Harpyie (Mythologie) und Simonianer: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Harpy.PNG|miniatur|Darstellung einer Harpyie, Flügel offengelegt]]
Die '''Simonianer''' waren eine [[Gnosis|gnostische]] Sekte, die sich auf den in der [[Wikipedia:Apostelgeschichte|Apostelgeschichte]] erwähnten [[Simon Magus]] als Gründer beriefen. Der '''Simonianismus''', der in Konkurrenz zum beginnenden Christentum  stand, blühte im [[Wikipedia:2. Jahrhundert|2. Jahrhundert]]s vor allem in [[Wikipedia:Syrien|Syrien]], im manchen Gegenden [[Wikipedia:Kleinasien|Kleinasien]]s und in [[Wikipedia:Rom|Rom]]. Reste dieser Anschauungen blieben bis ins [[Wikipedia:4. Jahrhundert|4. Jahrhundert]] erhalten.
Eine '''Harpyie''' ({{IPA|[harˈpyːjə]}}, {{ELSalt|ἅρπυια}}, ''hárpyia'' „Reißer“, [[lat.]] ''harpeia'') ist ein geflügeltes [[Mischwesen]] der [[Wikipedia:Griechische Mythologie|griechischen Mythologie]].


== Mythos ==
== Die große Offenbarung ==
Sie verkörpern die Sturmwinde<ref>[[Homer]], [[Odyssee]] xx.66-78</ref> und waren die Töchter des [[Titan (Mythologie)|Meerestitanen]] [[Thaumas]] und der [[Okeanide]] [[Ozomene|Elektra]]<ref name="Hesiod262">[[Hesiod]], [[Theogonie]] 265-267</ref>. Ihre Zahl schwankt je nach Überlieferung zwischen zwei und fünf. Namentlich treten auf:
[[Wikipedia:Hippolyt von Rom|Hippolyt von Rom]] gab in seiner ''Widerlegung aller Häresien'' einen ausführlichen Bericht<ref>Hippolytus von Rom: ''Widerlegung aller Häresien'' (Refutatio omnium haeresium), [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1767-2.htm Ref. VI,7-20] in der [http://www.unifr.ch/bkv Bibliothek der Kirchenväter]</ref> über die Lehren des Simon, die in der „Großen Offenbarung“ festgehalten sind und die Hippolyt als frühe Form des [[Valentinianismus]] ansieht. Es handel sich um eine Mischung aus [[Wikipedia:Hellenismus|hellenistischen]], [[Mittelplatonismus|mittel]]- bzw. [[Neuplatonismus|neuplatonistischen]] und [[Judentum|jüdischen]] Elementen, verbunden mit einer [[Allegorie|allegorisierenden]] Auslegung der [[Wikipedia:Bibel|biblischen]] [[Schöpfungsgeschichte]].


* [[Aello]] ({{ELSalt2|Ἀελλώ}} ''aëllṓ''<ref name="Hesiod262" /> zu ἄελλα ''áëlla'' „Sturmwind, Wirbel“: „Windsbraut“)
=== Das Feuer als Schöpfungsursprung ===
* Okypete (Ὠκυπέτη ''Ōkypetē''<ref name="Hesiod262" /> zu (poetisch:) ὠκυπέτηs ''ōkypétēs'' „schnell fliegend“, aus ὠκύs ''okýs'' „schnell“ und πέτομαι ''pétomai'' „ich fliege“: „die Schnellflügelige“)
* Podarge (Ποδάργη ''podargē''<ref>Homer, [[Ilias]] xvi.150</ref> „die Schnellfüßige“)
* Kelaino, Celaeno (zu κελαινός ''kelainos'' (poetisch:) „dunkel“, „unheilvoll“: „die Dunkle“), die in der ''[[Aeneis]]'' erwähnt wird.<ref>Vergil, [[Aeneis]] iii.245</ref>


In den früheren Erzählungen der griechischen Mythologie werden sie als schöne Frauen mit gelocktem Haar<ref name="Hesiod262" /> und Vogelflügeln beschrieben, später sind sie hässliche, hellhaarige Dämonen.<ref>Vergil, [[Aeneis]] iii.216-218; [[Hyginus Mythographus]] ''Fabulae'' 14</ref> Die Harpyien wohnten in einer Höhle auf [[Kreta]] und mussten auf Geheiß des [[Zeus]] Seelen von Toten in den [[Tartaros]] tragen oder Leute töten, die seinen Zorn erregten.
Ausgehend von {{B|5 Mos|4|24|LUT}}: ''„Denn der HERR, dein Gott, ist ein verzehrendes Feuer und ein eifernder Gott“'' und mit Bezug auf die Lehre [[Heraklit]]s sieht Simon im [[Feuer]] den Ursprung aller Dinge, das für ihn aber kein ''einfaches'' Wesen ist, sondern, anklingend an die [[Akt und Potenz]]-Lehre des [[Aristoteles]], zwei Naturen in sich trägt, eine ''offenbare'', die äußerlich in Erscheinung tritt, und eine ''verborgene'', rein [[geist]]ige Natur. Dieses ''vollkommene'' und ''vernüftige'' ([http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1767-6.htm Ref. VI,11]) ''überhimmlische Feuer'' ist die Quelle allen [[Sein]]s, was Hippolyt wie folgt kommentiert:


Die Harpyien werden als schnell wie der Wind und als unverwundbar beschrieben. Trotzdem wird erzählt, dass Podarge von [[Herakles]] getötet wurde: Die Harpyien sollten den blinden König [[Phineus (Sohn des Agenor)|Phineus]] quälen, indem sie ihm das Essen aus dem Mund raubten und die übrigen Brocken mit ihrem Kot so beschmutzten, dass sie zum Essen untauglich waren.<ref>''[[Bibliotheke des Apollodor]]''  1.9.21</ref> Sie ließen ihm allerdings immer gerade genug, um zu überleben. Die [[Argonautensage|Argonauten]] vertrieben darauf die Harpyien mit Hilfe der Söhne des Nordwindes [[Boreas]].<ref>[[Ovid]], [[Metamorphosen (Ovid)|Metamorphosen]] vii.3-4</ref> Podarge wurde dabei von einem Pfeil getroffen.
{{Zitat|Simon deutet das Gesetz Mosis sinnlos und böswillig um: Wenn Moses sagt, daß „Gott ein verbrennendes und verzehrendes Feuer ist“<ref>{{B|5 Mos|4|24}}</ref>, so behauptet Simon unter falscher Übernahme des Wortes des Moses, Feuer sei das Prinzip des Alls, und bedenkt dabei nicht, daß von Gott nicht gesagt ist, er sei Feuer, sondern ein verbrennendes und verzehrendes Feuer, und zerreißt so nicht nur das Gesetz des Moses selbst, sondern holt auch noch den dunklen Heraklitus zu sich herüber. Simon sagt weiter, das Prinzip des Alls sei eine unendliche Kraft, mit folgenden Worten: „Dies ist das Buch der Offenbarung der Stimme und des Namens aus der Erkenntnis der großen unendlichen Kraft. Deswegen wird es versiegelt, verborgen, verhüllt werden und in dem Raume liegen, wo die Wurzel des Alls sich gründet.“ Er sagt, der Raum sei dieser Mensch, aus Geblüt erzeugt, und in ihm wohne die unendliche Kraft, die die Wurzel des Alls ist. Diese unendliche Kraft ist das Feuer; nach Simon ist es nicht etwas Einfaches; die meisten anderen, die behaupten, die vier Elemente seien einfach, sind auch der Ansicht, das Feuer sei einfach; er aber meint, das Feuer habe gewissermaßen eine zweifache Natur, und einen Teil dieser Doppelnatur nennt er den verborgenen, den anderen den in Erscheinung tretenden; das Verborgene sei in dem, was am Feuer in Erscheinung tritt, verborgen, und das in Erscheinung Tretende des Feuers stamme aus dem Verborgenen. Es ist das, was Aristoteles Kraft (Potenz) und Wirkung (Aktualität) nennt, oder Plato das Erkennbare und das Fühlbare. Das, was vom Feuer in Erscheinung tritt, schließt alles in sich, was immer einer an sichtbaren Dingen wahrnimmt oder vielleicht übersieht; das Verborgene schließt alles in sich, was einer als geistig erkennbar und sich der sinnlichen Wahrnehmung entziehend wahrnimmt oder was er, ohne es wahrzunehmen, übersieht. Abschließend kann man sagen: Die Schatzkammer für alles Bestehende, sinnlich oder geistig Wahrnehmbare, das Simon verborgen oder in Erscheinung tretend nennt, ist das überhimmlische Feuer; es ist gleich dem großen Baum, den Nabuchodonosor im Traum geschaut<ref>{{B|Dan|4|7— 9}}</ref> , von dem alles Fleisch ernährt wird.|Hippolyt von Rom|[http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1767-4.htm Ref. VI,9]}}


Die Schwester der Harpyien war [[Iris (Mythologie)|Iris]], die Göttin des Regenbogens, Gattin des Westwindes [[Zephir]].
=== Die «sechs Wurzeln» und der «Siebente» ===
Zephir zeugte mit Podarge die Pferde des [[Achilleus]]<ref>Homer, ''Ilias'' xvi.150</ref>, die somit mit diesem verwandt sind (Cousins 2. Grades), da Achills Mutter [[Thetis (Mythologie)|Thetis]] als [[Nereide (Mythologie)|Nereide]] und Tochter der [[Okeanide]] [[Doris (Mythologie)|Doris]] die Nichte der Okeanide [[Ozomene|Elektra]] war.


In der ''[[Aeneis]]'' des römischen Dichters [[Vergil]] finden sich Harpyien im 3. Buch auf den [[Strofades|Strophaden]], einer Inselgruppe im Westen der [[Peloponnes]]. Sie haben dort vor ständigem Hunger bleiche Gesichter und beschmutzen die Opfermahlzeiten des Aeneas und seiner Mannschaft mit ihren Ausscheidungen. Aeneas begegnet Harpyien auch in den Vorhallen der [[Unterwelt]] im 6. Buch, wo sie neben [[Gorgonen]] und [[Kentauren]] hausen.
Aus dem ''ungezeugten'' Feuer entspringt die ''gezeugte'' Welt in sechs ''Wurzeln'', die drei männlich-weibliche Paare bilden: ''Nus'' (Verstand) und ''Epinoia'' (Vorstellung), ''Phone'' (Laut) und ''Onoma'' (Name), ''Logismos'' (Urteil) und ''Enthymesis'' (Erwägung). In ihnen vereinigt sich - zunächst nur als [[Möglichkeit]] ([[Potenz]]) - der Siebente, die «unendliche Kraft»: ''„Diese unendliche Kraft nennt er den, der steht, gestanden ist, stehen wird.“'' ([http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1767-7.htm Ref. VI,12]) ''„Wenn dieser, der in den sechs Wurzeln sich befindet, ausgeprägt sein wird, so wird er im Wesen, in der Kraft, in der Größe und Vollendung ein und dasselbe wie die unerzeugte und unendliche Kraft sein, in nichts hinter der unerzeugten, unvergleichlichen, unendlichen Kraft zurückstehend.“'' ([http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1767-7.htm Ref VI,12])


== Literatur ==
''Nus'' und ''Epinoia'' sind zugleich [[Himmel]] und [[Erde (Planet)|Erde]], ''Phone'' und ''Onoma'' sind [[Sonne]] und [[Mond]] und ''Logismos'' und ''Enthymesis'' [[Luft]] und [[Wasser]], wobei allen die «unendliche Kraft» beigemischt ist. ([http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1767-8.htm Ref. VI,13]) Gemeinsam entsprechen sie den [[Schöpfungstage]]n der [[Wikipedia:Bibel|Bibel]].


* Harald Gebhardt und Mario Ludwig: ''Von Drachen, Yetis und Vampiren – Fabeltieren auf der Spur''. BLV-Verlag, München 2005, ISBN 3-405-16679-9.
=== Das Paradies ===
* Sieglinde Hartmann: ''Harpyie''. Artikel in: U. Müller und W. Wunderlich (Hrsg.): ''Mittelalter Mythen''. Band 2. St. Gallen 1999, S. 287-318.
Von dem Siebenten heißt es in der Genesis: „Und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser“ {{Bibel|1 Mos|1|2|LUT}} Er ist das unverderbte Bild des unendlichen, unerzeugten Gottes. Es wirkt auch in jedem Kind, das im Mutterschoß heranreift. Simon vergleicht nun, wobei er sich auf [[Moses]] beruft, das [[Paradies]] mit dem [[Mutterschoß]] und interpretiert damit den zweiten Schöpfungsbericht, die Paradieseserzählung {{Bibel|1 Mos|2|5-25}}. Die [[Genesis]], das [[Wikipedia:1. Buch Mose|1. Buch Mose]], repräsentiert insgesamt die Empfängnis und Reifung des Menschen im mütterlichen Organismus.


== Einzelnachweise ==
{{Zitat|Nach Simon nämlich steht es so geschrieben. Moses nennt allegorisch den Mutterschoß Paradies, wenn man dem Worte glauben darf. Wenn nun Gott den Menschen im Mutterschoße bildet, d. i. im Paradiese, wie ich sagte, so muß das Paradies der Mutterschoß sein, Edem das Bauchfell, „der Fluß, der aus Edem entspringt, das Paradies zu bewässern“<ref>{{B|1 Mos|2|10}}</ref>, der Nabel. Dieser Nabel wird in vier Hauptströme geteilt; auf beiden Seiten des Nabels liegen zwei Arterien, Geisteskanäle, und zwei Venen, Blutkanäle. Wenn aber vom Bauchfell Edem ausgehend der Nabel dem Fötus um das Epigastrium einwächst, das man allgemein Nabel nennt..... die zwei Venen, durch die das Blut von dem Bauchfell Edem durch die sogenannten Pforten der Leber, die den Embryo nähren, fließt und getrieben wird; die Arterien, von denen wir gesagt haben, daß sie Kanäle des Geistes sind, umfassen auf beiden Seiten die Blase um die große Öffnung und vereinigen sich an der großen Arterie, an der sogenannten Aorta am Rücken, und so bewirkt der Geist, durch die Öffnungen ins Herz gelangend, die Bewegung der Embryonen.|Hippolyt von Rom|[http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1767-9.htm Ref. VI,14]}}
<references />


== Weblinks ==
Der Fluß, der aus dem [[Garten Eden]] entspringt und sich in vier Hauptströme teilt, entspricht der [[Wikipedia:Nabelschnur|Nabelschnur]]. Daraus bilden sich die fünf [[Sinne]]: [[Sehsinn|Gesicht]], [[Gehörsinn|Gehör]], [[Geruchssinn|Geruch]], [[Geschmackssinn|Geschmack]] und [[Tastsinn|Gefühl]] ([http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1767-10.htm Ref. VI,15]). Diese entsprechen zugleich, in der genannten Reihenfolge, den [[Wikipedia:Tora|Fünf Büchern Moses]].
{{Commonscat|Harpies|Harpyie}}
* Eintrag zu [http://www.theoi.com/Pontios/Harpyiai.html Harpyie] bei theoi.com (engl., gesichtet April 2009)


[[Kategorie:Griechische Mythologie]]
Mit der [[Geburt]] erfolgt der Auszug ([[Wikipedia:2. Buch Mose|Exodus]]) aus dem mütterlichen Leib. Der Weg führt durch das [[Wikipedia:Rotes Meer|Rote Meer]] - nach Simon das [[Blut]] - zu den mühseligen und bitteren Lebenserfahrungen, die erst durch [[Moses]] verwandelt süß werden ([http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1767-10.htm Ref. VI,15]). Das Buch [[Wikipedia:3. Buch Mose|Levitikus]] handelt von Opfern und Opfergaben. ''„Wo immer aber Opfer ist, da entsteht Geruch von etwas Wohlduftendem durch die Brandopfer; für diesen Duft ist der Geruchsinn das Prüfungsmittel“'' ([http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1767-11.htm Ref. VI,16]) Voraussetzung für das Riechen ist aber die [[Atmung|Einatmung]].  Die Zunge ist das Organ des Geschmackes und der Rede; dafür steht das vierte Buch, [[Wikipedia:4. Buch Mose|Numeri]]: ''„Weil es alles bespricht, wird es mit dem Wort Zahl (Numerus) benannt.“'' ([http://www.unifr.ch/bkv/kapitel1767-11.htm Ref. VI,16]) Das fünfte und letzte Buch, [[Wikipedia:5. Buch Mose|Deuteronomium]], ist die große Synthese aller anderen Bücher und steht für den Tastsinn: ''„Wie nämlich der Tastsinn die Wahrnehmungen der anderen Sinne durch Befühlen wiederholt und bestätigt, etwas als hart oder heiß oder feucht erweisend, so ist das fünfte Buch des Gesetzes die Wiederholung der vor ihm geschriebenen vier Bücher.“''
[[Kategorie:Dämon]]


{{Wikipedia}}
== Anmerkungen ==
 
<references/>
 
[[Kategorie:Gnosis]] [[Kategorie:Simonianer]]

Version vom 13. August 2014, 15:05 Uhr

Die Simonianer waren eine gnostische Sekte, die sich auf den in der Apostelgeschichte erwähnten Simon Magus als Gründer beriefen. Der Simonianismus, der in Konkurrenz zum beginnenden Christentum stand, blühte im 2. Jahrhunderts vor allem in Syrien, im manchen Gegenden Kleinasiens und in Rom. Reste dieser Anschauungen blieben bis ins 4. Jahrhundert erhalten.

Die große Offenbarung

Hippolyt von Rom gab in seiner Widerlegung aller Häresien einen ausführlichen Bericht[1] über die Lehren des Simon, die in der „Großen Offenbarung“ festgehalten sind und die Hippolyt als frühe Form des Valentinianismus ansieht. Es handel sich um eine Mischung aus hellenistischen, mittel- bzw. neuplatonistischen und jüdischen Elementen, verbunden mit einer allegorisierenden Auslegung der biblischen Schöpfungsgeschichte.

Das Feuer als Schöpfungsursprung

Ausgehend von 5 Mos 4,24 LUT: „Denn der HERR, dein Gott, ist ein verzehrendes Feuer und ein eifernder Gott“ und mit Bezug auf die Lehre Heraklits sieht Simon im Feuer den Ursprung aller Dinge, das für ihn aber kein einfaches Wesen ist, sondern, anklingend an die Akt und Potenz-Lehre des Aristoteles, zwei Naturen in sich trägt, eine offenbare, die äußerlich in Erscheinung tritt, und eine verborgene, rein geistige Natur. Dieses vollkommene und vernüftige (Ref. VI,11) überhimmlische Feuer ist die Quelle allen Seins, was Hippolyt wie folgt kommentiert:

„Simon deutet das Gesetz Mosis sinnlos und böswillig um: Wenn Moses sagt, daß „Gott ein verbrennendes und verzehrendes Feuer ist“[2], so behauptet Simon unter falscher Übernahme des Wortes des Moses, Feuer sei das Prinzip des Alls, und bedenkt dabei nicht, daß von Gott nicht gesagt ist, er sei Feuer, sondern ein verbrennendes und verzehrendes Feuer, und zerreißt so nicht nur das Gesetz des Moses selbst, sondern holt auch noch den dunklen Heraklitus zu sich herüber. Simon sagt weiter, das Prinzip des Alls sei eine unendliche Kraft, mit folgenden Worten: „Dies ist das Buch der Offenbarung der Stimme und des Namens aus der Erkenntnis der großen unendlichen Kraft. Deswegen wird es versiegelt, verborgen, verhüllt werden und in dem Raume liegen, wo die Wurzel des Alls sich gründet.“ Er sagt, der Raum sei dieser Mensch, aus Geblüt erzeugt, und in ihm wohne die unendliche Kraft, die die Wurzel des Alls ist. Diese unendliche Kraft ist das Feuer; nach Simon ist es nicht etwas Einfaches; die meisten anderen, die behaupten, die vier Elemente seien einfach, sind auch der Ansicht, das Feuer sei einfach; er aber meint, das Feuer habe gewissermaßen eine zweifache Natur, und einen Teil dieser Doppelnatur nennt er den verborgenen, den anderen den in Erscheinung tretenden; das Verborgene sei in dem, was am Feuer in Erscheinung tritt, verborgen, und das in Erscheinung Tretende des Feuers stamme aus dem Verborgenen. Es ist das, was Aristoteles Kraft (Potenz) und Wirkung (Aktualität) nennt, oder Plato das Erkennbare und das Fühlbare. Das, was vom Feuer in Erscheinung tritt, schließt alles in sich, was immer einer an sichtbaren Dingen wahrnimmt oder vielleicht übersieht; das Verborgene schließt alles in sich, was einer als geistig erkennbar und sich der sinnlichen Wahrnehmung entziehend wahrnimmt oder was er, ohne es wahrzunehmen, übersieht. Abschließend kann man sagen: Die Schatzkammer für alles Bestehende, sinnlich oder geistig Wahrnehmbare, das Simon verborgen oder in Erscheinung tretend nennt, ist das überhimmlische Feuer; es ist gleich dem großen Baum, den Nabuchodonosor im Traum geschaut[3] , von dem alles Fleisch ernährt wird.“

Hippolyt von Rom: Ref. VI,9

Die «sechs Wurzeln» und der «Siebente»

Aus dem ungezeugten Feuer entspringt die gezeugte Welt in sechs Wurzeln, die drei männlich-weibliche Paare bilden: Nus (Verstand) und Epinoia (Vorstellung), Phone (Laut) und Onoma (Name), Logismos (Urteil) und Enthymesis (Erwägung). In ihnen vereinigt sich - zunächst nur als Möglichkeit (Potenz) - der Siebente, die «unendliche Kraft»: „Diese unendliche Kraft nennt er den, der steht, gestanden ist, stehen wird.“ (Ref. VI,12) „Wenn dieser, der in den sechs Wurzeln sich befindet, ausgeprägt sein wird, so wird er im Wesen, in der Kraft, in der Größe und Vollendung ein und dasselbe wie die unerzeugte und unendliche Kraft sein, in nichts hinter der unerzeugten, unvergleichlichen, unendlichen Kraft zurückstehend.“ (Ref VI,12)

Nus und Epinoia sind zugleich Himmel und Erde, Phone und Onoma sind Sonne und Mond und Logismos und Enthymesis Luft und Wasser, wobei allen die «unendliche Kraft» beigemischt ist. (Ref. VI,13) Gemeinsam entsprechen sie den Schöpfungstagen der Bibel.

Das Paradies

Von dem Siebenten heißt es in der Genesis: „Und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser“ (1 Mos 1,2 LUT) Er ist das unverderbte Bild des unendlichen, unerzeugten Gottes. Es wirkt auch in jedem Kind, das im Mutterschoß heranreift. Simon vergleicht nun, wobei er sich auf Moses beruft, das Paradies mit dem Mutterschoß und interpretiert damit den zweiten Schöpfungsbericht, die Paradieseserzählung (1 Mos 2,5-25 EU). Die Genesis, das 1. Buch Mose, repräsentiert insgesamt die Empfängnis und Reifung des Menschen im mütterlichen Organismus.

„Nach Simon nämlich steht es so geschrieben. Moses nennt allegorisch den Mutterschoß Paradies, wenn man dem Worte glauben darf. Wenn nun Gott den Menschen im Mutterschoße bildet, d. i. im Paradiese, wie ich sagte, so muß das Paradies der Mutterschoß sein, Edem das Bauchfell, „der Fluß, der aus Edem entspringt, das Paradies zu bewässern“[4], der Nabel. Dieser Nabel wird in vier Hauptströme geteilt; auf beiden Seiten des Nabels liegen zwei Arterien, Geisteskanäle, und zwei Venen, Blutkanäle. Wenn aber vom Bauchfell Edem ausgehend der Nabel dem Fötus um das Epigastrium einwächst, das man allgemein Nabel nennt..... die zwei Venen, durch die das Blut von dem Bauchfell Edem durch die sogenannten Pforten der Leber, die den Embryo nähren, fließt und getrieben wird; die Arterien, von denen wir gesagt haben, daß sie Kanäle des Geistes sind, umfassen auf beiden Seiten die Blase um die große Öffnung und vereinigen sich an der großen Arterie, an der sogenannten Aorta am Rücken, und so bewirkt der Geist, durch die Öffnungen ins Herz gelangend, die Bewegung der Embryonen.“

Hippolyt von Rom: Ref. VI,14

Der Fluß, der aus dem Garten Eden entspringt und sich in vier Hauptströme teilt, entspricht der Nabelschnur. Daraus bilden sich die fünf Sinne: Gesicht, Gehör, Geruch, Geschmack und Gefühl (Ref. VI,15). Diese entsprechen zugleich, in der genannten Reihenfolge, den Fünf Büchern Moses.

Mit der Geburt erfolgt der Auszug (Exodus) aus dem mütterlichen Leib. Der Weg führt durch das Rote Meer - nach Simon das Blut - zu den mühseligen und bitteren Lebenserfahrungen, die erst durch Moses verwandelt süß werden (Ref. VI,15). Das Buch Levitikus handelt von Opfern und Opfergaben. „Wo immer aber Opfer ist, da entsteht Geruch von etwas Wohlduftendem durch die Brandopfer; für diesen Duft ist der Geruchsinn das Prüfungsmittel“ (Ref. VI,16) Voraussetzung für das Riechen ist aber die Einatmung. Die Zunge ist das Organ des Geschmackes und der Rede; dafür steht das vierte Buch, Numeri: „Weil es alles bespricht, wird es mit dem Wort Zahl (Numerus) benannt.“ (Ref. VI,16) Das fünfte und letzte Buch, Deuteronomium, ist die große Synthese aller anderen Bücher und steht für den Tastsinn: „Wie nämlich der Tastsinn die Wahrnehmungen der anderen Sinne durch Befühlen wiederholt und bestätigt, etwas als hart oder heiß oder feucht erweisend, so ist das fünfte Buch des Gesetzes die Wiederholung der vor ihm geschriebenen vier Bücher.“

Anmerkungen

  1. Hippolytus von Rom: Widerlegung aller Häresien (Refutatio omnium haeresium), Ref. VI,7-20 in der Bibliothek der Kirchenväter
  2. 5 Mos 4,24 EU
  3. Dan 4,7— 9 EU
  4. 1 Mos 2,10 EU