Ophiten: Unterschied zwischen den Versionen

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Die '''Ophiten''' oder '''Ophianer''' (von {{ELSalt|ὄφις}}, ''Ophis'', „Schlange“) und '''Naassener''' (von {{HeS|נָחָשׁ|nachasch}}, „Schlange“) waren [[Gnosis|gnostische]] Sekten der [[Wikipedia:Alte Kirche|frühchristlichen Zeit]] im [[Wikipedia:2. Jahrhundert|2. Jahrhundert]], die in ihren [[Kult]]en die [[Paradiesesschlange]] als göttliches Wesen verehrten. Sie brachte die göttlichen [[Erkenntnis]] (nach {{B|1 Mos|3|5}}), aber auch die Verderbnis. Den Naassener galt die Schlange als die alles belebende [[Weltseele]]. Die [[Kainiten]] verehrten sie, weil sie die Menschheit von der Knechtschaft des Schöpfergottes [[Jahve]] bzw. [[Jaldabaoth]] befreit habe. Ebenfalls zum gnostischen System der Ophiten zählen die nach dem [[hebräisch]]en Namen des [[Wikipedia:Euphrat|Euphrat]] ({{HeS|פְּרָת|Pherat}}) benannten [[Peraten]].
Die '''Ophiten''' oder '''Ophianer''' (von {{ELSalt|ὄφις}}, ''Ophis'', „Schlange“) und '''Naassener''' (von {{HeS|נָחָשׁ|nachasch}}, „Schlange“, hier transkripiert als ''nahas'' bzw. ''naas'') waren [[Gnosis|gnostische]] Sekten der [[Wikipedia:Alte Kirche|frühchristlichen Zeit]] im [[Wikipedia:2. Jahrhundert|2. Jahrhundert]], die in ihren [[Kult]]en die [[Paradiesesschlange]] als göttliches Wesen verehrten. Sie brachte die göttlichen [[Erkenntnis]] (nach {{B|1 Mos|3|5}}), aber auch die Verderbnis. Den Naassener galt die Schlange als die alles belebende [[Weltseele]]. Die [[Kainiten]] verehrten sie, weil sie die Menschheit von der Knechtschaft des Schöpfergottes [[Jahve]] bzw. [[Jaldabaoth]] befreit habe. Ebenfalls zum gnostischen System der Ophiten zählen die nach dem [[hebräisch]]en Namen des [[Wikipedia:Euphrat|Euphrat]] ({{HeS|פְּרָת|Pherat}}) benannten [[Peraten]].


== Lehre ==
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  Celsus gibt ferner noch an, ''"das Diagramm sei durch einen schwarzen dicken Strich in zwei Teile geschieden, und dieser Strich heiße dort die Gehenna, die auch Tartaros sei."''|Origenes|''Contra Celsum'' VI, 25 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel143-24.htm]}}
  Celsus gibt ferner noch an, ''"das Diagramm sei durch einen schwarzen dicken Strich in zwei Teile geschieden, und dieser Strich heiße dort die Gehenna, die auch Tartaros sei."''|Origenes|''Contra Celsum'' VI, 25 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel143-24.htm]}}


Als [[Ouroboros]]schlange (von {{ELSalt|οὐροβóρος}} „Schwanzfresser“) umwindet [[Leviathan]] das niedere Reich der [[sieben]] [[Planetensphären]], die von sieben [[Dämon]]en beherrscht werden. Ähnlich wird im [[Kabbala|kabalistischen]] [[Sefer Jetzira]] die Himmelsschlange [[Teli]] ({{HeS|תלי}}, ''geringelt'' ?) beschrieben. Leviathan ist zugleich der Herr und König der ''geschaffenen'' Welt und die Weltseele, die alle Dinge durchdringt.  
Als [[Ouroboros]]schlange (von {{ELSalt|οὐροβóρος}} „Schwanzfresser“) umwindet [[Leviathan]] das niedere Reich der [[sieben]] [[Planetensphären]], die von sieben [[Dämon]]en beherrscht werden. Ähnlich wird im [[Kabbala|kabalistischen]] [[Sefer Jetzira]] die Himmelsschlange [[Teli]] ({{HeS|תלי}}, ''geringelt'' ?) beschrieben. Teli ist der oberste Regent der geschaffenen Welt; der [[Tierkreis]] und das [[Herz]] sind ihm untergeordnet. Ähnlich ist Leviathan zugleich der Herr und König der ''geschaffenen'' Welt und die Weltseele, die alle Dinge durchdringt.  


Nach der Rekonstruktion von [[Wikipedia:Hans Leisegang|Hans Leisegang]]<ref>vgl. dazu: Rudolph, S 77ff</ref> ist der äußerster Kreis das Reich des [[Vater]]s. Wie der darunter sich anschließende Kreis des [[Sohn]]es besteht er aus reinem [[Geist]] ([[Pneuma]]). Diese beiden Kreise werden durch einen kleinen Kreis verbunden, der die göttliche [[Liebe]] ([[Agape]]) darstellt.  
Nach der Rekonstruktion von [[Wikipedia:Hans Leisegang|Hans Leisegang]]<ref>vgl. dazu: Rudolph, S 77ff</ref> ist der äußerster Kreis das Reich des [[Vater]]s. Wie der darunter sich anschließende Kreis des [[Sohn]]es besteht er aus reinem [[Geist]] ([[Pneuma]]). Diese beiden Kreise werden durch einen kleinen Kreis verbunden, der die göttliche [[Liebe]] ([[Agape]]) darstellt.  
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{{Zitat|Celsus bringt hierauf noch andere Fabeln vor: "gewisse Menschen gingen angeblich in die archontischen Gestalten über, so dass die einen Löwen würden, andere aber Stiere, und andere Drachen oder Adler oder Bären oder Hunde".|Origenes|Contra Celsum VI, 33 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel143-32.htm]}}
{{Zitat|Celsus bringt hierauf noch andere Fabeln vor: "gewisse Menschen gingen angeblich in die archontischen Gestalten über, so dass die einen Löwen würden, andere aber Stiere, und andere Drachen oder Adler oder Bären oder Hunde".|Origenes|Contra Celsum VI, 33 [http://www.unifr.ch/bkv/kapitel143-32.htm]}}


== Ein Hymnus der Naassener ==
== Der Naassenerpsalm ==


Hippolyt überliefert folgenden [[Wikipedia:Hymnus|Hymnus]] der Naassener, den '''Naassenerpsalm''', der ein Gesamtbild ihrer Grundlehren gibt. Die Überlieferung des Hymnus ist allerdings stark verderbt. Im Mittelpunkt steht [[Jesus]], der die ins [[Chaos]] der materiellen Welt gestürzte [[Menschheit]] erlösen will, indem er sie die [[Gnosis]] lehrt.
Hippolyt überliefert folgenden [[Wikipedia:Hymnus|Hymnus]] der Naassener, den '''Naassenerpsalm''', der ein Gesamtbild ihrer Grundlehren gibt. Die Überlieferung des Hymnus ist allerdings stark verderbt. Im Mittelpunkt steht [[Jesus]], der die ins [[Chaos]] der materiellen Welt gestürzte [[Menschheit]] erlösen will, indem er sie die [[Gnosis]] lehrt.

Version vom 15. September 2014, 14:47 Uhr

Die Anbetung der Schlange, Hellenistische Alabasterschale, 22 cm Durchmesser

Die Ophiten oder Ophianer (von griech. ὄφις, Ophis, „Schlange“) und Naassener (von hebr. נָחָשׁ nachasch, „Schlange“, hier transkripiert als nahas bzw. naas) waren gnostische Sekten der frühchristlichen Zeit im 2. Jahrhundert, die in ihren Kulten die Paradiesesschlange als göttliches Wesen verehrten. Sie brachte die göttlichen Erkenntnis (nach 1 Mos 3,5 EU), aber auch die Verderbnis. Den Naassener galt die Schlange als die alles belebende Weltseele. Die Kainiten verehrten sie, weil sie die Menschheit von der Knechtschaft des Schöpfergottes Jahve bzw. Jaldabaoth befreit habe. Ebenfalls zum gnostischen System der Ophiten zählen die nach dem hebräischen Namen des Euphrat (hebr. פְּרָת Pherat) benannten Peraten.

Lehre

Einen Grundriss der Anschauungen der Naassener zeichnete Hippolyt von Rom in seiner Widerlegung aller Häresien:.

„Es drängt die Zeit, an die Behandlung des Themas zu gehen und mit denen zu beginnen, die sich unterfingen, die Schlange, die Urheberin des Irrtums, mit Worten, die sie selbst erfand, zu feiern. Die ersten Priester und die Hauptvertreter dieser Lehre waren die sogenannten Naassener; sie heißen so nach dem hebräischen „Naas“, Schlange. Später nannten sie sich Gnostiker, da sie behaupteten, allein die Tiefen (der Weisheit) zu kennen. Von ihnen zweigten viele ab, und die einheitliche Irrlehre wurde vielspältig, indem mit verschiedenen Worten dasselbe dargelegt wurde, wie sich im Verlauf der Erörterung zeigen wird. Als (Prinzip) des Alls verehren sie den „Menschen“ und den „Menschensohn“. Dieser Mensch ist mannweiblich; sie nennen ihn Adam; es gibt viele mannigfaltige Loblieder auf ihn; diese Loblieder lauten kurz gefaßt ungefähr so: „Von dir Vater und durch dich Mutter, die zwei unsterblichen Namen, der Welten Eltern, du Himmelsbürger, hochgepriesener Mensch.“ Sie nehmen in bezug auf ihn, wie in bezug auf Geryones, eine Dreiteilung an. Denn an ihm, sagen sie, ist ein rationeller, ein psychischer und ein stofflicher Teil. Sie glauben, ihn zu erkennen sei der Anfang der Gotteserkenntnis und sagen: „Anfang der Vollkommenheit — Kenntnis des Menschen, Gotteserkenntnis — vollkommene Vollendung.“ All dies aber, das Rationelle, das Psychische und das Stoffliche ist vereint auf einen Menschen, Jesus, den Sohn Mariens, herabgekommen. Und diese drei Menschen sprachen zugleich, jeder aus seinem eigenen Wesen heraus, zu den Seinigen. Denn es gibt dreierlei Wesen im Weltall: engelhafte, psychische, stoffliche, und drei Kirchen: die engelhafte, die psychische und die stoffliche; ihre Namen sind: die Auserwählte, die Berufene und die Gefangene.“

Hippolyt von Rom: Widerlegung aller Häresien V,6 [2]

Diese Lehre, so behaupten die Naassener laut Hippolyt, habe Jakobus, der Bruder des Herrn, der Mariamne überliefert[1]. Mit Mariamne ist vermutlich Maria Magdalena gemeint[2]. Hier deutet sich eine Parallele zur Helena des Simon Magus an: die schuldig-unschuldig in die Finsternis gefallene Seele, die mit Hilfe des Meisters, des Erlösers, den Weg zurück zum geistigen Licht findet.

„So wollen wir denn mit den Schlangenanbetern beginnen. Die Naassener nennen den Menschen den ersten Urgrund des Alls, sie nennen ihn auch Menschensohn; sie zerlegen ihn in drei Teile. Er hat einen rationellen, einen physischen und einen stofflichen. Sie nennen ihn Adam und glauben, seine Erkenntnis sei der Anfang des Erkenntnisvermögens Gottes. Und alles dieses Rationelle und Psychische und Stoffliche habe sich in Jesus vereinigt, und zugleich hätten die drei Substanzen durch ihn zu den drei Geschlechtern gesprochen. Im All, sagen sie, gebe es drei Geschlechter, die Engelwelt, das Psychische und das Stoffliche, und es gebe drei Kirchen, die Engelskirche, die psychische und die stoffliche; ihre Namen seien die Auserwählte, die Berufene, die Gefangene. Das sind, kurz gefaßt, die Hauptpunkte ihrer Lehre. Sie sagen, Jakobus, der Bruder des Herrn, habe dies der Mariamne mitgeteilt und verleumden so die beiden.“

Hippolyt von Rom: Widerlegung aller Häresien X,9 [3]

Auch hätten die Naassener strenge sexuelle Enthaltsamkeit gefordert. Von der Schlange, dem Naas, hätten nach ihrer Lehre alle Tempel (griech. ναός naos) ihren Namen und ohne Naas, der die „feuchte Wesenheit“ sei, könne kein Wesen bestehen. Das Paradies aber vergleichen sie mit menschlichen Kopf, ähnlich wie die Simonianer es mit dem Mutterschoß verglichen hatten.

„Denn gar ernst und streng schreiben sie vor, sich des Umgangs mit einem Weibe zu enthalten, als ob sie verschnitten wären. Im übrigen handeln sie, wie wir weitläufig klarlegten, wie Verschnittene; sie ehren aber nichts anderes als den Naas und heißen Naassener. Naas aber bedeutet die Schlange, nach der alle Tempel9 unter dem Himmel den Namen haben, (nämlich) von Naas. Auch sei dem Naas allein jedes Heiligtum, jegliche Weihe und jegliches Geheimnis geweiht, und es lasse sich überhaupt keine Weihe unter dem Himmel finden, bei der nicht ein Tempel10 sei und der Naas darin, wovon der Tempel11 den Namen erhielt. Sie sagen, die Schlange sei die feuchte Wesenheit, ebenso wie Thales aus Milet, und ohne ihn (den Naas) könne überhaupt kein Wesen bestehen, weder von den Unsterblichen noch von den Sterblichen, von den Beseelten oder den Seelenlosen. Ihm unterstehe das All, und er sei gut und habe alles in sich wie im Horne des einhörnigen Stieres, so daß er allen seienden Dingen die Schönheit und Anmut nach ihrer Natur und Eigenart gebe, indem er gleichsam durch alle wandle, „wie was aus Eden ausging und sich in vier Ursprünge spaltete“12. Eden aber ist das Hirn, das gleichsam in den umgebenden Hüllen eingebunden und eingezwängt ist, wie in den Himmeln. Das Paradies aber, meinen sie, ist der Mensch bloß in bezug auf den Kopf. „Der Strom also, der aus Eden ausgeht“, d. i. vom Gehirn, „scheide sich in vier Ursprünge; der Name des ersten Flusses aber sei Phison; dieser umgibt das ganze Land Evilat, dort wo das Gold ist; das Gold jenes Landes ist gut. Auch gibt es dort den Rubin und den Smaragd“13. Dies ist das Auge, das durch seinen Wert und seine Färbung diese Behauptung bezeugt. „Der Name des zweiten Flusses ist Gehon; er umgibt das ganze Land Äthiopien“14. Dieser ist das Gehör, das ungefähr wie ein Irrgarten aussieht. „Und der dritte heißt Tigris; dieser fließt Assyrien gegenüber“15. Dieser ist der Geruch; er hat die stärkste Strömung. Er fließt Assyrien gegenüber, weil nach dem Ausatmen der Luft beim Einatmen die von außen aus der Luft eingezogene16 Luftströmung stärker und mächtiger eindringt. Denn darin besteht das Atmen. „Der vierte Fluß ist der Euphrat“17. Diesen nennen sie den Mund, durch den das Gebet ausgeht und die Nahrung eingeht, die den geistigen vollkommenen Menschen erfreut, nährt und kennzeichnet. Dieser ist das Wasser über dem Firmament, von dem der Heiland sagt: „Wenn du wüßtest, wer der Bittende ist, du würdest ihn bitten und er gäbe dir lebendiges, quellendes Wasser zu trinken“18. Zu diesem Wasser geht jedes Wesen und sucht sich sein eigenes Wesen aus. Und aus diesem Wasser drängt zu jedem Wesen seine Eigenart, mehr als das Eisen zum Magneten und das Gold zum Röhrknochen des Seeadlers und die Spreu zum Bernstein. Wenn aber einer von Geburt blind ist und „das wahre Licht“ nicht sieht, „das jeden Menschen erleuchtet, der in die Welt kommt“19, der soll durch uns das Gesicht erhalten und sehen, wie sozusagen aus einem mannigfach bepflanzten und samenreichen Paradies Wasser alle Pflanzen und Samen durchdringt, und er wird erkennen, daß aus einem und demselben Wasser der Ölbaum das Öl und der Weinstock den Wein auswählt und an sich zieht, und so jedes Gewächs nach seiner Art. Es ist aber jener Mensch ungeehrt in der Welt und hochgeehrt [im Himmel]20, denen, die ihn nicht kennen, [verraten]21 durch die, die ihn nicht kennen, beurteilt wie ein Tropfen am Eimer22. Wir aber sind die Geistigen, die wir uns vom lebendigen Wasser des mitten durch Babylon fließenden Euphrat unsere Eigenart auswählen, indem wir durch das wahre Tor eingehen23, das der selige Jesus ist. Und von allen Menschen sind wir die einzigen Christen, die am dritten Tor das Geheimnis vollbringen und dort mit unsagbarem Salböl aus dem Horne gesalbt werden wie David24, nicht aus dem Tongeschirr wie Saul25, der mit dem bösen Dämon der fleischlichen Begierde zusammenlebte.“

Hippolyt von Rom: Widerlegung aller Häresien V,9 [4]

Der Schlangenkult

Epiphanios von Salamis berichtet über den Schlangenkult in seiner sehr polemischen „Hausapotheke gegen die Schlangenbisse der Häresie“:

„Sie halten nämlich eine natürliche Schlange und ziehen sie in einem Behälter auf, die sie zur Zeit ihrer Mysterien aus dem Schlupfwinkel hervorholen, und während sie Brote auf einem Tisch anhäufen, rufen sie ebendiese Schlange herbei; wenn nun der Schlupfwinkel geöffnet ist, kommt sie hervor. Und wenn so die Schlange vermöge ihrer Weisheit und Klugheit herbeikommt und schon deren Dummheit erkennt, geht sie auf den Tisch und wälzt sich in den Broten. Und dies, sagen sie, sei das vollkommene Opfer. Und dann, wie ich von jemandem gehört habe, brechen sie nicht nur die Brote, in denen sich die Schlange gewälzt hat, und teilen sie an die Kommunizierenden aus, sondern jeder küßt auch die Schlange mit dem Munde, da die Schlange durch einen magischen Beschwörungsgesang zahm gemacht worden ist oder das Tier durch eine andere teuflische Kraft zu ihrer Täuschung milde gemacht worden ist. Sie werfen sich also vor diesem nieder und nennen dies Eucharistie, die das geworden ist durch sie [die Schlange], die sich herumgewälzt hat, und indem sie dann dem oberen Vater durch sie [die Schlange], wie sie sagen, einen Hymnus emporsenden, vollenden sie so ihre Mysterien.“

Epiphanios: Panarion haer. XXVI,4.5[3]

Ophitendiagramm

Die Kosmologie der Ophiten

Das Ophitendiagramm, rekonstruiert von Hans Leisegang (Lit.: Leisegang, S 20f)
Eine andere Rekonstruktion des Ophitendiagramms von Bernd Witte[4]

Das Diagramm der Ophianer ist eine beschriftete schematische Zeichnung, die tiefere Einblicke in die Kosmologie der Ophiten gibt. Die Zeichnung ist allerdings verschollen. Der Platoniker Celsus (griech. Κέλσος Kélsos), der auch die älteste bekannte Streitschrift gegen das Christentum verfasst hat, gab eine Beschreibung des Diagramms, die aber ebenfalls nicht erhalten ist und nur aus der Gegenschrift Contra Celsum des Origenes erschlossen werden kann. Origenes schreibt:

„In diesem Diagramm "waren zehn Kreise gezeichnet, die von einander geschieden, aber durch einen Kreis verbunden waren", der als die Seele aller Dinge bezeichnet und Leviathan genannt wurde. Von diesem Leviathan sagen die jüdischen Schriften mit irgendeiner geheimnisvollen Andeutung, dass er von Gott geschaffen worden sei zu einem "Spielzeug". Denn in den Psalmen fanden wir die Stelle: "Alles hast du in Weisheit geschaffen; die Erde ist erfüllt von deinen Geschöpfen. Dies ist das große und weite Meer; daselbst gehen die Schiffe, da sind kleine und große Tiere, da ist dieser Drache, den du geschaffen hast, um mit ihn zu spielen". Statt drakon steht im Hebräischen Leviathan. Obgleich der Prophet sonach offenbar von dem Leviathan nichts Gutes sagt, so bezeichnete ihn doch das gottlose Diagramm als die Seele, welche alle Dinge durchdringt. Wir fanden darauf auch den Namen des Behemon, gleichsam nach dem untersten Kreise aufgestellt. Diesen Leviathan aber hat der Verfertiger jenes abscheulichen Diagramms auf dem Rand und auf dem Mittelpunkt des Kreises aufgeschrieben, seinen Namen also zweimal angebracht.
Celsus gibt ferner noch an, "das Diagramm sei durch einen schwarzen dicken Strich in zwei Teile geschieden, und dieser Strich heiße dort die Gehenna, die auch Tartaros sei."

Origenes: Contra Celsum VI, 25 [5]

Als Ouroborosschlange (von griech. οὐροβóρος „Schwanzfresser“) umwindet Leviathan das niedere Reich der sieben Planetensphären, die von sieben Dämonen beherrscht werden. Ähnlich wird im kabalistischen Sefer Jetzira die Himmelsschlange Teli (hebr. תלי, geringelt ?) beschrieben. Teli ist der oberste Regent der geschaffenen Welt; der Tierkreis und das Herz sind ihm untergeordnet. Ähnlich ist Leviathan zugleich der Herr und König der geschaffenen Welt und die Weltseele, die alle Dinge durchdringt.

Nach der Rekonstruktion von Hans Leisegang[5] ist der äußerster Kreis das Reich des Vaters. Wie der darunter sich anschließende Kreis des Sohnes besteht er aus reinem Geist (Pneuma). Diese beiden Kreise werden durch einen kleinen Kreis verbunden, der die göttliche Liebe (Agape) darstellt.

Anschließend an die beiden äußeren Kreise folgen nun als „Zwischenreich“ zwei weitere, seelisch-geistige Kreise: der gelbe Kreis des göttlichen Lichts und der blaue Kreis der Finsternis, der als Himmelsgewölbe jenseits der Fixsternsphäre liegt und mit der in der Bibel genannten «Feste» (1 Mos 1,6 LUT) identisch sein dürfte. Der gelbe und der blaue Kreis sind wieder durch einen kleinen Kreis verbunden, der das Reich der «Sophia» repräsentiert. Von hier entspringen die Keime des „Lebens“, d.h. die „lebendige Seele“ des Menschen. In den Sophia-Kreis ist in der Zeichnung Leisegangs noch eine Raute mit zwei kleinen, einander überschneidenden Kreisen eingeschrieben (siehe Zeichnung). In horizontaler Richtung liest man die Worte «Vorsehung der Sophia», vertikal steht «Natur der Sophia». Im oberen Kreis steht «Gnosis» (Erkenntnis), im unteren «Synesis» (Einsicht).

„In dem erwähnten Diagramm fanden wir aber "den größeren und den kleineren Kreis", auf deren Durchmesser zu lesen war: "Vater" und "Sohn". Und zwischen dem größeren Kreis, der den kleineren umschloß, und einem anderen, der aus zwei Kreisen bestand, von welchen der äußere gelb, der innere aber dunkelblau war, sahen wir die mit einer beilartigen Figur beschriebene Zwischenwand und höher als diese einen kleinen Kreis, der den größeren der zwei vorigen berührte, mit der Inschrift: "Liebe" und einem anderen darunter, der denselben Kreis berührte, mit der Inschrift: "Leben". Dem zweiten Kreise, der umschlungen war und1 zwei andere Kreise und eine andere rhombusartige Figur umschloß, waren die Worte eingeschrieben: "Vorsehung der Weisheit", und innerhalb ihres gemeinsamen Schnittes las man: "Natur der Weisheit". Oberhalb ihres gemeinsamen Schnittes aber befand sich ein anderer Kreis, auf dem geschrieben war: "Erkenntnis", und unterhalb ein anderer mit der Inschrift: "Einsicht".“

Origenes: Contra Celsum VI, 38 [6]

An das blaue Himmelsgewölbe schließt sich innen der Tierkreis - als „Achtheit“ - an. Hier ist auch das Paradies (in der Zeichnung als Rechteck dargestellt) mit dem Baum der Erkenntnis und dem Baum des Lebens angesiedelt. Das «flammende, sich drehende Schwert» scheidet das Paradies von der Fixsternsphäre.

„Wir fanden aber in unserem Diagramm auch das, was Celsus "viereckige Figur" nannte, und was jene Unglücklichen bei den Toren des Paradieses sagen. " Das Flammenschwert" war darauf abgebildet als Durchmesser eines feurigen Kreises, gleichsam als hielte es Wache bei "dem Baume der Erkenntnis und des Lebens"[6]

Origenes: Contra Celsum VI, 33 [7]

Dann folgt, wie schon erwähnt, Leviathan, der als Himmelsschlange die böse Welt der Planetensphären umschließt und die höhere und die nieder Welt voneinander trennt - und zugleich verbindet. Im Zentrum steht die Erde, deren unterer Teil der Tartaros, die Unterwelt, ist. Umgeben ist die Erde von einem Luftkreis, der bis an die Mondensphäre heranreicht. Hier, im Reich der niederen Begierden, vergleichbar dem Kamaloka, herrscht Behemoth.

Sieben Archonten, die sieben herrschenden Dämonen, regieren die Hebdomas (griech. εβδομάς, Siebenheit), die niedere Welt der Planetensphären.

„Im folgenden nimmt dann Celsus wieder die Lehre von "den sieben herrschenden Dämonen" auf, die nirgends von den Christen genannt, sondern wie ich glaube, von den Ophianern angenommen werden. In der Tat haben wir auf dem Diagramm, das wir uns ihretwegen verschafften, dieselbe Ordnung beobachtet gefunden, welche Celsus angegeben hat. Celsus sagt nun, "der erste sei nach dem Aussehen eines Löwen gestaltet," ohne anzugeben, wie ihn diese wahrhaft gottlosen Leute benennen. Wir aber fanden, dass der in den heiligen Schriften gepriesene Engel des Schöpfers in jenem abscheulichen Diagramm als Michael der Löwengestaltige bezeichnet wurde. "Der zweite in der Reihe ist" nach des Celsus Angabe, "ein Stier" das Diagramm, das uns vorlag, bezeichnete den Suriel, den stierähnlichen. "Der dritte ist" nach der Versicherung des Celsus, "ein gewisses Doppelwesen, das schauerlich zischt". Das Diagramm aber sagte vom dritten, er sei Raphael, der drachenartige. "Der vierte hat" nach der Behauptung des Celsus, "die Gestalt eines Adlers"; das Diagramm aber sprach von Gabriel, dem adlerähnlichen. "Der fünfte", sagt dann Celsus, "hat das Gesicht eines Bären", das Diagramm aber nannte den Thauthabaoth, den bärenartigen. Dann sagt Celsus, "vom, sechsten würde berichtet, dass er bei jenen das Gesicht eines Hundes habe"; das Diagramm dagegen behauptete, er sei Erathaoth. "Von dem siebenten" gibt dann Celsus an, dass er "das Gesicht eines Esels habe und Thaphabaoth oder Onoel genannt werde"; wir haben in dem Diagramm gefunden, dass dieser Onoel oder Thartharaoth genannt wird und wie ein Esel gestaltet ist.“

Origenes: Contra Celsum VI, 30 [8]

An der Spitze der Archonten steht der Schöpfer der niederen planetarischen Welt, der löwengestaltige Demiurg Jaldabaoth, der in der Saturnsphäre residiert. Es folgen Jao (Jupiter), Sabaoth (Mars), Astaphaios (Venus), Ailoaios (Merkur) und zuletzt Horaios, der Herr der Mondsphäre. Die Sonnensphäre erwähnt Origenes nicht; von Jaldaboath heißt es aber, dass er der erste und der siebente sei.

„"Du aber, der du der erste und siebente bist, dazu geboren, mit Selbstvertrauen zu gebieten, Jaldabaoth, herrschendes Wort des reinen Verstandes, vollkommenes Werk für Sohn und Vater, indem ich in dem Gepräge eines Bildes das Sinnbild des Lebens heranbringe, habe ich der Welt das Tor geöffnet, welches du für deine Zeit geschlossen hattest, und gehe wiederum frei vorbei an deiner Macht. Die Gnade sei mit mir, ja Vater, sie sei mit mir!" Dieser Herrscher mit der Löwengestalt steht nach ihrer Versicherung mit dem Stern Phainon[7] in Beziehung.

Wer dann den Jaldabaoth hinter sich hat und bei dem Jao[8] angekommen ist, von dem glauben sie, dass er sprechen müsse: "Du aber, Jao, Herrscher über die verborgenen Geheimnisse des Sohnes und Vaters, der du leuchtest zur Nachtzeit, du zweiter und erster, Fürst des Todes, von dem Unschuldigen ein Teil, indem ich dir jetzt die eigene ergebene Gesinnung als Sinnbild bringe, bin ich bereit, an deinem Reich vorüberzugehen. Du hast den durch dich Gewordenen mit lebendigem Worte gekräftigt. Die Gnade sei mit mir, Vater, sie sei mit mir!" Darauf[9] den Sabaoth[10] , den man, wie sie glauben so anreden muß: "Herrscher des fünften Reiches, Fürst Sabaoth, Verteidiger des Gesetzes deiner Schöpfung, die durch Gnade befreit wird, durch eine mächtigere Pentas, sieh das tadellose Sinnbild deiner Kunst, im Bilde eines Abdpucks bewahrt, einen Leib durch die Pentas befreit, und laß mich vorbeiziehn! Die Gnade sei mit mir, Vater, sei mit mir!" ...Sodann[11] den Astaphaios[12] , den man nach ihrer Meinung folgendermaßen anzusprechen hat: "Astaphaios, Herrscher des dritten Tores, Hüter der Urquelle des Wassers, sieh mich an als einen Geweihten, der durch den Geist der Jungfrau gereinigt ist, und laß mich vorbei, der du das Wesen der Welt schaust. Die Gnade sei mit mir, Vater, sie sei mit mir!" Nach diesem[13] den Ailoaios[14] , zu dem man, wie sie meinen, solche Worte sagen muß: "Ailoaios, Herrscher des zweiten Tores, laß mich vorbei, ich bringe dir das Sonnbild deiner Mutter, die Gnade, die in den Kräften der Mächte verborgen ist. Die Gnade sei mit mir, Vater, sie sei mit mir!" Als letzten nennen sie den Horaios[15] und meinen zu ihm sprechen zu müssen: "Der du furchtlos den Wall des Feuers überschritten und die Herrschaft über das erste Tor erhalten hast, Horaios, laß mich vorbei! Denn du siehst das Sinnbild deiner Macht gestürzt durch das Bild des Baumes des Lebens, ein Abbild, das nach der Ähnlichkeit mit dem Unschuldigen genommen ist. Die Gnade sei mit mir, Vater, sie sei mit mir!"“

Origenes: Contra Celsum VI, 31 [9]

Nach Celsus sollen auch einige Menschen in archontische Gestalten übergegangen sein:

„Celsus bringt hierauf noch andere Fabeln vor: "gewisse Menschen gingen angeblich in die archontischen Gestalten über, so dass die einen Löwen würden, andere aber Stiere, und andere Drachen oder Adler oder Bären oder Hunde".“

Origenes: Contra Celsum VI, 33 [10]

Der Naassenerpsalm

Hippolyt überliefert folgenden Hymnus der Naassener, den Naassenerpsalm, der ein Gesamtbild ihrer Grundlehren gibt. Die Überlieferung des Hymnus ist allerdings stark verderbt. Im Mittelpunkt steht Jesus, der die ins Chaos der materiellen Welt gestürzte Menschheit erlösen will, indem er sie die Gnosis lehrt.

Gesetz des Werdens für das All ist der erstgeborene Geist,
Das zweite ist des Erstgeborenen ausgegossenes Chaos,
Als drittes erhielt es die Seele, die das Gesetz vollzieht.
Deshalb umhüllt mit des Hirsches Gestalt,
Müht sie, vom Tode bewältigt, ihr Werk,
Bald hat sie die Herrschaft und sieht das Licht,
Bald trauert sie, ins Elend gestoßen,
Bald wird sie beweint, ist froh,
Bald weint sie, wird gerichtet,
Bald wird sie gerichtet, stirbt,
Bald wird die Rückkehr, die unselige, zum Unheil,
Sie betrat irrend ein Labyrinth,
Es sprach aber Jesus: Sieh Vater,
Ein Suchen der Übel auf Erden,
Von deinem Hauche brandet es heran,
Sie sucht zu entrinnen dem bitteren Chaos,
Und weiß nicht, wie sie hindurchkommen wird,
Dazu sende mich, Vater,
Mit Siegeln will ich niedersteigen,
Alle Äonen will ich durchwandern,
Alle Geheimnisse will ich erschließen,
Die Gestalten der Götter will ich zeigen,
Und das Verborgene des heiligen Weges
Gnosis nennen und lehren.

Hippolyt von Rom: Refutatio V,10 [11]

Anmerkungen

  1. Ref. V,7 [1]
  2. vgl. Leisegang, S 114 oben
  3. Epiphanios: Panarion haer. XXVI,4.5; übers. nach H. Leisegang: Gnosis (1985), S.190-192
  4. Bernd Witte, Ophitendiagram, S. 152, Abbildung 2.
  5. vgl. dazu: Rudolph, S 77ff
  6. vgl. 1 Mos 2,9 EU und 1 Mos 3,22-24 EU
  7. Saturn
  8. Jupiter
  9. nennen sie
  10. Mars
  11. nennen sie
  12. Venus
  13. nennen sie
  14. Merkur
  15. Mond

Literatur

  1. Hans Jonas: Gnosis uns spätantiker Geist I, Vandenhoeck u. Ruprecht, Göttingen 1934, 1964, 1988 ISBN 978-3525531235
  2. Hans Leisegang: Die Gnosis. A. Kröner, Leipzig 1924. 2. Auflage 1936. 5. Auflage, Kröner, Stuttgart 1985. ISBN 3-520-03205-8
  3. Kurt Rudolph: Die Gnosis. Wesen und Geschichte einer spätantiken Religion, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005 ISBN 3-525-52110-3
  • Bernd Witte: Das Ophitendiagramm nach Origenes' Contra Celsum VI, 22-38 (Arbeiten zum spätantiken und koptischen Ägypten 6), Altenberge 1993, ISBN 3-89375-090-8.