Vierfacher Schriftsinn und Feldspat: Unterschied zwischen den Seiten

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Mit '''vierfachem Schriftsinn''' (lat. ''quatuor sensus scripturae'') wird der vorherrschende Ansatz der christlichen [[Bibel]]-[[Wikipedia:Interpretation|Interpretation]] von der [[Alte Kirche|Alten Kirche]] bis ins späte [[Spätmittelalter|Mittelalter]] bezeichnet. Bibelstellen lassen sich demnach nicht nur ''buchstäblich'' als konkrete historische Aussagen verstehen, sondern können auch als ''[[Allegorie|allegorische]]'' Aussagen über die Glaubenswirklichkeit, ''[[moral]]isch'' als Handlungsanweisung für den Glaubenden oder ''[[Anagoge|anagogisch]]'' als Ausdruck der [[Hoffnung]] gelesen werden. Erst [[Martin Luther|Luther]] und andere Reformatoren der [[Frühe Neuzeit|frühen Neuzeit]] wandten sich von dieser Sichtweise ab.
'''Feldspate''' (''spat'' bedeutet „gut spaltbar“) sind die wichtigsten [[gestein]]sbildenden [[Mineral]]e. [[Chemie|Chemisch]] gesehen handelt es sich dabei um [[kristall]]ine [[Wikipedia:Silikate|Silikate]] der allgemeinen Zusammensetzung (Ba,Ca,Na,K,NH<sub>4</sub>)(Al,B,Si)<sub>4</sub>O<sub>8</sub>, wobei die in Klammer gelisteten Elemente einander im [[Wikipedia:Stöchiometrie|stöchiometrischen]] Verhältnis vertreten können.  


== Geschichte ==
[[Kategorie:Geologie]] [[Kategorie:Mineral]]
Die allegorische Textauslegung, die in Bezug auf das Alte Testament auf christlicher Seite zuerst von [[Paulus von Tarsus|Paulus]] {{Bibel|Gal|4|24}} und dem Autor des Hebräerbriefes benutzt wurde, war eine in der Antike weitverbreitete Methode der [[Exegese]]. [[Philo von Alexandrien]] benutzte sie ausgiebig für die jüdische Exegese der [[Thora]], und auch im [[Wikipedia:profan|profan]]en Bereich war sie beliebt, etwa bei der Auslegung der [[Homer|homerischen Epen]].<ref>Vgl. Strecker, Georg / Schnelle Udo: Einführung in die neutestamentliche Exegese, Göttingen 1983, S. 125.</ref> In altkirchlicher Zeit wurde sie als möglicher mehrfacher Schriftsinn vor allem von [[Origenes]] (etwa 185–254) im 3. Jahrhundert entwickelt, wenngleich auch seither bestritten (schon bei [[Wikipedia:Basilius der Große|Basilius dem Großen]], [[Wikipedia:Johannes Chrysostomos|Johannes Chrysostomos]] und der [[Wikipedia:Antiochenische Schule|antiochenischen Schule]], die den literarisch-historischen Sinn der Bibeltexte betonten).
 
Entsprechend der klassischen philologischen Schule in Alexandria stellte Origenes für die Bibel die Theorie vom „mehrfachen Schriftsinn“ auf. Die [[Kirchenväter]] entwickelten die Lehre vom „vierfachen Schriftsinn". Demzufolge reichte nicht die rein literarisch-philologische Analyse des Textes. Dem einfachen Gläubigen genügte dieser geschichtliche Sinn, jedoch sollte die Exegese für Geübtere auch den seelischen Sinn erheben und für Vollkommene der geistig-geistliche Sinn festgestellt werden.
 
Dieser Dreischritt [[somatisch]]e – psychische – [[pneuma]]tische Exegese wurde dann durch [[Wikipedia:Johannes Cassianus|Johannes Cassianus]] im 5. Jahrhundert zur Theorie vom vierfachen Schriftsinn ausgebaut, die für das gesamte Mittelalter prägend war. Ähnlich wie in der jüdischen Tradition der Bibelauslegung (siehe [[PaRDeS]]) tritt zur historisch-literalen Exegese nun ein Dreischritt, der sich am Schema [[Glaube, Liebe, Hoffnung|Glaube-Liebe-Hoffnung]] orientiert.
 
* [[Wikipedia:Literalsinn|Literalsinn]] = wörtliche, geschichtliche Auslegung
* [[Wikipedia:Typologie (Bibel)|Typologisch]]er Sinn (Interpretation „im Glauben“) = dogmatisch-theologische Auslegung
* [[Wikipedia:Tropologisch|Tropologisch]]er Sinn (Interpretation „in Liebe“) = moralische Sinnebene, gegenwärtige Wirklichkeit einer Einzelseele
* [[Anagogisch]]er Sinn (Interpretation „in Hoffnung“) = endzeitlich-[[eschatologisch]]e Auslegung
 
[[Wikipedia:Johannes Cassianus|Cassian]] bringt als Beispiel für den vierfachen Schriftsinn vier Bedeutungen von [[Wikipedia:Jerusalem|Jerusalem]]. So steht Jerusalem für
* die historische Stadt Jerusalem,
* die Kirche Christi,
* die menschliche [[Seele]],
* das zukünftige, himmlische Jerusalem.
 
Die Lehre vom vierfachen Schriftsinn, die heute wieder im [[Wikipedia:Katechismus der Katholischen Kirche|Katechismus der Katholischen Kirche]] (109–119) vertreten wird, ist in einem mittelalterlichen Zweizeiler zusammengefasst:
 
{|
| ''Littera gesta docet,'' || Der Buchstabe lehrt die Ereignisse,
|-
| ''quid credas allegoria,'' || was du zu glauben hast, die Allegorie,
|-
| ''moralis quid agas,'' || die Moral, was du zu tun hast,
|-
| ''quo tendas anagogia. '' || wohin du streben sollst, die Anagogie (Führung nach oben).<ref>[http://www.vatican.va/archive/DEU0035/_PW.HTM ''Katechismus der Katholischen Kirche'' n. 118 - www.vatican.va]</ref>
|}
 
== Siehe auch ==
* [[Wikipedia:Biblische Exegese|Biblische Exegese]]
* [[Dreifacher Schriftsinn]]
* [[Wikipedia:Lectio divina|Lectio divina]]
* [[PaRDeS]]
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
== Literatur ==
* Christoph Bellot: ''Zu Theorie und Tradition der Allegorese im Mittelalter,'' Diss. phil. Köln 1996
* [[Wikipedia:Ernst von Dobschütz|Ernst von Dobschütz]]: ''Vom vierfachen Schriftsinn. Die Geschichte einer Theorie''. In: ''Harnack-Ehrung. Beiträge zur Kirchengeschichte ihrem Lehrer [[Wikipedia:Adolf von Harnack|Adolf von Harnack]] zu seinem siebzigsten Geburtstag (7. Mai 1921) dargebracht von einer Reihe seiner Schüler''. Hinrichs, Leipzig 1921, S. 1–13.
* [[Wikipedia:Henri de Lubac|Henri de Lubac]]: ''Typologie, Allegorie, geistiger Sinn – Studien zur Geschichte der christlichen Schriftauslegung,'' Theologia Romanica 23, Freiburg 1999
* [[Wikipedia:Friedrich Ohly|Friedrich Ohly]]: ''Vom geistigen Sinn des Wortes im Mittelalter''. in: ''Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur'' 89, 1958/59, {{ISSN|0044-2518}}, S. 1–23, (Auch: Sonderausgabe: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1966, (''Libelli'' 218, {{ZDB|846543-5}})).
* [[Wikipedia:Henning Graf Reventlow|Henning Graf Reventlow]]: ''Epochen der Bibelauslegung,'' Band 2: ''Von der Spätantike bis zum Ausgang des Mittelalters,'' München 1994
* [[Wikipedia:Meinolf Schumacher|Meinolf Schumacher]]: ''Einführung in die deutsche Literatur des Mittelalters''. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2010, ISBN 978-3-534-19603-6, S. 35-39: ''Vom mehrfachen Sinn der Schrift''.
* Hans-Jörg Spitz: ''Die Metaphorik des geistigen Schriftsinns – Ein Beitrag zur allegorischen Bibelauslegung des ersten chrstlichen Jahrtausends,'' München 1972
 
[[Kategorie:Exegese]][[Kategorie:Bibel]]
 
{{Wikipedia}}

Version vom 29. Juni 2015, 01:08 Uhr

Feldspate (spat bedeutet „gut spaltbar“) sind die wichtigsten gesteinsbildenden Minerale. Chemisch gesehen handelt es sich dabei um kristalline Silikate der allgemeinen Zusammensetzung (Ba,Ca,Na,K,NH4)(Al,B,Si)4O8, wobei die in Klammer gelisteten Elemente einander im stöchiometrischen Verhältnis vertreten können.