Kult

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Der Begriff Kult oder Kultus (von lat.: cultus, aus colere = anbauen, pflegen, wovon sich auch das Wort Kultur ableitet, die ihre Wurzeln in der Zeit hat, als die Menschen sesshaft wurden und den Ackerbau begannen), umfasst die Gesamtheit aller heiligen Handlungen, durch die Menschheit die verlorene unmittelbare Verbindung zu den geistigen Welten wieder herzustellen versuchte. Seinem Wesen nach ist der Kultus ein sinnliches Abbild geistiger Vorgänge:

"Ein Kultus entsteht dadurch, daß er das Abbild ist von demjenigen, was in der geistigen Welt vorgeht." (Lit.: GA 236, S. 283)

Die kultischen Handlungen folgen meist streng geordneten Ritualen, die zu genau geregelten Zeiten an bestimmten geweihten Orten unter Verwendung entsprechender Kultgegenstände durchgeführt werden. Kultische Rituale sind u. a. Reinigungszeremonien, Opferungen, Gottesdienste, Taufen, Prozessionen und kultische Tänze.

Der Ursprung der Kulte ist in den Mysterien zu suchen; die dort geübte Praxis wurde später von den verschiedenen Religionsgemeinschaften in veränderter Form übernommen. Der Kultus begann ursprünglich mit den Opfern von Kain und Abel.

Kulthandlungen

Im Kult betritt der Mensch eine Sphäre, die sich deutlich vom Alltagsleben abhebt. Zu kultischen Handlungen versammeln sich Menschen, um mit einer konkreten oder abstrakten überirdischen Wesenheit in Verbindung zu treten, mit dem Ziel, sie gewogen zu stimmen oder zu einer bestimmten Handlung zu motivieren. Die Ausübung des Kultes verlangt eine angemessene Vorbereitung und Beschaffenheit, sie ist an bestimmte Orte gebunden und auf gewisse Zeiten beschränkt. Meistens folgt eine Kulthandlung – etwa eine Anbetung oder ein Gottesdienst – einem tradierten und ritualisierten Ablauf, einem Ritus.

Kulthandlungen beinhalten oft die Verehrung von Objekten: Ahnenkult, Bilderverehrung, Cargo-Kult, Dämonenkult, Dionysos­kult, Feldkult, Heiligenverehrung, Krisenkult, Totenkult.

Inhalte von Kulten

Kult kann bestehen aus Ritualen, Opfern, Gebeten, Mahlzeiten, Rezitation oder Inszenierung von Mythen, sakraler Musik und kultischem Tanz.

Ebenfalls zum Kult gehört die Pflege der weltlichen Symbole des Kultobjekts: seines Ortes (Sakralbau, Altar), seines Bildes (Ikone) sowie die Einhaltung geheiligter Zeiten in Form von Festen und Fasten. Meistens sind besondere Personen mit der Rolle der Traditionspflege betraut (beispielsweise Priester).

Neben mehr oder weniger ritualisierten und teilweise starr vorgegebenen Handlungen kann zum Kult eine gewisse Spontaneität, Ekstase, Besessenheit, Erneuerung (Reformation) und Erweckung gehören.

Religiöse Funktion von Kulten

Ziel des Kultes ist ursprünglich Kraftmehrung sowohl des Kultobjektes als auch seiner Verehrer. Wird das Vorhandensein eines göttlichen Willens vorausgesetzt, so ist der Kult seitens des Menschen ein Mittel, auf diesen Willen einzuwirken, um drohendes Unheil abzuwehren, Vergehen zu beseitigen, sich Segnungen zuzuwenden und darüber hinaus die innere Verbindung mit der Gottheit zu pflegen. Zwar stellt der Kult grundsätzlich das konservative Element in der Religion dar, doch wird er auch Gegenstand von Bemühungen um eine tiefer verstandene und mehr geistig durchdrungene Frömmigkeit.

Soziale Funktion von Kulten

Kulthandlungen haben eine wichtige Aufgabe für die religiöse Gemeinschaft, insbesondere für den sozialen Zusammenhalt von religiösen Gruppen, sowie für die sakrale Legitimation weltlicher Herrschaft, wie sie in den altorientalischen Königreichen erfolgte. Auch für die Selbstrepräsentation des antiken Athen und anderen Stadtstaaten waren Kulte wie die Dionysien und die Panathenäen von großer Bedeutung.

Kulthandlungen wie Prozessionen und Tänze, sportliche Wettkämpfe, kommunikative Zeremonien (Umarmung), kultisches Essen und Trinken, symbolische Gegenstände (Kerzen etc.) schaffen eine Basis der Gemeinsamkeit. Dazu kann ein intellektuelles Ritual wie eine Predigt oder ein Panegyrikus (eine Prunkrede oder ein kunstvoller Vortrag) hinzu kommen.

Kultisch begangene Übergangsriten (Geburt, die Aufnahme in die Gemeinschaft der Erwachsenen, Ehe, Mutterschaft, Tod) dienen der Bestätigung und Vergewisserung der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft.

Die Ausführung eines Kults unterliegt weithin akzeptierten Normen. Konventionen regeln die angemessene Kleidung, Speise, Feiertags­regeln, auch die Zugehörigkeit und Akzeptanz usw. Das Auftreten fremder Kultusgemeinschaften durch Migration kann aufgrund großer Unterschiede in religiösen Praktiken zu Auseinandersetzungen führen, die einerseits die Toleranz herausfordern, andererseits die Kultgemeinschaften zusammenschweißen.

Wirtschaftliche Aspekte von Kulten

Oft waren kultische Feste in der Antike mit Pilgerfahrten und messeähnlichen Veranstaltungen verbunden und erhielten eine große wirtschaftliche Bedeutung, die der des heutigen Tourismus vergleichbar ist. So fand auf der Insel Delos jährlich die ionische Panegyris statt, die große Pilgerscharen anlockte. Die Weihegeschenke wurden dort im Schatzhaus des Apollon gehortet. Dieser Tempelschatz entwickelte sich zu einer Bank, die Geld gegen Zinsen auslieh. Die relativ unbedeutende Insel wurde so zu einer zollfreien Drehscheibe des Warenverkehrs in der Ägäis. Das Apollonheiligtum sicherte die Unangreifbarkeit des Schatzes und der Pilgerstrom die relative Unabhängigkeit der Insel im hellenistischen Zeitalter.[1]

Erhebliche lokale wirtschaftliche Bedeutung hatten z. B. auch die Panhellenischen Spiele in Olympia und die Pythischen Spiele in Delphi.

So hatten Kulte (allerdings auch in Verbindung mit zentralen, Normen setzenden Autoritäten und mit der staatlichen Steuererhebung) eine große Bedeutung für die Durchsetzung der Geldwirtschaft. Anfänglich wird dem Geld nur Vertrauen entgegengebracht, wenn es kultisch besetzt ist. Wie in die Leistungsfähigkeit der Götter vertraut man auch in die des Geldes, ohne sie völlig überblicken zu können.[2] Nach Bernhard Laum hat die Geldwirtschaft ihren Ursprung weniger in der allgemeinen zeremoniellen Bedeutung und Sakralisierung des Geldes, sondern im konkreten Akt der Entlohnung im Rahmen der Tempelkulte durch den obolòs.[3]

Siehe auch

Literatur

  • Friedrich Schlette, Dieter Kaufmann (Hrsg.): Religion und Kult in ur- und frühgeschichtlicher Zeit. Akademie, Berlin 1989, ISBN 3-05-000662-5.
  • Alfred Bertholet, Hans von Campenhausen: Wörterbuch der Religionen (= Kröners Taschenausgabe. Band 125). Herausgegeben von Kurt Goldammer. 3., neubearbeitete und ergänzte Auflage. Kröner, Stuttgart 1976, ISBN 3-520-12503-X.
  • Kultus. Ursprung - Gegenwart - Zukunft. Gespräche zwischen Bastiaan Baan und Verena Staël von Holstein, Flensburger Hefte 108. Flensburger Hefte Verlag, Flensburg 2010. ISBN 978-3-935679-55-8
  • Bastiaan Baan: Alte und neue Mysterien, Urachhaus Vlg. 2010
  • Kurt von Wistinghausen: Die erneuerte Taufe, Urachhaus Vlg. 1982
  • Kurt von Wistinghausen: Das neue Bekenntnis. Wege zum Credo, Urachhaus Vlg. 1983
  • Rudolf Steiner: Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge. Zweiter Band, GA 236 (1988), ISBN 3-7274-2360-9 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

 Wiktionary: Kult – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Wiktionary: Kultus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Michael Rostovtzeff: Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte der hellenistischen Welt. Band 1. Reprographischer Nachdruck der Ausgabe 1955. Darmstadt 1998, S. 178.
  2. Christoph Deutschmann: Kapitalismus, Religion und Unternehmertum: eine unorthodoxe Sicht. In: Ders. (Hrsg.): Die gesellschaftliche Macht des Geldes. Leviathan Sonderheft 21, 2002, S. 85–108, hier: S. 85.
  3. Felix Brandl: Von der Entstehung des Geldes zur Sicherung der Währung: Die Theorien von Bernhard Laum und Wilhelm Gerloff zur Genese des Geldes. Springer Gabler, Wiesbaden 2015.
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