Wilhelm Schmundt und Rabbi Nachman: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Wilhelm Schmundt.jpg|thumb|Wilhelm Schmundt]]
'''Rabbi Nachman von Bratslav''' (* [[Wikipedia:1772|1772]] in [[Wikipedia:Medschybisch|Medschybisch]]; [[Wikipedia:16. Oktober|16. Oktober]] [[Wikipedia:1810|1810]] in [[Wikipedia:Uman|Uman]]) war ein [[Chassidismus|chassidischer]] [[Zaddik]].
'''Wilhelm Schmundt''' (* 10.1.1898 in Metz/Lothringen, 23.4.1992 in Hannover) war ein deutscher Unternehmer, Ingenieur, Sozialwissenschaftler, [[Waldorflehrer]] und [[Anthroposoph]].


==Leben==
Mütterlicherseits war er der Urenkel des [[Baal Schem Tow]], dem Begründer des Chassidismus. Väterlicherseits war er der Enkel von Rabbi Nachman von [[Wikipedia:Horodenka|Horodenka]], einem Schüler des Baal Schem Tow. Nachman wuchs in der chassidischen Atmosphäre seines Elternhauses auf, heiratete früh und lebte im Hause seines Schwiegervaters. Später ließ er sich in Medwedewka, einem Dorf im [[Wikipedia:Gouvernement Kiew|Gouvernement Kiew]] nieder, wo er einen kleinen Kreis von Chassidim um sich versammelte.
''Wilhelm Schmundt'' wurde im damals deutschen [[wikipedia:Metz|Metz]] in eine ostpreußische Offiziersfamilie hineingeboren und durchlebte eine unbeschwerte Kindheit und Jugend.
[[Datei:Rabbi Nahman Tomb (Uman, Ukraine).JPG|miniatur|Rabbi Nachmans Grab in Uman/Ukraine]]
Mit 17 Jahren kam er zum Militär. Unmittelbar nach seiner Entlassung aus dem Kriegsdienst begann er noch 1918 ein Studium an der TH Berlin-Charlottenburg.
1798 begab er sich in Begleitung eines Jüngers auf eine Reise ins [[Wikipedia:Heiliges Land|Heilige Land]]. Im Laufe einiger Monate besuchte er unter anderem [[Wikipedia:Haifa|Haifa]], [[Wikipedia:Jaffa|Jaffa]], [[Wikipedia:Tiberias|Tiberias]] und [[Wikipedia:Safed|Safed]], musste aber nach dem Einmarsch [[Wikipedia:Napoleon|Napoleon]]s das Land überstürzt wieder verlassen. Während seines Aufenthalts in einem Dorf in der Nähe von [[Wikipedia:Oblast Tscherkassy|Schpola]] hatte er eine Auseinandersetzung mit Arie Leib, einem bejahrten chassidischen Zaddik, welcher Nachman [[Wikipedia:Shabbetaj Zvi|sabbatianische]] und [[Wikipedia:Jakob Frank|frankistische]] Ansichten vorwarf. 1802 zog er nach [[Wikipedia:Brazlaw|Bratslav]], wo er bis 1810 blieb. Nachdem sein Haus in Bratslav abgebrannt war, zog er nach [[Wikipedia:Uman|Uman]], wo er am 18. Tischri 5571 (16. Oktober 1810) während des [[Wikipedia:Sukkot|Sukkot]]festes an [[Wikipedia:Tuberkulose|Tuberkulose]] verstarb.
Durch Kommilitonen gewann er Anschluß an die Jugendbewegung der Wandervögel. Dort wurde viel gelesen und diskutiert. Auch Rudolf Steiners Werk "Die Kernpunkte der sozialen Frage" fand dort Beachtung. Nach dem Diplom-Abschluß des Studiums blieb ''Wilhelm Schmundt'' noch für zwei Jahre als Assistent am Institut für Physik an der Technischen Hochschule.


1926 besuchte er das erste Mal das [[Goetheanum]] anläßlich einer Tagung der Jugendsektion.
Nach dem Tode von Rabbi Nachman wurden seine Anhänger unter der Bezeichnung ''Bratslaver Chassidim'' oder auch „di tojten chassidim“ bekannt, da sie die Wiederkehr R. Nachmans erwarten und Nachman keinen Nachfolger hatte und hat. In ihrem Ursprungsgebiet [[Wikipedia:Podolien|Podolien]] waren sie bis zu den frühen Jahren der [[Wikipedia:Sowjetunion|Sowjetunion]] tätig. In [[Wikipedia:Israel|Israel]] lebten die meisten Bratslaver Chassidim zunächst in der [[Wikipedia:Altstadt (Jerusalem)|Jerusalemer Altstadt]], haben sich jedoch mittlerweile auch in Safed, Immanuel (im besetzten [[Wikipedia:Westjordanland|Westjordanland]]) und [[Wikipedia:Bnei Brak|Bnei Brak]] niedergelassen.


Rundbriefe, die Ende der 20er Jahre von [[Bernhard Behrens]] (Hamburg) verschickt worden waren, weckten bei ''Wilhelm Schmundt'' das Interesse sich mit Fragen des Geldes und des Kapitals aus anthroposophischer Sicht zu beschäftigen.
== Seine Lehren ==
Obwohl Nachman die Bedeutung der Tradition betonte und sich als letztes Glied einer Kette sah, die von [[Wikipedia:Schimon ben Jochai|Schimon ben Jochai]] über [[Isaak Luria]] bis zu seinem Urgroßvater Baal Schem Tow reichte, enthalten seine Lehren zahlreiche Neuerungen. Gemäß Nachman wurde die Welt durch ''[[En Sof]]'' (wörtlich "kein Ende" oder "Unendliches"), „den Ungrund“ erschaffen, und wird nach dem absoluten göttlichen Willen beherrscht. Göttlichkeit ist überall enthalten, auch im [[das Böse|Bösen]], und zwar in Form von ''[[Qlipot]]'' („Schalen“). Auch ein Mensch, der im Bösen versinkt, kann deshalb durch [[Reue]] zum Schöpfer zurückfinden. Die lurianische Doktrin des ''[[Tzimtzum]]'' („Rückzug“, „Selbstverschränkung“, siehe [[Kabbala]]) schafft ein [[Paradoxon|Paradox]]. Einerseits postuliert sie den Rückzug und das Verschwinden der Göttlichkeit unter Schaffung eines „Leeren Raumes“ oder „großen Offenheit“, andererseits wird damit göttliche [[Immanenz]] (Anwesenheit Gottes in der Welt) angenommen. Diesen scheinbaren Widerspruch überwindet der Chassidim durch die Erkenntnis der wechselseitigen Abhängigkeit: die Kultivierung von Offenheit und Unvoreingenommenheit schafft die Voraussetzungen, um Gottes „Wirksamkeit“ zu erfahren. Nach Ansicht von Nachman wird der Idealzustand von ''Tzimtzum'' erst in Zukunft erreicht. Die hauptsächliche Bedeutung dieser Doktrin liegt aber darin, Zweifel an der Existenz des Schöpfers zu erwecken. Die Formulierung der Frage ist ein wichtiges Element in seiner Lehre und hängt vom ersten Willensakt des Schöpfers in seiner Beziehung zum Menschen ab. Obwohl der Mensch tief in die Fänge des Zweifels geraten kann, liegt der letzte Zweck seines Falls in seinem Aufstieg („Und das Sinken geschieht um des Steigens willen“ [[Zohar]]).


''Wilhelm Schmundt'' machte Karriere beim Ostpreußenwerk und gründete eine Familie.
Nachmans [[Tzaddik]]-Theorie ist einzigartig, denn darin behauptet er, es gebe nur einen einzigen echten Tzaddik, nämlich Nachman selbst, für welchen möglicherweise die Bestimmung als [[Messias]] vorgesehen ist. Ähnlich wie [[Mose]]s verleihe der Tzaddik den Gebeten der Gemeinschaft erlösende Kraft. Gedanken des Tzaddik über [[häretisch]]e Fragen können zum geistigen Aufstieg derjenigen führen, die zuvor dem Irrtum verfallen waren. Auch der ''Niggun'' (die chassidische Melodie) hat einen ähnlichen erlösenden Einfluss. Der Tzaddik lebt sozusagen ewig, ob nun in dieser oder in der kommenden Welt. Ein Mensch ist verpflichtet, zum Tzaddik zu reisen, „denn das Wichtigste ist, was er aus dem Munde des Tzaddik hört“.
1940 lernte er den in der Elektrizitätsversorgung Schleswig-Holsteins tätigen Anthroposophen
[[Hans-Georg Schweppenhäuser]] kennen, woraus sich eine lebenslange Freundschaft entwickelte.


Auf Bitten von [[Wolfgang Rudolph]] übernahm ''Wilhelm Schmundt'' nach Ende des 2. Weltkrieges
Nachmans Einstellung zum Menschen und zur Welt kann oberflächlich betrachtet pessimistisch erscheinen. Er glaubt, es gebe viele Hindernisse auf dem Weg des Menschen in dieser Welt, die ohne weiteres [[Gehinnom]] zu nennen sei. Trotzdem stellt sich Nachman mit aller Kraft gegen die Verzweiflung. Die Anker, an die sich der Mensch im Leben festhalten kann, sind Glaube, Ermutigung, Freude, Gesang, Tanz, ständige Selbstkritik, Gespräche mit dem Tzaddik und Sehnsucht nach einer direkten Beziehung zum Schöpfer. Eine wichtige Stellung in seinen Lehren nimmt deshalb das [[Gebet]] ein. Dies beschränkt sich jedoch nicht auf die jüdische Gebetstradition; auch sei das Rezitieren der [[Psalm]]en wertlos, solange der Betende nicht mit [[Kawwana]] betet und sich mit dem Inhalt identifiziert. Wichtig für den Dialog ist auch die Verpflichtung zur täglichen Absonderung von den Menschen in der Natur - hitbodedut - Isolation.
eine Lehrtätigkeit an der Freien Waldorfschule Hannover in den Fächern Mathematik und Physik.
Er war bis zu seiner Pensionierung 1965 als Lehrer tätig.


Seit 1950 widmete er sich in Aufsätzen und Studien der Sozialen Dreigliederung Rudolf Steiners.
Die Bedeutung des [[Niggun]], des gesungenen Gebets, ist nach Nachman nicht zu überschätzen. Es gebe ein vollständiges System von Niggunim, das dem Aufbau des Universums entspreche. Wer sich dem musikalischen Rhythmus anpassen kann, erzielt daraus großes Vergnügen und erreicht die Auslöschung des Selbst. In diesem Moment offenbart sich der Schöpfer demjenigen, der sich nach ihm sehnt, durch die verschiedenen Stufen in der Ordnung der Natur. Eine Möglichkeit zur geistigen Erhebung bietet sich dem Menschen im [[Eretz Israel|verheißenen Land]] , wo er Glaube und Weisheit erlangen kann. Zugang zu diesem verheißenen Land erlangt der Chassidim durch die Erkenntnis des Schöpfers durch das Geschaffene und durch die Gnade Gottes, es ist sowohl ein spirituelles als auch ein reales Land. Dies mag eine Erklärung zu Nachmans Ansicht liefern, er sei während seines ganzen Lebens von der weisheitsfördernden Kraft des Landes Israel gestützt worden, die ihn selbst zum „größten der Tzaddikim“ machte, wie er sich selbst bezeichnete.
Auf dem Achberger Jahreskongreß 1973 fand die entscheidende Begegnung mit [[Joseph Beuys]] statt, der danach die Schmundt'schen Arbeitsergebnisse übernahm und in sein Werk integrierte.
[[Joseph Beuys]] nannte ihn schließlich kurz vor seinem Tode "unseren großen Lehrer"<ref>Ulrich Rösch: ''Wilhelm Schmundt''. In: Bodo von Plato, Anthroposophie im 20. Jahrhundert. Ein Kulturimpuls in biographischen Porträts, Vlg. am Goetheanum, Dornach 2003, S. 719 - 720</ref>.  


''Wilhelm Schmundt'' entfaltete nun eine rege Reise- und Vortragstätigkeit bis in das hohe Alter hinein und publizierte seine entscheidenden Schriften.
== Quelle ==
[[Wikipedia:Encyclopaedia Judaica|Encyclopaedia Judaica]], Band 12, S. 782-787.


Am 23.4.1992 starb er, mittlerweile zurückgezogen von der Öffentlichkeit, in einem anthroposophischen Altersheim.
== Literatur ==
* [[Wikipedia:Martin Buber|Martin Buber]]: ''Die Geschichten des Rabbi Nachman.'' Rütten & Loening, Frankfurt am Main 1906, (Und häufige weitere Auflagen: Gütersloher Verl.-Haus Mohn, Gütersloh 2002, ISBN 3-579-01217-7). <small>Darüber: „Ihre persönliche Charakteristik des Rabbi Nachman ist sehr gelungen, nur einigermaßen idealisiert, denn Nachman war nicht frei von manchen Fehlern seiner chassidischen 'entourage'. [...] Was die Nacherzählung der Geschichten betrifft, so sind sie meisterhaft umgearbeitet und von der anima vili [wertlosen Seele] des Originals befreit.“ - [[Wikipedia:Simon Dubnow|Simon Dubnow]] an Martin Buber, 1906 </small>.
* [[Wikipedia:Michael Brocke|Michael Brocke]] (Hrsg.): ''Die Erzählungen des Rabbi Nachman von Bratzlaw. Zum ersten Mal aus dem Jiddischen und dem Hebräischen übersetzt, kommentiert und mit einem Nachwort versehen''. Carl Hanser, München 1985, ISBN 3-446-14394-7, (Als Taschenbuch: Rowohlt, Reinbek 1989, (''roror'' 5993), ISBN 3-499-15993-7).
* [[Wikipedia:Martin Cunz|Martin Cunz]]: ''Die Fahrt des Rabbi Nachman von Brazlaw ins Land Israel (1798-1799). Geschichte, Hermeneutik, Texte.'' Mohr, Tübingen 1997, ISBN 3-16-146628-4, (''Texts and studies in medieval and early modern Judaism'' 11), (Zugleich: Luzern, Hochsch., Diss., 1994).
* [[Wikipedia:Lea Fleischmann|Lea Fleischmann]]: ''Rabbi Nachman und die Thora. Das Judentum für Nichtjuden verständlich gemacht.'' Scherz, Bern u. a. 2000, ISBN 3-502-15206-3.
* [[Wikipedia:David Assaf|David Assaf]] (ed.): ''Bratslav. An Annotated Bibliography. R. Nahman of Bratslav. His Life and Teachings. The Literary Legacy of His Disciples. Bratslav Hasidism in Its Context.'' Zalman Shazar Center for Jewish History, Jerusalem 2000, ISBN 965-227-145-4


Ein Wilhelm Schmundt-Archiv wird in Wangen im Allgäu von Bernd Volk verwaltet<ref>[http://www.muenster.org/beuys/000/13.htm]</ref>.
{{SORTIERUNG:Nachman}}
[[Kategorie:Rabbiner]]
[[Kategorie:Chassidismus]]
[[Kategorie:Geboren 1772]]
[[Kategorie:Gestorben 1810]]
[[Kategorie:Mann]]


== Werk ==
{{Personendaten
Schmundts Elementarlehre des sozialen Organismus versteht sich als eine Darstellung der fundamentalen gesamtgesellschaftlichen Ordnungs- und Funktionszusammenhänge.<ref>Lit.: Schmundt: Erkenntnisübungen, S. 10 (Vorwort von Heidt/Rösch zur. 1. Aufl. 1973)</ref>
|NAME=Rabbi Nachman
|ALTERNATIVNAMEN=Rabbi Nachman von Bratslav
|KURZBESCHREIBUNG=[[Chassidismus|chassidischer]] [[Zaddik]]
|GEBURTSDATUM=1772
|GEBURTSORT=[[Medschybisch]]
|STERBEDATUM=16. Oktober 1810
|STERBEORT=[[Uman]], heute: [[Ukraine]]
}}


== Rezeption ==
{{Normdaten|TYP=p|GND=119278227|LCCN=n/79/81703|VIAF=82228511}}
Nach einem zwanzigjährigen Studium des [[Nationalökonomie|nationalökonomischen]] Denkens von [[Rudolf Steiner]] veröffentlicht Schmundt im Jahr 1950 einen Aufsatz über die Wandlung des Kapitalbegriffs.<ref>Wilhelm Schmundt: ''Wandlung des Kapitalbegriffs.'' In: die drei. Zeitschrift für Anthroposophie in Wissenschaft, Kunst und sozialem Leben. Heft 2/1950, S. 95ff. (Text auf www.dreigliederung.de [http://www.dreigliederung.de/essays/1950-02-001.html Text]).</ref> Die Beschreibung eines meditativen Gedankenweges erzeugte Widerspruch, insbesondere seines Freundes Hans-Georg Schweppenhäuser. Zustimmung erhielt Schmundt von Rudolf Kreutzer, Fritz Götte, [[Folkert Wilken]] und Hunold Graf von Baudissin<ref>http://biographien.kulturimpuls.org/detail.php?&id=1131</ref>. Eine wirksame Rezeption begann jedoch erst ab 1972 durch den [[Achberger Kreis]], an dem sich auch [[Joseph Beuys]] beteiligte.<ref>[http://www.kulturzentrum-achberg.de/files/schliffka-2015-achberger-impuls.pdf Herbert Schliffka: ''Der Achberger Impuls.'']</ref> Auf dem Achberger Jahreskongreß 1973 fand die entscheidende Begegnung mit Beuys statt, der danach die Schmundt'schen Arbeitsergebnisse übernahm und in sein Werk integrierte.
[[Joseph Beuys]] nannte ihn schließlich kurz vor seinem Tode "unseren großen Lehrer"<ref>Ulrich Rösch: ''Wilhelm Schmundt''. In: Bodo von Plato, Anthroposophie im 20. Jahrhundert. Ein Kulturimpuls in biographischen Porträts, Vlg. am Goetheanum, Dornach 2003, S. 719 - 720</ref>. [http://biographien.kulturimpuls.org/detail.php?&id=1017 Leif Holbaek-Hanssen] verfasste ein umfassendes wirtschaftswissenschaftliches Grundwerk in mehreren Bänden mit dem Schwerpunkt „Marketing“, in dem er die Forschungsergebnisse Wilhelm Schmundts in eigenständiger Weise rezipiert<ref>Metoder og modeller i markedsføringen 1 - 3, Tanum 1973 - 1976. Die Arbeiten Holbaek-Hanssens sind leider bisher nur größtenteils in norwegisch erschienen. In Rappmann 1993: ''Die Kunst des sozialen Bauens'' findet sich in deutscher Übersetzung: "Urbildgedanken und Entwicklungsfähigkeit in den sozialen Bestrebungen", die Arbeit ''Et samfunn for menneskelig utvikling: bidrag til tenkningen om „Alternativ framtid“'', (Oslo 1984, ISBN 9788251818339, 88 S.) könne als sein "sozialwissenschaftliches Vermächtnis" (Forschungsstelle Kulturimpuls) angesehen werden. </ref>.


==Kritik==
{{Wikipedia}}
{{LZ|Wilhelm Schmundt wollte die soziale Dreigliederung ''ins Rechte'' denken, und das ist ihm leider gelungen. Er hat nämlich alles, was Rudolf Steiner zum Wirtschaftsleben und zum Geld gesagt hat, so umgedeutet, daß es einen rechtlichen Charakter bekommen hat. Er konnte nur in solchen Kategorien wie Rechten und Pflichten denken und mußte die soziale Dreigliederung entsprechend amputieren.
 
Die verheerenden Folgen sieht man noch heute bei seinen Anhängern, die das Geld demokratisieren<ref>vgl. z.B. Lit: Andreas Schurack: Stüttgens Sünden, oder [[Thomas Mayer]]: [[http://www.eurorettung.org/fileadmin/media/Eurorettung/Regiogeld_OMNIBUS_6Seiten.pdf Regiogeld - Ein Schritt zur Demokratisierung des Geldes]], 2004 </ref> wollen, statt das Wirtschaftsleben durch die Schaffung von Assoziationen in die Lage zu versetzen, das Geld wieder an der Realwirtschaft zu koppeln.|<ref>http://www.dreigliederung.de/wilhelmschmundt/</ref>}}
 
Eine knappe Erläuterung der Auffassung Schmundts geben Wilfried Heidt und Ulrich Rösch im Vorwort zu: Wilhelm Schmundt: Revolution und Evolution - Auf dem Wege zu. einer Elementarlehre des sozialen Organismus. Band Nr. 3 der Reihe Wissenschaft;  Verlag edition dritter weg, Achberg 1973:
{{LZ|Im Prozeß des sozialen Gestaltwandels
hebt sich von diesem Wirtschaftsleben
das Rechtsleben, als ein gleichsam über
ihm stehendes Glied, mit einer spezifischen
Aufgabe ab. Die Wertströme des
Wirtschaftslebens - Fähigkeitswerte einerseits
und Konsumwerte andererseits -
werden durch das Geld, den Repräsentanten
des Rechtslebens, gelenkt. Arbeitsteilung
und Fremdversorgung, Produktion
und Konsumtion werden durch
das Geld in Rechtsbeziehung zueinander
gesetzt. Durch das Geld greift also das
Rechtssystem in umfassender Weise in
das Wirtschaftsgeschehen ein.|Revolution und Evolution: Vorwort}}
 
Das [[Geld]] soll also innerhalb des Wirtschaftslebens der Repräsentant des Rechtslebens sein - eine Ansicht und ein Gestaltungsvorschlag, den man so bei Rudolf Steiner nicht findet. Zudem soll dem Geld eine Lenkungsfunktion zukommen, "in umfassender Weise in das Wirtschaftsgeschehen eingreifen". Das hört sich nach Steuerung der Wirtschaft durch das Rechtsleben an. (Von daher kommt der Vorwurf Schweppenhäusers an Schmundt, er vertrete eine Art Planwirtschaft<ref>Quelle</ref>). Für Rudolf Steiner ist das Geld jedoch lediglich eine "wandelnde Buchhaltung". Die Geldzirkulation bildet in der Buchhaltung den Kreislauf Produktion - Handel - Konsum ab. Sie steuert ihn nicht. Der Erwerb einer Ware führt z.B zu einer Übergabe von Geld. Der Geldschein begründete nur den Anspruch, den Kauf zu tätigen. Durch die Übergang des Geldes an den Verkäufer geschieht ein Buchhaltungsvorgang: Nunmehr hält der Verkäufer eine Anweisung auf Ware in bestimmter Höhe in Händen und kann etwas kaufen. Dies alles sind lt. Rudolf Steiner rein wirtschaftliche Vorgänge. Rechtscharakter hat das Geld nur als Anweisung, Anspruch auf Warenbezug.
 
{{GZ|Aber das Geld wird - auch wenn der führende Handelsstaat England an der Goldwährung festhält - zunächst wenigstens im Inlandsverkehr eine andere Bedeutung erhalten. Es wird dasjenige, was heute dem Gelde anhaftet - daß es Ware ist -, das wird wegfallen. Dasjenige, was im Geldwesen vorliegen wird, wird nur eine Art wandelnde Buchhaltung sein über den Warenaustausch der dem Wirtschaftsgebiet angehörenden Menschen. Eine Art aufgeschriebener Guthaben wird man haben in dem, was man als Geldunterlage hat. Und ein Abstreichen dieser Guthaben wird stattfinden, wenn man irgend etwas erlangt, was man zu seinem Bedarf braucht. Eine Art Buchführung, wandelnder Buchführung wird das Geldwesen sein. Das Geld, das heute Ware ist und dessen Gegenwert, das Gold, ja nur eine Scheinware ist, das wird in Zukunft nicht mehr Ware sein.|337a|78f.}}
 
Aber sind solche Differenzen der Verständnisse oder der Gestaltungsvorhaben wirklich so gravierend, daß damit die soziale Dreigliederung, wie sie sich nach Schmundt ergibt, eine Fehldeutung, ein Mißverständnis der von Rudolf Steiner in die Welt gesetzten Idee samt seinen ersten anfänglichen Versuchen, die Dreigliederung des sozialen Organismus zu verwirklichen, wäre? Für einen sozialwissenschaftlichen Anspruch und Ansatz, nicht nur einfach theoretische Voraussetzungen zu machen, sondern in der Wirklichkeit des sozialen Lebens die Entstehungs- Lebens- und Entwicklungsbedingungen eines (heutigen) gesunden sozialen Organismus aufzusuchen, kann man den Forschungsansatz Schmundts und die von ihm vorgelegten Resultate eigentlich nur begrüßen, da sie eine allzu naive, dogmatische Herangehensweise an die Dreigliederungsidee, und ein nur vermeintliches Verstehen, was Rudolf Steiner mit der Dreigliederungsidee gemeint hatte, stoppen. So genügt es einem wissenschaftlichen Anspruch denn auch nicht, Schmundt nachzuweisen, daß sein Forschungsansatz und daraus gewonnene Erkenntnisse mit denen Steiners, und den ''eigenen im Sinne einer dogmatischen Nachbeterei'' nicht übereinstimmen.
 
Möglicherweise ist, um bei der angeführten Differenz zu bleiben, für eine Übergangszeit der Vorschlag Schmundts, von der staatlichen Ebene zunächst steuernd mittels des Geldes in die Wirtschaft einzugreifen, genau das richtige Vorgehen? Es kommt dies doch dem Kontrollbedürfnis des heutigen Bürgers entgegen, der endlich die wahre Demokratie verwirklicht wissen will. Die Vorstellung, daß man der Wirtschaft für ihre Selbstverwaltung auch die Geldhoheit, bzw. deren Abschaffung überlassen könne, überfordert vielleicht noch viele. Es hat sich ein großes Mißtrauen aufgebaut, was natürlich mit der heute noch herrschenden Wirtschaftslehre (sowohl Neoklassik als auch Marxismus) zusammenhängt, die das Egoismusprinzip mit wirtschaftlichem Handeln fest verkoppelte, als müsse es aufgrund der Natur des Menschen und dem Wesen des Ökonomischen so sein.<ref>vgl. auch Christoph Strawe: Bedürfnislohn oder Leistungslohn?, Rundbr. Sozialimpulse 1/94, S.7, [http://www.sozialimpulse.de/fileadmin/sozialimpulse/pdf/Beduerfnislohn_oder_Leistungslohn.pdf PDF]</ref><ref>Allerdings sehen die Vorschläge Rudolf Steiners auch vor, daß Kapital unverkäuflich ist und vom Geistesleben verwaltet wird, vgl. [[Kapitalneutralisierung]]. Dadurch könnten die größten Gefahren gebannt werden, die durch die Geldselbstverwaltung einer staatsunabhängigen globalisierten Wirtschaft entstehen könnten.
 
{{LZ|Statt die Geldpolitik für eine staatliche Aufgabe und die Kapitalzirkulation für eine Marktfrage zu halten, stellt Steiner alles auf den Kopf. Für die Währung soll die Weltwirtschaft selber verantwortlich sein. Das Kapital soll aber durch das Geistesleben übernommen werden und damit unverkäuflich werden. Schaut man sich die Gründe Steiners genauer an, so wird einem bald klar, daß das eine nicht ohne das andere geht. Eine Entstaatlichung der Wirtschaft kann man sich nur leisten, wenn der Kapitalmarkt gleichzeitig abgeschafft wird. Sonst kommt es zu einer Globalisierung, die nicht nur Weltwirtschaft meint, sondern auch Übermacht der Ökonomie, und daher zu Recht bekämpft werden muß. Diesen Zusammenhang haben die meisten Dreigliederer übersehen. Sie haben sich lieber darüber gestritten, ob das Geld eine Ware oder ein Recht ist. Viele schrecken nämlich davor, Geld und Währung zu den Aufgaben des Wirschaftslebens zu rechnen. Die soziale Dreigliederung ist ihnen doch zu radikal. Solche anthroposophischen Versuche, Geld und Währung doch beim Alten, nämlich beim Staat zu lassen, stützen sich meist darauf, daß Steiner aus dem Geld keine Ware wie die anderen machen will. Sie soll eine Ware besonderer Art werden. Dies heißt aber lange nicht, daß Steiner daraus ein Recht machen will, wie es zum Beispiel später Wilhelm Schmundt und Joseph Beuys gemacht haben. Staatliche Währungen koppeln sich nämlich von der realen Wirtschaft ab.|Sylvain Coiplet, Abschnitt Geld und Währung in: [www.dreigliederung.de/sammlungen/s04.html]}}
 
Die größten Schwierigkeiten liegen dabei wohl nicht einmal darin, mittels gesetzlichen Bestimmungen Kapitalhandel zu unterbinden und weitere Regelungen bezüglich des Erbrechts usw. international zu vereinbaren. Hierfür könnte es eine gemeinsame Linie der Staaten geben, wenn die nötige Einsicht, daß Kapital nicht handelbar sein darf, vorhanden wäre. Dann könnte man gegen Zuwiderhandlungen international vorgehen, wie heute gegen Korruption und andere Mißstände, für die ein Konsens hinsichtlich Schädlichkeit und Bekämpfungserfordernis gegeben ist. Aber diese Einsicht der Nichthandelbarkeit, bzw. der Schädlichkeit der Handelbarkeit von Arbeit, Boden und Kapital gibt es allgemein verbreitet erst ansatzweise hinsichtlich der Arbeit. Arbeit soll keine Ware sein. Die Unverkäuflichkeit von Kapital (z.B. in Form von Aktien) gehört nicht zu den Gemeinplätzen von Einsicht. Man denkt allenfalls an eine Einschränkung und Kontrolle des Kapitalverkehrs, aber auch wieder durch die Staaten, nicht durch das Geistesleben.
 
Man wird aber wohl ohnehin zunächst nach praktischen, kleineren Lösungen im Regionalen (global netzwerkartig) suchen müssen. Es gibt für die Kapitalneutralisierung Ansätze, wie z.B. Übertragung an eine Stiftung, die bei geltendem Recht schon funktionieren. Und andererseits gibt es die Möglichkeit zu regionalen Parallelwährungen, die allein von der Wirtschaft verwaltet werden. Praktische Erfahrungen mit der Umsetzung der Dreigliederung im Kleinen mögen letztlich größeren Wert für die Realisierung und Etablierung der Dreigliederungidee haben als große theoretische Entwürfe, Gesamtmodelle, von denen niemand weiß, wie sie sich realisieren lassen sollen und die daher als Utopie erscheinen.
 
Schmundts Modell versteht sich aber als das Ergebnis einer goetheanistischen phänomenologischen Forschung. Er forderte eine Revolutionierung der Begriffe. Es sollen Begriffe gebildet werden für die Erfassung der Wirklichkeit des Sozialen, dieses soll von innen aus sich selbst heraus verstanden werden. Die Dreigliederung des sozialen Organismus ist bei ihm als Ergebnis des Forschens gemeint, nicht als Voraussetzung. Nun weicht das Gesamtmodell als Forschungsergebnis bei ihm von demjenigen Steiners ab. Er kann gar nicht zugeben, daß das, was er sozialwissenschaftlich erforscht hat, darum falsch sein soll, weil es nicht mit allem übereinstimmt, was Rudolf Steiner über den sozialen Organismus gesagt hat. Um Schmundt zu widerlegen, muß man ihm in seiner phänomenologischen Arbeit folgen und ihm seine in ihr befindlichen Denk- oder Beobachtungsfehler nachweisen. Man wird diese finden können. Es mögen schon diese Axiome sein, die er seiner Forschung voraussetzt:
 
{{LZ|Das Gefüge des sozialen Organismus, wie es der heutigen Stufe des Menschentums entspricht, ergibt sich aus den zutage liegenden Phänomenen dann, wenn man drei axiomatische Gegebenheiten beachtet. »Axiome« meint hier Aussagen, welche unmittelbar einleuchten und im Rahmen der Soziologie keiner weiteren Begründung bedürfen. Es handelt sich um das Gestalt-Axiom, um das Demokratie-Axiom und um das Freiheits-Axiom. Das Gestalt-Axiom hat es mit der Gestalt des sozialen Organismus zu tun, wie sie sich von der Vergangenheit her in die Gegenwart herein entwickelt hat. Das Demokratie-Axiom umschließt das Fordern der Gleichheit im Rahmen zwischenmenschlicher Rechtsvereinbarungen. Das Freiheits-Axiom fordert das Erfüllen dessen, was aus der Zukunft auf die Kulturmenschheit zugekommen ist: Daß nämlich der erwachsene Mensch die Möglichkeit freien Handelns habe, - daß es heute keine andere Quelle fruchtbaren Handelns mehr gibt als die sich selbst bestimmende Individualität.|Schmundt, 1981}}
 
Das sind keine Axiome, sondern sehr voraussetzungsreiche Annahmen, und keineswegs solche von der Art, die unmittelbar einleuchten. Schon hier muß die Kritik einsetzen, eine immanente Krtik, die darauf verzichten kann, dogmatisch Schmundt entgegen zu halten, daß Steiner etwas anderes gesagt hatte, oder Steiner anders zu verstehen sei. Aber angenommen, es seien Ideen, Urbilder gemeint, Schmundt spricht ja später auch vom Gestalt-Urbild: Solche Urbilder enthalten geradezu alles, es sind keine Axiome. Vergleicht man diese Axiome Schmundts mit den vier Königen aus Goethes Märchen, ergibt sich folgendes:
Goethe: Gemischter König (Vergangenheit) - Goldener, silberner und ehener König (Zukunft). Schmundt: Gestalt-Axiom (Vergangenheit) - Demokratie-Axiom  - Freiheits-Axiom (Zukunft). Für den ehernen König gibt es bei Schmundt kein entsprechendes Axiom, seine Axiome entsprechen einer Dreiheit des gemischten, silbernen, und goldenen König.
 
Es ergeben sich im Anschluß an eine solche urbildliche Differenz zwischen der Steinerschen und der Schmundtschen Dreigliederung viele Fragen. Eine ist diese: Inwiefern ist der gemischte König in Goethes Märchen tatsächlich der sog. "Einheits''staat''", und was hat es mit diesem angeblichen [[Einheitsstaat]] eigentlich auf sich? Kann man heute noch von solch einem Einheits''staat'' sprechen, oder hat sich der gemischte König längst metamorphosiert zur Einheits''wirtschaft''? Hat Schmundt die drei befreiten bzw. zu befreienden Könige, den ehernen, silbernen und goldenen König nicht in einem historisch gewordenen Einheits''staat'' aufgesucht, sondern in der modernen ''Wirtschafts''gesellschaft, in der das Staats- und Rechtsleben bereits zum Überbau eines alles beherrschenden kapitalistischen Wirtschaftslebens heruntergekommen ist? (In eine ähnliche Richtung hat auch Herbert Witzenmann gedacht, mit seiner Ansicht, die Dreigliederung ließe sich nicht mehr so verwirklichen, wie es nach dem ersten Weltkrieg möglich gewesen wäre, man müsse innerhalb des Wirtschaftslebens nach einer Dreigliederung des sozialen Organismus suchen. [Quelle]). Wenn der gemischte König längst schon kein Staat mehr ist, sondern totalitärer Kapitalismus, muß möglicherweise die Befreiung der Könige, die Verselbständigung, Selbstverwaltung von Rechtsleben und Geistesleben auf neue Art begriffen werden, - im Sinne Schmundts? </ref>
 
{{LZ|Die neue Elementarlehre von WS [Wilfried Schmundt] ist das Resultat von drei fundamentalen Fehlern. Die drei neuen Begriffe: die Dreigliederung des sozialen Organismus, die Assoziation als soziale Wirtschaftsgestaltung und das Schenkungsgeld sind originäre Begriffe bei Rudolf Steiner. Wissenschaftliche Exaktheit fordert, daß solche eindeutigen Begriffe nicht in unzutreffender Weise verwendet werden. Gerade das aber geschieht, wenn sich WS auf Rudolf Steiner beruft.|Schweppenhäuser: Fallstudien Heft 5, S. 107}}
 
Die Kritik Schweppenhäusers erweckt den Eindruck, daß Schmundts Dreigliederungslehre derart massive Differenzen zu derjenigen Steiners (bzw. wie Schweppenhäuser ihn versteht) hat, daß man nicht mehr von Interpretation der Steinerschen Ideen sprechen kann, sondern von einem (mehr oder weniger) eigenständigen Ansatz Schmundts sprechen muß, der nur Anleihen bei Steiner macht.
 
{{LZ|Auch WS spricht von Dreigliederung. Sein "Ur-Gestaltbild" des sozialen Organismus ist aber keine "horizontale" Dreigliederung im Sinne des Begriffes bei Rudolf Steiner. Unüberhörbar verkündet WS: Sein Urbild des sozialen Organismus ist Wirtschaftsleben schlechthin, auch da wo rein geistige und rein rechtliche Funktionen bestimmend für die sozialen Einrichtungen sind. Von einem autonomen, sich selbst verwaltenden Geistesleben ist bei WS nicht die Rede. Er erläutert (in einem Schreiben vom 17.9.80), was er als Geistesleben versteht: "Die 'beratenden Gremien' ('Kuratorien') sind nicht die 'Assoziationen' bei WS; vielmehr durchziehen sie das assoziative Wirtschaftsleben und vollziehen die Aufgabe des 'freien Geisteslebens', welches die Einsichten zustande bringt, 'die in der Gemeinschaft wirken sollen'. Bei WS wird so die Dreigliederung konkretisiert."
 
Die Dreigliederung ist bei Rudolf Steiner eindeutig durch die relative Selbständigkeit - Selbstverwaltung - der drei Gebiete definiert; WS mißbraucht diesen Begriff: irgendwo ist bei ihm auch Dreigliederung; aber sie ist (...) - in dem Überbau von Rechtsleben und Geistesleben über dem Wirtschaftsorganismus - unkonkret. Er verlangt, daß, wenn man diese "Kuratorien" als Geistesleben begreift, dann bei ihm die Dreigliederung "konkret" wird. Hier wird in unkorrekter Weise mit dem Begriff der Dreigliederung umgegangen. - Bei WS gibt es nur eine materielle "Kultur" - das Wirtschaftsleben ist diese "Kultur": "WS unterscheidet den 'sozialen Organismus' mit seinen drei Gliedern und das 'soziale Leben' mit seinen drei Kulturbereichen - jenen als Grundlage für dieses. HGS [Hans Georg Schweppenhäuser] (sprich Rudolf Steiner!) hat dieses nicht. So sieht WS das öffentliche Bildungswesen, das dem Geistbereich der Kultur angehört, zugleich im 'Tätigkeitsbereich' des sozialen Organismus, also in dessen 'Wirtschaftsleben'. Für HGS ist 'Geistesleben des sozialen Organismus' identisch mit 'Geistbereich der Kultur'."|Fallstudien 5, S. 107f.}}
 
Aber wenn Steiners Begrifflichkeit wirklich so eindeutig ist, wie Schweppenhäuser meint, dann verwundert es doch, daß solche gravierenden Auffassungsunterschiede zustande kommen konnten (und bis heute nicht ausgeräumt sind). Schmundt beharrte auf seinen Ansichten trotz der Kritik, und wurde zum Ideengeber der Achberger Dreigliederer. Durch Joseph Beuys ist dann nochmals eine zusätzliche Verwirrung eingetreten, als seine Idee der [[Soziale Plastik|sozialen Plastik]] eigentlich nur noch an die Erkenntnisfähigkeit und Gestaltungskraft des Einzelnen, bzw. auch Gemeinschaften, gemeinsames Erkennen und Gestalten, appelliert. Sein Spruch "Jeder Mensch ist ein Künstler" läßt sich transponieren in: "Alles ist soziale Plastik"<ref>Also ist auch der "[[gemischter König|gemischte König]]" soziale Plastik, oder etwa nicht? Man könnte die These aufstellen, daß die soziale Plastik die Auflösung des gemischten Königs sei. Dabei hätte die Auflösung eine doppelte Bedeutung: Sie wäre der Weg dorthin und sein Ergebnis. Diese These wird sich aber nicht halten lassen. Der gemischte König ist ebenfalls soziale Plastik, nicht nur in der alten Form des Einheitsstaats, sondern insbesondere auch in seinen vielen ''neuen'' Formen, die vorgeben, keine retardischen im Sinne der Figur des [[Retardus]] zu sein, sondern sich als progressive Neugestalten mit zumindest langfristiger Auflösungsqualität gerieren. Letztlich läßt sich jede soziale Plastik, der keine Auflösungsqualität zukommt (wer kann dies beurteilen?), als eine interpretieren, die auf dem Weg zu solcher Auflösung ist, oder den Weg zur Auflösung des gemischten Königs bzw. die Wegbereitung für den goldenen, silbernen und ehernen König, indirekt unterstützt und dergleichen. Um bei dem Bild zu bleiben, sieht Schweppenhäuser die soziale Plastik Schmundts als mißraten an, die drei Könige wären in Schmundts Lehre nicht vollständig (d.h. auch in ''richtiger'' Relation) befreit, sondern nur teils und auf falsche Weise, und in anderen Hinsichten wieder neu verquickt, vermischt.</ref>. Nimmt man noch verschiedene Viergliederungskonzepte ([[Johannes Heinrichs]], [[Michael Opielka]]) hinzu, möglicherweise auch [[Luhmann]]s Systemtheorie, sowie [[Habermas]] natürlich (Wirtschaft, Politik und Lebenswelt), ist das Disaster perfekt und man sieht sich genötigt, nochmals genauer zu studieren, was Rudolf Steiner eigentlich mit seiner Dreigliederungslehre gemeint hatte, - um dann die reine Lehre Rudolf Steiners zu vertreten, wie man sie selbst versteht, wie sie ''andere'' aber offenbar nicht verstehen können, oder nicht wollen.
 
Dabei hatte Rudolf Steiner zwar eine besondere Schwierigkeit gesehen, brauchbare Ideen für die Gestaltung des sozialen Lebens zu gewinnen, weil dafür höhere Erkenntnisfähigkeiten erforderlich seien. Wären diese Ideen aber in adäquater Sprache mitgeteilt, habe der "gesunde Menschenverstand" keine Probleme mit ihrem Verständnis:
 
{{GZ|Es ist ja heute so, daß dasjenige, was sozial fruchtbar ist an Ideen, eigentlich nur gefunden werden kann von den wenigen Menschen, welche sich gewisser spiritueller Fähigkeiten bedienen können, die die weitaus überwiegende Mehrzahl der Menschen heute nicht gebrauchen will, trotzdem sie in jeder Seele liegen. Aber diese wenigen, die werden sich die Aufgabe setzen müssen, dasjenige, was sie herausholen aus der geistigen Welt gerade mit Bezug auf soziale Ideen, mitzuteilen. Sie werden es übersetzen in die Sprache, in die eben die geistigen Wahrheiten, die in einer anderen Gestalt jenseits der Schwelle geschaut werden, übersetzt werden müssen, wenn sie populär werden sollen. Diejenigen, die aus der Initiation etwas wissen über soziale Ideen, werden die Verpflichtung haben, diese sozialen Ideen der Menschheit mitzuteilen, und die Menschheit wird sich entschließen müssen dazu, über die Sache nachzudenken. Und durch Nachdenken, bloß durch Nachdenken mit Hilfe des gesunden Menschenverstandes, wird schon das Richtige herauskommen.|185a|200f.}}
 
==Einzelnachweise==
 
<references />
 
==Werke (Auswahl)==
''"Vorläufer"''
*''Wandlung des Kapitalbegriffs'' In: Die Drei, Heft 2/1950, S. 95ff. (Text auf www.dreigliederung.de {{VT|16|http://www.dreigliederung.de/essays/1950-02-001.html|Text}})
*''Sozialwissenschaft als Gegenstand des Hauptunterrichts'', in: Erziehungskunst, Juni (Heft 6), 1959, S. 161 - 172, {{VT16|http://www.erziehungskunst.de/fileadmin/archiv_alt/1950-1959/1959_Heft_6_Jg_23.pdf#4}}
 
''Grundwerk''
*''Der soziale Organismus in seiner Freiheitsgestalt'', (Studienmaterial der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft), Philosophisch-Anthroposophischer Vlg. am Goetheanum, Dornach 1977, (1. Aufl.: 1968), (Neuauflage im FIU-Verlag, Wangen 1993 (3. Auflage))
*''Zeitgemäße Wirtschaftsgesetze''. Über die Rechtsgrundlagen einer nachkapitalistischen, freien Unternehmensordnung >Entwurf einer Einführung<, Achberger Vlg., Achberg 1975, 2. erw. Aufl. 1980, {{VT|16|http://www.impuls21.net/pdf/schmundt-wirtschaftsgesetze.pdf|PDF}}
*''Revolution und Evolution. Auf dem Weg zu einer Elementarlehre des sozialen Organismus'', hrsg. u. mit e. Vorw. vers. von [[Wilfried Heidt]] u. [[Ulrich Rösch]], 1973, ISBN 3-88103-020-4, [http://www.erziehungskunst.de/fileadmin/archiv_alt/1970-1979/1975_01_Jg_39.pdf Rezension]
*''Erkenntnisübungen zur Dreigliederung des sozialen Organismus. Durch Revolution der Begriffe zur Evolution der Gesellschaft'', Achberger Verlag, Achberg 1982 (Neuauflage 2003), ''(2. erw. und umgestaltete Auflage von "Revolution und Evolution. Auf dem Weg zu einer Elementarlehre des sozialen Organismus")'', (''Aufsatzsammlung, bearbeitet'')
 
''Aspekte, Erläuterung, Vertiefung und Fortführung''
*''Ausblick auf eine Elementarlehre des dreigliedrigen sozialen Organismus'', Manuskript 1971, 30 S., Lehr-Kurs, basiert auf "Der soziale Organismus in seiner Freiheitsgestalt", {{VT|16|http://www.sozialimpuls.info/assets/pdf/Schmundt-Ausblick.pdf|PDF}}
 
*''Das Unternehmerkapital im sozialen Organismus'', in:  Die Drei, 07-8/1975, (Text auf www.dreigliederung.de {{VT|16|http://www.dreigliederung.de/essays/1975-07-001.html|Text}})
*''Drei Quellen zum Erfüllen des sozialen Hauptgesetzes'', erschienen in: Das Goetheanum, Nr. 32, 6.8.1978, ebenso in: "Erkenntnisübungen zur Dreigliederung des sozialen Organismus, Achberger Verlag, 1982 und 2003", {{VT|16|http://www.sozialimpuls.info/assets/pdf/Schmundt-SHG-1978.pdf|PDF}}
*''Eine Elementarlehre des sozialen Organismus. Wie kann man sie begründen - was vermag sie zu leisten?'',  Die Drei, 05/1981, S.345-354, {{VT|16|http://www.dreigliederung.de/essays/1981-05-001.html|Text}}
*''Die Elementarlehre des sozialen Organismus als Grundlage politischen Wirkens. Oder: Über die Kunst des sozialen Bauens'', in: Lit: Rainer Rappmann (Hrsg.): Die Kunst des sozialen Bauens, S. 97 - 110, (zuerst 1981 in Johannes Stüttgen (Hrsg.): Similia Similibus, Köln 1981)
*''Der soziale Organismus und das Soziale Hauptgesetz'', in: Das Soziale Hauptgesetz, Verlag Freies Geistesleben, 1986 (Reihe Sozialwissenschaftliches Forum Bd. 1, Herausgeber Stefan Leber), S. 54 - 64, ISBN 3772508596, {{VT|16|http://www.sozialimpuls.info/Assets/PDF_Dateien/Schmundt-1986-Soziales-Hauptgesetz.pdf|PDF}}
*''Der Typus der sozialen Organismen'', in: Lit.: Die Kunst es sozialen Bauens, S. 85 - 90, (Ein Entwurf aus dem Jahre 1986, in Form eines fiktiven Interviews)
*''Zwei Grundprobleme des 20. Jahrhunderts. Die Materie und ihr Ursprung. Der Soziale Organismus und sein Krankheitszustand'', Freie Volkshochschule Argental, Wangen 1988, ISBN 3-926673-06-0, ''("Der Autor hat es in hohem Alter ... unternommen, in zwei zusammenfassenden, äußerst dichten Abhandlungen dasjenige zur Darstellung zu bringen, was sich ihm in langen Jahren seines Forschens ergeben, begründet und befestigt hat. (...) Methodisch geht diese Arbeit ... den Weg der goetheanistischen Erkenntnistheorie." (Bernd Volk, Flensburger Hefte Nr. 25, S. 218). "Die Materie und ihr Ursprung" ist eine Arbeit zur Physik. Das Buch enthält außerdem als 3. Teil eine biographische Skizze in Gesprächsform.)''
*''Die Aufgabe Mitteleuropas. Die Lehre vom sozialen Organismus in seiner Freiheitsgestalt als Brückenschlag zwischen Ost und West'', FIU-Verlag, Wangen 1997, ISBN 3-928780-16-6, (2 Vorträge vom 28. und 29. Dezember 1981)
*''Denkschritte - Auf dem Weg zur Idee des sozialen Organismus'', FIU-Verlag, Wangen 1999, (Buch inkl. CD mit Original-Vortrag von Wilhelm Schmundt (72,5 min.) über seinen Lebens- und Forschungsweg, gehalten am 31. Dezember 1976 im Internationalen Kulturzentrum Achberg.), ISBN 9783928780216 (''Auszüge aus Schmundts Bericht über seinen Lebens- und Forschungsweg sind auch in Lit: Die Kunst des sozialen Bauens enthalten, 1993, unter dem Titel: Auf dem Wege zur Idee des sozialen Organismus. Ein Wanderbericht, S. 111 - 129, mit zahlr. Fotos'')
 
==Literatur==
 
* [[Rainer Rappmann]] (Hrsg): ''Die Kunst des sozialen Bauens''. Beiträge zu Wilhelm Schmundt, mit Beiträgen von Wilhelm Schmundt, Rainer Rappmann (Einführung), Johannes Stüttgen, Ulrich Rösch, Leif Holbaek-Hanssen, Bernd Volk, Frank Meyer, Günther Lierschof, FIU-Verlag, Wangen 1993
* [[Rainer Rappmann]] (Hrsg.): ''Beuys, Dutschke, Schilinski, Schmundt. Vier Leben für Freiheit, Demokratie und Sozialismus'', FIU-Verlag, Wangen 1996
* [[Johannes Stüttgen]]: ''Ökonomie/Wirtschaftsleben''. In: Harald Szeemann (Hrsg.): Beuysnobiscum, Fundus/Vlg. der Kunst, Amsterdam; Dresden 1997, S. 269 - 281
* [[Hans Georg Schweppenhäuser]]: ''Die soziale Dreigliederung von Rudolf Steiner und die Elementarlehre des sozialen Organismus von Wilhelm Schmundt. Fallstudien Heft 5.'', Freiburg 1980, 122 S., [http://anthrowiki.at/images/3/3f/Hgs-fallstudien5-inh-verz.pdf Inhaltsverzeichnis]
* Hans Georg Schweppenhäuser: ''Die Elementarlehre von Wilhelm Schmundt. - Ein Briefwechsel als Dokumentation über eine Kontroverse zur sozialen Dreigliederung. Fallstudien. Heft 6a und 6b.'', Freiburg 1981, 116 und 100 S.
*Hans Georg Schweppenhäuser: ''Fähigkeiten- oder Erfahrung- Wirtschaft?'', Bausteine, 4.Jg., 4/1980, S.40-45, (Zur Kontroverse Schmundt Schweppenhäuser)
*Redaktion (Reinhard Giese): ''Zitate Rudolf Steiners und Hans Georg Schweppenhäusers mit Erläuterungen zum Thema'', in: Beiträge zur Dreigliederung des sozialen Organismus, 24.Jg., Nr.36, Dez.1983, S.13-33, Thema: ''Zur assoziativen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. In Memoriam Hans Georg Schweppenhäuser'', (''enthält einen Exkurs zur Kontroverse Schweppenhäuser - Schmundt S. 23 - 25, in dem insbesondere auf den Begriff der [[Assoziation (Wirtschaft)|Assoziation]] eingegangen wird. Schmundt und im Anschluß auch [[Ulrich Rösch]] und [[Benediktus Hardorp]] u.a. würden einen Assoziationsbegriff zugrundelegen, der von demjenigen Steiners und Schweppenhäusers abweiche, mit auch Konsequenzen für die dann unterschiedliche Gesamtauffassung der sozialen Dreigliederungidee, die von derjenigen Steiners und Schweppenhäusers abweichen würde, obwohl manchmal nach dem Wortlaut der Darlegungen eine Übereinstimmung scheinbar gegeben ist.'')
*Andreas Schurack: ''Stüttgens Sünden wider die soziale Dreigliederung'', 2014, [http://www.dreigliederung.de/essays/2014-07-002.html Text], [http://blog.dreigliederung.de/2014/07/stuettgen-soziale-dreigliederung.html Ein Kommentar]
 
==Weblinks==
 
*[http://biographien.kulturimpuls.org/detail.php?&id=1131 Forschungsstelle Kulturimpuls zu ''Wilhelm Schmundt'']
*[http://fiu-verlag.com/die-demokratische-bank-dvd/ Verein Soziale Skulptur (Hg.): ''Die demokratische Bank'' (DVD)]
 
 
 
[[Kategorie:Mann]][[Kategorie:Anthroposoph]][[Kategorie:Autor]][[Kategorie:Soziales Leben]][[Kategorie:Sozialwissenschaftler]][[Kategorie:Soziale Dreigliederung (Person)]]
{{wikipedia}}

Version vom 11. Juli 2013, 18:02 Uhr

Rabbi Nachman von Bratslav (* 1772 in Medschybisch; † 16. Oktober 1810 in Uman) war ein chassidischer Zaddik.

Mütterlicherseits war er der Urenkel des Baal Schem Tow, dem Begründer des Chassidismus. Väterlicherseits war er der Enkel von Rabbi Nachman von Horodenka, einem Schüler des Baal Schem Tow. Nachman wuchs in der chassidischen Atmosphäre seines Elternhauses auf, heiratete früh und lebte im Hause seines Schwiegervaters. Später ließ er sich in Medwedewka, einem Dorf im Gouvernement Kiew nieder, wo er einen kleinen Kreis von Chassidim um sich versammelte.

Rabbi Nachmans Grab in Uman/Ukraine

1798 begab er sich in Begleitung eines Jüngers auf eine Reise ins Heilige Land. Im Laufe einiger Monate besuchte er unter anderem Haifa, Jaffa, Tiberias und Safed, musste aber nach dem Einmarsch Napoleons das Land überstürzt wieder verlassen. Während seines Aufenthalts in einem Dorf in der Nähe von Schpola hatte er eine Auseinandersetzung mit Arie Leib, einem bejahrten chassidischen Zaddik, welcher Nachman sabbatianische und frankistische Ansichten vorwarf. 1802 zog er nach Bratslav, wo er bis 1810 blieb. Nachdem sein Haus in Bratslav abgebrannt war, zog er nach Uman, wo er am 18. Tischri 5571 (16. Oktober 1810) während des Sukkotfestes an Tuberkulose verstarb.

Nach dem Tode von Rabbi Nachman wurden seine Anhänger unter der Bezeichnung Bratslaver Chassidim oder auch „di tojten chassidim“ bekannt, da sie die Wiederkehr R. Nachmans erwarten und Nachman keinen Nachfolger hatte und hat. In ihrem Ursprungsgebiet Podolien waren sie bis zu den frühen Jahren der Sowjetunion tätig. In Israel lebten die meisten Bratslaver Chassidim zunächst in der Jerusalemer Altstadt, haben sich jedoch mittlerweile auch in Safed, Immanuel (im besetzten Westjordanland) und Bnei Brak niedergelassen.

Seine Lehren

Obwohl Nachman die Bedeutung der Tradition betonte und sich als letztes Glied einer Kette sah, die von Schimon ben Jochai über Isaak Luria bis zu seinem Urgroßvater Baal Schem Tow reichte, enthalten seine Lehren zahlreiche Neuerungen. Gemäß Nachman wurde die Welt durch En Sof (wörtlich "kein Ende" oder "Unendliches"), „den Ungrund“ erschaffen, und wird nach dem absoluten göttlichen Willen beherrscht. Göttlichkeit ist überall enthalten, auch im Bösen, und zwar in Form von Qlipot („Schalen“). Auch ein Mensch, der im Bösen versinkt, kann deshalb durch Reue zum Schöpfer zurückfinden. Die lurianische Doktrin des Tzimtzum („Rückzug“, „Selbstverschränkung“, siehe Kabbala) schafft ein Paradox. Einerseits postuliert sie den Rückzug und das Verschwinden der Göttlichkeit unter Schaffung eines „Leeren Raumes“ oder „großen Offenheit“, andererseits wird damit göttliche Immanenz (Anwesenheit Gottes in der Welt) angenommen. Diesen scheinbaren Widerspruch überwindet der Chassidim durch die Erkenntnis der wechselseitigen Abhängigkeit: die Kultivierung von Offenheit und Unvoreingenommenheit schafft die Voraussetzungen, um Gottes „Wirksamkeit“ zu erfahren. Nach Ansicht von Nachman wird der Idealzustand von Tzimtzum erst in Zukunft erreicht. Die hauptsächliche Bedeutung dieser Doktrin liegt aber darin, Zweifel an der Existenz des Schöpfers zu erwecken. Die Formulierung der Frage ist ein wichtiges Element in seiner Lehre und hängt vom ersten Willensakt des Schöpfers in seiner Beziehung zum Menschen ab. Obwohl der Mensch tief in die Fänge des Zweifels geraten kann, liegt der letzte Zweck seines Falls in seinem Aufstieg („Und das Sinken geschieht um des Steigens willen“ Zohar).

Nachmans Tzaddik-Theorie ist einzigartig, denn darin behauptet er, es gebe nur einen einzigen echten Tzaddik, nämlich Nachman selbst, für welchen möglicherweise die Bestimmung als Messias vorgesehen ist. Ähnlich wie Moses verleihe der Tzaddik den Gebeten der Gemeinschaft erlösende Kraft. Gedanken des Tzaddik über häretische Fragen können zum geistigen Aufstieg derjenigen führen, die zuvor dem Irrtum verfallen waren. Auch der Niggun (die chassidische Melodie) hat einen ähnlichen erlösenden Einfluss. Der Tzaddik lebt sozusagen ewig, ob nun in dieser oder in der kommenden Welt. Ein Mensch ist verpflichtet, zum Tzaddik zu reisen, „denn das Wichtigste ist, was er aus dem Munde des Tzaddik hört“.

Nachmans Einstellung zum Menschen und zur Welt kann oberflächlich betrachtet pessimistisch erscheinen. Er glaubt, es gebe viele Hindernisse auf dem Weg des Menschen in dieser Welt, die ohne weiteres Gehinnom zu nennen sei. Trotzdem stellt sich Nachman mit aller Kraft gegen die Verzweiflung. Die Anker, an die sich der Mensch im Leben festhalten kann, sind Glaube, Ermutigung, Freude, Gesang, Tanz, ständige Selbstkritik, Gespräche mit dem Tzaddik und Sehnsucht nach einer direkten Beziehung zum Schöpfer. Eine wichtige Stellung in seinen Lehren nimmt deshalb das Gebet ein. Dies beschränkt sich jedoch nicht auf die jüdische Gebetstradition; auch sei das Rezitieren der Psalmen wertlos, solange der Betende nicht mit Kawwana betet und sich mit dem Inhalt identifiziert. Wichtig für den Dialog ist auch die Verpflichtung zur täglichen Absonderung von den Menschen in der Natur - hitbodedut - Isolation.

Die Bedeutung des Niggun, des gesungenen Gebets, ist nach Nachman nicht zu überschätzen. Es gebe ein vollständiges System von Niggunim, das dem Aufbau des Universums entspreche. Wer sich dem musikalischen Rhythmus anpassen kann, erzielt daraus großes Vergnügen und erreicht die Auslöschung des Selbst. In diesem Moment offenbart sich der Schöpfer demjenigen, der sich nach ihm sehnt, durch die verschiedenen Stufen in der Ordnung der Natur. Eine Möglichkeit zur geistigen Erhebung bietet sich dem Menschen im verheißenen Land , wo er Glaube und Weisheit erlangen kann. Zugang zu diesem verheißenen Land erlangt der Chassidim durch die Erkenntnis des Schöpfers durch das Geschaffene und durch die Gnade Gottes, es ist sowohl ein spirituelles als auch ein reales Land. Dies mag eine Erklärung zu Nachmans Ansicht liefern, er sei während seines ganzen Lebens von der weisheitsfördernden Kraft des Landes Israel gestützt worden, die ihn selbst zum „größten der Tzaddikim“ machte, wie er sich selbst bezeichnete.

Quelle

Encyclopaedia Judaica, Band 12, S. 782-787.

Literatur

  • Martin Buber: Die Geschichten des Rabbi Nachman. Rütten & Loening, Frankfurt am Main 1906, (Und häufige weitere Auflagen: Gütersloher Verl.-Haus Mohn, Gütersloh 2002, ISBN 3-579-01217-7). Darüber: „Ihre persönliche Charakteristik des Rabbi Nachman ist sehr gelungen, nur einigermaßen idealisiert, denn Nachman war nicht frei von manchen Fehlern seiner chassidischen 'entourage'. [...] Was die Nacherzählung der Geschichten betrifft, so sind sie meisterhaft umgearbeitet und von der anima vili [wertlosen Seele] des Originals befreit.“ - Simon Dubnow an Martin Buber, 1906 .
  • Michael Brocke (Hrsg.): Die Erzählungen des Rabbi Nachman von Bratzlaw. Zum ersten Mal aus dem Jiddischen und dem Hebräischen übersetzt, kommentiert und mit einem Nachwort versehen. Carl Hanser, München 1985, ISBN 3-446-14394-7, (Als Taschenbuch: Rowohlt, Reinbek 1989, (roror 5993), ISBN 3-499-15993-7).
  • Martin Cunz: Die Fahrt des Rabbi Nachman von Brazlaw ins Land Israel (1798-1799). Geschichte, Hermeneutik, Texte. Mohr, Tübingen 1997, ISBN 3-16-146628-4, (Texts and studies in medieval and early modern Judaism 11), (Zugleich: Luzern, Hochsch., Diss., 1994).
  • Lea Fleischmann: Rabbi Nachman und die Thora. Das Judentum für Nichtjuden verständlich gemacht. Scherz, Bern u. a. 2000, ISBN 3-502-15206-3.
  • David Assaf (ed.): Bratslav. An Annotated Bibliography. R. Nahman of Bratslav. His Life and Teachings. The Literary Legacy of His Disciples. Bratslav Hasidism in Its Context. Zalman Shazar Center for Jewish History, Jerusalem 2000, ISBN 965-227-145-4


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