Gewohnheit stecken, in der Gottesvorstellung sofort die idealisierende Tätigkeit des menschlichen Geistes vorwalten zu lassen, wodurch alsbald unlösbare Schwierigkeiten entstehen. Wissenschaftlich ist auch hier allein das Verfahren, vom Gegebenen auszugehen und zu demselben wieder zurückzukehren, das Idealisieren nur als ein Exaktmachen des Gegebenen nach dessen eigenen Andeutungen verwertend.“ (Lit.: Baumann 1895, Vorwort)

Rudolf Steiner nennt Baumanns Schrift «Philosophie als Orientierung über die Welt» (1873) als Quelle schon in seiner 1892 als erweiterte Buchausgabe erschienenen Dissertation «Wahrheit und Wissenschaft» (Lit.:GA 3, S. 17). Später erwähnt er ihn in dem 1903 geschriebenen Aufsatz «Reinkarnation und Karma, vom Standpunkte der modernen Naturwissenschaft notwendige Vorstellungen» (Lit.:GA 34, S. 67ff) als einen Denker, der aus naturwissenschaftlichen Erwägungen und in Anlehnung an Lessing «Die Erziehung des Menschengeschlechts» folgerichtig auf den Gedanken der Reinkarnation gekommen war:

„Man lasse entweder die ganze naturwissenschaftliche Entwickelungslehre fallen, oder man gebe zu, daß sie auf die seelische Entwickelung ausgedehnt werden müsse. Es gibt nur zweierlei: entweder es ist jede Seele durch ein Wunder geschaffen, wie die tierischen Arten durch Wunder geschaffen sein müßten, wenn sie sich nicht auseinander entwickelt haben; oder die Seele hat sich entwickelt und ist in anderer Form früher dagewesen, wie die tierische Art in anderer Form da war [...]

Denker, in denen das naturwissenschaftliche Streben anfängt, sich folgerichtig auszubilden, kommen notwendig zu dieser Ansicht. So lesen wir in der Schrift des Göttinger Philosophieprofessors Julius Baumann über « Neuchristentum und reale Religion» unter den neununddreißig Sätzen eines «Entwurfes eines kurzen Inbegriffs realwissenschaftlicher Religion» auch den folgenden (zweiundzwanzigsten): «... Wie ... in der unorganischen Natur die physikalisch-chemischen Elemente und Kräfte nicht vergehen, sondern nur ihre Kombinationen ändern, so ist dies nach realwissenschaftlicher Methode auch anzunehmen von den organischen und den organisch-geistigen Kräften. Die Menschenseele als formale Einheit, als verknüpfendes Ich kehrt wieder in neuen Menschenleibern und kann so alle Stufen menschheitlicher Entwickelung durchleben[4]

Solche Anschauung muß haben, wer den vollen Mut zum naturwissenschaftlichen Glaubensbekenntnis der Gegenwart besitzt.“ (Lit.:GA 34, S. 85f)

Werke (Auswahl)

  • Die Lehren von Raum, Zeit und Mathematik in der neueren Philosophie nach ihrem Ganzen Einfluss dargestellt und beurtheilt, Band 1, G. Reimer, 1868 [3]
  • Philosophie als Orientirung über die Welt, S. Hirzel, 1872 [4]
  • Die Staatslehre des h. Thomas von Aquino: des grössten Theologen und Philosophen der katholischen Kirche, S. Hirzel, 1873 [5]
  • Sechs Vorträge aus dem Gebiete der praktischen Philosophie, Hirzel, 1874 [6]
  • Handbuch der Moral: nebst, Abriss der Rechtsphilosophie, S. Hirzel, 1879 [7]
  • Platons Phädon: philosophisch erklärt und durch die späteren Beweise für die Unsterblichkeit ergänzt, F. A. Perthes, 1889 [8]
  • Geschichte der Philosophie nach Ideengehalt und Beweisen, Perthes, 1890 [9]
  • Elemente der Philosophie: Logik, Erkenntnistheorie und Metaphysik, Moral (praktische Psychologie) für das akademische Studium und zum Selbstunterricht, Veit, 1891 [10]
  • Die Grundfrage der Religion - Versuch einer auf den realen Wissenschaften beruhenden Gotteslehre, Frommann, 1895 [11], Neuauflage:Hansebooks 2016, ISBN 9783743610736
  • Über Willens- und Charakterbildung auf physiologisch-psychologischer Grundlage, Reuther & Reichard, 1897, Neuauflage: Hansebooks 2017, ISBN 9783743693975
  • Realwissenschaftliche Begründung der Moral, des Rechts und der Gotteslehre, Th. Weicher, 1898 [12]
  • Sammlung von Abhandlungen aus dem Gebiete der Pädagogischen Psychologie und Physiologie, Band 1, Reuther & Reichard, 1898 [13]
  • Häckels Welträthsel nach ihren starken und ihren schwachen Seiten: mit einem Anhang über Häckels theologische Kritiker, T. Weicher, 1900 [14]
  • Neuchristentum und reale Religion. Eine Streitschrift wider Harnack und Stendel. Nebst einem Katechismus realer Religion. Strauß, Bonn 1901
  • Einführung in die Pädagogik: Geschichte der pädagogischen Theorien. Allgemeine Pädagogik (pädagogische Psychologie), Veit & Comp., 1901 [15]
  • Deutsche und außerdeutsche Philosophie der letzten Jahrzehnte, F.A. Perthes, 1903 [16]
  • Denifle's Luther und Luthertum vom allgemeinwissenschaftlichen Standpunkt, Hermann Beyer, 1904 [17]
  • Dichterische und wissenschaftliche Weltansicht: mit besonderer Beziehung auf Don Juan, Faust, und die Moderne, F.A. Perthes, 1904 [18]
  • Wille und Charakter: eine Erziehungslehre auf moderner Grundlage, Reuther & Reichard, 1905 [19]
  • Über Religionen und Religion: Worte zur Verständigung, H. Beyer, 1905 [20]
  • Der Wissensbegriff: eine historisch-philosophische und philosophisch-kritische Monographie, C. Winter, 1908 [21]
  • Die Gemütsart Jesu: nach jetziger wiss. insbesondere psychologischer Methode erkennbar gemacht, Kröner, 1908 [22]
  • Unsterblichkeit und Seelenwanderung: Ein Einigungspunkt morgenländischer und abendländischer Weltansicht, S. Hirzel, 1909 [23]
  • Neues zu Sokrates, Aristoteles, Euripides, Veit, 1912 [24]

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. http://kalliope-verbund.info/de/eac?eac.id=116088524
  2. Wilhelm Dilthey: Briefwechsel: Band I: 1852–1882, Vandenhoeck & Ruprecht 2011, ISBN 978-3-525-30368-9, S. 456 [1]
  3. Hans-Günther Schlotter: Die Geschichte der Verfassung und der Fachbereiche der Georg-August-Universität zu Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 1994, ISBN 3-525-35847-4, S. 89 [2]
  4. Julius Baumann: Neuchristentum und reale Religion. Eine Streitschrift wider Harnack und Stendel. Nebst einem Katechismus realer Religion. Strauß, Bonn 1901, S. 48; bei Baumann schließt der Satz mit dem Wort «(Lessing)».