Subjekt

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Allerdings
Dem Physiker

»Ins Innre der Natur -«
O du Philister! -
»Dringt kein erschaffner Geist.«
Mich und Geschwister
Mögt ihr an solches Wort
Nur nicht erinnern: Wir denken:
Ort für Ort Sind wir im Innern.
»Glückselig, wem sie nur
Die äußre Schale weist!«
Das hör ich sechzig Jahre wiederholen,
Ich fluche drauf, aber verstohlen;
Sage mir tausend tausend Male:
Alles gibt sie reichlich und gern;
Natur hat weder Kern noch Schale,
Alles ist sie mit einem Male.
Dich prüfe du nur allermeist,
Ob du Kern oder Schale seist.
                                    J. W. Goethe

Das Subjekt (lat. subiectum; griech. ὺποκείμενον hypokeimenon: das Zugrundeliegende) wurde in der Philosophiegeschichte begrifflich unterschiedlich aufgefasst. Heute wird es weitgehend als Ausdruck des bewussten, sich selbst bestimmenden individuellen Ichs genommen, das sich den Objekten, dem Nicht-Ich, gegenüberstellt. Insofern das Subjekt dadurch einen exklusiven Zugang zu seinem eigenen Denken und damit auch zu den Motiven seines Handelns hat, spricht man in der Erkenntnistheorie und Ethik von der Erste-Person-Perspektive.

In der Wissenschaftstheorie wird der Forschungsgegenstand einer Wissenschaft als Erkenntnisobjekt (Erkenntnisgegenstand, Denkobjekt) bezeichnet und dessen Verhältnis zum Erkenntnissubjekt durch die Erkenntnistheorie untersucht.

Was das Subjekt in seinem Bewusstsein erlebt, ist subjektiv und kann zunächst keine Allgemeingültigkeit beanspruchen. Subjektivität wird daher in den Wissenschaften weitgehend vermieden und als mögliche Fehlerquelle angesehen. Das ist insbesondere der Fall, wenn es sich um eine bloße persönliche Meinung handelt. Hier wird zumindest Intersubjektivität gefordert. Eine unmstößliche Erkenntnis ist auch nicht durch eine zwar begrifflich klare, aber noch auf Hypothesen gebaute und logisch begründete Theorienbildung gegeben. Auch hier ist die Wahrheit noch nicht zweifelsfrei bestätigt; es gilt das Prinzip der Falsifizierbarkeit. Erst durch das Gewahrwerden der Idee in der Wirklichkeit ist wahre Erkenntnis durch die unmittelbare Einsicht in ihr Wesen gegeben, das sich im Menschen ausspricht, und damit die einseitige Subjektivität überwunden.

Die objektive Ideenwelt

Erst wenn die objektive Ideenwelt im Bewusstsein mit der damit verbundenen Evidenz aufleuchtet, wie sie beispielweise in mathematischen Beweisführungen gefunden werden kann, ist die Brücke zur Objektivität und damit zur Wirklichkeit gefunden, in der der Gegensatz von Subjekt und Objekt aufgehoben ist.

„Das Erkenntnisvermögen erscheint dem Menschen nur so lange als subjektiv, als er nicht beachtet, dass die Natur selbst es ist, die durch dasselbe spricht. Subjektiv und objektiv treffen zusammen, wenn die objektive Ideenwelt im Subjekte auflebt, und in dem Geiste des Menschen dasjenige lebt, was in der Natur selbst tätig ist. Wenn das der Fall ist, dann hört aller Gegensatz von subjektiv und objektiv auf. Dieser Gegensatz hat nur eine Bedeutung, solange der Mensch ihn künstlich aufrecht erhält, solange er die Ideen als seine Gedanken betrachtet, durch die das Wesen der Natur abgebildet wird, in denen es aber nicht selbst wirksam ist. Kant und die Kantianer hatten keine Ahnung davon, dass in den Ideen der Vernunft das Wesen, das Ansich der Dinge unmittelbar erlebt wird. Für sie ist alles Ideelle ein bloß Subjektives.“ (Lit.:GA 6, S. 54f)

Das Gewahrwerden der Idee in der Wirklichkeit

„Wer dem Denken seine über die Sinnesauffassung hinausgehende Wahrnehmungsfähigkeit zuerkennt, der muss ihm notgedrungen auch Objekte zuerkennen, die über die bloße sinnenfällige Wirklichkeit hinaus liegen. Die Objekte des Denkens sind aber die Ideen. Indem sich das Denken der Idee bemächtigt, verschmilzt es mit dem Urgrunde des Weltendaseins; das, was außen wirkt, tritt in den Geist des Menschen ein: er wird mit der objektiven Wirklichkeit auf ihrer höchsten Potenz eins. Das Gewahrwerden der Idee in der Wirklichkeit ist die wahre Kommunion des Menschen.

Das Denken hat den Ideen gegenüber dieselbe Bedeutung wie das Auge dem Lichte, das Ohr dem Ton gegenüber. Es ist Organ der Auffassung.

Diese Ansicht ist in der Lage, zwei Dinge zu vereinigen, die man heute für völlig unvereinbar hält: empirische Methode und Idealismus als wissenschaftliche Weltansicht. Man glaubt, die Anerkennung der ersteren habe die Abweisung des letzteren im Gefolge. Das ist durchaus nicht richtig. Wenn man freilich die Sinne für die einzigen Auffassungsorgane einer objektiven Wirklichkeit hält, so muß man zu dieser Ansicht kommen. Denn die Sinne liefern bloß solche Zusammenhänge der Dinge, die sich auf mechanische Gesetze zurückführen lassen. Und damit wäre die mechanische Weltansicht als die einzig wahre Gestalt einer solchen gegeben. Dabei begeht man den Fehler, daß man die andern ebenso objektiven Bestandteile der Wirklichkeit, die sich auf mechanische Gesetze nicht zurückführen lassen, einfach übersieht. Das objektiv Gegebene deckt sich durchaus nicht mit dem sinnlich Gegebenen, wie die mechanische Weltauffassung glaubt. Das letztere ist nur die Hälfte des Gegebenen. Die andere Hälfte desselben sind die Ideen, die ebenso Gegenstand der Erfahrung sind, freilich einer höheren, deren Organ das Denken ist. Auch die Ideen sind für eine induktive Methode erreichbar.

Die heutige Erfahrungswissenschaft befolgt die ganz richtige Methode: am Gegebenen festzuhalten; aber sie fügt die unstatthafte Behauptung hinzu, daß diese Methode nur Sinnenfällig-Tatsächliches liefern kann. Statt bei dem, wie[1] wir zu unseren Ansichten kommen, stehenzubleiben, bestimmt sie von vornherein das Was[1] derselben. Die einzig befriedigende Wirklichkeitsauffassung ist empirische Methode mit idealistischem Forschungsresultate. Das ist Idealismus, aber kein solcher, der einer nebelhaften, geträumten Einheit der Dinge nachgeht, sondern ein solcher, der den konkreten Ideengehalt der Wirklichkeit ebenso erfahrungsgemäß sucht wie die heutige hyperexakte Forschung den Tatsachengehalt.“ (Lit.:GA 1, S. 125f)

Über die vermeintliche Subjektivität der Wahrnehmung

Nach einer bis heute verbreiteten Ansicht wird den als Wahrnehmung gegebenen Sinnesqualitäten, den Qualia, namentlich den von John Locke so genannten sekundären Sinnesqualitäten, zu denen etwa Farben, Töne, Wärme-, Geschmacks- und Gerucheindrücke zählen (also die Sinnesmodalitäten der klassischen fünf Sinne), jeglicher objektive Charakter abgesprochen. Sie seien nur subjektive, durch die Sinnesorgane und das Gehirn bedingte Reaktionen auf äußere Reize, die als solche keine Ähnlichkeit mit den im Bewusstsein erlebten Sinnesqualitäten hätten. Untermauert wurde diese Ansicht wesentlich durch das von dem Biologen Johannes Müller 1826 aufgrund empirischer Untersuchungen formulierte Gesetz der spezifischen Sinnesenergien, wonach jedes Sinnesorgan, egal durch welche Art von Reiz es erregt wird (etwa mechanisch, durch Licht, Elektrizität usw.), stets mit der ihm eigentümlichen Sinnesmodalität antwortet. So liefert etwa das Auge, egal wie es gereizt wird, stets nur Hell/Dunkel- und Farbeindrücke, das Ohr nur Töne bzw. Geräusche usw.

Diese Ansicht beruht nach Rudolf Steiner auf einem grundlegenden Irrtum. Im Wesen der Sinnesorgane liege es gerade, dass sie sich in ihrem Eigenwesen so weit zurücknehmen, dass sie gleichsam völlig durchsichtig für die objektiv gegebenen Wahrnehmungen sind. Und das gilt nicht nur für das Auge, sondern für alle Sinne. Es sei eben überhaupt völlig verkehrt, davon auszugehen, dass die im Bewusstsein erlebte Wahrnehmung eine bloß subjektive Reaktion auf den objektiv gegebenen Reiz sei. Die Unterscheidung zwischen subjektiv und objektiv sei nicht durch die Wahrnehmung, sondern erst durch das Denken gegeben - und dieses zeige, dass die Eigenart der Sinnesorgane gerade darin besteht, dass sie sich in ihrem Eigenwesen soweit ausschalten, dass sie dem Bewusstsein den Zugang zu der objektiv gegebenen Wahrnehmung eröffnen. Der Reiz als solcher hat mit der objektiv gegebenen Wahrnehmungsqualität unmittelbar gar nichts zu tun, sondern schafft nur die Gelegenheit, dass diese wahrgenommen werden kann. So hat etwa die auf das Auge eintreffende elektromagnetische Welle spezifischer Wellenlänge unmittelbar nichts mit der erlebten Farbqualität zu tun, aber sie bildet zusammen mit dem Auge als Sinnesorgan die notwendige Voraussetzung dafür, dass die Farbe sinnlich wahrgenommen werden kann. Diese ist nicht weniger objektiv gegeben als die elektromagnetische Welle, die dem Bewusstsein gleichsam nur den Weg bahnt, sich mit der Farbe wahrnehmend zu verbinden. Das Auge ist aber ein Wahrnehmungsorgan für die Farben und nicht für die elektromagnetische Welle, denn diese wird durch das Auge eben gerade nicht wahrgenommen, sondern vollständig ausgeblendet. Darin liegt auch die Schwierigkeit, die Physiker zumeist mit Goethes Farbenlehre haben, denn diese beschäftigt sich unmittelbar mit den Farben und nicht mit den elektromagnetischen Wellen, die in der Physik mittels geeigneter Messinstrumente untersucht werden. Es ist sogar sehr charakteristisch für den Menschen, dass er kein unmittelbares Wahrnehmungsorgan für elektromagnetische Vorgänge hat, sondern diese nur durch entsprechende Messgeräte indirekt registrieren kann.

Logik

In der Logik ist das Subjekt (S) jenes Glied eines logischen Urteils, mit dem das Denken anhebt und das durch das Prädikat (P) näher bestimmt wird.

Siehe auch

Anmerkungen

  1. 1,0 1,1 vgl. dazu Goethes bekannten Ausspruch: Das Was bedenke, mehr bedenke Wie. (Faust II, 2. Akt)

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften, GA 1 (1987), ISBN 3-7274-0011-0 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  2. Rudolf Steiner: Goethes Weltanschauung, GA 6 (1990), ISBN 3-7274-0060-9 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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